ÜBER DIE
 
 

PHYSIKALISCHE UND PHILOSOPHISCHE

ATOMENLEHRE.

VON

GUSTAV THEODOR FECHNER.
 
 

ZWEITE VERMEHRTE AUFLAGE,
 
 

LEIPZIG.

HERMANN MENDELSSOHN. 1864







                                                                                          Inhalt.

Über die physikalische Atomistik.

    Vorwort
I. Eingang.
II. Beweisgang.
III. Vorbemerkungen über das Substrat der Imponderabilien
IV. Gründe für die Atomistik, entnommen aus dem Gebiete der Erscheinungen von Licht und Wärme.
V. Gründe für die Atomistik aus dem Bedürfnis, die Erscheinungen des Magnetismus mit den elektrischen und anderen Erscheinungen zu verknüpfen.
VI. Gründe bezüglich der Repräsentierbarkeit des allgemeinen Zusammenhanges der sogenannten Molekularerscheinungen.
VII. Speziellere Gründe für die Atomistik aus dem Gebiete der Molekularverhältnisse.
VIII. Rückblick.
IX. Einwand, dass ein leerer Raum zwischen den Atomen nicht denkbar sei, weil der Raum nur in Ausdehnung der Materie bestehe.
X. Einwurf, dass die Atomistik die Schwierigkeit nur zurückverlege.
XI. Ästhetischer Gesichtspunkt. Vorwurf, dass die Atomistik eine zersplitternde oder materialistische Weltansicht mitführe oder begünstige.
XII. Beziehung der Atomistik zu den allgemeinsten, höchsten und letzten Dingen.
XIII. Resumé der physikalischen Atomistik.

Zusatzkapitel

XIV. Vorbetrachtung.
XV. Über den Begriff der Materie und Substanz.
XVI. Über den Begriff der Kraft und sein Verhältnis zum Begriffe der Materie.
XVII. Über den Realitätsbegriff in Beziehung zur Atomenfrage.
XVIII. Schlußbetrachtungen.

Über die philosophische Atomenlehre. (Einfache Atomistik.)

XIX. Eingang.
XX. Grundgesichtspunkte.
XXI. Unterstützende Gesichtspunkte und Einwände.
XXII. Philosophische Bezugspunkte.
XXIII. Über die Bewegung der einfachen Atome.
XXIV. Über die Qualität und Kräfte der einfachen Atome.
XXV. Hypothese über das allgemeine Kraftgesetz der Natur.
XXVI. Historisches über die Ansicht von den einfachen Grundatomen.

Zusatzkapitel.

XXVII. Auszugsweise Darstellung der Grundgesichtspunkte der einfachen Atomistik aus Boscovich’s Theoria philosophiae naturalis.
XXVIII. Über den psychischen Wert der einfachen Atome. Monadologische und synechologische Ansicht.
 
 



XVIII
XVIII. Schlußbetrachtungen.

    Schließen wir die vorigen Kapitel noch mit einigen allgemeinsten und rekapitulierenden Betrachtungen ab.

    Wenn wir uns nach Allem in Natur- und Geisteswissenschaft überall weigern, hinter das Aufzeigbare, die Erscheinung und das im Sinne derselben Vorstellbare zurückzugehen, selbst der Philosophie ein solches Recht nicht, weil die Kraft nicht, zuerkennen mögen, nur Abstraktionen, Verallgemeinerungen, Verknüpfungen, Gesetze, Grenzen, die vom Aufzeigbaren und danach Vorstellbaren über dasselbe hinausführen, ohne sich vom Bezuge dazu lösen zu können, statuieren, so fragt sich, was bleibt zuletzt für das Bedürfnis einer tiefergehenden Betrachtung, ein ideelleres Interesse, eine nicht bloß mit dem Gegebenen befriedigte Sehnsucht übrig; und nimmer wird man den menschlichen Geist und das menschliche Gemüt in die Erscheinung so einsperren, dass er sich in dieser Gefangenschaft begnügt fände, nicht zum tieferen Wesen zurückverlangte, nicht zu etwas Übersinnlichem strebte, nicht Ungesehenes auch wirklich halten sollte.

    Aber dies ganze Bedürfnis, Interesse, Verlangen wird, indem es in die rechten Schranken seiner möglichen Befriedigung gewiesen wird, in vollerem Maße befriedigt als durch Vorspiegelung von Aussichten ins Unmögliche und Leere. Denn indem die Betrachtung sich weigert, hinter die Erscheinung und das dadurch Vorstellbare zurückzugehen, weigert sie sich doch nicht, das Vorstellbare bis ins Letzte zu analysieren, also dass zum Kleinsten wie zum Größten, was in die Erscheinung treten kann, die Elemente wie Methoden des Baues gewonnen werden; indem sie von einer Qualität, einem Wesen rücklings der Erscheinung nichts weiß und nur leere Worte darin findet, verzichtet sie doch nicht, das Wesentliche aller Erscheinung zu erkennen, d. h. das in aller Erscheinung Konstante, Gesetzliche, Allgemeine, ewig Bleibende, und mit Bezug darauf auch jede einzelne Erscheinung abzuwägen; indem sie mit etwas Höchstem und Unendlichem nicht anzufangen weiß, blickt sie danach doch als nach einem Ziele; indem sie keine Ahnung von etwas zu haben bekennt, das nie in die Erscheinung treten kann, noch aus ihr zu gewinnen ist, und selbst eine Idee für Nichts hält, die nicht in einem Geiste erscheint, so trachtet sie um so mehr danach, aus Dem, was heute, hier und mir und Dir und möglichst Vielen erscheint, zu erforschen, was anderswo und anderswann und unter jedweden anderen Bedingungen und anderen Wesen erscheinen kann, und dem Dasein anderer Wesen selbst nachzuforschen; so treten Jenseits, Gott und Seelen gegenüber, ob und wie sie sind, das heißt wie sie sich selbst erscheinen und erscheinen können, in den Kreis der Betrachtung auf Grund der Verallgemeinerung, Erweiterung, Steigerung, Gipfelung Dessen, was uns erscheint, und wie wir uns erscheinen. Wer von anderem Übersinnlichen, oder vom Übersinnlichen anders spricht, als was im Kreise des hier aufgeführten Erscheinlichen und daraus Gewinnbaren enthalten ist, weiß nicht, was er spricht, weiß nicht, was er sucht.

    Das bleiben die Grundprinzipien alles haltbaren Wissens: vor allem das Gegebene fest, die Vorstellung davon klar zu stellen, davon zu sammeln, was zu sammeln möglich ist, aus dem Gegebenen das Nichtgegebene, aus dem Vorstellbaren anderes Vorstellbare zu finden, nie umgekehrt aus dem Nichtgegebenen das Gegebene, nie aus dem Unvorstellbaren das Vorstellbare finden zu wollen, das Höchste auf das Niedrigste, das Allgemeinste auf das Besonderste zu stützen, dem Abstraktesten nur in Beziehung zu seinen Concretis Bedeutung beizulegen, die Begriffe nach den Dingen und dann erst die Dinge nach den Begriffen zu konstruieren, kein Wort zu brauchen, ohne es, sei es für sich, sei es im Zusammenhange auf etwas in Wirklichkeit oder danach in der Vorstellung Aufzeigbares oder klar Erläuterbares zu beziehen; mit Rücksicht auf alles Dies aber in Allem das Allgemeinste, Höchste, Letzte, Eine, Ewige zu suchen, und nichts Einzelnes, Niedriges, Endliches ohne den Bezug dazu und den Abschluß in solchem zu gestatten.

    Indem ich unter diesen Forderungen die stelle, das Höchste auf das Niedrigste, das Allgemeinste auf das Besonderste zu stützen, behaupte ich damit nicht, dass die Philosophie, als Wissenschaft der Wissenschaften, nichts weiter als eine Zusammenstellung nur eben des Einzelnen, Niedrigen, Endlichen sein soll, auf dessen Grunde sie erst aufzusteigen hat. Sondern es hat mir immer folgendes Bild treffend geschienen: man muß einen Turm von der breiten Basis, nicht von der Spitze aus erbauen, und je höher der Turm werden soll, so breiter muß die Basis sein; ist man aber auf die Spitze gelangt, ja auf jeder Stufe zur Spitze, kann man sich viel weiter ins Land umsehen, als auf allen tieferen Stufen, die doch erst zur Spitze führen mußten. Weiter umsehen, sage ich, und die allgemeinen Verhältnisse hiermit richtiger fassen, obwohl, wer im Lande selber geht, immer das Einzelne noch triftiger fassen wird, als wer es auf dem Turme von oben ansieht. Auch mag man nach der Spitze des Turmes zum voraus den Gedanken richten, ehe man den Turm dahin geführt hat, doch vielmehr eine Aussicht auf höhere und weitere Aussichten in das Land, als solche selbst dadurch schon begründet halten, und vor allem im Träumen über idealen Aussichten nicht die wirklichen aus dem Auge verlieren.

    Es gibt aber allerdings eine Weise, den Turm auf der Spitze zu erbauen, ja rasch zu schwindelnder Höhe aufsteigen zu lassen, so dass er doch so fest zu stehen scheint, als wurzele er im Boden, und alle seine Klammern so haltbar scheinen, als wären sie von Stahl und Eisen. In der Wirklichkeit erzeugt man diesen Schein dadurch, dass man den Turm in einem Hohlspiegel betrachtet, in der Philosophie dadurch, dass man die Welt im Spiegel des Schelling’schen, Hegel’schen oder Herbart’schen Systems betrachtet, die sich in der Hauptsache dadurch unterscheiden, dass erstere Beide die verkehrte Lage des Turms für die wahre, letztere den Schein für den Turm und den Turm für den Schein ausgibt; dass die Spitze der ersteren ganz in der Luft schwebt, die des letzteren den festen Boden doch leise berührt.

    Worin ist denn nun der wirkliche Turm dem Scheinbild vorzuziehen? Man kann auf seine Stufen wirklich treten, seine Glocken läuten wirklich in das Land, von seinem Gipfel kann man wirklich Neues sehen; das Scheinbild ist nur da, es selber anzusehen.

    Gewiß sind von Schelling und Hegel große Blicke ausgegangen. Aber Alles zerrinnt ins Vergebliche oder bedarf erst der festen Gestaltung und Gründung, weil ihr Blick, anstatt sich auf die Dinge scharf zu richten, die Dinge selbst hervorzaubern will. Immerhin zieh’ ich den kühn ausschauenden, weittragenden Blick von Schelling und Hegel weit vor dem spintisierenden, das Enge noch verengenden von Herbart, ihre Welt voll gewaltiger, einander fassender, haltender, tragender Nebelbilder den einzelnen Nebelbläschen, in die er die Welt zerfällt, die Hand, die sich ins Blaue streckt, die Welt mit einem Griffe zu umspannen, der Hand, die sich anschickt, sie in Staub zu zerreiben; Beides ein gleich vergebliches Bemühen; doch jenes Streben ist wenigstens gerichtet auf Das, was ist, das Hohe, das Ewige, das Unendliche, das Ganze, und die Menschenhand verwechselt sich nur bald mit Gottes Hand, bald das Greifen nach dem ganzen Weltinhalt mit dem ganzen Inhalt; indessen die andere das Werk von Gottes Hand zertrümmert und Gott selbst als ein Stäubchen mit unter die Trümmer wirft. Doch, wie ich das Blatt wende, bedenke ich auch wieder, Herbart zerreibt doch die Welt nur deshalb, um das nicht weiter Zerreibliche zu finden, tritt doch ursprünglich auf ein Festes, ist’s auch nur, um es zu zertreten, indes man in der flüssigen Welt von Jenen umsonst nach dem Strohhalm sucht, an dem sich zu halten. Und so ist’s freilich kein Wunder, wenn Mancher, um dem Ertrinken zu entgehen, sich lieber auf den Sand werfen läßt, hat er schon darauf statt des Ertrinkens nur das Verhungern zu erwarten.

    Nichts hindert, da alle Erscheinung es doch nur durch ein Bewußtsein ist, in das sie fällt, da die verschiedensten Erscheinungen dies und nur eben dies gemein haben, da das Bewußtsein seinerseits nur als Verknüpfung einer Mannigfaltigkeit und eines Wechsels von Erscheinungen besteht, nichts, sage ich, hindert, die Totalität des Erscheinens und hiermit den Realgrund aller Dinge, alles Geschehens, in ein einziges, ewiges, allumfassendes Bewußtsein selbst zu verlegen, was alles zeitliche Erscheinen aus sich selbst gebiert und in sich zurücknimmt, und dessen Einheit letzter Halt und Kern und Knoten aller Dinge ist, also dass daran zuletzt auch alle einheitlichen Bezugspunkte hängen, durch die sich die Erscheinungen zu sogenannten Dingen außer uns und zu Gedanken in uns verknüpfen. Dass sich unser Bewußtsein bei äußerer Wahrnehmung äußerlich bestimmt fühlt, hinge nur davon ab, dass das allgemeine Bewußtsein, indem es über das unsere herausgreift, mit Dem, was es mehr als unseres hat, bestimmend auf das unsere wirkt, wie schon in unserem Bewußtsein jedes Moment durch die Totalität der übrigen bestimmt wird. Doch darein weiter einzugehen ist hier nicht der Ort.

    Nachdem ich so geschlossen, kann man sagen: ist solcher Idealismus, in den das Ganze ausläuft, noch ein Anschluß an die geltenden physikalischen Ansichten zu nennen?

    In der Tat, nicht dieser Abschluß ist ein Anschluß daran zu nennen; aber der ganze Weg, der dazu führt. Denn nirgends ist auf diesem Wege über die Erfahrung hinausgegangen, als mit Klärung der Begriffe, unter welchen die Erfahrungen sich verknüpfen, und mit verallgemeinernder Auffassung der Erfahrung. Im Übrigen fordert dieser Idealismus so sehr zu seinem Bestande die Materie und gibt der Abhängigkeit des Geistes von der Materie so volles Recht, sonst hätte eine Psychophysik daraus nicht fließen können, dass man ihn von einer anderen Seite mit Materialismus verwechseln könnte, wenn nicht der Glaube an ein göttliches bewußtes Wesen, was die Materie nur als immanente Bedingung seines Daseins einschließt, und an die ewige Fortdauer unseres Geistes, die sich als Verallgemeinerungen auf unserem Wege gewinnen lassen, den scheidenden Charakter unserer Weltansicht von der materialistischen böte. Ihre zusammenhängende Entwickelung aber gehört nicht hierher; ich habe sie anderwärts an mehreren Orten gegeben.1)

            1) In Kürze in der Schrift: "Über die Seelenfrage", S. 198 ff.



ÜBER
ÜBER

DIE PHILOSOPHISCHE ATOMENLEHRE.

(Einfache Atomistik.)

XIX. Eingang.

    Der Physiker hat dem Philosophen eingehalten: wollt ihr uns die Atome nehmen, ersetzt sie uns; behauptet nicht bloß, dass, sondern zeigt uns, wie wir das Gleiche, wo nicht ein Mehreres auch ohne Atome leisten, unseren Real- und Formalzusammenhang ohne sie begründen, behaupten und fortentwickeln können, mit einem Wort, wie wir sie missen und doch noch eine Physik, die diesen Namen verdient, behalten können.

    Unstreitig nun kann der Philosoph dem Physiker etwas Entsprechendes entgegen halten: wollt ihr uns Atome aufdringen, sagt nicht bloß, dass, sondern zeigt uns, wie ein philosophisches System; damit möglich, eine philosophische Naturansicht damit konstruierbar ist. Ganz abgesehen aber von dem Streit, ob eine solche dialektisch zu konstruieren sei oder nicht, genügt dazu nicht, auf eine physische Grenze zu gehen, von wo an der Schluß aus der Erfahrung den Dienst versagt, wie in der physikalischen Atomistik geschieht, es gilt eine wahre, vom Begriffe selbst gesetzte Grenze anzugeben. Bei allem Streit der philosophischen Systeme werden sie das doch einstimmig fordern, weil es im Begriffe der Philosophie selbst liegt. Der Physiker mag sich hinter seine Unfähigkeit verschanzen, über Das, was mit der Erfahrung in verfolgbarem Bezuge steht, hinauszugehen; für den Philosophen liegt darin der Beruf. Worauf also sollen die kleinen Massen endlich führen, bei denen der Physiker mittelwegs stehen bleibt; sie sind noch nicht das Letzte, bei dem man stehen bleiben kann. Sei physikalisch in ihnen ein Fortschritt gewonnen, philosophisch bleiben sie nur ein Zurückgeschobenes, und das Ziel liegt nach ihnen noch so weit als zuvor. Ein Gang ist aber nur gerechtfertigt, wenn er überhaupt ein Ziel hat, und auch mittelwegs soll man danach blicken, sonst tappt man mit offenen Augen schlimmer als im Finstern. Und läßt sich kein haltbares Ziel finden, soll man den Weg verlassen, wie viel Verlockung auch auf dem Wege liegt.

    Wohlan, bestreiten wir der Philosophie das Recht nicht, auf ein Letztes in der Analyse der materiellen Welt zu dringen und selbst zu gehen, was die Wissenschaft des Materiellen selbst zur Zeit noch nicht zu erreichen vermag; und lassen wir sie immerhin dieser zu Gemüte führen, dass sie sich deshalb doch nicht ganz unbekümmert um dasselbe zu zeigen habe. Halten wir in dieser Beziehung auch eine Anmutung an uns gestellt. Ein philosophisches System zwar hier von vorn an neu aufzubauen, wird man uns nicht zumuten; man würde doch keine Geduld haben, es anzuhören; der Forderung aber, einen philosophischen Abschluß der physikalischen Atomistik, bei dem sich begrifflich Ruhe fassen und zugleich Anknüpfung an Allgemeineres gewinnen läßt, aufzustellen, mögen wir wohl entsprechen. Man muß nur nicht verlangen, dass dieser Abschluß und diese Anknüpfung nun auch gerade in das System dieses oder jenes Philosophen besonders hineinpasse; was dem einen paßt, würde ja doch dem andern nicht passen; genug, dass abgesehen von dem physikalischen Zwange, der auf dem Wege dazu liegt, mit solchem Abschluß und solcher Anknüpfung der allgemeinen philosophischen Forderung, worin alle Philosophen übereinstimmen, und hiermit dem Begriffe der Philosophie selbst genügt wird. Mag es auch sein, dass damit auf ein neues philosophisches System wirklich gezielt wird, so ist es eben Schicksal der Philosophie, in neuen Systemen fortzuschreiten; und verlangt man doch für ein neues die Fortentwickelung auf einer alten Basis, wohlan, die ganzen exakten Wissenschaften gehören uns zu dieser Basis. Das Neue der Metaphysik, die wir im Auge haben, denn um Metaphysik handelt sich’s doch zunächst, liegt in der Tat nur darin, nach so manchen versuchten Grundlagen der Metaphysik auch einmal die Wissenschaft des Physischen (obwohl nicht ohne die des Psychischen) dazu zu machen, und hiermit den Namen der Metaphysik zur Tat zu erheben, d. h. sie wirklich zu etwas nach der Physik, statt zu einem a priori oder Hinter der Physik zu machen.

    Zwar, welcher Metaphysiker wird nicht behaupten, auch er mache die Betrachtung des Physischen zu einer seiner unteren Grundlagen; nur das bleibt eigen, und fast schwer zu deuten, dass man der Wissenschaft des Physischen die rohe unmittelbare Betrachtung des Physischen als eine solche Grundlage vorzieht, als stände man noch auf dem Ausgangsstandpunkt der Naturphilosophie, wo die Wissenschaft des Physischen mit dessen roher Betrachtung noch fast unmittelbar zusammenfiel und darum freilich ihr nicht vorgezogen werden konnte. Jetzt ist die Wissenschaft da, hat sich hoch entwickelt, doch man bleibt auf jenem Standpunkt stehen und jauchzt Goethe zu, da er auf den alten Stein seinen Lorbeer legt. Wir aber wollen die ganze entwickelte Wissenschaft des Physischen der Metaphysik unterbauen, diese nur die letzten Spitzen dieser Wissenschaft erkennen und mit anderen Spitzen zur letzten Spitze knüpfen lassen. Auf diesem Wege liegt die Atomistik und gipfelt sich noch mit in dieser Spitze. Gerade jetzt aber dürfte eine solche Metaphysik als Gegensatz gefordert sein, nachdem Herbart’s Metaphysik sich nur eben auf den gänzlichen Ruin alles Dessen, worauf die exakte Wissenschaft baut, die gänzliche Zerstörung ihrer Grundbegriffe gestützt und den Namen des zerstörten Reiches angemaßt hat. Nun wandeln im Hades des Seins, den sie damit geschaffen, als ungreifliche Gespenster die Monaden, die bei uns im vollen Reich des Lichtes gehen, ja durch ihren Schwingenschlag dasselbe selbst erzeugen.

    Nach Allem suche ich die Aufgabe der Metaphysik darin, die allgemeinsten und die Grenzbegriffe des Gegebenen zu finden und in ihren allgemeinsten Beziehungen und Verknüpfungen zu erforschen, zu verfolgen, darzulegen, und die Methode dazu in einer Verallgemeinerung und Fortführung des durch Erfahrung, Erfahrungsschluß und Rechnung Gefundenen, Bewährbaren und Bewährten über das erfahrungsmäßig und mathematisch Verfolgbare und Bewährbare hinaus bis zu der Grenze, die das Denken fordert, so dass die Bedingung selbst, ein Allgemeinstes und Letztes zu gewinnen, die Form, die Herkunft vom Erfahrungsmäßigen den Inhalt der gefundenen Begriffe bestimmt; oder kurz: in einer Ergreifung der allgemeinsten und der Grenzbegriffe des Gegebenen durch Fortgang und Fortschluß auf Grund des Gegebenen selbst bis zum Allgemeinsten und Letzten.

    Dieser Weg, indem er zugestandenermaßen über das durch Erfahrung und Rechnung Bewährbare hinausführt und sein Ziel nur halb durch einen Vernunftschluß, halb durch eine Vernunftforderung findet, kann nun freilich nicht die Sicherheit haben, welche die exakten Methoden selbst haben und welche die dialektische Methode sich beilegt. Was die exakten Wissenschaften unsicher lassen, kann die Metaphysik nicht exakt sicher machen, sonst gehörte sie den exakten Wissenschaften selbst an. Sie kann die Vernunft nicht zwingen, wie der exakte Schluß, sondern nur ein größeres und weiter reichendes Bedürfnis derselben befriedigen, als der exakte Schluß vermag. Und somit bleibt Das, was wir als metaphysische Idee darbieten werden, physikalisch genommen immer nur eine Hypothese, die sich zwar vielleicht auch einmal exakt wird beweisen oder, sei es, widerlegen lassen, wenn die Physik an ihrem letzten Ziele die Metaphysik wird eingeholt haben, für jetzt aber nur dienen kann, eine Aussicht, nicht eine Einsicht für dieselbe zu eröffnen. Man verlange also auch keinen anderen physikalischen Beweis dafür, als dass sie den begrifflichen Schluß des physikalisch Erwiesenen bildet. Das selber aber ist nicht mehr Physik.

    Inzwischen wird diesem Beweise ein anderer von selbst entgegenkommen. Es wird sich zeigen (Kap. 22), wie derselbe Abschluß, zu welchem man sich gedrängt findet, indem man einer von der Philosophie an die Physik gestellten Forderung zu genügen sucht, so reine Begriffe, in solchem Gegensatz, solcher gegenseitigen Ergänzung und einheitlichen Verknüpfung an die Spitze der Betrachtung der Naturdinge stellt, dass damit auch der günstigste Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für eine allgemeinere Betrachtung der Naturverhältnisse gewonnen scheint. Die Ansicht, die wir im Folgenden vortragen, fußt auf dem Zusammentreffen und Zusammenhange dieser beiden Gesichtspunkte, deren jeder für sich allein immerhin ungenügend scheinen mag, ihr Halt zu geben:

l) Man kommt zu ihr, indem man den Weg, den die exakte Wissenschaft mit Sicherheit geht, in der Idee zu Ende führt.

2) Mit diesem Ende eröffnet sich die günstigste Sachlage der Begriffe, unter welche die Realverhältnisse der Natur in allgemeinster Weise zu fassen, für die Philosophie.



XX
XX. Grundgesichtspunkte.

    Das Vorige vorausgesetzt sage ich nun: anstatt, wie man der Atomistik vorwirft, auf halbem Wege stehen zu bleiben, oder endlich zu Nichts zu kommen, und hiermit entweder physikalisch bleiben oder nihilistisch werden zu müssen, bleibt noch ein Drittes als philosophischer Abschluß der physikalischen Atomistik übrig, d. i. dass man zu einfachen Wesen kommt, die nur noch einen Ort, aber keine Ausdehnung mehr haben, indes sie durch ihre Distanz verstatten, dass die aus ihnen bestehenden Systeme noch solche haben.

    Einfach ist noch nicht Nichts; man hüte sich, beides zu verwechseln, es sind sehr verschiedene Kategorien; wozu und woher auch sonst zwei Worte dafür und die verschiedene Physiognomie, womit sie uns entgegentreten?

    Nichts häufiger freilich, als eben diese Verwechselung, ja unter allen gegen die einfache Atomistik vorgebrachten Einwänden ist mir keiner häufiger begegnet, als dieser, dass man die Atome durch Reduktion auf einfache Wesen auf Nichts reduziere. Stellen wir jedoch Einwürfe dieser Art für den Augenblick dahin, um im folgenden Kapitel darauf zurückzukommen; zunächst aber nur die allgemeinsten Gesichtspunkte der Ansicht selbst darzulegen, die wir hier vertreten.

    Sofern sich bei den Atomen als kleinen ausgedehnten Massen nicht als einem Letzten philosophisch stehen bleiben ließ, stand allgemein gesprochen allerdings die doppelte Möglichkeit offen, die ganze Ausdehnung des Raums mit Materie zu erfüllen, und die Ausdehnung der Materie auf Nichts zu reduzieren. Die dynamische Ansicht hat den ersten Weg eingeschlagen, und a priori könnte sie so gut Recht haben, als unsere einfache Atomistik. Nun aber nötigt nicht nur die Gesamtheit der Betrachtungen der vorigen Abteilung a posteriori, vielmehr auf den zweiten Weg einzugehen, sondern alles Folgende wird auch zeigen, dass wir im Felde allgemeiner philosophischer Zusammenhänge besser mit dieser als der dynamischen Vorstellung fahren.

    Man mag die einfachen Wesen materielle Punkte, Kraftmittelpunkte, punktuelle Intensitäten, substantielle Einheiten, einfache Realen, Monaden nennen, der Name ist gleichgültig. Ihre Natur, Bedeutung, Begriff, Verwendung und Verwertung aber bestimmt sich dadurch und eben nur dadurch, dass sie als Grenze der Zerlegung des aufzeigbaren und mit aufzeigbaren Eigenschaften begabten objektiv (sinnlich äußerlich) erfaßlichen realen Rauminhalts auftreten. Nur in solcher Beziehung zum erfahrungsmäßig Gegebenen sind sie zu definieren, hiernach sind sie vorzustellen, als Punkte nicht hinter oder außer Zeit und Raum sondern in Zeit und Raum, nur mit Bedacht, dass, wie klein man diese Punkte vorstellen will, es immer noch nicht reicht; die Mathematik hat an dergleichen schon gewöhnt; wir bleiben stets in ihrer Sicht, wo nicht an ihrer Hand; wonach übrigens nichts hindert, noch weiter über die Natur dieser Punkte zu spekulieren, ja mit einer Ableitung von oben der Ableitung von unten entgegenzukommen, wenn man Zutrauen dazu hat; für uns aber bleiben sie nur eine für die Konstruktion des Gegebenen notwendige Grenzvorstellung des Gegebenen, die letzten Bausteine des Gegebenen, aus denen es erbaut, weil in sie zerfällt werden kann.

    Nun freilich gehört zum Bau jedes Hauses außer den Steinen noch Raum, Zeit, Maß, Regel, Plan und zu all dem Äußeren Einer, für den das ganze Haus gebaut wird, der es baut und der es bewohnt. Die Bausteine tun’s nicht allein, noch durch sich selber; weder das Verbinden noch Zerfällen ist ihre Tat; sie sind nur eben das Zerfällte; und das Allgemeinste, Höchste, Beste, was zum Bau gehört, ging bei der Zerfällung des Baues verloren, ist in den Steinen nicht mehr zu finden; doch gibt’s auch keinen Bau ohne die Bausteine, und man wird bei den großen so lange zu fragen haben, aus was und wie sie sich wieder bauten oder gebaut wurden, bis der Begriff, selbst die Grenze der Frage stellt. Diese Grenze ist endlich beim Einfachen zu finden, und nur bei ihm zu finden.

    Der Vorstellung werden sich die einfachen Atome immer nur als die kleinsten sichtbaren und tastbaren Punkte darbieten können; mit dem Geständnis aber darzubieten haben, dass sie doch noch kleiner sind, als das Kleinste, was wir mit unseren Augen und Händen wirklich sehen, tasten und danach vorstellen können, wodurch sie aus physisch eben metaphysisch werden. Doch reicht voraussetzlich ein Atom in Beziehung zu dem Atomsystem unserer Nerven schon hin, durch die Erzitterung oder den Widerstand, den es darin begründet, ein Element oder Differenzial der Empfindung zu begründen, was nur der Summierung bedarf, um die endliche Empfindung zu geben, deren wir empirisch bedürfen. Man hat sich aber deshalb bei den Konstruktionen im körperlichen Gebiete an die Formen des Sichtbaren und Tastbaren, nicht Hörbaren, Riechbaren, Schmeckbaren zu halten, weil erstere, nicht letztere, Messung, Zählung, klare Bestimmung gestatten.

    Wenn man die Verhältnisse unserer einfachen Atome den daraus zusammengesetzten Körpern gegenüber betrachtet, so wird man, finden, dass ihnen eine Menge Eigenschaften fehlen, die den letzteren zukommen, indem sie erst mit der Verbindung der Atome entstehen; und sofern sich der Begriff des Körpers doch nur mit Rücksicht auf diese Eigenschaften gebildet hat, hindert nichts zu sagen, dass die Atome unkörperlich seien, und die Körper also aus unkörperlichen Wesen zusammengesetzt seien, was keinen größeren Widerspruch enthält, als wenn man sagt, eine Gesellschaft werde aus Personen gebildet, die nicht selbst eine Gesellschaft sind, ein Baum werde aus Zellen gebildet, denen der Begriff des Baums noch fern liegt. Von anderer Seite wird aber auch nichts hindern, die Atome als wesentlichste Elemente des Körperlichen auch schon körperlich zu nennen, ohne dass man deshalb die ganzen Eigenschaften der Körper in ihnen zu suchen hat. Sich über diese Bezeichnung, ob körperlich oder unkörperlich, zu streiten, wäre reiner Wortstreit; sie sind das Eine oder das Andere je nach der Beziehung, in der man die Worte verstehen will, oder dem Zusammenhange, in dem man sie braucht. Es mag aber nützlich sein, das Verhältnis der Atome und der Körper hinsichtlich ihrer Eigenschaften noch mit ein paar Worten näher zu erläutern.

    Dass unsere einfachen Wesen keine Ausdehnung und Gestalt haben, hindert nicht, dass die aus ihnen bestehenden Körper eine Ausdehnung und Gestalt haben; man bestimmt ja auch die Ausdehnung und den Umriß eines Waldes nicht durch die Ausdehnung und den Umriß der Stämme, woraus er besteht, sondern des Platzes, den sie in ihrer Gesamtheit einnehmen. Die einfachen Wesen mögen keine Dichtigkeit haben, so hindert dies doch nicht, dass die aus ihnen bestehenden Körper eine Dichtigkeit haben; man mißt ja auch die Dichtigkeit der Bevölkerung nicht nach der Dichtigkeit der einzelnen Menschen, sondern nach der Menge derselben, die auf einem gegebenen Raume bestehen. Sie mögen an sich qualitätslos oder von gleichgültiger Qualität sein, so hindert dies doch nicht, dass die aus ihnen gebildeten Körper je nach der verschiedenen Anordnung und Bewegung der einfachen Wesen verschiedene Qualitäten haben; bestehen doch Menschen, Tiere, Pflanzen selber aus gleichen Stoffen; nur deren unterschiedene Anordnung und Bewegung gibt ihnen verschiedene Qualitäten. Sie mögen für sich geistlose Wesen sein, so hindert dies doch nicht, dass sich Geist an ihre Kombinationen knüpfe; auch bei dem Menschen hängt der Geist an der Kombination, nicht an den Stücken.

    Nicht ohne Interesse dürfte man folgende, mit der unserigen ganz gut zusammenstimmende, Auffassung des Begriffes der einfachen Atome Seitens Boscovichs, des ersten Urhebers der physikalischen einfachen Atomistik (in s. Theoria philos. nat. § 138. p. 60 ff.), hier finden.

    § 133. "Ad concipiendum punctum indivisibile et inextensum non debemus consulere ideas, quas immediate per sensus hausimus; sed eam nobis debemus efformare per reflexionem. Reflexione adhibita non ita difficulter efformabimus nobis ideam ejusmodi. Nam imprimis ubi et extensionem et partium compositionem conceperimus; si utramque negemus, jam inextensi et indivisibilis ideam quandam nobis comparahimus per negationem illam ipsam eorum, quorum habemus ideam; uti foraminis ideam habemus utique negando existentiam illius materiae, quae deest in loco foraminis."

    134. "Verum et positivam quandam indivisibilis et inextensi puncti ideam poterimus comparare nobis ope Geometriae. . . Boscovich führt nun aus, wie man sich eine Ebene, z. B. die Ebene eines Tisches, kreuzweis durchschnitten denken könne, und im Durchschnittspunkt einen einfachen Punkt habe, der, vorausgesetzt, dass man sich die durchschnitten gedachten Teile an einander gelegt denke, mit der Ebene zugleich beweglich sei und dabei eine Linie beschreibe, welche nur Länge, nicht Breite habe, und fährt dann weiter fort:

    § 136. "Post hujusmodi ideam acquisitam illud unum intererit inter geometricum punctum et punctum physicum materiae, quod hoc secundum habebit proprietates reales vis inertiae et virium illarum activarum, quae cogent duo puncta ad se invicem accedere vel a se invicem recedere, unde fiet, ut ubi satis accesserint ad organa nostrorum sensuum, possint in iis excitare motus, qui propagati ad cerebrum perceptiones ibi eliciant in anima, quo pacto sensibilia erunt adeoque malerialia et realia non pure imaginaria."



XXI
XXI. Unterstützende Gesichtspunkte und Einwände.

    Die allgemeinsten Gesichtspunkte, aus welchen ich die einfache Atomistik behaupte, sind vorigen Kap. angegeben. Zur Unterstützung aber und zur Hebung dessen, was doch auch entgegen zu stehen scheinen kann, mag Folgendes dienen:

    Vielfach ist man geneigt, die einfachen Atome für Nichtse zu erklären, weil sie keine Ausdehnung haben. Nun aber berechtigt von vorn herein nichts, in räumlicher Ausdehnung eine wesentliche Kategorie der Existenz zu sehen. Auch dem Geiste spricht man keine räumliche Ausdehnung zu, und Manche reduzieren sogar die Seelen selbst geradezu auf einfache unausgedehnte doch räumlich lokalisierte Wesen. Was könnte auch noch für ein philosophi-scher Anstoß in der Annahme einfacher realer Wesen liegen, nachdem man die Leibniz’ischen Monaden und Herbart’schen einfachen Wesen geduldet, wenigstens nicht um ihrer Einfachheit willen verworfen hat? Kam doch auch schon Kant vor uns auf die Annahme einfacher diskreter Atome, eine Annahme, die er freilich später verlassen hat; hat doch Lotze unabhängig von uns ein System auf solche Annahme gegründet. Also muß es doch möglich sein, sie unter philosophische Gesichtspunkte zu fassen. (Vgl. das historische Kapitel.)

    Hart freilich widerspricht die Annahme einfacher Atome der Ansicht jener Philosophen, welche sich den Geist selbst wie ein fließendes Wesen und die Schöpfung der materiellen Welt gleichsam als die Solidifikation seines Willens vorstellen. Aber ist es nötig, es sich so zu denken, um nicht im Sinne von Leibniz, Herbart, Lotze zu denken, in deren Sinne ich freilich auch nicht denke, welche die einfachen Körperwesen mit Seelen, Geistern selbst identifizieren? Sogar rein idealistisch kann man es sich noch anders denken, wie denn ich selbst im Sinne der idealistischen Auffassung des 18. Kapitels die einfachen Atome vielmehr zum geistigen Inhalt rechne, sofern "der Geist sie im Bedenken und Analysieren seines eigenen Erfahrungsinhaltes als feste aber notwendige letzte Ansatz- und Haltepunkte des Zusammenhanges und zusammenhängenden Bedenkens desjenigen (sog. äußeren) Erscheinungskreises findet, in dem sich die einzelnen Geister zu begegnen haben."1) – Nur dass solche Betrachtungen die Physik als solche nichts angehen, welche den Begriff der einfachen Atome auf ihrem eigenen Gebiete im Zusammenhange mit ihren übrigen Grundbegriffen so festzustellen hat, dass sie der philosophischen Vertiefung nur nicht widerstreben.

1) Seelenfrage S. 216.
 
 
    Wie Gott die einfachen Atome geschaffen hat, vermag ich freilich nicht zu erklären, noch ob sie überhaupt geschaffen sind, zu entscheiden. Aber vermag man dies besser mit der fließenden Materie? Fragt man aber, wozu sie geschaffen sind, oder wozu sie da sind, so läßt sich auf Alles hinweisen, was mit ihnen besteht und was nur mit ihnen bestehen kann.

    Im Allgemeinen und von vorn herein wird man freilich zuzugestehen haben, dass der Begriff absolut einfacher, punktueller, im strengsten Sinne unendlich kleiner Wesen von derselben Schwierigkeit gedrückt bleibt, als der Begriff einer unendlich großen Welt, sofern ihm die Vorstellung nie erschöpfend nachkommen kann. Wir können aber den Begriff des Unendlichkleinen eben so wenig als den des Unendlichgroßen in der Mathematik und Weltbetrachtung missen, und anstatt ihn zu verbannen, gilt es nur, ihn an der Stelle einzuführen, wo er Frucht bringt, man ohne ihn weniger leistet als mit ihm. Alles Bedenken muß schwinden, wenn wir gestatten, die Sache so zu fassen: die Resultate, die man in Betreff der erscheinlichen Wirklichkeit aus der Annahme von Atomen ableitet, werden sich ohne Grenze um so genauer finden, je kleiner man die letzten Atome denkt. Diese drücken wir kurz dadurch aus, dass wir sagen: sie sind Punkte. Wenn man will, kann man alles Folgende im Sinne solcher Fassung umschreiben; aber es würde damit nur die Umständlichkeit der Darstellung wachsen und die Schärfe der Fassung abnehmen.

    Eine mathematische Schwierigkeit kann in der Annahme einfacher Atome jedenfalls nicht liegen. Das Einfachste, womit die Geometrie zu tun hat, ist der Punkt. Sehr untriftig hat man behauptet (Fichte’s philos. Zeitschr. XXXI. 35), dass der Punkt sich nur als Grenze einer Linie fassen lasse; hiergegen vergl. meine Abhandlung über die Definitionen des Punktes (ebend. XXXIII. 161). Die einfachsten geometrischen Verhältnisse sind die, welche durch den kontinuierlichen Raum zwischen isolierten Punkten stattfinden. Es gibt in diesem Sinne eine reine Geometrie der Punkte, die nur eben durch die einfache Atomistik zu einer reinen Mechanik der Punkte wird.

    Sehr wohl kann etwas mathematisch aus einem Gesichtspunkte oder nach einer Seite, in einer Richtung null, in einer anderen endlich oder unendlich sein, wie jede Linie und Fläche beweist, die in ihrer Dickenausdehnung null, nach ihrer Längen- oder Flächenausdehnung aber endlich oder unendlich ist. Und so kann endlich etwas auch in Betreff seiner ganzen räumlichen Ausdehnung null, in Betreff seines Ortes und seiner, die Sinneswahrnehmungen bedingenden, Intensität ein ganz reales Wesen sein.

    Jeder Einwand, den man daraus erheben möchte, dass einfache Atome doch absolut nicht rein vorstellbar sind, würde eben so gegen die Anwendung der Differenziale von Zeit- und Raumgrößen für Darstellung der Bewegungsgesetze laufen. So wenig wir aber dieser zur genauesten Darstellung der Gesetze kontinuierlicher Bewegungen missen können, so wenig dürften wir der reinen Punkte zur genauesten Darstellung des Diskontinuierlichen und Bewegten missen können.

    Schyanoff in seinem "Essai sur la métaphysique des forces, inhérentes à l'essence de la matière, Kiew 1857" überträgt gewissermaßen den Begriff des Differenzial auf das Atom selbst, indem er unter Anderem, was ich nicht unterschreibe, die atomistisch gedachten letzten Elemente der Körperwelt als Partikeln erklärt, welche unendlich dicht, unendlich klein, aber doch nach drei Dimensionen ausgedehnt, also nicht als Punkte zu fassen sind, wobei er sich zur Erläuterung darauf beruft (p. 11. Anm.), dass ein Kreisbogen unendlich klein im Verhältnis zum Durchmesser des Kreises und doch zugleich unendlich groß im Verhältnis zum Sinus versus sein könne. Auch er identifiziert ein punktförmiges Atom mit einem Nichts. Hiergegen kann ich meinerseits den Begriff eines Unendlichkleinen, was nicht mit einem Punkt zusammenfällt, nur auf das Element eines Continuum, was Atome nicht sein sollen, anwendbar finden; und das Erläuterungsspiel Schyanoff’s paßt eben deshalb nicht auf Atome, weil es sich auf das Element eines Continuum bezieht. Der Raum, den ein unendlichkleines Atom einnimmt, kann aber unmöglich mit dem unendlichkleinen Element eines Kreises identifiziert werden, sondern nur allenfalls mit dem Raume, den ein unendlichkleiner isolierter Kreis einnimmt; dieser aber wird seiner Größe nach mathematisch nicht durch ein Differenzial, wofür allerdings Verhältnisse obiger Art gelten, sondern durch Null dargestellt. Dabei bemerke man, dass dieser Nullwert sich eben nur auf die räumliche Ausdehnung bezieht, und dass die Mathematik nicht nur die Orte solcher Nullen durch Koordinaten zu bezeichnen vermag, sondern auch nicht hindert, dass diese Orte durch Intensitäten von beliebigem Größenverhältnisse gegen einander erfüllt gedacht werden, was hingegen beides hindert, in diesem Erfüllenden ein Nichts zu sehen.

    Dass aus allgemeinem Gesichtspunkte Seitens der Physik der Annahme einfacher Atome nichts entgegensteht, dafür läßt sich zuvörderst geltend machen, dass schon vor uns nicht nur achtungswerte Physiker und Mathematiker des Auslandes, wie Boscovich, Ampere, Cauchy, Séguin, Moigno, St. Venant die Existenz einfacher Atome behauptet haben (vergl. das historische Kapitel XXVI), sondern auch bei einheimischen Physikern der Gedanke einfacher Atome immer häufiger auftritt, wenn schon meist eben so wie bei uns nur als Gedanke dessen, wobei man schließlich stehen bleiben wird. In diesem Sinne hat W. Weber in seinem Schreiben an mich die Möglichkeit derselben statuiert, beruft sich Helmholtz (Fortschr. d. Phys. 1856, S. 354) auf die Möglichkeit einfacher Atome als geeignet eine Schwierigkeit der Gastheorie zu erklären, nimmt R. Hoppe in einer, unten von mir wörtlich anzuführenden Stelle darauf Bezug. Abgesehen von Autoritäten aber kann man die Behauptung, dass nichts dem Geiste und der Behandlung der Physik Widersprechendes darin liege, den Ort der Materie in ausdehnungslosen diskreten Punkten zu suchen, dadurch gerechtfertigt finden, dass die Physik ja sogar die Masse ganzer ausgedehnter Körper, z. B. der Sonne und Erde, bei Berechnung der Hauptgröße ihrer wechselseitigen Anziehung auf Punkte reduziert oder in Punkten (den Schwerpunkten) konzentriert setzt, und für ihre Distanz den Abstand dieser Punkte nimmt.

    Freilich ist das nur uneigentlich, nur eine Fiktion, um die Darstellung der Erscheinungen bei zusammengesetzten Körpern unbeschadet der Vorstelligkeit zu erleichtern; aber um so weniger kann es dem Geiste der Physik widerstreben, dieselbe Vorstellung bei den Elementen der Körper als wahr gelten zu lassen, und hiermit für die Fiktion eine reale Grundlage im Metaphysischen zu erhalten.

    Man kann die Bemerkung hinzufügen, dass die Anziehung der Körper als Funktion ihres Abstandes überhaupt gar nicht anders denn als eine Anziehung von Punkt zu Punkt gefaßt werden kann, weil nur zwischen Punkt und Punkt ein bestimmter Abstand stattfindet, mithin auch die Funktion des Abstandes nur hiermit eine bestimmte wird. Und es ließe sich fragen, ob eine Funktion, die sich ihrem Begriff und Wesen nach auf Punkte bezieht, nicht auch von selbst die Diskretion dieser Punkte voraussetzt, weil ein Punkt weder an sich ein Continuum sein, noch durch Zusammensetzung mit anderen Punkten ein solches geben, noch durch Analyse eines solchen hervorgehen kann (vgl. einige weiterhin folgende Erörterungen hierüber). Inzwischen wollen wir auf derartige Betrachtungen, die immerhin einiges Dunkle behalten, keinen Beweis zu begründen versuchen, wie es wohl geschehen ist. 2)

2) In der Tat glaubt Moigno (Cosmos II, p 378) ein entscheidendes Argument für die Einfachheit der Atome in der wesentlich punktuellen Beschaffenheit der Anziehungszentra zu finden. Ich gestehe indes, seine Argumentation nicht ganz klar gefunden zu haben.
 
 
    Von einer anderen Seite bietet sich folgende Betrachtung dar. Unter Voraussetzung diskreter einfacher Atome berechnet sich die Anziehung zweier ganzen endlichen Körper zu einander einfach und rein aufgehend durch die Summation der Anziehungen einer endlichen Zahl bestimmter Punkte in bestimmten Abständen. Sollten die letzten Atome noch eine kleine Ausdehnung haben, so würde die Anziehung zweier ganzen endlichen Körper sich nur halb durch solche endliche Summation, halb durch infinitesimale Integration (des Continuums halber, was jedes Atom noch einschließt) zu berechnen haben. Sollte endlich die dynamische Ansicht richtig sein, so würde man, wie es wenigstens zunächst scheint, zur Berechnung der Anziehung zweier Körpermassen bloß Intregation nötig haben. Unstreitig nun kann sich aus formellem Gesichtspunkte das erste mit dem letzten dieser drei Prinzipien streiten, das Prinzip der bloß endlichen Summation mit dem der Integration, ja für den ersten Anblick und aus gewissem Gesichtspunkte die Integration noch mehr für sich zu haben scheinen, als die endliche Summation; aber es wäre jedenfalls kein formell günstiges Verhältnis, wenn (im Sinne des zweiten Prinzips) die Berechnung halb auf endliche Summation, halb auf infinitesimale Integration gestellt werden müßte, wie es der Fall, wenn man diskreten Atomen noch eine Ausdehnung beilegt. Dagegen gewinnen wir in der Idee bei absolut einfachen Atomen ein reines und rein durch die ganze materielle Welt durchführbares Prinzip der Berechnung. Alles reduziert sich jetzt im Bereiche der Anziehung endlicher Körper auf rein aufgehende endliche Summation der Wirkungen der kleinsten Teile. Wenn aber die Integration im Sinne der dynamischen Ansicht denselben Vorteil eines rein durchführbaren Prinzips darzubieten und insofern noch vorzuziehen scheint, als man in der Ausführung der Anziehungsrechnungen doch immer zur Integration seine Zuflucht zu nehmen veranlaßt sein wird, so ist, ganz ohne Rücksicht auf die im vorigen Teile entwickelten sachlichen Gründe, welche nun einmal nicht gestatten, sich den dynamischen Voraussetzungen zu fügen, Folgendes in Rücksicht zu ziehen:

    Die Integration bei Berechnung der Anziehung zweier Körper ist überhaupt streng und eigentlich nur auf vollkommen homogene oder solche Körper anwendbar, in denen die Dichtigkeit sich nach einem angebbaren Gesetze kontinuierlich in unmerklichen Übergängen von Punkt zu Punkt ändert, ein Fall, der in der Wirklichkeit überhaupt gar nicht vorkommt, und jedenfalls ist ganz unmöglich, die Integration im Zusammenhang durch die ganze materielle Welt durchzuführen, wo sich so viele heterogene Körper von einander absetzen. Möchte man auch die Anziehung von Mond und Erde gegen einander im Sinne der dynamischen Voraussetzung so berechnen können, dass man sowohl Erde als Mond kontinuierlich mit gleichförmiger Materie gefüllt dächte, und demgemäß integrierte, so hört die Möglichkeit dazu auf, sowie man die Anziehung von Mond und Erde zusammen auf einen dritten Himmelskörper berechnen will; hier kann man bloß summieren, und es geschieht dies überall. Also fällt man doch mit der dynamischen Ansicht notwendig in das zweite Prinzip zurück, nach welchem endliche Summation mit infinitesimaler Integration sich vermengt. Die endliche Summation läßt sich selbst, für Approximationen gar nicht allgemein durch Integration ersetzen; dagegen jede Integration in unbestimmter Annäherung auf endliche Summation zurückgeführt werden kann; ja sogar in der Ausführung fast immer darauf zurückgeführt werden muß; denn man muß bedenken, dass ein Integrationszeichen noch keine Integration ist; und die Integration meist nur durch Quadraturen oder die Summation einer endlichen Zahl Glieder einer unendlichen Reihe bewirkt werden kann. Und wo auch die Integration rein ausführbar ist, kann sie doch den Resultaten nach in der Erfahrung nicht von der endlichen Summation unterschieden werden, so dass hiernach stets die Wahl bleibt, was an sich richtiger. Man gewinnt also nach der dynamischen Ansicht doch kein rein durchführbares Prinzip, die Anziehungswirkungen zu berechnen, weder in der Idee, noch in der Ausführung; dagegen man nach der atomistischen allerdings ein solches, wenigstens in der Idee gewinnt, indem man danach überall die Summation der Anziehungswirkungen für das eigentlich Richtige, und die Integration nur für eine Approximation zur Wirklichkeit anzusehen hat, welche der Summation in gewissen Fällen ohne einen in der Erfahrung merklichen Irrtum substituiert werden kann. Dies so anzusehen hat nichts Widerstrebendes, da man ohnehin überall bei Berechnungen, die sich auf das Naturgebiet beziehen, auf Approximationen gewiesen ist, und selbst, wenn die dynamische Ansicht richtig wäre, die Berechnung der Anziehung des Erdkörpers durch reine Integration nur als eine Approximation anzusehen haben würde, indem die dynamische Ansicht doch eben so wenig die Zusammensetzung des Erdkörpers aus heterogenen Massen, deren Wirkung sich nicht unter ein Integral vereinigen läßt, als dir Ungleichförmigkeiten seiner Oberfläche, die eben so wenig dadurch faßbar sind, wegzubringen vermag. Man könnte also auch hier nur sagen, die Integration gewährt eine vom Richtigen nicht merklich für die Erfahrung abweichende Approximation.

    Ganz anders, als in Bezug zur Materie, stellt sich die Infinitesimalrechnung in Bezug auf Raum und Zeit. Diese sind wesentlich gleichförmig und kontinuierlich, und lassen sich nicht anders denken; und so liegt keine Unangemessenheit darin, zu glauben, dass der Berechnung von Flächen, Linien und Volumen andere Gesichtspunkte unterliegen, als von Anziehungsgrößen und sonstigen Verhältnissen der Materie.

    Die Einwände, welche man doch auch von einigen Seiten aus physikalischem Gesichtspunkte gegen die einfachen Atome erhoben, sind leicht zu heben. Liebig sagt in seinen chemischen Briefen (1844. S. 57): "Es ist für den Verstand durchaus unmöglich, sich kleine Teilchen Materie zu denken, welche absolut unteilbar sind; im mathematischen Sinne unendlich klein, ohne alle Ausdehnung können sie nicht sein, weil sie Gewicht besitzen," und wesentlich damit stimmt der anderwärts (von George in Fichte’s Zeitschr. 1856) gemachte Einwand überein, dass die Atome nicht ausdehnungslos sein könnten, weil sie Masse besitzen. Wogegen zu sagen ist, dass Ausdehnung überhaupt nichts mit Gewicht noch Masse zu schaffen hat, insofern man nur eben unter Masse das versteht, was der Physiker darunter versteht.

        Zu der Äußerung W. Weber’s in dieser Beziehung füge ich noch die Äußerung eines anderen gründlichen Forschers mit seinem Urteil über die einfache Atomistik überhaupt.

    R. Hoppe sagt in einer Abhandlung "Über Bewegung und Beschaffenheit der Atome" (Pogg. Anm. CIV. 1856. S. 287):

    "Der Begriff der Materie kann in der Theorie der Atome kein anderer sein als in der Mechanik, da in jener alle nicht mechanischen Elemente auf rein mechanische zurückgeführt werden sollen. In der Mechanik tritt die Materie nur in zwei Beziehungen auf, sie hat Masse und Kräfte. Die Masse, als die Fähigkeit im ruhigen oder bewegten Sein zu verharren, ist eine bloße Quantität, bestimmt durch die erforderliche Kraft, welche Bewegung in ihr erzeugt oder verändert, und hat außerdem als Merkmal nur einen Ort im Raume. Die Kraft, als die Fähigkeit einer Materie, anziehend oder abstoßend die Bewegung einer Zweiten zu verändern, ist eine Quantität und hat Bezug auf zwei Orte, einen von dem aus, und einen auf den sie wirkt. In keiner dieser Beziehungen ist räumliche Ausdehnung enthalten. Im Gegenteil ist es nur möglich, die genannten Begriffe in der erforderlichen Schärfe und Einfachheit zu fassen, wenn man die Orte als Punkte denkt. Der Begriff in Bezug auf räumlich ausgedehnte Orte läßt sich erst aus diesem einfachen ableiten."

    "Es beruht auf einem Irrtum, wenn man die Sperrbarkeit der Materie als Beweis für ihre räumliche Ausdehnung anführt. Keine Masse kann durch sich selbst einer anderen hindernd in den Weg treten, sondern nur durch abstoßende Kräfte; und diese sind allein fähig, die Durchdringung zweier Massen zu verhindern; die Raumerfüllung trägt nichts dazu bei."

    Jemand machte mir mündlich den Einwand, der Widerstand der Trägheit sei nicht mit der einfachen Atomistik verträglich; und dieser Einwand kann für den ersten Anblick einigen Schein haben. Gesetzt, eine endliche Masse erhalte einen Stoß durch eine andere endliche Masse oder überhaupt einen endlichen Kraftanstoß, so wird sie eine endliche Geschwindigkeit erlangen. Die halbe Masse würde durch denselben Kraftanstoß die doppelte Geschwindigkeit, also eine unendlich kleine Masse, ein einfaches Atom, nach Proportion eine unendliche Geschwindigkeit annehmen müssen, woraus dann aber für eine endliche Masse, als doch nur bestehend aus einer endlichen Zahl einfacher Atome, keine, nach Proportion der Masse abnehmende endliche Geschwindigkeit, kurz kein Trägheitswiderstand zu folgern wäre, wie er doch besteht. Der Fehler dieser Betrachtung aber liegt darin, dass aus dem Tatbestande des Trägheitswiderstandes für einen ganzen Körper eine unendliche Geschwindigkeit für ein einfaches Teilchen gefolgert wird. Sei eine endliche Masse beispielsweise aus einer Million einfacher Atome gegeben. Nach dem Gesetze des Trägheitswiderstandes wird die Hälfte dieser Masse unter dem Einfluß derselben Stoßkraft die doppelte Geschwindigkeit und ein Milliontel der Masse, d. i. ein einfaches Atom, nur die millionfache Geschwindigkeit der ganzen Masse, aber nicht eine unendliche Geschwindigkeit annehmen; womit sich der ganze Einwand von selbst hebt.

    Ein leicht sich darbietender populärer Einwand ist dieser, dass unter Annahme einfacher Atome selbst der dickste Körper uns ganz durchsichtig und lose erscheinen müßte, Undurchsichtigkeit überhaupt gar nicht existieren könnte, weil einfache Atome, so viele und in so viel Schichten man sie hinter einander denken will, doch alle zusammen keinen Raum von merklicher Größe einnehmen, also der Lichtstrahl den Weg von den hintersten Schichten durch die vordersten in keiner Weise versperrt finden kann. Aber die Undurchsichtigkeit erklärt sich daraus, dass Lichtstrahlen, die von hinten auf die Hinterfläche eines Körpers fallen, durch die Wirkung der bezüglich zu uns zu vorderen Schichten nach den Gesetzen der Absorption (durch Übergang in Wärmeschwingungen) ausgelöscht werden; dass uns aber die vorderen Schichten nicht als etwas ganz Loses erscheinen, zunächst daraus, dass jeder sichtbare Punkt einen Lichtkegel in unser Auge sendet, der, statt sich wieder in einen Punkt auf unsrer Netzhaut zu vereinigen, einen kleinen Kreis darauf bildet, der mit den Nachbarkreisen verfließt. Nun freilich besteht auch unsere Netzhaut, unser Gehirn, unser ganzer Körper aus einfachen diskontinuierlichen Atomen, und so kann man meinen, trotz des Ineinandergreifens der kleinen Kreise auf unserer Netzhaut, deren jeder eine Vielzahl einfacher Atome umfaßt, müßte doch jede sichtbare Erscheinung, ja jede sinnliche Erscheinung überhaupt, insofern ihr Schwingungen unserer Nervenelemente unterliegen, als etwas ganz Loses erscheinen. Aber das gehört in das Kapitel der Beziehung von Leib und Seele, und tritt nur in das allgemeine Gesetz dieser Beziehung hinein, was ich im zweiten Teile meiner Elem. d. Psychophysik S. 526 ff. ausführlich behandelt habe, dass die Seele überhaupt das, was nach Seiten ihrer äußeren Erscheinlichkeit als körperlich Vieles erscheint, in einfachen Resultanten zusammenfaßt, wie denn der einfachsten Sinnesempfindung ein zusammengesetzter körperlicher Prozeß unterliegt. Betrachtungen, die in dies Gebiet greifen, muß man eben so von Erklärungsprinzipien der Physik, die sich rein auf Verhältnisse des äußerlich Erscheinlichen bezieht, als von Einwänden gegen physikalische Erklärungen fern halten.



XXII
XXII. Philosophische Bezugspunkte.

    Das einfache Atom ist erstens der letzte Grenzwert, zu dem wir uns durch das Bedürfnis eines philosophischen Abschlusses der physikalischen Atomistik getrieben finden, zweitens der reinste Gegensatz und die vollständigste Ergänzung zu Raum und Zeit, drittens der engste Knotenpunkt, faktisch die reinste Hypostase einer ganzen Reihe fundamentaler Begriffe, welche sich auf diesen Gegensatz und diese Ergänzung beziehen. Der erste Punkt ist selbstverständlich, wonach wir hier nur von den beiden letzten in dem Zusammenhange, in dem sie natürlicherweise stehen, zu handeln haben.

    Unter Hypostase verstehe ich eine in das äußere Erfahrungsgebiet gehörige, sei es in die Erfahrung unmittelbar eintretende, oder aus dem Erfahrungszusammenhange erschließbare, Verwirklichung eines Allgemeinbegriffes.

    Mit dem Begriffe der absoluten Einfachheit unserer Atome steht der Begriff ihrer absoluten Diskontinuität in unmittelbarem Zusammenhange; denn sofern sie ohne Vielheit von Teilen und Seiten sind, können sie auch weder ein Continuum an sich sein, noch nach Teilen oder Seiten mit etwas Anderem, sondern jedes nur ganz mit sich selbst zusammenfallen. Umgekehrt sind sie als absolut diskontinuierliche Wesen notwendig absolut einfach zu denken, Unsere realen Wesen sind also absolut einfach und absolut diskontinuierlich in Eins. Es ist mit diesen und anderen Eigenschaften der einfachen Wesen, auf die wir fernerhin zu sprechen kommen, wie mit den Eigenschaften eines Kreises, die ohne begrifflich Dasselbe zu sein, doch sich begrifflich und faktisch einander mitführen und fordern, indem sie in etwas Identischem zusammenhängen. Bemerken wir nun, dass alle Diskontinuität, die wir in der Welt des Raums und der Zeit finden mögen, wirklich nicht durch Raum und Zeit selbst, sondern durch etwas hineinkommt, was wir uns als in Zeit und Raum zu denken haben. Die Diskontinuität ist eine Sache des Raum- und Zeit-Inhalts, nicht des Raums und der Zeit selbst; und mag die Diskontinuität, die uns zwischen verschiedenen Körpern und Bewegungen begegnet, auch zunächst nur eine scheinbare genannt werden (sofern selbst die diskontinuierlichen Himmelskörper noch durch den Äther zusammenhängen), so sehen wir nun aber den Grund der relativen oder scheinbaren Diskontinuität in unseren einfachen Wesen auf ein Absolutes zurückgeführt. Raum und Zeit sind das absolut Kontinuierliche, die Materie das absolut Diskontinuierliche; und geht man auf den Grund der Sache, so ist selbst die scheinbar kontinuierliche Materie doch wahrhaft diskontinuierlich. Wie der Begriff der Kontinuität sich in Raum und Zeit rein hypostasiert, so der Begriff der Diskontinuität in der Materie.

    Indes der Zeit und dem Raum für sich absolute Kontinuität, den einfachen Elementen der Materie für sich absolute Diskontinuität zukommt, kommen in der Körperwelt, welche Materie und Raum zugleich einschließt, Relationen von Kontinuität und Diskontinuität zur Sprache, und es handelt sich überhaupt überall, so lange man nicht bis zum Letzten geht, nicht um absolute, sondern nur um relative Kontinuität und Diskontinuität in der Körperwelt. Durch relative Kontinuität hängt jeder Körper in sich zusammen, durch relative Diskontinuität schließt sich jeder von seiner Umgebung ab und gewinnt Abteilungen, eine Gliederung in sich.

    Ruht eine Luftmasse über einer Wassermasse, so ist jede von beiden, trotz dem, dass ihre Atome absolut genommen diskontinuierlich gegen einander sind, doch relativ genommen kontinuierlich in sich, in so fern der Abstand und die Anordnung der Atome oder Moleküle durch die Ausdehnung jeder Masse hindurch kontinuierlich dieselbe bleibt oder sich nur in unmerklichen Übergängen ändert; sie sind dagegen relativ diskontinuierlich und hiermit abgegrenzt gegen einander in so fern, als im Übergange von einem zum anderen Körper in den Abstands- oder Anordnungsverhältnissen der Atome, respektiv Moleküle, ein merklicher Sprung eintritt.

    Auch bei Bewegungen, in welche die Zeit zugleich mit Raum und Materie eingeht, kommt der Begriff relativer Kontinuität und Diskontinuität zwischen Körpern in Betracht, und es kann auch von dieser Seite zur Diskontinuität zwischen den Körpern beigetragen werden, sofern ihre Atome oder Moleküle in abweichenden Bewegungszuständen sind.

    Vielleicht bestreitet man das wesentliche Zusammengehör der Begriffe absoluter Einfachheit und Diskontinuität dadurch, dass einfache Raumpunkte doch kontinuierlich mit anderen zusammenhängen. Also könne das Einfache auch kontinuierlich sein. Aber es ist vielmehr mathematisch anerkannt, dass der Raum sich als kein Continuum von Punkten repräsentieren läßt, sondern nur als ein Continuum von Continuis, das eben so ohne Grenze noch weiter teilbar, als ohne Grenze noch weiter erweiterbar zu denken.

    Das hindert nicht, dass man an jede beliebige Stelle des Raums, die man ins Auge fassen mag, einen Punkt hindenke; aber so viel Punkte an so viel Stellen man denken mag, man kann kein Raumkontinuum damit erzeugen, den Raum nicht nur nicht damit erschöpfen, sondern nicht einmal eine endliche Raumgröße damit hervorbringen. Jede Berührung von Punkten ist Zusammenfallen derselben. Der Punkt kann eben nur in den kontinuierlichen Raum gesetzt, aber der kontinuierliche Raum nicht aus Punkten zusammengesetzt werden. Findet man einen Widerspruch darin, dass man überall hin Punkte in den kontinuierlichen Raum denken, und doch den kontinuierlichen Raum nicht mit Punkten erfüllen kann, so vergißt man, dass überall hin nach dem Begriff des Punktes und Continuums selbst gar nicht ausführbar ist, indem, wie eng man auch Punkte denken will, so lange es nur Punkte bleiben, unendlich viel andere Punkte noch zwischen ihnen gedacht werden können, so fort bis ins Unbestimmte. Der scheinbare Widerspruch entsteht nur durch die dem Begriff des Punktes widersprechende Voraussetzung, die man von vornherein stellte: einen Punkt an jede beliebige Stelle hindenken, heißt noch nicht, ihn überall hindenken; jenes kann man, dieses sieht. Der Begriff des Punktes und Continuums sind nun einmal inkommensurabel und man leistet mit noch so vielen Punkten nicht mehr als mit einem einzigen zur Erschöpfung des Continuums; das verlangte Überall schwindet, in so fern man es mit Punkten auszuführen sucht, stets in summiertes Nichts zusammen.

    Sofern nach unserer Vorstellung die Materie bloß in Punkten enthalten ist, folgt also auch, dass; wollte man alle Materie der Welt bis zur Berührung zusammenpressen, man sie in einen Punkt zusammenpressen würde. Der Schein ihrer Ausdehnung hängt an ihrer Zerstreuung. Es sind aber Kräfte vorhanden, die sie in dieser Zerstreuung erhalten; d. h. Regeln, nach denen sie sich nur so bewegen können, dass sie nie zu wirklicher Berührung kommen.

    Schon im großen Weltenraum kann ein Zusammentreffen zweier Weltkörper kaum zu Stande kommen; und wenn auch einmal ein Meteorstein auf die Erde fällt, ist doch das Zusammentreffen nur scheinbar; es geht nur bis zum Abstand der Atome. In der Atomenwelt selbst ist ein Zusammentreffen unstreitig unmöglich.

    Man fragt vielleicht, wie kommt es aber, dass der Begriff des Diskontinuierlichen sich nur in einer Weise als Materie, der des Kontinuierlichen in doppelter Weise als Zeit und Raum hypostasiert. Das scheint doch gar nicht im Sinne eines reinen Gegensatzes der Begriffe; scheint gar nicht so symmetrisch, nicht so selbstverständlich, wie man es im Reiche der letzten Grundbegriffe und höchsten Gegensätze erwarten und fordern möchte, vielmehr wie eine aus falscher Fassung oder Stellung derselben erwachsene Disharmonie. Setzen wir dagegen die Materie selbst so kontinuierlich als Raum und Zeit, so durchdringen sich damit drei Kontinuitäten zur vollen Existenz der materiellen Welt, und die Drei zeigt sich ja auch sonst als die Norm aller Weltgliederung.

    Das Letzte zugegeben, obwohl ich meine, es ist nicht viel darauf zu geben, so läge aber darin bei näherem Zusehen nur ein hinderlicher Knoten für die dynamische Ansicht und ein neuer Verknüpfungsknoten der unseren. Denn die Materie würde ja doch die Kontinuität, die man ihr beilegen möchte, nur als räumliche, nur vom Raum, oder, will man’s umkehren, der Raum von ihr haben; beider Kontinuität wäre eine und dieselbe, indes der Raum keineswegs seine Kontinuität von der Zeit, noch umgekehrt entlehnt, beide ihre Kontinuität an sich haben; so hätte man auch nach der dynamischen Ansicht nur zwei grundwesentliche Continua, statt der geliebten drei; der Begriff des Continuum fällt nun einmal nicht in den Materiebegriff an sich. Für uns aber knüpfen sich Materie, Zeit und Raum zum metaphysischen Dreiklang durch Unterordnung unter die drei Haupt- und Grenzbegriffe der Quantität, Nichts, Einheit und Unendlichkeit. Denn in unseren einfachen Wesen haben wir etwas, was schlechthin kein Continuum einschließt, oder ist; in der Zeit etwas, was schlechthin Ein und eben nur Ein Continuum ist, das ist die Eine Richtung, in der die Zeit läuft; im Raum etwas, was nach unendlichen Beziehungen und Richtungen ein Continuum, eine Unendlichkeit von Continuis, ein Continuum von Continuis ist oder solches einschließt.

    Die drei Dimensionen des Raums bezeichnen nur drei Hauptrichtungen des Raums, in der Tat aber kann man unendlich viele Richtungen in ihm verfolgen.

    Mittelpunkt, Radius und Peripherie einer Kugel versinnlichen gewissermaßen in Eins die Einfachheit und Richtungslosigkeit des materiellen Punkts, die nach einer Richtung sich streckende Zeit und den nach unendlichen Richtungen gedehnten Raum. Man wolle nur dies Schema nicht ausbeuten, weitere Verhältnisse von Materie, Raum und Zeit daraus abzuleiten als denselben nun eben zukommen. Ein Schema kann nicht beweisen, nur erläutern, und es darf von vorn herein nicht erwartet werden, dass ein ganz in das Räumliche fallendes Schema das Verhältnis des Raums zu Dem, was nicht Raum ist, nach allen Seiten zulänglich repräsentiere.

    Dass es an sich nicht möglich ist, sich Raum und Zeit anders als kontinuierlich vorzustellen, beweist sich auch darin, dass wir dem Raum und der Zeit keine Grenze beilegen, uns einen Anfang und ein Ende derselben gar nicht zu denken vermögen, sofern an der Grenze die Kontinuität abbricht; dagegen es, vorausgesetzt selbst, dass die Materie kontinuierlich wäre, recht wohl möglich ist, sie diskontinuierlich vorzustellen; wir tun es überall mit den Weltkörpern im Großen, und können uns auch recht wohl an einer materiellen Weltgrenze stehend in den unbegrenzten leeren Raum hinaus blickend denken; das beweist doch, dass die Kontinuität und hiermit Unbegrenztheit nicht so wesentlich zum Begriffe der Materie als der Zeit und des Raums gehören kann. Auch kommt alle Begrenzung in Raum und Zeit nur durch die Materie.

    Dies leitet uns auf einen neuen Gegensatz oder eine neue Auffassung des Gegensatzes der einfachen Wesen gegen Raum und Zeit. Ein einfaches Atom ist trotz dem, dass seine Ausdehnung nichts ist, nicht selber Nichts; es hypostasiert aber die letzte Grenze des Seienden in quantitativer Hinsicht, ist ein unendlich Kleines im strengsten Sinne. Wogegen Zeit und Raum ein unendlich Großes, schlechthin Unbegrenztes sind, respektiv nach einer und nach unendlich vielen Richtungen.

    Die unendlich kleinen Linien-, respektiv Flächen-, Körperelemente, mit denen die höhere Geometrie zu tun hat, sind nichts absolut unendlich Kleines, sondern nur ein relativ unendlich Kleines, indem sie zwar unendlich klein gegen alle endlichen Raumgrößen (Linien, Flächen, Körper), wie diese gegen den unendlichen Raum sind, aber ihrerseits im Verhältnis der Unendlichkeit zu Räumlichkeiten von einer Kleinheit höherer Ordnung, so fort bis ins Unbestimmte stehen und endliche Größenrelationen unter sich haben. Der Punkt allein, der aber eben hiermit vielmehr die Grenze der Raumgrößen als selbst eine Raumgröße bildet, steht zu allen unendlichkleinen Räumlichkeiten beliebiger Ordnung selbst im Verhältnis des Unendlichkleinen, ist das einzige Kleine, das nichts Kleineres mehr unter sich, noch in sich hat, ein Unendlichkleines unendlicher Ordnung, und gestattet keinen endlichen Größenvergleich mehr. Er kann aber, wie bemerkt, nicht durch den Raum, sondern nur in den Raum gesetzt werden, sein Begriff liegt nicht mehr eingeschlossen im Raumbegriffe, welcher durch Kontinuität und Außereinander gegeben ist, sondern bildet eine Grenze des Raumbegriffes, wo etwas Anderes als Raum angeht, und dies Andere ist eben die Materie.

    Wie nach einer Seite der Begriff der Unbegrenztheit, so hängt nach einer anderen Seite der Begriff der Teilbarkeit ins Unbestimmte mit dem der absoluten Kontinuität zusammen. Wollte man einen Teil des Coutinuums denken, der nicht selbst mehr als ein Continuum von Teilen faßbar, so bräche die Kontinuität so zu sagen eben so nach unten ab, wie sie nach oben abbräche, wenn man sich das Continuum begrenzt denken wollte. Raum und Zeit als absolut kontinuierlich sind also auch absolut ins Unendliche teilbar; dagegen die einfachen Wesen als absolut diskontinuierlich auch absolut nicht teilbar, so zu sagen absolut harte Wesen sind. Man kann bloß zwischen die Atome, nicht in die Atome schneiden. Dagegen ist der Raum das Weichste, was es gibt, und wird überall ohne Widerstand von der Demantspitze des Atoms geschnitten.

    Vielleicht, indem man die metaphysischen Begriffe einander passend gegenüberzustellen sucht, ist man geneigter, dem Continunm der Zeit und des Raums die Diskontinuität der Zahl als der Materie gegenüberzustellen und den Begriff der Diskontinuität vielmehr in jener als in dieser rein hypostasiert zu halten. Scheidet sich doch auch die Mathematik in einen Teil, der vom kontinuierlichen Raum, und einen anderen, der von der diskontinuierlichen Zahl handelt; dies scheint doch zu beweisen, dass vielmehr Raum und Zahl als Raum und Materie den reinen Gegensatz von Kontinuität und Diskontinuität vertreten.

    Doch auch dieser Einwand hebt sich leicht bei näherem Zusehen und führt nur zu einer neuen Bekräftigung und Bereicherung unseres metaphysischen Begriffkomplexes. Unstreitig besteht der Gegensatz von Diskontinuität und Kontinuität zwischen Zahl einerseits, Raum und Zeit andererseits; nur tritt nicht die bloß denkbare abstrakte Zahl dem Raum und der Zeit als Ergänzung zur Realität in der Natur gegenüber; man schreibe denkbare Zahlen, so viel man will, in Raum und Zeit, und man hat noch nichts; sondern statt der abstrakten Zahl das real Zählbare. Was aber ist das? im Himmel sind’s die Sterne; mit diesen schreibt sich der Begriff des Zählbaren zu oberst in Raum und Zeit real ein; was aber sind die Sterne anders als materielle Bälle; so sind wir wieder bei der Materie, und finden in ihr den Repräsentanten des Zählbaren. Doch sind die Sterne nicht das Letzte; was sie aus der Ferne scheinen, rein zählbare Punkte, sind endlich erst die einfachen Atome wirklich; aus ihnen konstruieren sich endlich alle realen Zahlen, die Sternenheere selber, mit dem, was zwischen ihnen. Schön aber bleibt’s, wie diese uns in der Nacht leuchtend über unseren Häuptern spiegeln, was in einer tieferen Nacht des Seins dem Auge unerkennbar wirklich ist. Man weiß ja, dass selbst dem Fernrohre der ferne Stern ein Punkt bleibt, der keine Messung, nur Zählung verträgt.

    Nach Vorigem finden wir also auch den Begriff des Zählbaren in unseren Atomen in reinster Weise real hypostasiert, indes zugleich der Begriff des Meßbaren sich in Raum und Zeit rein hypostasiert. Was meßbar ist, ist es bloß nach Seite Dessen, was an ihm kontinuierlich; was zählbar ist, ist es bloß nach Seite Dessen, was an ihm diskontinuierlich. Raum und Zeit stellen das schlechthin Meßbare, unsere einfachen Wesen das schlechthin Zählbare vor. Die dynamische Ansicht von der Raumerfüllung hat eine reine Hypostase in der Welt des Realen überhaupt nur für den Begriff des Meßbaren, nicht den Begriff des Zählbaren; die Augen auf dem Würfel aber bilden schon im Spiele gröblich das Einfache, Diskrete ab, was aller Zählbarkeit zu Grunde liegt.

    Vielleicht kann man bestreiten, dass zum Begriffe der Zahl der Begriff der Diskontinuität wesentlich ist, sofern sich zwischen je zwei ganzen Zahlen ein Übergang durch unendlich viele Bruchzahlen finden läßt. Aber man muß nicht außer Acht lassen, dass dies nur mittelst irrationaler, also unvollendbarer Zahlen möglich ist, und wo man in den Dezimalen mit einer solchen Zahl abbrechen mag, um sie auf eine Zahl zu reduzieren, mit der man wirklich zählen kann, sie bleibt diskontinuierlich gegen jede noch so nahe genommene abgekürzte Bruchzahl; man hat damit eben nur dasselbe, als wenn man versucht, die Kontinuität des Raumes durch immer enger gestellte Punkte herzustellen. Ein irrational ausgedrücktes Verhältnis bedeutet in der Tat nur ein Verhältnis, was überhaupt nicht genau, sondern nur mit wachsender Annäherung durch Zahlen ausdrückbar ist, die den Begriff der Zahl erfüllen.

    Ein System vieler einfacher Wesen kann man wieder als zählbare Einheit anderen solchen Systemen gegenüber betrachten. Ein jeder Himmelskörper ist eine solche Einheit; ein jeder Menschenkörper eine kleinere. Die absolute Eins aber, die sich schlechthin nur als solche, nicht auch als Vielheit fassen läßt, ist nur das Einfache. Die dynamische Ansicht hat keine absolute Eins. Das All ist freilich auch eine Einheit; doch keine zählbare Einheit den anderen gegenüber; das ist die Eins.

    Unser menschliches Zahlensystem hat 10 Ziffern, die zu allen menschlichen Rechnungen reichen. Das Zahlensystem der Natur hat nur eine Ziffer, das Atom, und reicht damit zu den Rechnungen des Alls. Unser Zahlensystem ist aber willkürlich, nur gebildet nach unseren 10 Fingern; man könnte mit 9, mit 8, mit 2 Ziffern reichen, Leibniz hat sich viel mit dem dyadischen Zahlensystem beschäftigt. Aber könnte man nicht noch weiter gehen, mit einer Ziffer reichen? In der Tat könnte man es, indem man für 10 zehn Punkte, für 100 hundert Punkte schriebe. So kommt man zum monadischen Zahlensystem, wo die Zahl der Ziffern in jedem Fall so groß, als es die dadurch auszudrückende Summe besagt; das ist das Zahlensystem der Natur, das einfachst mögliche, womit sie zu allen ihren Rechnungen reicht. Wir gewinnen hier wieder eine absolute Grenzvorstellung.

    Warum bedient sich der Mensch nicht dieses einfachst möglichen Systems? weil die Zahlen damit für ihn zu lang und die Übersicht zu schwer wird. In der Natur aber fehlt es nicht an Platz; der Raum ist eine unendliche Rechentafel, und eine Schwierigkeit der Übersicht der Zahlen besteht für den Geist nicht, weil sich das Fazit derselben von selbst in ihm zieht, weil er in gewisser Hinsicht das innerlich erscheinende Fazit des äußerlich erscheinenden atomistischen Systems selbst ist. Dies aber näher zu begründen oder weiter zu verfolgen ist hier nicht der Ort.

    Soll man die einfachen Atome für absolut unzählbar halten? Wären sie es nicht, so hätte der unendliche Raum eine bloß endliche Fülle, und so scheint die Unzählbarkeit der Atome als das Zugehörige zur Unmeßbarkeit des Raumes gefordert. Was sollte auch nach dem Gesetz des zureichenden Grundes bei einer bestimmten Anzahl Atome haben stehen bleiben lassen! Aber eine fertige Unzählbarkeit ist in keiner Weise denkbar. Auch kann man vielleicht zur absoluten Begrenzung des einfachen Atoms die absolute Begrenzung der Zahl der einfachen Atome als Gegensatz zur Unendlichkeit von Zeit und Raum gefordert halten. Ich mag nichts entscheiden. Übrigens trifft diese Antinomie die nicht atomistische und atomistische Auffassung der Körperwelt in gleichem Grade. Denn auch, wenn man die Körperwelt kontinuierlich denkt, so fragt sich, wie kann sie unbegrenzt gedacht werden, und was konnte sie begrenzen?

    Auch die Begriffe der Verbindung und des an sich unverbundenen Stoffes finden mit den vorigen zugleich ihre Hypostase, weil sie im Wesen mit ihnen zusammenhängen. Raum und Zeit sind selbst nur die allgemeinsten Verbindungsweisen im Reiche des Realen; ihr Continuum ist absolute Verbindung an und in sich, und was überhaupt als real verbunden gedacht werden soll, muß vor allem durch Raum und Zeit verbunden gedacht werden; und hierauf tragen sich erst besondere Verbindungsweisen auf; wozu aber schon der Zutritt eines Inhalts in Raum und Zeit gehört.

    Dem Begriff der Verbindungsweise kann man den der Form substituieren. Raum und Zeit sind die allgemeinsten Formen, in denen das Existierende auftritt, Raum die Form des Nebeneinander, Zeit die Form des Nacheinander, was übrigens nur andere Worte für Raum und Zeit sind; da man umgekehrt für Nebeneinander und Nacheinander Räumlichkeit und Zeitlichkeit sagen kann; auch ist jede besondere Form es nur als besondere Bestimmung von Raum und Zeit.

    Man hat Raum und Zeit Anschauungsformen genannt; auch hindert nichts, es zu tun, in Rücksicht Dessen, dass die ganze Natur wesentlich nur Sache der Anschauung oder sinnlichen Erscheinung ist; wonach auch die allgemeinsten Formen, in denen die Natur erscheint, nur Anschauungsformen sein können. Diese Anschauungsformen nehmen einen objektiven Charakter an, sofern man den solidarisch gesetzlichen Zusammenhang aller Raumanschauungen der verschiedensten Wesen (über Allen voraussetzlich Gottes) im Auge hat; einen subjektiven, sofern man sich auf die Raumanschauung eines einzelnen Geschöpfes bezieht.

    Dem Raum und der Zeit gegenüber sind die einfachen Wesen an sich etwas absolut Unverbundenes. Mit nichts sind sie an sich selbst verbunden, nichts ist in ihnen selbst verbunden, indes sie sich aber jeder Verbindungsweise mittelst der Zeit und des Raumes fügen. So entsprechen sie dem reinsten Begriff des an sich formlosen, doch für jede Form, d. h. Verbindungsweise verfügbaren Stoffes. Auch kommt hiermit unsere Atomistik nur dem lnstinkt des Sprachgebrauchs entgegen, der Materie und Stoff ohnehin in gleicher Bedeutung zu verwenden pflegt.

    Es ist zwar wahr, den Ton, aus dem man eine Statue modelliert, denkt man sich vielmehr zusammenhängend. Aber er ist insofern eben kein reiner Stoff; bringt vielmehr schon etwas von Form, d. h. Zusammenhangsweise, in die Hand des Künstlers mit, und kommt dadurch der Formung von gewisser Seite entgegen, indes er sie zugleich nach anderer Seite beschränkt. Was für unzählige Gestalten kann ein Wimpel, der im Winde flattert, annehmen; aber alle kann er nicht annehmen, bloß so viele, dass doch der Zusammenhang gewahrt bleibt. Der Ton gewährt darin schon mehr Freiheit; aber volle kann er nicht gewähren, diese hat man eben erst mit einem Stoffe, wo jedes Teilchen an sich ganz zusammenhangslos mit dem anderen. Die dynamische Ansicht macht die Welt aus Ton, denn sie erkennt einen gewissen Zusammenhang des Stoffes von vorn herein an und hält ihn wesentlich dem Stoffe, wenn schon die Zerreißbarkeit der Körper, wie wir gesehen haben, dem widerspricht. Unsere Atomistik allein nimmt einen Stoff nach dem reinen Begriffe des Stoffes dazu.

    Indes Zeit und Raum an sich absolute Formen sind, geben sie mit der Materie zusammen Formen von relativer Bedeutung, sofern durch das Dasein der materiellen Punkte die unendliche Möglichkeit räumlicher und zeitlicher Verbindungsweisen nach dieser oder jener Beziehung im Besonderen bestimmt und gegen andere Möglichkeiten abgegrenzt wird.

    Die äußere Form eines Körpers ist durch die räumliche Verbindungsweise der materiellen Teile seiner Oberfläche gegeben, die dadurch entsteht, dass sich die Materie des Körpers durch relative Kontinuität zusammenschließt, indes sie sich zugleich durch relative Diskontinuität gegen die Umgebung abgrenzt. Die diskontinuierliche Materie an sich selbst trägt aber hierbei zum zusammenhängenden Zuge der Oberfläche nichts bei, sondern gewährt bloß Bestimmungspunkte dafür, womit die Formen in der Natur eine viel idealere Bedeutung erhalten, als in der dynamischen Ansicht. Diese hat kompakte, massive, bleierne Formen, unsere Ansicht hat bloß gedachte, indem die Vorstellung Linien und Flächen zwischen den Grenzatomen des Körpers zieht. Hierin kommt unsere Atomistik wiederum dem Sprachgebrauch nur entgegen, der, wie stofflich und materiell, so formell und ideell gern verwechselt. Und wie der Himmel sonst die Atomistik vielfach spiegelt, so läßt sich auch an den Sternbildern auf unseren Sterncharten sehen, wie es sich mit dem Zuge der Körperformen in Wirklichkeit verhält.

    Der Zug der Figur durch die Sterne ließe sich freilich auch anders legen. Und überhaupt kann durch jede Anordnung von Punkten eine unbegrenzte Möglichkeit verschiedenster Formen repräsentiert werden. Die Aufgabe, solche hindurchzuziehen, ist an sich unbestimmt; doch nicht absolut unbestimmt, nur einer Ergänzung zur Bestimmung bedürfend, wie eine solche entgegen bietend. Jede Regel, wie Punkte überhaupt zur Bestimmung einer Figur dienen sollen, gewährt eine solche Ergänzung; denn es reicht hin, eine solche zu geben, um fortan mit jeder anderen bestimmten Anordnung der Punkte eine andere bestimmte Figur oder Klasse von Figuren gegeben zu haben. Die Regel täte es nicht allein, die Punkte täten es nicht allein; die Regel mit den Punkten tut es. Und wie man die Regel wechselt, werden alle Figuren anders, doch alle wieder in bestimmter Weise anders. Hiemit bietet die Atomistik die denkbar allgemeinste Unterlage für eine allgemeine Formenlehre dar, indes die dynamische bloß einzelne Beispiele dafür bietet. Der Geist wird übrigens im Allgemeinen immer seine Gründe und Zwecke haben, sich an diese oder jene Bestimmungsweise vor anderen zu halten, und wo kein besonderer Grund und Zweck vorliegt, die einfachste und leichteste als die natürlichste vorziehen.

    Die einfachste Regel und der einfachste Weg, durch eine gegebene Anordnung von Punkten eine Figur fest zu bestimmen, besteht darin, in jedem Falle das relative Minimum des Raums zur Verknüpfung der Punkte zu verwenden, nachdem die Punkte selbst als Punkte schon das absolute Minimum einnehmen, d. i. sie durch gerade Linien und durch Ebenen zu verbinden. Diese haben zugleich die Eigenschaft, den strengen Mittel- oder Grenzfall zwischen allen möglichen symmetrisch gleichen Linien oder Flächen zu bilden, die sich rings um eine Linie oder nach beiden Seiten einer Fläche legen lassen. Beides, dass die Vorstellung solchergestalt auf kürzestem Wege zum Ziele kommt und dass sie nach zureichendem Grunde keinen Anlaß findet, nach einer Seite vor der anderen davon abzuweichen, mag zusammenwirken, dass der Geist diese Bestimmungsweise überall als die natürlichste vorzieht, wo kein besonderer Grund zu einer anderen Bestimmungsweise vorhanden ist, d. h. gegebene Punkte von selbst in der Vorstellung vielmehr durch gerade Linien und Ebenen, als krumme Linien oder Flächen zu verbinden geneigt ist. Man kann demnach, wo kein anders bestimmender Grund vorliegt, diese Bestimmungsweise überall als die schlechthin gültige und überhaupt als fundamentale betrachten; die Kristalle geben die Naturmodelle dazu. Auch lassen sich die krummlinigen und krummflächigen Formen als höhere Grenzformen der geradlinigen und ebenflächigen betrachten, sofern sie entstehen, wenn die Zahl der geraden Seiten oder ebenen Flächen unendlich groß, ihre Größe unendlich klein wird; indes man nicht umgekehrt das Gerade als obere Grenze des Krummen betrachten kann, wenn man Bestimmtheit in der unteren Grenze verlangt, weil das Gerade die Grenzform unbestimmt vieler krummen Formen sein kann.

    Inzwischen bleibt dem Geiste allgemein gesprochen immer die Möglichkeit und Freiheit, auch nach beliebigen Motiv oder beliebiger selbstgemachter Regel durch gegebene Punkte von endlicher Distanz beliebige Figuren zu ziehen. Wo sie nun nicht nach einfachster Regel zu Ecken verwandt werden, liegt es am nächsten, Maxima und Minima der Krümmung, Wendepunkte, singuläre Punkte damit zu bezeichnen, und so geschieht’s nicht selten.

    Dass der Geist bei Abwesenheit besonderer (ausnahmsweiser) Bestimmungsgründe es stets vorzieht, distante Punkte vielmehr durch gerade Linien und durch Ebenen, als durch krumme Linien und krumme Flächen vorstellend zu verbinden, läßt sich durch hinreichende Induktion beweisen. Sind nur zwei Punkte (z. B zwei Sterne am Himmel) gegeben, so stellt man ihre Verbindungslinie zweifellos als eine gerade vor; drei Punkte bestimmen für uns stets eine Ebene, ungeachtet man eben so gut jene zwei Punkte durch eine krumme Linie, die drei durch eine krumme Fläche verbunden denken könnte. Wo sich irgend eine Mehrheit von Punkten, zugleich ins Auge gefaßt, durch eine gerade Linie oder Ebene verbinden läßt, da wird es der Geist auch sicher tun, statt eine Wellenlinie oder Wellenfläche durch sie zu legen. So wenn man die Blätterdurchgänge der Kristalle atomistisch repräsentiert sieht. Drei beliebig geordnete Punkte sind an sich eben so gut zu Bestimmungspunkten eines Kreises als eines Dreiecks tauglich; doch wird man stets dadurch ein Dreieck wie durch vier Punkte in einer Ebene ein Viereck bestimmt halten. Die acht Würfelecken könnten auch eine Kugelfläche bestimmen; aber jeder denkt bei ihrer Lage, auch wenn der Würfel nicht voll noch der Umriß voll gezogen ist, an einen Würfel. Wenn aber viele im Kreis gestellte Punkte uns doch auch einen Kreis recht wohl repräsentieren können, so hängt dies mit dem bemerkten Umstande zusammen, dass Polygone von sehr großer Zahl und Kleinheit der Seiten mit krummlinigen Figuren merklich zusammenfallen.

    Zwar könnte man meinen, es käme in diesem Falle wie in anderen Fällen mit dem Prinzip, durch möglichste Verkürzung der Verbindungslinien den Aufwand an Vorstellungstätigkeit möglichst zu verkleinern, ein anderes Prinzip in Konflikt und überwöge diesfalls, wonach zu jedem scharfen Richtungswechsel lebendige Kraft verbraucht wird, so dass man bei häufigem Richtungswechsel es doch leichter fände, eine längere krumme als eine kürzere vieleckige gerade Linie zu ziehen. Aber zuvörderst nimmt mit zunehmender Kleinheit und Mehrheit der Seiten einer Figur auch die Schärfe ihres Richtungswechsels ab; und dann finde ich nicht, dass man irgend wie weniger geneigt ist, drei oder vier Punkte als Dreieck oder Viereck aufzufassen, und irgendwie mehr geneigt, sie durch eine krumme Linie in der Vorstellung zu verbinden, wenn man sie recht nahe, als wenn man sie recht weit von einander stellt, ungeachtet hier der Aufwand an lebendiger Kraft durch die scharfe Wendung an den Ecken relativ größer gegen die durch die Länge des Weges werden müßte, was beweist, dass das betreffende Prinzip hierbei gar nicht in Betracht kommt.

    Man kann dies auffallend finden; es liegt aber unstreitig darin und beweist gegen die Ansichten von Manchen (was sich freilich auch noch sonst auf mehr als eine Weise beweisen läßt), dass wir den Gesichtseindruck von Figuren, die auf einmal in das Auge fallen, überhaupt nicht sowohl durch sukzessiven Verfolg derselben, als durch ein gleichzeitiges Zusammenwirken ihrer Teile empfangen; denn sonst würde das Auge oder die Einbildungskraft bei Darbietung von beispielweise drei oder vier Punkten sicher die scharfe Wendung an den Ecken scheuen und lieber in sanftem krummen Wege durch die Punkte gehen. Die Bewegung der Augen ist nur dazu nötig, eine erst im Ganzen undeutlich erfaßte Figur dann im Einzelnen deutlicher zu fassen. Ließe sich doch auch mit bloßer sukzessiver Verfolgung der Punkte des Gesichtsfeldes bei noch so raschen hin- und hergehenden Bewegungen des Auges höchstens der Eindruck einer sehr geschlängelten Linie, nicht einer Fläche erhalten. Ungeachtet daher dem Auge sicher auch die sukzessive Auffassung einer Figur zu Gebote steht, geschieht doch die erste Auffassung eben so sicher simultan. Und was für die direkte Sinnesauffassung gilt, gilt für dir Vorstellung oder Einbildung, die es ihr nachtut. Anstatt also zu sagen: der Geist, die Vorstellung, die Einbildungskraft zieht Linien zwischen gegebenen Punkten, wäre es eigentlich richtiger zu sagen: es entsteht durch das Zusammen der Punkte der Eindruck oder die Vorstellung einer verbindenden Linie zugleich mit. Hiernach wird man den kürzeren Ausdruck überall in den wahren zu übersetzen haben.

    Man kann bemerken, wie mit unserer Auffassung ein Zusammenhang zwischen äußerer Form und innerer Struktur entsteht. Indes die äußere Form durch die Linien und Flächen (respektiv Geraden und Ebenen) bestimmt wird, die man durch die Grenzpunkte des Körpers legt, kann man auch Linien und Flächen durch die Punkte des Inneren legen, und die Linien, Flächen, die man in ersterem Sinne legt, bilden nur ein gemeinschaftliches System mit denen, die man in letzterem Sinne legt. Treten doch auch in der Mathematik die verbindenden Geraden und Ebenen, die man durch den Umfang und das Innere eines Systems von Punkten legt, unter gemeinsame Gesichtspunkte und Formeln. Für die dynamische Ansicht dagegen behalten die äußere Oberfläche und das innere Gefüge immer etwas Inkommensurables.

    Das Gerüst, was nach unserer Auffassung das Innere jedes Körpers durchzieht, und sich mit der Oberfläche durch die Grenzpunkte verkettet, kann als Ausdruck einer dritten Dimension der Körperform betrachtet werden. Die dynamische Ansicht, indem sie den Raum in seiner ganzen Tiefe mit körperlicher Substanz durchdringt, muß dafür mit der Körperform bei der Oberfläche stehen bleiben. Nach unserer Auffassung ist alle Materie des Körpers unmittelbar in Form aufgehoben, indem sie eben deren Bestimmungspunkte bildet, nach der dynamischen Ansicht ist sie in der Form nur wie in einem äußeren Sacke enthalten.

    Sofern man von jedem Atom der Oberfläche wie des Inneren eines Körpers nach jedem anderen (nicht bloß dem nächsten, sondern auch dem fernsten) eine Gerade und nach je zwei anderen eine Ebene legen kann, stellt sich nach allgemeinster Formbestimmung durch Gerade und Ebenen die Struktur jedes Körpers als ein höchst verwickeltes Maschenwerk dar. Insofern aber die Anordnung der Atome als willkürlich gedacht wird, kann man fragen, wie sie zu bestimmen sei, um bei gegebenem Totalvolum des Körpers den kleinstmöglichen Aufwand von Räumlichkeit zu den verbindenden Geraden und Ebenen zu erfordern. Es ist die regelmäßige, indem bei ihr nicht nur viele sonst divergierende Verbindungslinien und Ebenen zusammenfallen, sondern überhaupt die Summe der verbindenden Linien und Ebenen die kleinstmögliche wird. (Um einen einfachsten Fall zu nehmen, so ist in einem Quadrate, der regelmäßigsten Figur, die durch vier Punkte in einer Ebene bestimmt werden kann, die Summe der Seiten und Diagonalen, wie auch schon der Seiten für sich, kleiner als in jedem Rechteck oder unregelmäßigen Viereck von gleichem Inhalt.) Auch ist dies wieder der Grenzfall zwischen allen gleich möglichen Verschiebungen der Atome nach verschiedenen Richtungen um gleiche Größen (z. B. der Grenzfall zwischen solcher Verschiebung von vier Atomen, dass einmal ein stehendes, das andere Mal ein liegendes Rechteck dadurch entsteht). Durch die regelmäßige Anordnung vereinfacht sich also das Maschenwerk der Struktur, und jede Annäherung an die Regelmäßigkeit ist zugleich eine Annäherung an die Einfachheit derselben. Und so kann man überhaupt, ungeachtet der an sich unendlich mannigfaltigen Möglichkeit der Formbestimmung durch Punkte, immer Grenzbestimmungen aus diesem oder jenem Gesichtspunkte erhalten, die teils durch die Annäherung, welche die Natur daran zeigt, teils durch die Tendenz, welche der Geist hat, sich an sie zu halten, von fundamentaler Wichtigkeit sind.

    Nicht minder, als eine zusammenhängende Form entsteht, wenn man die Lagen, welche von verschiedenen Punkten zugleich eingenommen werden, in der Vorstellung verbindet, entsteht eine solche, wenn man die Lagen, die derselbe Punkt sukzessiv einnimmt, in der Vorstellung verbindet, d. h. man kann auch Formen durch Bewegung gewinnen. Hier ist es augenscheinlich, dass die Form nur etwas Gedankenmäßiges ist; denn nur nach Maßgabe als man in Gedanken das Gewesene mit dem Jetzigen verbindet, entsteht die Form bei der Bewegung. Die Gestirne spiegeln uns auch diese Art Formen in einfachster Weise vor, d. i. in ihren himmlischen Bahnen.

    Der Dynamiker mag freilich sagen, wenn die Materie in der Bewegung kontinuierlich verschiedene Lagen nach einander einnimmt, so ist es nur entsprechend, dass sie solche in der Raumerfüllung auch zugleich einnimmt. Aber wenn sie wirklich die verschiedenen Lagen, die sie in der Bewegung nach einander einnimmt, vermöge der Raumerfüllung schon alle zugleich einnähme, so würde es eben weder der Bewegung bedürfen, sie noch nach einander einzunehmen, noch würde ohne Zuziehung der Durchdringlichkeit der Materie eine Bewegung möglich sein in einem Raume, der schon eingenommen ist. Der Raum bedarf vielmehr der Bewegung zur Erfüllung seiner Leere, und die Bewegung bedarf des leeren Raumes zu ihrer Bahn. Der Raum ist nicht der Affe der Zeit, sondern das Weib der Zeit; ihr ähnlich in vielen Stücken, sich damit ergänzend in anderen.

    Die Formen, die durch Bewegung der einfachen Atome entstehen sind nur lineare, indes die Formen, die durch räumliche Zusammenordnung der Atome entstehen (sofern man die Struktur mit darunter faßt), durch die Tiefe der drei Dimensionen gehen. Das hängt unstreitig damit zusammen, dass die Zeit nur eine, der Raum drei Dimensionen hat. Die Formen durch Bewegung sind ferner an sich bestimmte, indes die Raumformen an sich unbestimmte und nur relativ bestimmbare sind.

    Zum Stoff und zur Form können wir noch ein Drittes, ein formendes Prinzip, verlangen, was die Atome ordnet, sie ihre Bahnen führt. An einem solchen Prinzip fehlt es nicht, es liegt in den Kräften, und wir wissen, Kräfte sind Vertreter von Gesetzen, und alle Gesetze stehen letztlich unter einem höchsten. So ist das Wesen der Form ein Gedanke, der Grund der Form ein Gesetz. Dass eine Pflanze sich so baut und umbaut, hängt daran, dass Atome sich nach diesem Gesetz ordnen und bewegen. Auch die Freiheit kann nur auf Grund des Gesetzes oder selbst als gesetzgebend zugleich formgebend sein.

    Womit bindet denn die dynamische Ansicht ihren Ton? Wieder durch Ton, denn die Kräfte, welche die Materie zusammenhalten und bewegen, schlagen ja nach ihr selbst in Materie über.

    Weiter finden sich mit Vorigem zusammenhängend auch die Begriffe der absoluten Extension und Intension hypostasiert. Raum und Zeit sind ein reines Außereinander, die einfachen realen Wesen sind ein reines Insich. Allerdings stehen die verschiedenen einfachen Wesen auch im Verhältnis des relativen Außereinander; aber der Bestand keines derselben ist an dieses Außereinander geknüpft, während der Bestand des Raumes wie der Zeit wesentlich im Außereinander selber liegt; auch wird jenes Außereinander der einfachen Wesen nur durch den Raum vermittelt.

    Die dynamische Ansicht hat bloß eine reine Hypostase für die Extension. Das Geistige selber kann nicht als etwas rein Intensives gelten, weil es der Zeit bedarf, seinem Wesen nach ein zeitlich Ausgedehntes ist. In einem Augenblicke läßt sich nichts fühlen und nichts denken.

    Als rein extensiv können Raum und Zeit keinen Inhalt darstellen, geben; man kann von Raum und Zeit nicht sagen, dass sie in Etwas wären, dagegen Alles, was ist, in Raum oder Zeit oder Beidem gedacht werden muß. Umgekehrt können die einfachen Wesen nur Inhalt darstellen, geben, aber nicht selbst haben. Hiermit sind Raum und Zeit an sich zugleich das absolute Leere, die einfachen Wesen Das, was die Fülle in diese Leere bringt.

    Indem die einfachen Wesen den Raum füllen, erfüllen sie ihn doch nicht. Sollte dies der Fall sein, so würde der Raum sie nicht als Inhalt, wie es ihr Begriffsverhältnis fordert, einschließen, sondern sie würden den Raum decken. Was einen Kreisumfang deckt, ist nicht in ihm, aber Punkte können in beliebiger Zahl in ihm sein. Statt Kreisumfang setze Raum. Auch würde die Fülle, die in der Menge des Unterscheidbaren besteht, mit der absoluten Erfüllung des Raums schwinden. Die unendliche Fülle, welche die einfachen Wesen in den Raum bringen, ist eben nur mit der Nichterfüllung des Raums möglich.

    Anstatt dass der Raum durch die Materie erfüllt würde, kann man aus gewissem (freilich auch nur gewissem) Gesichtspunkte sagen, er bleibt mit ihrem Dasein so leer, als ohne ihr Dasein; weil alle einfachen Wesen als Punkte zusammengenommen immer wieder nur zu einem Punkte zusammengehen, der keine Ausdehnung repräsentiert.

    Die Zeit wird durch das Dasein der Materie nicht mehr erfüllt als der Raum; denn in der Zeit sein ist so wenig mit Erfüllen der Zeit, als im Raum sein mit Erfüllen des Raums zu verwechseln. Eine gemeinsame Erfüllung von Raum und Zeit erfolgt aber, wenn man so will, durch die Bewegung. Sollte ein einfaches Wesen einmal völlig ruhen (es gibt aber keine absolute Ruhe), so würde es während dessen auch die Zeit mit Nichts erfüllen. Es ist jedoch nicht das einfache Wesen, was in der Bewegung Zeit und Raum erfüllt; sondern eben nur die Bewegung des einfachen Wesens erfüllt Zeit und Raum, in so fern als sie ein Produkt beider ist.

    Einige weitere Betrachtungen über die Bewegung s. im folgenden Kapitel.

    Wir haben im Vorigen gesehen, was wir voraussagten, wie eine Reihe der wichtigsten Begriffe, unter welche die Existenz nach Seiten ihrer äußeren Erscheinlichkeit zu fassen ist, im einfachen Atom gleichsam wie in einem identischen Zentrum zusammenlaufen und darin eine gemeinsame reine Hypostase finden, als da sind die Begriffe des Einfachen, Diskontinuierlichen, Unendlichkleinen, Unteilbaren, Zählbaren, Stofflichen, Intensiven, Füllenden, und wie sie sich darin mit den gegensätzlichen Bestimmungen von Zeit und Raum ergänzen.

    Ohne das einfache Atom ginge dieser ganze Nexus zugleich und sich ergänzende Gegensatz verloren. Wir haben, wenn die Materie den Raum erfüllt, eine nach einer Richtung sich streckende Zeit, einen nach unendlichen Richtungen sich streckenden Raum, und eine ebenso sich nach unendlichen Richtungen streckende Materie. Die Materie, statt der Unendlichkeit durch ihre unendliche Kleinheit den Widerpart zu halten, und damit die Relationen der Endlichkeit zu geben, wird von gewisser Seite eine Tautologie des Raumes, von anderer Seite verdrängt sie den Raum und verlegt sich ihn für die Bewegung.

    Wenn die bisherigen Versuche, die Atomistik recht weit zurückführen, im Allgemeinen nur ins Dunkle und Wirre geführt haben, so lag der Grund nur darin, dass man sie noch nicht weit genug zurückgeführt hat, vielmehr vor dem letzten Schritte zurückgescheut ist, der auf einmal aus dem Dunkel und der Wirre in das helle Licht führt. So lange die letzten Atome noch endlich bleiben, ist man noch nicht am Ende und bleibt man genötigt, das zu Erklärende in das Erklärungsmittel aufs Neue zu verlegen. Die Welt in letzter Instanz aus kleinen Kugeln bauen wollen, was Manche als den Schluß atomistischer Weisheit betrachtet haben, heißt ein Haus statt aus Steinen aus kleinen Häusern bauen wollen. Nun gar Tetraeder und Würfel dazu verwenden wollen, heißt zum Weltbau einen Kinderspielkasten nehmen.

    Nur erst sowie die letzten Atome einfach werden, tritt mit der einfachsten zugleich die großartigste, mit der erhabensten zugleich die feinste Bauweise der Welt uns entgegen. Alle Last, die jene kleinen Lasten noch dem bauenden Geiste aufbürdeten, ist in Nichts geschwunden, alle Hemmnis, die ihre starre Undurchdringlichkeit in den Weg legte, ist in Kraft verwandelt, mit der sich die einfachen Wesen unter Führung des Gesetzes zum schmuckvollen Baue, Kosmos, fügen.



XXIII
XXIII. Über die Bewegung der einfachen Atome.

    Es genügt nicht zur Bestimmung des Verhaltens eines einfachen Wesens, zu sagen, dass es nur an einem Raumpunkte ist, sondern gehört noch dazu, dass es nur einen Moment an einem Raumpunkte ist. Die Materie ist überall bewegt; man weiß, dass alle Ruhe nur eine relative. Was sich nicht gegen das Andere bewegt, bewegt sich mit dem Anderen. Jeder einfache Materiepunkt nimmt seinen einfachen Raumpunkt nur einen einfachen Zeitpunkt ein, und ist in Jedem anderen Moment an einem anderen Orte. Wie aber die Zeit kontinuierlich schreitet, so schreitet er auch im Raume nur kontinuierlich fort.

    In der Bahn des einfachen Atoms ist der Begriff der Bahn überhaupt in reinster Weise hypostasiert. Die Bewegung jedes ganzen Körpers wird zerlegt in eine Fortbewegung seines Schwerpunkts, diese gibt die Bahn, und eine Bewegung seiner Teile in Bezug zum Schwerpunkt (bei einem festen Körper Drehung um eine durch den Schwerpunkt gebende Achse). Die erste wird durch die Bewegung eines einfachen Atoms schon für sich dargestellt. Letztere kann, weil sie eine Mehrheit von Teilen und einen Wechselhalt derselben voraussetzt, nicht im einfachen Atome wiedergefunden werden, sondern tritt nur als eine neue Bestimmung in den Kombinationen der Atome auf; wie wir denn schon erinnert haben, dass im einfachen Atom nicht Alles, was im Körper, wiedergefunden werden kann, weil dieser eben wesentlich eine Kombination aus einer Mehrheit von Atomen ist, und auch die Mehrheit hat ihre Bedeutung und ihren Erfolg.

    Obwohl ein einfaches Wesen an einem einfachen Raumpunkte nur einen einfachen Moment ist, scheint es doch nach der verschiedenen Geschwindigkeit, welche die einfachen Wesen haben können, dass ihr Verweilen an demselben Punkte eine verschiedene Dauer haben kann, und man somit zu einem Widerspruch in sich selbst geführt wird, denn ein momentanes und ein dauerndes Verweilen schließt sich aus; aber weil wir solche Widersprüche weder in Herbart’s noch Hegel’s Sinne für triftige Fortschrittsmittel, sondern zu beseitigende untriftige Begriffsstellungen halten, so meinen wir, dass der Begriff selbst der elementaren Geschwindigkeit nie auf das Verweilen der Materie in einem Zeit- und Raumpunkte, worin es in der Tat kein Verweilen gibt, sondern nur in einem Zeit- und Raum-Elemente, das noch ein Neben und Nach einschließt, und nicht etwa nur aus zwei Punkten besteht, sondern solche zum Anfang und Ende hat, bezogen werden dürfe. Raum und Zeitpunkt für sich, wie sie aber nicht bestehen, sind in der Tat nur noch die Asche von Raum und Zeit, nicht Elemente, wie schon früher geltend gemacht; nur Herbart, nicht die Mathematik, weiß aus Punkten ohne Kontinuität das Kontinuierliche zu machen. Die Raum und Zeit-Elemente selbst, mit denen die exakte Bewegungslehre, welche der schärfsten Auffassungen bedarf, zu tun hat, stellen sich nicht als unteilbare Punkte dar, sondern sind noch selbst unendlich teilbar und quantitativ vergleichbar, und geben dadurch höheren Differenzialen Raum. Nun aber liegt kein Widerspruch darin, dass ein einfaches Wesen zur Zurücklegung eines, wenn auch noch so kleinen kontinuierlichen Raums eine andere kleine Zeit brauche, als ein anderes, und es hindert nichts, zwischen diesen kleinen Räumen und Zeiten alle mögliche quantitative Verhältnisse zu denken.

    Nach der Bewegung bedarf es zur vollständigen Bestimmung des Verhaltens der einfachen Realen noch des Gesetzes der Bewegung und ihrer Änderungen, womit, wie früher gezeigt wurde, zugleich der Begriff ihrer Kräfte gedeckt ist; denn Alles, was man auf das Wirken von Kräften in der Körperwelt schreibt, läßt sich zurückführen auf das Gesetz der Abänderung oder Erhaltung von Bewegungs- oder Gleichgewichtszuständen im Gegenüber der Körper oder ihrer Teile.

    Aus Raum, Zeit, den einfachen Wesen, ihren Bewegungen, den Verhältnissen dazwischen und den Gesetzen darüber läßt sich dann voraussetzlich Alles konstruieren, was überhaupt im materiellen oder objektiven Naturgebiete mathematisch, mechanisch, physikalisch, chemisch, organisch konstruierbar ist.

    Knüpfen wir hieran exkursweise noch einige allgemeine begriffliche Betrachtungen über die Bewegung.

    In gewissem, wenn schon nur gewissem, Sinne wird man sagen können, dass der Begriff der Bewegung ein Produkt aus dem Begriffe von Zeit und Raum sei.

    Eine ganz analoge Gedankenoperation nämlich, als ich vornehme, wenn ich 5 sechsmal denke, ist es, wenn ich das räumliche Nebeneinander nach einander denke, hiermit aber vollziehe ich den Begriff der Bewegung; und ebenso wie das Produkt 5 mal 6 dem Produkt 6 mal 5 gleich ist, gibt auch ein Nacheinander neben einander gedacht denselben Begriff der Bewegung, als ein Nebeneinander nach einander gedacht.

    Wenn ich eine Linie in zwei Teile teile, und den einen Vorn, den anderen Hinten nenne, so ist das Lagenverhältnis von Vorn zu Hinten das entgegengesetzte als das von Hinten zu Vorn1); und wenn ich eine Zeitstrecke in zwei Teile teile, so ist das Verhältnis des früheren zum späteren Teil das entgegengesetzte als das des späteren zum früheren. Man kann diesen Gegensatz beidesfalls wie bei Zahlen durch einen Gegensatz des Vorzeichens bezeichnen. Mit Rücksicht hierauf läßt sich die Analogie zwischen dem Zahlenprodukt und dem Zeit-Raumprodukt noch weiter verfolgen. Wenn man nämlich bei einem Produkt zweier Zahlen das Vorzeichen beider Faktoren wechselt, so ändert sich das Vorzeichen des Produkts. So bleibt die Bewegung früher rechts, später links unverändert, wenn ich alle Ausdrücke in die entgegengesetzten verwandle; indem ich dann erhalte später links, früher rechts, wogegen die Umkehrung der Ausdrücke entweder bloß für Zeit oder bloß für Raum die entgegengesetzte Bewegung gibt.

1) Dies entgegengesetzte Lagenverhältnis im Raum kann freilich nur zeitlich verfolgt werden, was ja im Begriff des Verfolgens von selbst liegt; dass es sich aber in der, in identischer Richtung fortschreitenden, Zeit in doppelter Richtung verfolgen läßt, kann nicht in der Zeit, sondern muß im Raum selbst begründet liegen.
 
 
    So lange ich nun mit dem Namen Produkt überhaupt nichts Anderes ausdrücken will, als dass das damit Bezeichnete überall das Ergebnis einer gleich unmittelbaren Wechselbestimmtheit zweier Begriffe durch einander ist, wird der Ausdruck einwurfsfrei sein. In diesem Sinne kann ich auch die Position, welche aus Negation der Negation hervorgeht, ein Produkt beider Negationen nennen, wie denn dies Produkt auch unverändert bleibt, wenn ich das Vorzeichen beider Faktoren umkehre, dagegen in den Gegensatz überschlägt, wenn ich das Vorzeichen bloß des einen wechsle. Aber man würde irren, wenn man aus dem gemeinsamen Namen mehr Gemeinsames ableiten wollte, als Das, woraus er abgeleitet ist; vielmehr muß man die Eigenschaften der Produkte besonders untersuchen, und nicht den Algorithmus, der für Zahlenprodukte gilt, sofort auf andere Produkte übertragen wollen.

    Unstreitig nämlich hängt die Beschaffenheit der Produkte nicht bloß von der Beschaffenheit der Funktion, wodurch sich ihre Faktoren verknüpfen, sondern auch der Beschaffenheit der Faktoren selbst ab. Im Zahlenprodukt nun hat man es mit homogenen, qualitativ gleichen, quantitativ vergleichbaren Faktoren zu tun; in der Bewegung als Produkt von Nebeneinander und Nacheinander mit nicht homogenen, qualitativ ungleichen, quantitativ unvergleichbaren Faktoren. Nun versteht es sich aber keineswegs von selbst, dass zwei Produkte, die sich in Betreff der Faktoren so verschieden verhalten, nach allen Beziehungen gleiche Eigenschaften und gleiche Verwendbarkeit zeigen.

    Wie vorsichtig man sein muß, nicht auf den Namen Produkt übereilte Anwendungen zu gründen, zeigt folgendes Beispiel. Um ein Zahlenprodukt zu verdoppeln, hat man zwei gleiche Zahlenprodukte zu addieren, um eine Bewegung zu verdoppeln, zwei gleiche Bewegungen zu addieren, z. B. zwei gleiche Schritte; aber beim Zahlenprodukt kommt dies auf eine Verdoppelung bloß eines von beiden Faktoren heraus, beliebig welchen man dafür nehmen will; bei der Bewegung verdoppeln sich beide Faktoren; der doppelte Schritt enthält den doppelten Raum und die doppelte Zeit. Es hängt dies aber natürlicherweise daran, dass die Verdoppelung einer Bewegung gar nicht auf eine Verdoppelung der Qualität des Nebeneinander oder Nacheinander geht, welche das Begriffsprodukt der Bewegung geben, sondern auf die Quantität derselben geht; indes bei dem Zahlenprodukt die Verdoppelung allerdings auf die quantitativen Faktoren selbst geht, welche das Produkt geben; so dass hier nichts Vergleichbares vorliegt.

    Man könnte noch einen Unterschied der Bewegung als Produkt von Raum und Zeit vom Zahlenprodukt darin suchen, dass Zahlen an sich Abstracta, nur im Denken gültig, Zeit und Raum aber konkrete Formen der äußeren Wirklichkeit seien. Aber dieser Unterschied ist nur scheinbar. Die Sechs auf dem Würfel ist eine konkrete Zahl so gut, als die Würfelfläche, auf der sie ist, ein konkreter Raum ist; der Begriff des Nebeneinander andererseits ist so gut ein abstrakter Raum, als der Begriff der Zahl eine abstrakte Zahl ist. Auch kann ich das Zahlenprodukt 5 x 6 eben so gut als die Bewegung einmal im Denken abstrakt, ein anderes Mal in der anschaulichen Wirklichkeit konkret darstellen.

    Die scheinbaren Produkte von Raum und Zeit, mit denen die mathematische Mechanik operiert, sind vielmehr Produkte der Zahlen, wodurch Zeit und Raum gemessen werden, als Produkte von Zeit und Raum selbst im bisherigen Sinne, und man muß sie nicht damit verwechseln, Entsprechendes gilt von den Quotienten von Raum und Zeit, womit Physik und Mechanik zu tun haben. Die Mathematik hat überhaupt nichts mit Produkten noch Quotienten von qualitativen Faktoren zu schaffen, kennt solche nicht, und die Erweiterung des Begriffes Produkt, die wir hier als eine mögliche in gewissem Sinne statuieren, berührt sie nicht, kann ihr aber auch nicht widerstreben, so lange wir jene Vorsicht beim Gebrauche des Namens Produkt, wodurch der Konflikt mit ihr ausgeschlossen wird, nur nie vergessen. Zuletzt ist es nur Sache der Definition, oder eines weiteren oder engeren Begriffsgebrauchs, respektiv Wortgebrauchs, ob wir den Namen Produkt über die Mathematik hinaus anwendbar halten wollen. Gewiß ist, dass die Denkoperation, wodurch ein Produkt in der Mathematik entsteht, über die Mathematik hinaus reicht; von der anderen Seite jedoch ebenso anzuerkennen, dass die Erweiterung des Wortgebrauchs Produkt über sie hinaus in sofern bedenklich bleibt, als sie leicht verführen kann, Alles, was vom mathematischen Produkte gilt, auf andere Produkte zu übertragen.

    Sofern Raum und Zeit quantitativ an sich unvergleichbar sind, fragt sich, wie man zum Begriffe der Geschwindigkeit kommt. Ist nicht Geschwindigkeit ein quantitatives Verhältnis des durchlaufenen Raums zu der Zeit, die gebraucht wird, ihn zu durchlaufen?

    Ein direktes Verhältnis der Art findet jedenfalls nicht statt, vielmehr können Raum wie Zeit jedes direkt bloß mit einer Einheit ihrer Art quantitativ verglichen werden. Man kann aber zwei beliebige, zu einer Bewegung zusammengehörige Teile des Raumes und der Zeit als zusammengehörige Einheiten von Raum und Zeit betrachten, und indem man dann von irgend einer anderen Bewegung den Raum mit jener Raumeseinheit die Zeit mit jener Zeiteinheit vergleicht, erhält man für beide besondere Maßzahlen, deren Verhältnis die Geschwindigkeit gibt.

    Soll also der Begriff der Geschwindigkeit in einem Vergleichsverhältnis zwischen dem Raum und der zur Durchlaufung nötigen Zeit gesucht werden, so kann es nur in sofern sein, als man einen mittelbaren Vergleich hierbei vor Augen hat. Dieser aber wird dadurch möglich, dass Raum und Zeit, obwohl als Nebeneinander und Nacheinander verschieden, doch darin übereinstimmen, dass sie beide gleich homogene Continua sind, und dass die Bewegung, worin sie zusammentreffen, ein Bindeglied zwischen ihnen erzeugt.

    Übrigens leuchtet hieraus von Neuem ein, dass von einer Geschwindigkeit in einem Raumpunkt und in einem Zeitpunkt nicht die Rede sein kann.

    Bewegung läßt sich zwar abstrakt als zeitlicher Verfolg eines räumlichen Nebeneinander denken, ohne ein Bewegtes (wenigstens deutlich) mitzudenken, nicht minder Materie als ein Diskretes denken, ohne Bewegung mitzudenken; sofern wir aber die Bewegung und Materie konkret fassen, wie sie in der Natur vorkommen und unseren Abstraktionen real unterliegen, kommt Bewegung nicht ohne Materie, die sich bewegt, und Materie nicht ohne Bewegung, in der sie begriffen ist, vor. Es wird dann nichts hindern, zu sagen, die bewegte Materie oder die konkrete Bewegung sei ein Produkt aller drei Grundfaktoren der Natur, Raum, Zeit, Materie.

    Zwar können hier begriffliche Schwierigkeiten erhoben werden. Wenn die Materie ein Diskontinuierliches an sich ist, wie kann sie mit den an sich kontinuierlichen Faktoren Raum und Zeit ein gemeinsames Produkt geben? Das Diskontinuierliche kontinuierlich, und sogar im doppelten Sinne zugleich kontinuierlich gedacht, widerspricht sich. So scheint es wenigstens. Man kann darauf nur antworten: sieh zu, wie es sich in der Wirklichkeit macht; diese löst den scheinbaren Widerspruch in der Bewegung. In der Tat aber ist der Widerspruch nur scheinbar; und mit der Weisheit, die man in Widersprüchen finden will, ist es hier, wie überall nichts. Denn das Atom bleibt in der Bewegung so diskontinuierlich gegen andere Atome, als ohne Bewegung gedacht; Raum und Zeit bleiben so kontinuierlich in sich, als ohne Atome gedacht; aber es entsteht eine Wechselbestimmtheit aller drei, die sich in der Natur als bewegte Materie oder konkrete Bewegung darstellt, und nach der Anschauung hiervon ist der Begriff der bewegten Materie zu bilden. Ein eigentlicher Widerspruch fände bloß dann statt, wenn das diskontinuierliche Atom als dasselbe mit der kontinuierlichen Zeit oder dem kontinuierlichen Raum erklärt würde; aber es ist nur von einer Wechselbestimmtheit die Rede. So ist es mit allen Produkten. Die Faktoren identifizieren sich nicht, sondern bestimmen sich zu etwas Neuem; man muß nachsehen, was es ist.

    Dies ist auch im Auge zu behalten, wenn man überlegt, was etwa die Produkte von Raum und Materie, Zeit und Materie gegenüber dem Produkt von Raum und Zeit für sich sein könnten. Man muß nicht dabei verlangen, dass das an sich Diskontinuierliche kontinuierlich werde, hiernach etwa meinen, das Produkt von Raum und Materie gebe die Raumerfüllung. Dies hieße einen wahren Widerspruch setzen, indem hiermit das an sich Diskontinuierliche durch etwas Kontinuierliches nicht bestimmt, sondern damit identifiziert würde. Vielmehr, man muß in der Wirklichkeit nachsehen, wie es sich ausnimmt, wenn sich das Kontinuierliche durch das Diskontinuierliche, das Diskontinuierliche durch das Kontinuierliche unmittelbar bestimmt findet.

    Hiernach kann man die Körperlichkeit, in der die diskreten Atome durch die Raumkontinuität verbunden, umgekehrt in den zusammenhängenden Raum durch die Körperatome eine Diskretion gebracht wird, als Das ansehen, worin sich Raum und Materie wechselbestimmt. Alle Eigenschaften der Materie hängen an Relationen dieser Wechselbestimmtheit. Von anderer Seite hat jedes Atom, immer einfach dasselbe und diskontinuierlich gegen alle anderen bleibend, eine unbeschränkte Dauer. Auch die Kontinuität der Zeit geht nicht an das Atom selbst über, sondern ist als eine Bestimmtheit des einfach bleibenden Atoms zu fassen, die nur ganz anderer Art ist, als die Bestimmtheit durch den Raum, eine intensive, indes letztere eine eben so unbeschränkte extensive.

    In das dreifache Produkt bewegter Materie, wie es sich in der konkreten Naturwirklichkeit darstellt, gehen nun solidarisch alle drei binären Produkte, je zwei einen gemeinsamen Faktor beitragend ein, und lassen sich daraus besonders abstrahieren. Es gehört zur konkreten Bewegung die Bewegung in abstrakter Fassung als Zeit-Raumprodukt. Es gehört dazu eine räumliche Vereinigung mehrerer Atome, denn nur durch Wechselwirkung der Atome entsteht konkrete Bewegung, und nur in abgeänderter räumlicher Relation von Atom zu Atom besteht konkrete Bewegung; endlich gehört zum Begriffe der Bewegung, dass nicht in jedem neuen Momente ein neues Atom an der Stelle des alten entstehe, sondern dass es immer dieselben Atome seien, welche in neue Räume übergehen, die Atome also eine Dauer haben.

    Im Übrigen kann man wieder zweifelhaft sein, ob der Name Produkt auf das Erzeugnis der Wechselbestimmtheit an sich grundgegensätzlicher Begriffe, wie Raum und Materie, noch ebenso anwendbar sei als auf das Erzeugnis der Wechselbestimmtheit von Raum und Zeit, welche bei aller qualitativen Verschiedenheit doch die Kontinuität mit einander gemein haben, und es ist dies zuletzt wieder nur eine Frage danach, wie weit man den Begriff Produkt fassen will; ableiten läßt sich aus dem Namen überall nichts; sondern nur das wieder herausnehmen, was man hineingetan hat; und man darf also nie vergessen, was dies gewesen ist.



XXIV
XXIV. Über die Qualität und Kräfte der einfachen Atome.

    Ob man die einfachen Wesen als quantitativ und qualitativ gleichartig oder gleichgültig zu halten habe, kann noch zweifelhaft erscheinen. Wenn man, wie ich mit Herbart, wenn schon in anderem Sinne, tue, das Gegebene als Ausgang und Anhalt nimmt, so muß man sich eben auch nach den Forderungen des Gegebenen richten, darf aber doch, so lange diese Forderungen nicht entschieden sind, immer das Einfachstmögliche im Auge behalten. Und das sind einfache Wesen, die gar keinen Anhaltspunkt zum Vergleich in sich schließen. Jede Ungleichheit würde mindestens noch eine Zerlegung nach zufälliger Ansicht in Herbart’s Sinne gestatten, die wir vielleicht entbehren können. Und so sage ich, die Erfahrung zwingt wenigstens bis jetzt noch nicht, diese einfachste Vorstellung als unmöglich zu verwerfen. Für jedes Atom von verschiedener Größe, Masse, Gestalt, chemischer oder dynamischer Beschaffenheit, was der Physiker, Chemiker, Kristallograph jetzt der Erklärung der Erscheinungen zu Liebe supponiert, läßt sich immer ein Molekül, eine Gruppe von verschiedener Ausdehnung, Gedrängtheit, Anordnung, relativer Bewegung unserer einfachen Wesen substituiert denken; und wenn man sich erinnert einerseits, dass die Erscheinungen der Chemie ohnehin zur Annahme zusammengesetzter Moleküle nötigen, andererseits dass schon so auffallende und mannigfache qualitative Verschiedenheiten, wie zwischen den einzelnen Farben, den einzelnen Tönen bestehen, auf Verschiedenheiten von Schwingungsverhältnissen haben zurückgeführt werden können, die nur abhängig sind von einer verschiedenen (die Spannung bedingenden) Anordnung ohne Rücksicht auf eine verschiedene Grundqualität der schwingenden Materie, so liegt bei unserer Unbekanntschaft mit den letzten Grundgesetzen des Molekularen auch allgemein gesprochen noch die Möglichkeit vor, dass alle sekundären Qualitäten, die uns die Körperwelt darbietet, aus verschiedenen Anordnungen und davon abhängigen Bewegungen einfacher Wesen von an sich gleichgültiger Qualität nach dafür bestehenden Gesetzen (in dem Kap. 4 besprochenen Sinne) ableitbar sind. Aber die Aussichtslosigkeit, dies mit unseren jetzigen Kenntnissen zu bewirken, ist anzuerkennen, und es liegt hierin überhaupt keine Lebensfrage für den Bestand, sondern nur für die einfachstmögliche Gestaltungsweise der atomistischen Grundansicht.

    Kann es nun in einer Darstellung der exakten Physik kein sonderliches Interesse haben, sich mit Andeutungen, Möglichkeiten, allgemeinen Fragen dieser Art, die bis jetzt keiner Entscheidung fähig sind, zu beschäftigen, so kann es doch hier einiges Interesse haben, wo es sich überhaupt handelt, über das physikalisch Feste im Verfolg der Richtung, die schon feststeht, hinauszugehen; und so mögen nachfolgende Erörterungen über hierbei einschlagende Gesichtspunkte und Tatsachen noch Platz finden.

    Schon mehrfach und von mehreren Seiten hat sich den Physikern und Chemikern der Gedanke aufgedrängt, unsere sog. einfachen Grundstoffe könnten noch zusammengesetzt sein. Wären sie es aber, so ließe sich auch denken, dass es vielmehr eine verschiedene Zahl und Anordnung als eine qualitative Verschiedenheit der Grundatome wäre, was sie verschieden machte. Insbesondere sind es die einfachen rationalen Verhältnisse zwischen den Atomgewichten vieler sog. einfachen Stoffe, welche auf solche Gedanken führen können. Und wenn sich doch nicht alle Atomgewichte als einfache Multipla von dem kleinsten bekannten Atomgewichte, dem des Wasserstoffs, darstellen lassen, wie das sog. Prout’sche Gesetz verlangt, so könnte dies darauf beruhen, dass auch der Wasserstoff noch aus Molekülen von einer Mehrzahl Atomen bestehend gedacht werden kann; wie denn Dumas, einer der eifrigsten Verteidiger des Prout’schen Gesetzes, statt des gewöhnlich angenommenen Atomgewichtes des Wasserstoffes nur die Hälfte oder gar ein Viertel desselben den Atomgewichten anderer Körper als Einheit zu Grunde legt.

    Freilich scheint dies noch nicht überall auszureichen, und namentlich hat neuerdings Stas1) auf Grund genauer Versuche mit einigen Stoffen dem Prout’schen Gesetze, selbst mit der Modifikationdurch Dumas, widersprochen, und Marignac2) unter Bezugnahme auf von ihm selbst angestellte, mit Stas’ Resultaten nahe übereinstimmende, Atomgewichtsbestimmungen die Unwahrscheinlichkeit erörtert, dass spätere Versuche eine bessere Übereinstimmung mit dem Prout’schen Gesetze ergeben werden.

            1) Erdmann’s J. LXXXII. – Fortschr. d. Phys. 1860. 14. Fortschr. d. Chem. 1860. l.
            2) Fortschr. d. Ch. 1860. 4.
 

    Wird das Atomgewicht des Sauerstoffs gleich 8 gesetzt, so folgt aus den Versuchen von Stas als Atomgewicht für folgende Elemente: Ag = 107,943 ; CI = 35,46 ; K = 39,13; Na = 23,05 ; N = 14,04 ; S = 16,037 ; Pb = 103,453,

    Prof, Erdmann, mit dem ich mich über diesen Gegenstand unterhielt, hob besonders das Atomgewicht des Kupfers, als Schwierigkeiten machend, hervor.

    Inzwischen nimmt Marignac selbst Anstand, das Prout’sche Gesetz geradezu für eine Täuschung zu erklären; indem er, unter Erinnerung an Tatsachen, zu bedenken gibt, ob nicht Verbindungen von konstanter Zusammensetzung einen normalen kleinen Überschuß eines Bestandteils enthalten können, der die Atomgewichtsbestimmung beeinflusse. Auch sind bei mehreren der Stas’schen Bestimmungen die Abweichungen vom Prout’schen Gesetze doch nur sehr gering.

    Natürlich würde alle Schwierigkeit wegfallen, wenn man das Wasserstoffmolekül selbst für noch zusammengesetzter ansehen dürfte, als es Dumas schon anzunehmen geneigt ist, indem sich das einfachste Atomgewicht, worauf alle anderen zu beziehen, damit so weit verkleinern würde, um, mit Rücksicht auf die doch nie ganz zu vermeidenden Bestimmungsfehler der Atomgewichte, in allen Atomgewichten einfache Multipla des einfachsten sehen zu können. Nun mag ich hierbei wohl daran erinnern, dass aus den, im folgenden Kapitel aufgestellten, Ansichten über die Natur der molekularen Grundkräfte von selbst folgen würde, dass kein wägbares Molekül, also auch das des Wasserstoffs nicht, weniger als 8 Atome enthalten dürfte; nur bin ich weit entfernt, das Hypothetische dieser Ansichten zu verkennen, welches selbst vielmehr der Stütze bedarf, als dass sich sichere Folgerungen darauf gründen ließen. Inzwischen wird doch, wenn man einmal an eine Zusammensetzung des Wasserstoffmoleküls zu denken hat, dieselbe durch keinen positiven Grund auf die Zahl von 2, 3 oder 4 Atomen eingeschränkt, und dies gibt folgender Betrachtung Raum:

    Gewiß bleibt, dass für eine nicht geringe Zahl von Stoffen, darunter alle die, welche die organische Substanz bilden, Sauerstoff, Wasserstoff, Kohlenstoff und Stickstoff, einfache rationale Verhältnisse der Atomgewichte sich durch den Versuch so approximativ genau ergeben haben, dass man eine wirkliche Genauigkeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als in der Natur begründet halten darf. Ist aber dies der Fall, so muß man auch ein in der Natur begründetes Prinzip dazu voraussetzen, und da sich die Exzeptionen davon durch die freistehende Annahme einer hinreichenden Vielzahligkeit des Wasserstoffmoleküls immer als scheinbar deuten lassen, so möchte auf die Fälle des Zutreffens des Prout’schen Gesetzes mehr Gewicht zu legen sein als auf die Exzeptionen; zumal die Atomgewichte mehrerer einfachen Stoffe anerkanntermaßen geradezu gleich sind, d. h. durch den Versuch eine so geringe Verschiedenheit ergeben haben, dass man keinen Grund hat, an der wirklichen Gleichheit zu zweifeln. Die Gleichheit der Atomgewichte ist nämlich nur der einfachste Fall eines rationalen Verhältnisses, und ihr Statthaben in mehrfachen Fällen bliebe ganz unverständlich, wenn man nicht die chemische und physikalische Verschiedenheit solcher Stoffe auf Verschiedenheiten in der Anordnung ihrer Grundatome schreiben, mithin den Grundfall der Allotropie darin sehen wollte. Zu Hilfe kommt noch, dass die Stoffe, die dies Verhältnis zeigen, gewöhnlich in Verbindung vorkommen und in vielen Eigenschaften übereinstimmen. Es sind namentlich folgende:

    1) Platin, Iridium, Osmium,
    2) Palladium, Rhodium, Ruthenium,
    3) Kobalt und Nickel (beide magnetisch).

Auch von anderen Gesichtspunkten hat sich der Gedanke einer Zusammensetzung der sog. einfachen Grundstoffe mehrfach dargeboten.

So hat Clausius3) die Beziehungen, die zwischen dem Volumen der einfachen und zusammengesetzten Gase bestehen, überhaupt durch die Annahme zu erklären gesucht, dass in den sog. einfachen Gasen mehrere Atome zu einem Molekül verbunden sind, und auf dieselbe Annahme sind unabhängig von Clausius aus ganz anderen rein chemischen Gesichtspunkten auch Laurent und Gerhard,4) sowie Kekule5) gekommen.

        3) Pogg. Ann. CIII. 645.
        4) Pogg. Ann. CIII. 645.
        5) Kohulé, Lehrb. d. org. Ch. I. (1861.) 100 ff.
 

    Dumas macht auf eine gewisse Beziehung zwischen den zusammengesetzten Radikalen der organischen Chemie und den bisher als unzerlegt betrachteten Elementen der unorganischen Chemie aufmerksam, nach welcher er geneigt ist, die letzten nicht als wahre Elemente, sondern nur als für unsere Hilfsmittel unzerlegbar zu betrachten. 6)

        6) Liebig, Ann. CVIII. S. 324 oder Fortschr. d. Phys. 1858. S. 6.

    Der Sauerstoff ist bekanntlich durch verschiedene Mittel (namentlich Einwirkung von feuchtem Phosphor oder Elektrizität) der Umwandlung in einen Stoff von wesentlich anderen Eigenschaften, Ozon, oder nach neueren Entdeckungen von Schönbein vielmehr in zwei Stoffe Ozon und Antozon fähig, wovon jedoch letzteres bis jetzt bloß in Verbindungen, nicht isoliert, dargestellt ist. Beide zusammen bezeichnet man als aktiven Sauerstoff; durch Vereinigung bilden sie wieder gewöhnlichen Sauerstoff. Man hat dies mehrerseits (Weltzien, v. Babo) dadurch zu repräsentieren versucht, dass der gewöhnliche Sauerstoff aus einfachen Atomen und das Ozon aus zweiatomigen Molekülen bestehe, wogegen Clausius in mehreren Abhandlungen7) die umgekehrte Ansicht durchgeführt hat, die er schließlich wie folgt resümiert: "Die Moleküle des gewöhnlichen Sauerstoffes sind zweiatomig und enthalten je ein elektropositives und ein elektronegatives Atom. Der aktive Sauerstoff besteht aus ungepaarten Atomen, welche entweder frei oder lose gebunden sein können, und je nachdem diese Atome elektronegativ oder elektropositiv sind, bilden sie Ozon oder Antozon."

        7) Pogg. CIII S. 644. CXXI. S. 250.

    Die Frage, ob alle Grundatome gleichartiger Natur sind, hängt oder fällt in gewissem Sinne zusammen mit der Frage, ob allen Atomen dieselben Grundkräfte zukommen, weil eine Ungleichheit der Atome sich nicht wohl anders als in einer Verschiedenheit des Gesetzes oder der Größe der Grundkräfte äußern könnte. Und so hat schon Boscovich8) als einen, freilich nicht durchschlagenden, aber doch gut mit der Annahme überall gleichartiger (wägbarer) Grundatome stimmenden Umstand geltend gemacht, dass die Schwerkraft bei aller scheinbaren Verschiedenheit der Körper den letzten Teilchen derselben in gleicher Weise zugeschrieben werden muß, nicht minder die Undurchdringlichkeit aller Körper auf eine in größte Nähe allen gemeinsam zukommende Repulsivkraft hinweist.

        8) Theor. philos. nat. p. 41. §. 92

    Größere Schwierigkeit freilich, als alle wägbaren Materien auf gleichartige Atome zurückzuführen oder doch zurückführbar zu halten, hat es, dies gemeinsam für die wägbaren und unwägbaren Stoffe zu leisten; indem bis jetzt noch kein bestimmter Gedanke zu fassen ist, wie diese Zurückführung gegenüber folgender Schwierigkeit geschehen könnte. Dadurch, dass man einen Körper elektrisch oder magnetisch macht, kann man höchst beträchtliche Änderungen in den Anziehungs- und Abstoßungserscheinungen desselben gegen andere elektrische und magnetische Körper hervorbringen, ohne dass etwas Wägbares zutritt oder weggeht, und mithin ohne dass das Gewicht desselben sich dadurch ändert. Indem man nun der Elektrizität, dem Magnetismus ein besonderes Substrat unterlegt, kann man sagen, dass wegen der verschiedenen Qualität dieses Substrates von dem der wägbaren Stoffe die Anziehung und Abstoßung desselben gegen andere elektrische und magnetische Substanzen auch bei unmerklichem Gewichte, d. h. unmerklicher Anziehungsgröße gegen das Wägbare aus der Ferne, sehr starb sein könne; welche Anziehung oder Abstoßung zwischen den unwägbaren Substanzen sich dann auf die wägbaren, mit denen sie durch Anziehungskraft aus der Nähe in Verbindung stehen, überpflanze. Sollten aber die Erscheinungen des Wägbaren und Unwägbaren von derselben Materie abhängen, so müßte man annehmen, dass durch irgendwelche unbekannte Veränderungen in der Anordnung oder im Bewegungszustande der letzten Teile der Materie, welche bei den Wirkungen des Imponderabeln ins Spiel treten, große Änderungen in den nach Außen wirkenden Kräften erzeugt werden könnten, was sich aber bis jetzt nicht mit bekannten Gesetzen in Zusammenhang bringen läßt. Nur muß man auch hier im Auge behalten, dass, so lange die letzten Grundkräfte des Molekularen noch nicht bekannt sind, eine ferne Möglichkeit in dieser Beziehung nicht ganz ausgeschlossen bleibt. Nachdem namentlich W. Weber gefunden, dass die elektrodynamischen Erscheinungen der Einführung früher unbekannter, von relativer Geschwindigkeit, Beschleunigung, Richtung der Bewegung abhängiger, Kräfte bedürfen, ließe sich vielleicht denken, dass durch eine weitere Entwickelung der Vorstellungen in dieser Richtung noch das Problem, um das es sich handelt, gelöst werden könnte, ohne dass freilich auf eine so unbestimmte Möglichkeit sonderliches Gewicht zu legen.

    Nach all’ dem hat man sich zu erinnern, dass, wenn bis jetzt keine irgendwie versprechende Aussicht vorhanden ist, die denkbar einfachste Ansicht zu verwirklichen, eine metaphysische Notwendigkeit dazu auch nicht vorliegt.

    Die Frage, ob allen Atomen dieselben Grundkräfte zukommen, leitet zu der allgemeineren Frage über, ob sich alle Kräfte der Atome auf eine einzige Grundkraft reduzieren lassen, oder nicht wenigstens die bisher angenommenen Grundkräfte auf eine geringere Zahl herabbringen lassen.

    Man spricht zuvörderst von Anziehungs- und Abstoßungskräften. Nachdem aber die bestbestimmte Kraft zwischen wägbaren Teilchen, die Gravitationskraft, eine anziehende ist, kann man fragen, ob nicht alle Kraft überhaupt auf anziehende zu reduzieren und die scheinbaren Abstoßungskräfte durch geeignete Betrachtungen zu eliminieren seien. In der Tat hat man dies mehrfach versucht, und es bietet sich dazu zunächst folgender Gesichtspunkt dar.

    Scheinbare Abstoßungswirkungen können auf doppelte Weise unter dem Einfluß bloß anziehender Kräfte zu Stande kommen, einmal so, dass ein Körper stärker nach einer, als der entgegengesetzten Richtung angezogen wird, mithin den schwächer anziehenden Körper zu fliehen scheint; zweitens so, dass durch Zusammensetzung der Anziehung mit den Wirkungen der Beharrung, in Folge eines anfänglichen seitlichen Impulses, der Körper eine krumme Bahn beschreibt, die ihn zeitweis oder vielleicht ins Unbestimmte von dem anziehenden Körper abführt, wie es bei den himmlischen Bewegungen der Fall. Es läßt sich zur Zeit schwerlich berechnen, wie viel von den in der Natur vorkommenden scheinbaren Abstoßungswirkungen auf Rechnung solcher Ursachen zu schreiben.

    Jedenfalls reicht die zweite Ursache allein schon hin, die Entfernungsbewegung im großen Weltraume eine genau eben so große Rolle spielen zu lassen, als die Näherungsbewegung. Beides kompensiert sich in der Tat bei den himmlischen Bewegungen vollkommen. Bei oberflächlicher Betrachtung, und wie die Sache von den meisten Naturphilosophen wirklich gefaßt wird, könnte man hiernach gerade eben so gut im Weltenraume eine anziehende und abstoßende Grundkraft (Schwerkraft und Fliehkraft), die sich die Wage halten, annehmen, als man zwei entgegengesetzte magnetische und elektrische Grundkräfte, die sich im Ganzen kompensieren, annimmt. Da sich nun aber doch im großen Weltraum diese scheinbar polare Doppelkraft, unter Rücksichtnahme auf die Beharrung, auf eine einfache Anziehungskraft reduzieren läßt, ja reduziert werden muß, um eine genaue und klare Analyse der Erscheinungen und Anwendung der Rechnung zu gestatten, so wäre es fraglich, ob nicht dasselbe auch mit der Doppelkraft, welche die Erscheinungen im Kleinsten zu fordern scheinen, der Fall ist, und weiter könnte man dann fragen, ob nicht das Gesetz dieser anziehenden Kraft überall auf das Gravitationsgesetz zurückkommt.

    Ich selbst habe früherhin (Biot’s Lehrb. d. Physik. 2. Aufl. 1828. I. S. 408) aus diesem Gesichtspunkte einen Versuch gemacht, die Abstoßungskräfte aus der Welt des Kleinsten unter Zuziehung von Bewegungen des Kleinsten zu eliminieren und damit die Wirkungen des Ponderablen und Imponderablen von einer gemeinsamen Anziehungskraft, Gravitationskraft, abhängig zu machen. Einen anderen dahin zielenden Versuch, welcher in gewissen Gesichtspunkten mit dem meinigen zusammentrifft, hat Séguin gemacht (Cosmos par Moigno, T. I. II.). Aber ich kann diesen Versuchen keine Bedeutung mehr beilegen. Weder die elektrischen Abstoßungskräfte und elektrischen Kräfte auf große Distanzen überhaupt, noch die bei den elektro-dynamischen Erscheinungen tätigen Kräfte können meines Erachtens durch das bloße Gravitationsgesetz repräsentiert werden, wenn schon möglicherweise die den wägbaren Teilchen in Bezug zu einander zuzuschreibenden Kräfte.

    Inzwischen ist auch dies noch zweifelhaft. An sich kann es nicht wahrscheinlich erscheinen, dass es zwei Arten von Atomen gibt, eine (ponderable) bloß mit Anziehungskräften, die andere (imponderable) mit Anziehungs- und Abstoßungskräften begabt. Und wenn schon die exaktesten mathematischen Physiker, wie namentlich Poisson, diese Vorstellung jetzt zu Grunde legen, geschieht dies doch nicht mit der Behauptung, dass man darin die letzten Grundkräfte der Materie zu sehen habe.

    Allgemein gesprochen kann man weiter fragen: wenn sich ohne Abstoßungskräfte neben Anziehungskräften nicht auskommen läßt, ob sich die Anziehungskraft in Abstoßungskraft durch Änderung der Teilchen oder durch Änderung der Distanz oder Bewegungsverhältnisse verwandelt, und ob man nicht durch eine Verwandlung letzter Art eine Verwandlung erster Art ersparen kann.

    Nun ist jedenfalls gewiß, dass in einem gewissen Gebiete durch bloße Änderung der Bewegungsverhältnisse Anziehung in Abstoßung übergeht. So nämlich im Gebiete der elektro-dynamischen Erscheinungen. Dass auch bei bloßer Änderung der Distanz ein solcher Umschlag erfolgen könne, erscheint von vorn herein nicht wahrscheinlich. Bei der genannten Erscheinungen knüpft sich der Umschlag der Richtung der Kraft an den Umschlag in der Richtung der relativen Bewegung; aber welcher rationelle Gesichtspunkt soll sich dafür aufstellen lassen, dass die Kraft bei Änderung der Entfernung ihr Vorzeichen wechsele? Challis9) sagt geradezu: "Wenn Kraft eine den Teilchen inwohnende Eigenschaft ist, so muß sie in ihrem Ursprunge (in its origine) entweder anziehend oder abstoßend sein, und es scheint unmöglich, wie sie durch Ausbreitung in eine Ferne (by emanation to a distance) ihre Beschaffenheit ändern kann."

        9) Philosoph. Magaz. XIX. 1860, p. 89.

    Inzwischen habe ich auf die Unhaltbarkeit der Challis’schen Auffassung der Kraft nach dem, was im 16 Kapitel darüber gesagt worden, nicht nötig zurückzukommen; und werde im folgenden Kapitel zeigen, dass sich doch wirklich ein rationeller Gesichtspunkt für eine Änderung des Vorzeichens der Kraft mit der Distanz angeben läßt. Auch wird man da finden, dass es an älteren und neueren Physikern nicht gefehlt hat, welche eine solche Änderung statuieren. Überhaupt aber scheint mir die Weise, die Sache zu fassen, die ich im folgenden Kapitel entwickeln werde, bezüglich der betreffenden Frage am meisten für sich zubehalten, indem sie Allgemeinheit mit Bestimmtheit und Einfachheit der Gesichtspunkte verbindet und weitgreifenden Bedürfnissen der Physik entgegenzukommen verspricht. Doch bleibt das Prinzip davon bis auf Weiteres hypothetisch und seine Tragweite noch nicht zu übersehen. Auch bleiben noch folgende allgemeine Möglichkeiten, die Sache zu fassen.

    Wie das Beharrungsvermögen jedes Atom für sich oder sofern es nur nach seiner Beziehung zum unendlichen Raume gefaßt wird, bloß nötigt, in der einmal angenommenen Richtung und Geschwindigkeit zu verharren, diese aber uranfänglich die mannigfaltigsten für verschiedene Atome sein können und unstreitig sind; so nötigt vielleicht auch das allgemeinste Kraftgesetz, welches das Verhalten der Atom in Bezug zu einander beherrscht, nur dazu, dass der Zuwachs von Geschwindigkeit, den je zwei in Bezug zu einander erhalten, derselbe für dieselben Atome bei demselben Abstand bleibe, und bei verhältnismäßiger Vermehrung oder Verminderung des Abstandes überall und immer in demselben Verhältnis sich vermindere oder vermehre. Aber sowohl die ursprüngliche Richtung der relativen Geschwindigkeit als die Größe derselben kann für je zwei verschiedene Atome uranfänglich verschieden sein, d. h. mit andern Worten, die verschiedenen Atome können sich zu einander teils anziehend, teils abstoßend verhalten, auch dasselbe Atom sich anziehend gegen das eine, abstoßend gegen das andere verhalten (wie bei den beiden Elektrizitäten der Fall), und können die verschiedensten Stärken der absoluten Kraft gegen einander haben (wie sich in den chemischen Verwandtschaftsverhältnissen anzudeuten scheint), nur immer in der Art, dass sie ihr einmal angenommenes Verhalten in dieser Hinsicht so gut fest beibehalten, wie jedes im Beharren seine einmal angenommene Geschwindigkeit und Richtung.

    Nun würde nichts hindern, hiernach wirklich den verschiedenen Atomen eine uranfänglich verschiedene Grundqualität und Grundquantität beizulegen, nur dass solche nicht wie Herbart’s Qualität eine besondere Beschaffenheit der Atome an und für sich bedeutete, sondern nur in ihren Beziehungen sich verriete und in Änderung ihrer Beziehungen äußerte, wie die beiden Elektrizitäten für sich gleicher Beschaffenheit erscheinen und nur in Beziehung zu einander eine verschiedene Qualität verraten, die selber in nichts Anderem besteht, als dass sie ihre Beziehung zu einander unter denselben Umständen der Lage und Distanz verschieden ändern, und eben damit beweisen, dass außer den Umständen der Lage und Distanz noch ein nicht darauf zurückführbarer Umstand stattfindet, wovon die Erscheinungen abhängen.

    Man sieht jedenfalls aus Vorigem, dass dem Gedanken, alle Kräfte der Atome müßten in letzter Instanz auf eine einzige anziehende Grundkraft zurückkommen, wozu das Streben, die einfachsten und einheitlichsten Grund- und Grenzvorstellungen zu gewinnen, leicht führen kann, doch auch eine andere Vorstellungsweise als möglich gegenüber tritt. Unstreitig ist die Wurzel der großen Mannigfaltigkeit der Naturerscheinungen und Naturereignisse schon in deren Grenz- und Grundverhältnissen zu suchen; und es ist sehr fraglich, ob die verschiedene Urausteilung und Bewegung von Atomen, die sich den Kräften, d. h. dem gesetzlichen Verhalten nach, in Nichts unterscheiden, hinreichend ist, sie zu bedingen; auch sieht man a priori keinen Grund, warum bei der gleichen Denkbarkeit, dass zwei Atome sich in der Richtung ihrer Verbindungslinie von einander entfernen, und dass sie sich einander nähern, das eine Verhältnis vor dem anderen bevorzugt worden sein sollte. Auf der anderen Seite wäre es ebenso untriftig, aus der gleichen Denkbarkeit auf eine gleiche Wirklichkeit zu schließen. Ein Rad kann eben so leicht vorwärts als rückwärts rollend gedacht werden, aber die Weltentwickelung geht doch stets im Ganzen nur vorwärts, und so wäre es auch möglich, dass, wenn schon die Grundtendenz der Dinge ebensowohl als eine solche, sich zu fliehen, als sich zu verbinden gedacht werden könnte, doch in Wirklichkeit nur die eine stattfände, und Hand in Hand mit jenem Prinzip des Fortschritts ginge; was sich so ausdrücken ließe: Zum Grundprinzip des Fortschritts besteht ein Grundprinzip der Liebe, aber nicht des Hasses in der Welt. Wo Haß erscheint, geht er aus dem Konflikt verschiedener Richtungen der Liebe hervor. Unstreitig aber läßt sich nach derartigen Betrachtungen, die sich so und so wenden lassen, überhaupt nichts über diesen Gegenstand entscheiden.

    Wie schön wäre es, wenn wir bei der Ungewißheit, in der wir noch seitens der exakten Wissenschaft über diese fundamentalen Verhältnisse schweben, uns einer sicheren Entscheidung seitens der Philosophie erfreuen könnten. Aber je leichter es ihr fallen mag, eine solche zu geben, desto leichter wird sie leider wiegen.



XXV
XXV. Hypothese über das allgemeine Kraftgesetz der Natur.

    Nach allen im vorigen Kapitel gepflogenen Erörterungen ist nicht anzunehmen, dass sich die Naturerscheinungen bloß mit Hilfe der Gravitation und Beharrung werden konstruieren lassen. Ehe man sich aber entschließt, Grundkräfte zuzulassen, die mit einer verschiedenen Grundqualität der Materie in Beziehung stehen, kann noch folgender Weg versucht werden.

    Es ließe sich denken, dass die Gravitation, ohne selbst die allgemeinste Kraft zu sein, welche das Geschehen in der Natur beherrscht, nur einen besonderen Fall einer allgemeinsten Kraft, oder, was dasselbe sagt, das Gravitationsgesetz nur einen besonderen Fall eines allgemeinsten Gesetzes darstellte, unter welchem alles Geschehen in der Natur steht, den Fall nämlich, der für merkliche und übermerkliche Entfernungen der materiellen Teilchen gilt, indes das allgemeine Gesetz für so kleine Entfernungen, wie sie bei den Molekularerscheinungen in Betracht kommen, Wirkungen bemerklich werden ließe, die für jede größere Entfernung verschwinden, und sich also unter dem Gravitationsgesetze nicht inbegriffen zeigen. Das Gravitationsgesetz wäre hiernach eigentlich nur ein Annäherungsgesetz, um so richtiger, je größer die Entfernung der Teilchen, doch schon merklich genau bei jeder merklichen Entfernung der Teilchen. Wie aber das Gravitationsgesetz auf eine verschiedene Grundqualität der Materie nicht Bezug nimmt, könnte dasselbe auch von dem allgemeinsten Gesetze gelten, dem es sich unterordnet.

    In der Tat hat man schon mehrfach versucht, die allgemeine Kraft durch eine unendliche Reihe von Gliedern auszudrücken, die nach Potenzen des Abstandes der Teilchen von einander aufsteigen, indem sie diesen Potenzen umgekehrt proportional (reziprok) sind. Das erste, dem Quadrat des Abstandes reziproke, Glied sollte die Gravitation bedeuten, gegen welches die folgenden Glieder bei merklichem Abstande der Teilchen verschwänden, indes umgekehrt bei molekularen Abständen die folgenden Glieder eine überwiegende Größe erhielten. Durch Abwechselung der Vorzeichen ließen sich abstoßende mit anziehenden Kraftgliedern in derselben Reihe vereinigen, von denen je nach den Verhältnissen des Abstandes bald die einen, bald die anderen überwiegen könnten.

    So hat schon Boscovich in Zusammenhang mit seiner einfachen Atomistik eine solche Vorstellung von der Beschaffenheit der allgemeinen Grundkräfte gehegt, und ist in mannigfache Erörterungen darüber eingegangen (Theoria phil. nat. §. 12. 117 ff. und Suppl. §. 15); ohne jedoch, so viel ich ans seiner Theoria ersehe, die Potenzenreihe näher zu bestimmen. (Vergl. darüber Kap. 27.) Auf eine ähnliche Vorstellung ist Buijs Ballot (Pogg. Ann. CIII. 241), wie er bemerkt, unabhängig von Boscovich, gekommen, bezieht jedoch die Form des Gesetzes (eine Reihe, nach reziproken Werten von r2, r3, r4 ... aufsteigend) nicht auf Grundkräfte, sondern resultierende Kräfte, und setzt demgemäß die Konstanten der das Gesetz ausdrückenden Reihe je nach Berücksichtigung von mehr oder weniger Teilchen veränderlich. Auch sonst erinnere ich mich, gelegentlich hier und da auf ähnliche Vorstellungen gestoßen zu sein, als geeignet, die Molekularkräfte mit der Gravitation unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt zu vereinigen, nirgends aber auf ein rationelles Prinzip der Aufstellung eines solchen Gesetzes. Nicht leugnen kann man doch, dass ein so kompliziertes Gesetz in Widerspruch mit der Einfachheit zu stehen scheint, die man sonst gewohnt ist, von letzten Gründen der Erklärung im Naturgebiet zu fordern, und namentlich die Annahme eines Vorzeichenwechsels der Kraft bloß nach Verhältnissen der Entfernung der Teilchen von vorn herein etwas sehr Widerstrebendes hat. Auch glaube ich nicht, dass die bisherige Weise, den Gegenstand zu fassen, das Rechte trifft, stelle aber im Folgenden ein Prinzip auf, was zwar nicht zu demselben, aber doch einem verwandten Resultate führt, indem es höhere Potenzen als die zweite mit Vorzeichenwechsel in solcher Weise einführt, dass die Komplikation nur in den Folgen des einfachen Prinzips und dieses als eine Verallgemeinerung dessen erscheint, was bei. der Gravitation als einem Einzelfalle, der sich dem Prinzipe unterordnet, gilt.

    Für den ersten Anblick zwar könnte man fast bedauern, dass ein so einfaches Gesetz wie das Gravitationsgesetz nicht zugleich das allgemeinste sein soll, indes wird sich zeigen, dass seine Einfachheit in der Tat nur eine Dürftigkeit ist, und dass unser Prinzip einen kaum minder einfachen, aber höheren und allgemeineren Gesichtspunkt stellt, der einer Entfaltung in einen unsäglich größeren Reichtum besonderer Gesetzesfälle fähig ist, als das Gravitationsgesetz, welches selbst nur den zweiten der bisher bekannten Fälle dieses Gesetzes darstellt.–Hierzu führt folgende Betrachtung.

    Gewöhnlich faßt man Beharrung und Kraft als etwas grundwesentlich Verschiedenes auf. Indes ist doch der Erfolg der Beharrung mit den Erfolgen der Kraft gerade so und nach denselben Regeln zusammensetzbar (beispielsweise in der Wurfbewegung) als die Erfolge der Kräfte unter sich, auch läßt sich ein begrifflicher Bezug zwischen Beharrung und Kraft durch den Gesichtspunkt finden, dass das Gesetz der Beharrung das Verhalten eines Teilchens für sich ohne Rücksicht auf sein Zusammensein mit anderen bestimmt, das Gesetz für die Kraft aber das Verhalten je eines Teilchens im Zusammensein mit je einem anderen, aber ohne Rücksicht auf sein Zusammensein mit noch mehreren, und ohne Rücksicht auf das vorige Gesetz. Da das Kraftgesetz das Verhalten je eines Teilchens zum anderen wechselseitig und solidarisch bestimmt, hindert nichts, auch zu sagen; das Beharrungsgesetz bestimme das Verhalten je eines Teilchens für sich ohne Rücksicht auf sein Zusammensein mit anderen; das Kraftgesetz das Verhalten je zweier Teilchen in Verbindung, ohne Rücksicht auf ihr Zusammensein mit noch mehreren, wie ohne Rücksicht auf das erste Gesetz. Die Erfolge beider Gesetze setzen sich dann aber an jedem Teilchen zusammen.

    Wir haben hier zwei erste Stufen einer Gesetzesreihe; läßt sich dieselbe nicht weiter fortsetzen?

    Gibt es ein Gesetz, was das Verhalten je eines Teilchens für sich bestimmt, ein solches vom vorigen zu trennendes, was das Verhalten je zweier Teilchen in Verbindung bestimmt, dessen Erfolge sich aber mit denen des vorigen zusammensetzen, warum nicht ferner eben sofür je 3 Teilchen besonders, für je 4 Teilchen besonders u. s. w., Gesetze, die von den vorigen zu trennen sind, deren Erfolge sich aber mit denErfolgen der vorigen zusammensetzen?

    Bisher hat man Das, was in einer Kombination z. B. von drei Teilchen geschieht, rein aus der Zusammensetzung der Erfolge abgeleitet, welche durch die für je ein Teilchen und je zwei Teilchen geltenden Gesetze bestimmt werden. Es ist gewiß, dass dies für alle Berechnungen der himmlischen Erscheinungen ausreicht; aber reicht es auch für die Molekularerscheinungen aus? können nicht eben hier Erfolge bemerklich werden, die von Kräften abhängen, welche solidarisch durch das Zusammensein von mehr als zwei Teilchen bestimmt werden?

    Hat sich doch nach W. Weber’s Untersuchungen im Gebiete der Elektrizität die Notwendigkeit wirklich schon herausgestellt, Kräfte anzunehmen, die nicht bloß durch das Zusammensein je zweier Teilchen, sondern auch das Mitdasein der anderen bestimmt werden. (Vgl. hierüber Weber’s Abhandlung in der Abhandl. der Jablonowskischen Gesellsch. 1846, S. 376 oder meine Schrift "Zend-Avesta" II. S. 287, wo die Stelle nach Weber mitgeteilt ist.)

    Gehen wir also dem Gedanken solcher Kräfte weiter nach, indem wir das Verhältnis, was schon zwischen dem ersten und zweiten Gesetz besteht, im Fortschritt zu den weiteren Gesetzen zu verallgemeinern suchen.

    Das erste Gesetz bestimmt das Verhalten eines Teilchens für sich; das zweite Gesetz bestimmt das Verhalten desselben Teilchens nach den Verhältnissen seines Zusammenseins mit je einem anderen, weist ihm eine demgemäße Geschwindigkeit und Richtung an, die mit der durch das erste Gesetz bestimmten nicht allgemein zusammenfällt, aber sich damit zusammensetzt, sowie auch die verschiedenen Richtungen und Geschwindigkeiten, die das zweite Gesetz dem Teilchen anweist, je nachdem dasselbe mit diesem oder jenem anderen Teilchen zusammengefaßt wird, sich zusammensetzen; das dritte Gesetz wird nun das Verhalten des Teilchens nach den Verhältnissen seines Zusammenseins mit je zwei anderen solidarisch bestimmen (wozu wir unten die Regeln näher zu ermitteln versuchen), ihm eine demgemäße Geschwindigkeit und Richtung anweisen, die mit der durch die beiden vorigen Gesetze bestimmten nicht allgemein zusammenfällt, aber sich damit zusammensetzt, sowie auch die verschiedenen Richtungen und Geschwindigkeiten, die das dritte Gesetz dem Teilchen anweist, je nachdem dasselbe mit diesen oder jenen zwei anderen Teilchen zusammengefaßt wird, sich zusammensetzen werden und so fort auch bei den Kräften die durch das Zusammensein von je vier Teilchen, je fünf Teilchen, u. s. w. bestimmt werden, allgemein in der Art: dass immer der Erfolg der höheren Gesetze, anstatt als eine Zusammensetzung des Erfolgs der niederen gefaßt werden zu können, sich mit den Erfolgen der niederen Gesetze selbst zusammensetzt.

    Soll eine solche Ansicht statthaft erscheinen, so gehört noch dazu, dass die Kräfte, welche durch die höheren (d, h. aus mehr Teilchen bestehenden) Kombinationen bestimmt werden, um so rascher mit der Entfernung abnehmen, je höher die Kombination, so dass alle Kräfte, welche die Gravitation übersteigen, für die Bewegung der so fernen Himmelskörper außer Acht gelassen werden können, indes sie im Gebiete des Molekularen eine große und selbst größere Rolle als die Gravitation spielen könnten. Es wird sich aber unten zeigen, wie dies aus dem Verallgemeinerungsprinzip, was der ganzen Ansicht zu Grunde liegt, von selbst folgt, indem sich danach schon für die ternäre Kraft eine Reziprozität mit der sechsten Distanzpotenz ergibt.

    Auch im Gebiete des Molekularen können solchergestalt, je nach den Abstandsverhältnissen der Teilchen oder Moleküle, bald niedere Kräfte gegen höhere, bald höhere gegen niedere verschwinden und relativ isolierte Kombinationen in Betreff des Verhaltens ihrer Teilchen zu einander als bloß ihren eigenen inneren Kräften überlassen gedacht werden, ungeachtet streng genommen jede Kombination als Glied der allgemeinen Weltkombination selbst den höchsten Weltkräften mit unterliegt.

    Ehe wir das so im Allgemeinen aufgestellte Prinzip näher zu bestimmen und in Folgerungen zu entwickeln versuchen, lassen wir einige allgemeinere Betrachtungen zu seinen Gunsten sprechen.

    Von vorn herein liegt keine aprioristische Notwendigkeit vor, das Verhalten eines Teilchens unmittelbar nur nach seinem Bestehen für sich und seinem Zusammensein mit je einem anderen Teilchen gesetzlich bestimmt zu denken, und Alles bloß von Zusammensetzung so gewonnener Bestimmungen abhängig zu machen, da jedes Teilchen doch eben so als für sich und als mit je einem auch mit je zwei, mit je drei anderen Teilchen u. s. w. unmittelbar zusammen und zusammenfaßbar ist; ja es kann von vorn herein wenig wahrscheinlich erscheinen, dass die Natur sich mit den zwei ersten Schritten auf einem Wege, der ins unendliche frei steht, begnügt haben sollte.

    Dieser allgemeinen Betrachtung kommt entgegen, dass die höheren Kräfte, auf die wir so geführt werden, sich zur Befriedigung wirklicher Bedürfnisse der Physik auch wirklich geeignet zeigen, wie dies beim näheren Eingehen auf die Folgerungen unsers Prinzips erhellen wird. Es fragt sich in der Tat eigentlich nicht, ob wir noch andere Kräfte als die Gravitation haben wollen, sondern wie wir solche in Verhältnis und Zusammenhang mit der Gravitation denken und des Näheren bestimmen sollen, und in dieser Beziehung dürfte unser Prinzip die günstigstmöglichen Bedingungen darbieten.

    Erinnern wir hier nur ganz vorgreiflich an einige Punkte, wo unser Prinzip versprechende Aussichten eröffnet.

    Für nichts scheint die Annahme von Kräften, welche solidarisch von den Verhältnissen des Zusammenseins aller Teile eines Systems abhängen, oder was Dasselbe sagt, von Gesetzen, welche das Verhalten aller Teile desselben solidarisch bestimmen, willkommener als für die Deutung der Erscheinungen, welche die Organismen darbieten. In der Tat scheint es kaum denkbar, dass man das Spiel dieser Erscheinungen bloß von einer Zusammensetzung von Kräften, welche von je einem Teilchen zum anderen herüberwirken, sollte abhängig machen können, dagegen es im Sinne unserer Hypothese für die Gesamtheit der Teile eines Organismus eine Kraft gibt, welche deren Verhältnisse im Zusammenhange beherrscht, mit vielen untergeordneten Kräften für die besonders untergeordneten Systeme, die in der allgemeinen Zusammenstellung inbegriffen sind.

    Nicht minder ist die Deutung der verschiedenen Qualität der sog. chemisch einfachen Stoffe leicht mit unserem Prinzip in Beziehung zu setzen, falls man im Sinne der früher entwickelten Vorstellung nur die einfachsten Kombinationen des einfachsten Stoffes darin sucht, sofern es gestattet, ihre Hauptverschiedenheit in der Verschiedenheit des Gesetzes zu sehen, was in den ihnen unterliegenden Molekülen je nach der Zahl der darin befaßten Atome waltet.

    So verspricht unser Prinzip von vorn herein ebenso für die Repräsentation der verwickeltsten Anordnungen der Natur, d. i. der organischen, wie der einfachsten Anordnungen, d. i. der Moleküle der sog. einfachen chemischen Stoffe, Dienste zu leisten; was gewissermaßen die Grenzfälle des Gebiets sind, das damit zu decken ist.

Um jedoch einen bestimmtem Anhalt zur Beurteilung der Tragweite und Leistungen unsers Prinzips zu gewinnen, wird es gelten, dasselbe erst näher zu bestimmen, d. h. die Abhängigkeit der Kräfte, die es unter sich faßt, von den Verhältnissen des Zusammenseins der Teilchen in entsprechender Weise allgemein festzustellen, wie es für die Gravitation schon im Besonderen stattfindet, und hierzu dürfte der beste, wo nicht einzige Weg der sein, dass wir eben durch eine verallgemeinernde Fassung des Gravitationsgesetzes selbst dazu zu gelangen suchen. Die gewöhnliche Ausdrucksweise des für je zwei Teilchen geltenden Gravitationsgesetzes gestattet nun freilich keine Verallgemeinerung für mehr als zwei Teilchen und dies hat unstreitig beigetragen, den Gedanken an ein allgemeines Gesetz wie das unsrige zurückzudrängen; aber es ist leicht, die gewöhnliche Ausdrucksweise in eine andere zu übersetzen, welche dem Faktischen ebenso gut genügt und das Verlangte leistet.

    Nach der gewöhnlichen Fassung des Gravitationsgesetzes ist die Kraft jedes Teilchens nach der Verbindungslinie der Teilchen gerichtet, d. h. es strebt sich in Richtung dieser Linie nach dem anderen Teilchen hin zu bewegen. Aber da in einer Kombination von drei Teilchen jedes Teilchen mit je zwei anderen verbunden ist, so kann die Kraft dritter Stufe, welche durch das Zusammensein aller drei gemeinschaftlich bestimmt sein soll, weder im Sinne der einen, noch andern Verbindungslinie gerichtet sein, da natürlich keine etwas vor der anderen voraus hat. Welches wird ihre Richtung sein? Da der gewöhnliche Ausdruck des Gravitationsgesetzes in dieser Beziehung keine Verallgemeinerung zuläßt, so übersetzen wir ihn in einen anderen, welcher das Faktische noch ebenso gut als der erste trifft, aber nun die Übertragung auf die Kombination von drei und mehr Teilchen gestattet. Wir sagen nicht mehr, die Kraft jedes Teilchens ist nach dem anderen Teilchen, sondern sie ist nach dem gemeinsamen Schwerpunkt beider Teilchen gerichtet, als wenn dieser der sie gemeinsam anziehende Mittelpunkt wäre. Im Faktischen kommt dies in der Tat auf dasselbe hinaus, kann aber nun auf jede beliebige Anzahl Teilchen übertragen werden.

    Auch bei einer Kombination von drei Teilchen, von vier Teilchen u. s. w., wird also die durch das Zusammensein der Teilchen gemeinsam bestimmte Kraft überall gegen den Schwerpunkt der Kombination gerichtet sein, oder, sofern sich später auch abstoßende Kräfte unter der Reihe der höheren Kräfte von selbst ergeben werden, von ihm weg gerichtet sein, als wenn die ganze anziehende oder abstoßende Kraft des Systems von da ausginge. Da übrigens die Zusammensetzung der Gravitationswirkungen in Kombinationen aus drei und mehr Teilchen jedes Teilchen ebenfalls gegen den Schwerpunkt treibt, so wird durch die höhere Kraft schließlich eigentlich keine neue Richtung eingeführt, sondern die einfache Wirkung derselben addiert sich oder (im Fall abstoßender Kräfte) subtrahiert sich nur zu oder von der zusammengesetzten Wirkung der Gravitation, ohne doch mit ihr identifiziert werden zu können.

    Die Vorstellung, dass die Richtung der Kraft jedes Teilchens einer Kombination statt in Bezug zu einem anderen Teilchen vielmehr in Bezug zum gemeinsamen Schwerpunkt aller Teilchen der Kombination bestimmt ist, kann Schwierigkeit für Den haben, der die Kraft als etwas in den Teilchen besonders Sitzendes, Auf andere Teilchen Hinüberwirkendes ansieht, eine Schwierigkeit, die natürlich wegfällt, wenn man diese an sich unklare Vorstellung verläßt, um die Kraft, so wie von uns schon früher geschehen ist, vom Gesetzesbegriff abhängig zu machen. Hier zeigt sich der faktische Vorteil begrifflicher Klarheit. Wir sagen: Körper äußern eine Kraft auf einander, wenn sie sich nach einem auf die Verhältnisse ihres Zusammenseins bezüglichen Gesetze von oder gegen einander bewegen. Da hiernach die Kraft selbst erst durch das Zusammensein der Teilchen entsteht und bestimmt wird, in sofern das Gesetz eben nur für ein gegebenes Zusammensein eine gegebene Kraftwirkung aussagt, erscheint es auch ganz angemessen, dass die Richtung eines Teilchens durch die Kraftwirkung nicht einseitig in Bezug zum anderen, sondern in Bezug auf ein durch ihr gemeinsames Dasein gesetztes Ziel bestimmt ist, wie denn auch die Teilchen das gemeinsame Ziel, den gemeinsamen Schwerpunkt, wirklich erreichen würden, wenn sie ohne ablenkenden Impuls der alleinigen Wirkung anstehender Kräfte überlassen blieben.

    Jedenfalls ist gewiß, dass das Faktische der bis jetzt bekanntes Kraftwirkungen eben so wohl den einen als anderen Ausdruck duldet, so dass von hier aus kein Einwand gegen unsere Auffassungsweise möglich ist. Mit bloßen Ansichten aber lassen sich Ansichten nicht widerlegen.

    Unstreitig zwar wird nichts hindern, unsere einfach gegen den Schwerpunkt der Kombination gerichtet gedachten höheren Kräfte auch nach den Verbindungslinien der Teilchen zerlegt zu denken; aber weder konnte von einer solchen Auffassung bei der Herleitung der Wirkungsweise der höheren Kräfte ausgegangen werden, sofern sie einheitlich durch das Zusammensein mehrerer Teilchen bestimmt sein sollen, noch würde sich die allgemeine Betrachtung der Erscheinungen dadurch vereinfachen; wenn schon, wie nicht bestritten wird, für das Bedürfnis der Rechnung eine solche Zerlegung nötig sein kann.

    Die Abhängigkeit der Kraft vom Abstande der Teilchen wird für die Gravitation gewöhnlich so ausgedrückt: die Kraft sei umgekehrt proportional oder reziprok dem Quadrat des Abstandes. Da es aber schon bei drei Teilchen drei Abstände statt eines gibt, erleidet dieser Ausdruck wieder keine Übertragung auf die höheren Kräfte. Aber wir können ihn in folgenden übersetzen: statt zu sagen, die Größe der Kraft, welche in einer Kombination von zwei Teilchen a und b wirkt, sei reziprok dem Quadrat ihres Abstandes, kann ich ebenso gut sagen, sie sei reziprok dem Produkte aus dem Abstande von a zu b in den Abstand von b zu a, überhaupt dem Produkte der irgendwie von Teilchen zu Teilchen nehmenden Abstände. Danach wird dann die Kraft in einer Kombination z. B. ans drei Teilchen reziprok sein einem Produkt aus sechs einfachen Distanzen1) oder drei Distanzquadraten, d. i. im Fall der Gleichheit der Abstände der sechsten Potenz des Abstandes; in einer Kombination aus vier Teilchen einem Produkt aus zwölf einfachen Distanzen oder sechs Distanzquadraten u. s. f.

1) Nämlich, wenn a, b, c, die drei Teilchen, und a b, b c, a c, ihre respektiven Abstände (in einer Richtung verfolgt) sind, dem Produkte aus a b, b a, a c, c a, b c, c b, wovon je zwei abgesehen vom weiterhin zu berücksichtigenden Vorzeichenunterschiede gleich sind.     Dieses Ergebnis ist in sofern sehr befriedigend, als sich hiermit die große Schwächung der molekularen Kräfte mit der Entfernung, welche die Erfahrungen fordern, von selbst ergibt.

    Führt man die Bestimmung für Kombinationen von noch mehr Teilchen aus, so wird man zu einer, aus folgender Tabelle von selbst einleuchtenden, allgemeinen Regel geführt, wodurch sich ohne Rechnung aus der Zahl der Atome, die in die Kombination eingehen, sofort die Zahl der Distanzfaktoren ergibt, die in das Produkt eingehen, welchem die Kraft reziprok ist; eine Regel, die sich übrigens auch durch eine einfache Anwendung der Kombinationsrechnung ergibt. Man erhält nämlich:

                                                                Zahl der Teilchen der Kom-     Zahl der Distanzfaktoren, welche in das der Kraft
                                                                     bination.                                             reziproke Produkt eingehen.
 
                                                                        1                                                             0. l     =     0
                                                                        2                                                             1.2     =     2
                                                                        3                                                             2.3     =     6
                                                                        4                                                             3.4     =     12
                                                                        5                                                             4.5     =     20
                                                                        6                                                             5.6     =     30
                                                                        7                                                             6.7     =     42

u. s. f. Geht man zu den Quadraten über, so hat man natürlich die Hälfte der in der zweiten Kolumne gegebenen Zahlen zu nehmen, was die Reihe gibt

0, 1, 3, 6, 10, 15, 21 u. s. f. worin je zwei ungerade und zwei gerade Zahlen auf einander folgen, was für eine später zu ziehende Folgerung wichtig ist.

    Bei der Gravitation werden je zwei gleichwertige Teilchen durch die in ihrer Kombination wirkende Kraft mit gleicher Beschleunigung nach einander oder nach dem gemeinsamen Schwerpunkt hingetrieben, so dass die Lage dieses Schwerpunkts unverrückt bleibt. Soll bei Kombinationen aus mehr als zwei gleichen Teilchen unter dem Einfluß der darin waltenden höheren Kräfte die Lage des Schwerpunkts ebenfalls unverrückt bleiben, so kann die Beschleunigung nicht mehr für alle gleich sein, sondern muß im Verhältnis des Abstandes vom Schwerpunkt stehen, so dass sich die Teilchen von der Ruhe ab mit Geschwindigkeiten, welche diesen Abständen proportional sind, nach demselben hinbewegen. Da also bei den höheren Kombinationen nicht mehr wie bei den binären beide Bedingungen, gleiche Beschleunigung der gleichen Teilchen und Erhaltung der Lage ihres Schwerpunkts, zusammentreffen, so hat man sich zu entscheiden, welche von beiden festzuhalten ist. Unstreitig die letztere, weil wir kein System kennen, in welchem durch die Wirkung seiner eigenen Molekularkräfte der Schwerpunkt verrückt zu werden vermöchte. Die gleiche Beschleunigung der gleichmassigen Teilchen im Falle der Gravitation wäre dann nur als ein besonderer Fall anzusehen, welcher von dem gleichen Abstande derselben vom Schwerpunkte abhängt. Da die Richtung der Kraft auf den Schwerpunkt zu beziehen ist, muß ohnehin erwartet werden, dass der relative Abstand der Teilchen davon auf die relative Geschwindigkeit, mit der die Teilchen ihm zustreben, nicht ohne Einfluß sein werde; und wenn die größere Distanz der Teilchen von einander die Beschleunigung für alle Teilchen gemeinsam schwächt, so ist dies kein Hindernis, dass sich die Relation ihrer Beschleunigung nach dem Verhältnis des Abstandes vom Schwerpunkt richte. Dieser wird demnach in diesem Sinne mit in den Ausdruck der Kraft aufzunehmen sein.

    Insofern wir geneigt sind, anzunehmen, dass alle Atome in allen Kombinationen gleichwertig sind, wird die Kraft, von welcher die einfachen Atome in irgend welcher Kombination sollizitiert werden, unabhängig von den Massen der Atome, sofern die Masse jedes Atoms = l gesetzt werden kann, und das Produkt noch so vieler Massen dann auch l bleibt.

    Das Vorige hat noch nicht auf den Unterschied von Anziehungs- und Abstoßungskräften geführt. Man kommt aber leicht in folgender Weise auf einen solchen Unterschied.

    Die Richtung der Kraft, ob anziehend ob abstoßend, läßt sich bestimmt halten durch das respektiv negative (Verkleinerung des Abstandes bedeutende) oder positive (Vergrößerung des Abstandes bedeutende) Vorzeichen des aus den gesamten Distanzen erhaltenen Produkts. Dieses Vorzeichen ist immer für je zwei auf einander folgende Kraftstufen dasselbe und wechselt im Übergange zu den nächstfolgenden zwei Kraftstufen, wie sich leicht so ergibt:

    Nimmt man bei zwei Atomen a, b die Richtung von a nach b positiv, so ist die von b nach a, negativ, das Distanzprodukt also negativ, mithin die Gravitation anziehend. Alle Quadrate der Distanzen sind aus gleichem Grunde überhaupt negativ, eben so alle Distanzprodukte, in welche eine ungerade Zahl von Quadraten eingeht, und da nach vorgen. in das Distanzprodukt für 3 Atome 3 Quadrate eingehen, so ist auch das Distanzprodukt für 3 Atome negativ, mithin die ternäre Kraft ebenfalls anziehend. In das Distanzprodukt für 4 Atome dagegen gehen 6, in das für 5 Atome 10 Quadrate ein, also werden die Distanzprodukte hier positiv und die betreffenden Kräfte sind abstoßender Natur. Das oben angeführte Gesetz, wie die Distanzprodukte fortschreiten, führt von selbst mit, dass der Wechsel mit Aufsteigen in der Stufenreihe der Kräfte stets in voriger Weise fortgeht.

    Jede höhere Kraft in einer Kombination schließt notwendig das Mitbestehen aller niederen innerhalb derselben Kombination ein; da ja natürlich eine Verbindung z, B. aus 5 Atomen auch Kombinationen aus 4, aus 3, aus 2 Teilchen bis zu l herab einschließt; dagegen nicht umgekehrt. Die höchste Kraft in jeder Kombination kommt insofern immer nur einfach vor, als sie durch das Zusammensein sämtlicher Teilchen der Kombination bestimmt wird, obschon natürlich jedes Teilchen nach den angegebenen Regeln davon ergriffen wird; die niederen Kräfte aber kommen insofern mehrfach vor, als in jeder höheren Kombination sich mehrere niedere Kombinationen derselben Stufe finden lassen, und setzen sich in ihrer Wirkung unter einander und mit der ersten an jedem Teilchen zusammen.

    So unterliegt z. B. in einer Kombination von drei Teilchen jedes Teilchen l) einer einfachen Kraft dritter Stufe; 2) einer Zusammensetzung zweier Kräfte zweiter Stufe (weil es zwei Kombinationen zweiter Stufe zugleich angehört), und 3) einer einfachen Kraft erster Stufe, sofern man das Wort Kraft hier noch brauchen will, oder der Beharrung. Diese drei Kräfte, von denen Nr. 2 selbst zusammengesetzt ist, setzen sich schließlich in eine gemeinsame Resultante zusammen.

    In einer Kombination von vier Atomen unterliegt eben so jedes Teilchen l) einer einfachen Kraft vierter Stufe, 2) einer Zusammensetzung zweier Kräfte dritter Stufe; 3) einer Zusammensetzung dreier Kräfte zweiter Stufe; 4) einer einfachen Kraft erster Stufe, die sich wiederum sämtlich zusammensetzen u. s. f.

    Es ist nicht unwichtig zu bemerken, dass die Zusammensetzung aller niederen Kräfte (mit Ausnahme der Beharrung auf Grund einer etwaigen Urbewegung) den Schwerpunkt der ganzen Kombination eben so wenig verrücken kann, als er auch durch die höchste Kraft selbst nicht verrückt werden kann, wie sich daraus ergibt, dass jede niedere Kraft für sich den Schwerpunkt der partiellen Kombination, in der sie wirkt, unverändert läßt; denn hiernach kann auch die Zusammensetzung dieser, in verschiedenen partiellen Kombinationen wirkenden, Kräfte nichts zur Verrückung des resultierenden Schwerpunkts der ganzen Kombination leisten.

    Fassen wir das Wesentlichste der vorigen Bestimmungen kurz zusammen:

    In jeder Kombination aus irgend viel Teilchen waltet eine Kraft, welche ihrer Größe und Richtung nach durch die Verhältnisse des Zusammenseins aller Teilchen auf einmal bestimmt wird, und die Bedeutung hat, dass ihrer Größe proportional die Geschwindigkeit aller Teilchen zugleich nach der Richtung, in der sie durch die Kraft getrieben werden, wächst oder abnimmt. Der Größe nach ist sie reziprok dem Produkt aus den Quadraten aller Abstände, die sich von je einem Teilchen zum andern nehmen lassen. Der Richtung nach treibt sie die Teilchen als anziehende Kraft gegen den gemeinsamen Schwerpunkt oder als abstoßende vom gemeinsamen Schwerpunkt weg, je nachdem jenes Produkt negativ oder positiv ausfällt, wenn man jedes Quadrat selbst negativ setzt. Die Verteilung der Wirkung dieser Kraft auf die einzelnen Teilchen, d. h. die Bewegung der einzelnen Teilchen vermöge dieser Kraft, erfolgt so, dass das Prinzip der Erhaltung des Schwerpunkts dabei besteht, wonach sie, von der Ruhe ab gerechnet, dem Schwerpunkt mit Geschwindigkeiten zustreben oder von demselben mit Geschwindigkeiten wegstreben, welche ihrem Abstande vom Schwerpunkt direkt proportional sind. Sofern jede höhere Kombination (d. i. aus mehr Teilchen) alle niedere Kombinationsstufen (mit weniger Teilchen) einschließt, mithin jedes Teilchen im Allgemeinen mehrern niederen und höheren Kombinationen und einer höchsten zugleich angehört, sind alle die Bewegungen, die es vermöge seines Inbegriffenseins in jeder dieser Kombinationen für sich annehmen würde, besonders zu bestimmen, nun aber unter einander und mit der, die ihm durch Beharrung zukommt, nach der Regel des Parallelogramms der Kräfte zusammenzusetzen.

    Vergleichen wir die von uns aufgestellte Kraftreihe mit der zu Anfang dieses Kapitels erwähnten, an die man schon früher gedacht hat, so liegt der unseren insofern ein anderer, höherer und allgemeinerer Gesichtspunkt unter, als in unserer Reihe die höheren Kraftglieder nicht von den Verhältnissen derselben zwei Teilchen zu einander abhängig gemacht und nach der Verbindungslinie derselben gerichtet gedacht werden, als die niederen, sondern sich sukzessiv auf Kombinationen von immer mehr Teilchen beziehen und danach auch immer neue Richtungen, jedesmal nämlich nach dem Schwerpunkt, gewinnen. Auch liegt der unseren ein rationelles Prinzip unter, nach dem die den Kräften reziproken Distanzprodukte so rasch, wie es die Erfahrung fordert, aufsteigen, und anziehende und abstoßende Kräfte wechseln, indes es in der bisherigen Aufstellung der Reihe an einem Prinzipe dafür fehlte.

    Hierzu tritt noch ein wichtiger Unterschied, der aber weniger die allgemeine Auffassung des Gesetzes der Kraftreihe, als den mathematischen Ausdruck und die mathematische Verwendbarkeit desselben betrifft; daher seine Betrachtung hierher verschoben werden konnte, darin ruhend, dass der, zur Repräsentation der Gesetze kontinuierlich sich ändernder Geschwindigkeiten statuierte und notwendig zu statuierende, Unterschied zwischen Änderungen niederer und höherer Ordnung, bisher nur bis zu Änderungen zweiter Ordnung fortgeführt, in unserer Kraftreihe weiter geführt wird, indem jene Beschränkung mit der Beschränkung auf binäre Kräfte natürlicherweise zusammenhängt.

    Nach dem Beharrungsgesetze wird in jedem kleinen Zeitelement d t ein kleines Raumelement d r durchlaufen, und das Maß der Kraft ist, wenn man Beharrung als Kraft fassen will, durch  ausdrückbar, d. h. durch das konstante Verhältnis zwischen dem Raumelemente und dem zu seiner Durchlaufung gebrauchten Zeitelemente, die Kraft hingegen, die zwischen zwei Teilchen besteht, ist nicht mehr durch Bezugnahme auf Raum- und Zeitelemente bloß erster Ordnung, sondern nur zweiter Ordnung ausdrückbar, durch , d. h. durch das Raumelement von einer Größe zweiter Ordnung, welches in einem Zeitelement von der Größe zweiter Ordnung in Richtung der Kraft durchlaufen wird. Wenn nun die Wirkung der Beharrung mit der Wirkung der Kraft zusammengesetzt wird, muß also auch prinzipiell diese Zusammensetzung in Zeitelementen und zwischen Raumelementen zweiter Ordnung vollzogen gedacht und durch Integration das Resultat für endliche Zeiten und Räume abgeleitet werden. Geht man verallgemeinernd in demselben Sinne weiter, so wird die Kraft dritter Ordnung durch  zu messen, und, insofern von einer Zusammensetzung ihrer Wirkung mit den Wirkungen der Kräfte niederer Ordnung die Rede ist, diese Zusammensetzung in Zeitelementen und zwischen Raumelementen dritter Ordnung mathematisch zu vollziehen sein, u. s. f. Nach der bisherigen Auffassung aber, die bloß bis zu binären Kräften geht, wird auch bloß bis zu Änderungen zweiter Ordnung gegangen, und die ganze Reihe reziproker Distanzpotenzen, die wir unsrerseits auf die Reihe der sukzesiven Kräfte, mithin Differenzialquotienten fallen lassen, auf die Kraft zweiter Ordnung, mithin den Quotienten übertragen. Muß es aber nicht von vorn herein befremdlich erscheinen, dass die Natur bis zu Kräften gegangen ist, die ihren Ausdruck durch die Differenzialquotienten der beiden ersten Ordnungen finden und nicht darüber hinausgegangen ist? Ein aprioristischer oder aus den allgemeinen Prinzipien der Mechanik fließender Grund liegt unstreitig nicht dazu vor. Wenn man aber an die Einführung höherer Differenzialquotienten denken will, wird sich sicher kein anderer Weg finden lassen, als sie mit der Einführung höherer als binärer Kräfte in Beziehung zu setzen.

    Nun übersieht sich freilich leicht, dass, allereinfachste Fälle etwa ausgenommen, eine wirkliche Ausführung von Rechnungen auf Grundlage unseres Prinzips nach dem jetzigen Zustande der Mathematik unübersteigbaren Hindernissen unterliegt. Schon die allgemeine Behandlung des Problems der 3 Körper auf bloßer Grundlage des binären Gravitationsgesetzes unterliegt solchen, geschweige bei Zuziehung von mehr als binären Kräften. Ist aber deshalb die Aufstellung unseres Prinzips müßig? Ich glaube nicht.

    Einmal kann die Schwierigkeit einer Aufgabe nicht ersparen, den Gesichtspunkt derselben zu stellen, wenn er in der Natur der Sache begründet ist, wäre es auch nur, um Versuche der Lösung aus untriftigen Gesichtspunkten zu verhüten oder zu beseitigen. Zweitens könnten bei Verzichtleistung darauf, die durch unser Prinzip gestellte mathematische Aufgabe je allgemein lösen zu können, doch besondere Fälle einer sei es genauen oder approximativen Lösung fähig sein; wie dies ja auch bei Behandlung des Problems, der drei Körper auf Grund des Gravitationsgesetzes der Fall ist. Drittens läßt sich von Fortschritten der Mathematik die Lösung mancher Aufgaben hoffen, die jetzt unmöglich scheint. Viertens können ohne Hilfe der Mathematik doch gar manche allgemeine Folgerungen aus unserem Prinzip gezogen oder Anknüpfungspunkte von Tatsachen daran gewonnen werden, worauf ich unten komme. Über all das endlich ist in Betracht zu ziehen, dass unser Prinzip, ganz abgesehen von allen mathematisch daraus ziehbaren Folgerungen, eine sehr allgemeine Aufklärung über die Natur und den Zusammenhang der Naturkräfte enthält, die sicher nicht zu verachten wäre, falls sie stichhaltig sein sollte, wobei nur zu bedauern ist, dass sich das bis jetzt nicht sicher beweisen, sondern nur durch den Zusammenhang der von uns angeführten Gründe probabel machen läßt. Könnte ich es freilich beweisen, so würde ich mich kühn neben Newton stellen.

    Sollte nicht aber wirklich die mathematische Aufgabe sich für viele der wichtigsten Fälle sehr vereinfachen? Zum Beispiel: Wenn die Moleküle der sog. einfachen Stoffe wie unteilbare Ganze in chemische Verbindungen eingehen, so bleiben sie dabei unstreitig immer noch sehr entfernt im Verhältnis zu der Entfernung, welche die Atome jedes Moleküls unter sich haben; und die Berechnung der Kräfte, unter deren Einfluß diese Prozesse stehen, sollte je an eine Berechnung derselben gedacht werden, wird also so stattfinden können, als wenn alle Atome jedes Moleküls in einem Punkte vereinigt wären; nur dass wir statt bloß binärer Kräfte zwischen je zwei solchen Kollektivpunkten die höheren Kräfte mit einzuführen haben, die daraus hervorgehen, dass jeder derselben eine Verbindung von Punkten repräsentiert, die zu denen des anderen Punkts in solche Nähe gekommen sind, dass höhere Kräfte als binäre, niedere Kräfte aber als die inneren Kräfte des Moleküls merklich werden, welche letztere zu berechnen überhaupt kein Interesse vorliegen dürfte. Eine ähnliche Betrachtung dürfte auf die Moleküle der anerkannt zusammengesetzten Stoffe Anwendung finden, wenn es gilt, die Kräfte zu berechnen, von welchen die Erscheinungen der Elastizität abhängen u. s. w.

    Ich habe unser Prinzip in Zusammenhang mit der einfachen Atomistik vorgetragen, und bei einiger Überlegung zeigt es sich auch nur mit ihr verträglich. Setzen wir Atome endlicher Größe, die mit Masse kontinuierlich erfüllt sind, so sind nicht nur die binären Kräfte je zweier sich berührenden Teilchen jedes Atoms und alle höheren Kräfte, welche sie mit den entfernteren Teilchen desselben Atoms geben, sondern auch die höheren Kräfte, welche sie mit den Teilchen anderer Atome geben, bei jedem endlichen Abstande dieser anderen Atome unendlich, weil je zwei sich berührende Teilchen einen Distanzfaktor Null zu dem Totalprodukt beitragen, mit welchem die multiple Kraft reziprok ist. Der reziproke Wert von Null ist aber ¥ . Sofern nun die Totalwirkung zweier Atome auf einander aus der Zusammensetzung der Wirkungen aller niederen und höheren Kräfte ihrer Teilchen abhängt, gäbe es gar keine Totalwirkung endlicher Größe zwischen Atomen bei endlichem Abstande derselben, wie es doch der Fall ist. Sollte sich also unsere Hypothese irgendwie durch die Erfahrung bestätigen lassen, so würde hiermit zugleich für die Annahme einfacher Atome entschieden sein.

    Was ich vorläufig noch von besonderen Betrachtungen an das Gesetz zu knüpfen wüßte, möchte etwa Folgendes sein, bis jetzt freilich nur mehr in Andeutungen zur Anbahnung einer genaueren Prüfung, als strengen Entwickelungen bestehend.

    Elastizität. Daraus, dass mit zunehmender Nähe der Teilchen, also Verdichtung der Körper, immer höhere Kräfte spürbar und endlich über die mit der Nähe der Teilchen langsamer wachsenden niederen überwiegend werden, die Kräfte aber im Aufsteigen nach je zwei Stufen ihr Vorzeichen wechseln, folgt, dass mit zunehmender Nähe der Teilchen abwechselnd eine anziehende und weiterhin wieder abstoßende Kraft größer, als alle übrigen wird,2) so wie auch dass die Summe der anziehenden und abstoßenden Kräfte (da es nicht bloß auf die stärkste ankommt) abwechselnd überwiegt. Unter dem Einfluß dieses Übergewichts werden sich die Teilchen so lange fortfahren zu nähern oder zu entfernen, bis Gleichgewicht, und zwar ein Fall stabilen Gleichgewichts, zwischen beiden eingetreten ist, d. h. wo bei weiterer Näherung die Summe der abstoßenden, bei größerer Entfernung die Summe der anziehenden Kräfte überwiegend wird. Dies ist der Fall der Elastizität.

    Kristallisation. Damit die Teilchen eines seinen eigenen Kräften überlassenen Körpers in stabilem Gleichgewicht sind, wird nicht notwendig erfordert, dass sie alle gleich weit von einander entfernt sind. Sie könnten sich z. B. nach einer Richtung so nahe sein, dass Gleichgewicht unter dem Einflusse sehr hoher anziehender und abstoßender Kräfte stattfände, indes sie nach der darauf senkrechten Richtung bei größerem Abstande unter dem Einflusse niederer Kräfte im Gleichgewicht wären. Dann wird der Körper nach letzter Richtung leichter spaltbar sein, als nach erster, weil die niederen Kräfte der Entfernung der Teilchen aus der Gleichgewichtslage weniger Widerstand entgegensetzen als die höheren, da sie sich weniger rasch mit der Entfernung ändern. Dies gibt den allgemeinen Gesichtspunkt für das Gefüge oder die Blätterdurchgänge der Körper. Da an den Grenzen des Körpers sich die Teilchen unter anderen Verhältnissen befinden als im Inneren, so wird die Lage der Teilchen hier noch besondere Bedingungen erfüllen müssen, wenn sie sich in stabilem Gleichgewicht befinden sollen, und es läßt sich im Allgemeinen übersehen, wenn schon der genauere Nachweis noch zu führen ist, dass hierzu gewisse Symmetriebedingungen der Stellung wesentlich sind; was den Gesichtspunkt der Kristallformen stellt.

2) Das heißt: ein größeres Raumelement gegebener Ordnung in dem entsprechenden Zeitelement durchlaufen läßt.     Unstreitig sind in allen Kristallen Kräfte höherer Stufe wenigstens mit tätig, als welche die Adhäsion der Körper an einander bewirken, die wahrscheinlich in der Hauptsache die Kraft dritter Stufe ist. Nun hindert nichts, dass kleine Kristalle noch in unregelmäßiger Weise durch diese Adhäsion vereinigt werden, und so die scheinbar nicht kristallinischen Körper bilden.

    Maßeinheiten. Es ist bisher nicht gelungen, eine absolut konstante Größe in der Natur zu entdecken, auf die man überall und immer wieder zurückzukommen vermöchte, und die somit als Grundlage absoluten Maßes dienen könnte. Auf der Erde ist man geneigt, ein absolutes Maß von den Dimensionen der Erde oder der unter konstanten Verhältnissen bestimmten Pendellänge zu entlehnen; aber die Dimensionen der Erde sind in Betracht ihrer allmälig fortschreitenden Erkaltung nicht absolut fest, und die Pendellänge demgemäß auch nicht absolut unveränderlich; überdies wäre ein nur für Erdbewohner brauchbares Maß im günstigsten Falle noch kein absolutes Maß. Unser Prinzip aber gewährt das Mittel, ein solches aufzustellen, welches für alle Zeiten, auf allen Weltkörpern, bei allen Veränderungen derselben unveränderlich als dasselbe besteht, nur dass es freilich der feinsten, und für jetzt noch nicht durchführbaren Untersuchungen bedürfen wird, das Verhältnis einer bekannten Größe dazu zu ermitteln; ohne dass übrigens die Hoffnung dazu überhaupt aufgegeben zu werden brauchte.

    Nach Symmetriebedingungen darf man annehmen, dass ein Würfel aus 8 Atomen, d. h. dessen 8 Ecken respektiv von 8 Atomen eingenommen werden, als Molekül bestellen kann.3) Er kann aber, sollen die Attraktivkräfte mit den Repulsivkräften im Gleichgewicht sein, nur bei gewissen Dimensionen bestehen, die überall und immer dieselben bleiben werden. Dieser Würfel kann demnach mit seiner Seite, Seitenfläche und kubischem Inhalt zugleich die Einheit des Längenmaßes, Flächenmaßes und Körpermaßes darbieten. Sein Gewicht wird zugleich als Gewichtseinheit, seine Dichtigkeit als Dichtigkeitseinheit dienen können. Die Zeiteinheit wird man durch die Dauer der Schwingungen erhalten, in welche der Würfel (zwischen Expansion und Kontraktion wechselnd) gerät, wenn man seine Teilchen unendlich wenig in der Richtung nach dem Schwerpunkt verrückt denkt; wobei man sich zu erinnern hat, dass die Dauer unendlich kleiner Schwingungen (als Grenzbegriff) doch endlich ist. Insofern Wärme, Magnetismus und Elektrizität sich, wie vielleicht nicht unwahrscheinlich, nur durch verschiedenartige Schwingungen unterscheiden sollten, würde man auch hierfür absolute Maßeinheiten von dem Würfel gewinnen können. Für die räumlichen Einheiten wird vorausgesetzt, dass der Würfel absolut kalt, unelektrisch, unmagnetisch sei, d. h. alle Teilchen desselben in völliger Ruhe, weil der Schwingungszustand wahrscheinlich Änderungen in der Mittellage der Atome hervorbringt. Vielleicht fällt der Würfel, um den es sich hierbei handelt, mit dem Molekül des relativ einfachsten chemischen Stoffes zusammen, wie im Folgenden betrachtet wird.

3) Die Betrachtungsweise würde sich nicht wesentlich ändern, wenn mehr als 8 Atome dazu gehörten, den kleinstmöglichen Würfel zu bilden.     Chemisch einfache Stoffe. Nach der schon oben berührten Auffassung beruht ihre Verschiedenheit darauf, dass ihnen Moleküle von einer verschiedenen Anzahl einfacher Atome unterliegen. Da sie durch die uns zu Gebote stehenden Kräfte nicht zersetzbar sind, müssen die inneren Kräfte, durch die sie zusammengehalten werden, sehr stark in Verhältnis zu den äußeren Kräften sein, die auf sie einwirken können; was sich nicht wohl anders repräsentieren läßt als so: Die Moleküle der sogenannten einfachen Stoffe bestehen aus einer so hohen Kombination, d. h. so großer Anzahl, einfacher Atome, dass höhere Kräfte in ihnen tätig werden, welche mit der Nähe sehr stark zunehmen; und die Moleküle sind so dicht, dass diese Kräfte wirklich eine sehr starke Wirkung erlangen. Indem sich nach den bei der Elastizität und Kristallisation erörterten Prinzipien die anziehenden und abstoßenden Kräfte hierbei ins Gleichgewicht setzen, nimmt jedes Molekül eine gewisse kristallinische Grundform an.

    Denken wir uns die Atome der Welt anfangs in sehr mannigfaltiger Anordnung, so konnten solche Moleküle sog. einfacher Stoffe sich an sehr verschiedenen Stellen identisch bilden, da es nur galt, dass die hinreichende Anzahl Atome dazu in hinreichender relativer Nähe zu einander und hinreichender Entfernung von anderen zusammentraf, um nicht durch deren Wirken in Bildung des Moleküls gestört zu werden. Nachdem aber diese Moleküle einmal gebildet sind, können sie nicht so leicht wieder zerstört werden, da, wenn sich zwei oder mehr solcher Moleküle einander aus großer Entfernung nähern, Gleichgewicht der anziehenden und abstoßenden Kräfte zwischen ihnen schon unter dem Einfluß niederer Kräfte, als in ihnen selbst walten, und bei größeren Abständen, als zwischen ihren eigenen Teilchen bestehen, eintreten wird, so dass ohne eine gewaltsame Annäherung, wozu wir keine Mittel kennen, jedes Molekül seinen Bestand behält, ohne mit dem anderen zusammenzufließen oder sich mit ihm zu zersetzen.

    Die nächstliegende wichtige Folgerung vorstehender Auffassung der einfachen Stoffe ist diese: Wenn selbst das Molekül des relativ einfachsten Stoffes, auf unserer Erde des Wasserstoffes, noch zusammengesetzt ist, so wird es prinzipiell genommen überhaupt nicht zweckmäßig sein, das Atomgewicht irgend eines der sog. chemisch einfachen Stoffe als Grundeinheit des Atomgewichts anzusehen, sondern das Gewicht des einfachen Atoms selbst. Die Atomgewichte oder eigentlicher Molekülgewichte aller einfachen Stoffe werden dann mit der Zahl der Atome zu bezeichnen sein, die respektiv in das Molekül eines jeden eingehen. Hiernach kann man sich die Aufgabe stellen, die jetzt angenommenen Molekülgewichte, welche auf eins unter ihnen als Einheit bezogen werden, mit einem solchen gemeinschaftlichen Faktor zu multiplizieren, dass der Rationalität ihrer Verhältnisse durch kleinstmögliche Zahlen in hinreichender Annäherung genügt werde, um die übrig bleibende Abweichung auf Rechnung von Beobachtungsfehlern schreiben zu können; womit man dann hoffen könnte, die absoluten Atom- oder Molekülgewichte der sog. einfachen Stoffe gefunden zu haben. Unstreitig würden damit manche Inkongruenzen verschwinden, die daran hängen, dass man das Gewicht eines an sich noch zusammengesetzten Moleküls als Einheit annimmt.

    Dieser Untersuchung auf einem Wege a posteriori läßt sich aber mit Betrachtungen a priori entgegenkommen, welche vorweg eine untere Grenze setzen, unter die das Molekülgewicht des relativ einfachsten Stoffes (bezogen auf das Gewicht des einfachen Atoms als l) nicht gehen kann.

    Da die abstoßenden Kräfte erst mit der vierten Stufe beginnen, so ist a priori nicht möglich, dass sich ein Molekül von weniger als 4 distanten Atomen durch eigene Kräfte in stabilem Gleichgewichtszustande seiner Teile erhält; und das Molekülgewicht des einfachsten Stoffes kann daher nicht unter 4 betragen. Die Kristallgestalt hiervon wäre ein Tetraeder. Indes ist wohl nicht daran zu denken, dass ein Molekül aus bloß 4 Atomen, in dem also eine abstoßende Kraft vierter Stufe den niederen anziehenden Kräften bei gegebenem Abstande das Gleichgewicht hält, dauernd besteht, da die chemischen Verbindungs- und Zersetzungserscheinungen, in welche die Moleküle der einfachen Stoffe unverändert eingehen, selbst zum mindesten das merkbare Spiel der anziehenden Kraft dritter, und abstoßenden Kraft vierter Stufe, und hiermit eine Annäherung zwischen den Molekülen voraussetzen würde, welche der Nähe der Atome in den Molekülen aus 4 Teilchen entspräche, so dass ein getrenntes Bestehen derselben nicht möglich wäre. Da übrigens schon für die Erscheinungen der gewöhnlichen Elastizität die abstoßende Kraft vierter Stufe als das Mindeste in Anspruch genommen ist, kann sogar für die chemischen Erscheinungen die Kraft vierter Stufe nicht reichen, und um so mehr muß die Bildung der Moleküle der einfachen, d. i. durch unsere chemischen Operationen unzersetzbaren, Stoffe auf noch höheren Kräften beruhen, d. h. noch mehr als 4 Teilchen in den einfachsten derselben eingehen. Während nun die abstoßende Kraft vierter und fünfter Stufe der anziehenden zweiter und dritter Stufe das Gleichgewicht halten kann, so wird dagegen, um mit höheren über der fünften einen Zustand stabilen Gleichgewichts für die Teilchen eines Moleküls zu erhalten, den anziehenden Kräften sechster und siebenter Stufe durch eine abstoßende Kraft achter Stufe das Gleichgewicht gehalten werden müssen, denn wenn einmal die anziehende Kraft sechster Stufe das Übergewicht gewonnen hat, so werden sich die Teilchen vermöge derselben unter Wachstum dieser Kraft so lange zu nähern fortfahren, bis die Kraft siebenter Stufe überwiegend wird und dann weiter, bis vermöge der immer wachsenden Nähe die abstoßende Kraft achter Stufe merklich eintritt und eine solche Größe gewinnt, dass die Wirkung der anziehenden Kräfte kompensiert wird; wonach es nicht möglich scheint, dass das Molekülgewicht des einfachsten Stoffes unter 8 sei. Möglicherweise könnte es noch höher sein, auch ist nicht sofort als entschieden anzusehen, dass der einfachste Stoff sich auch auf unserer Erde finde, und also der Wasserstoff dafür zu halten sei.

    Nehmen wir aber an, das Molekülgewicht des einfachsten Stoffes sei wirklich 8, so würde die Gestalt desselben unstreitig ein Würfel sein und man damit, wie oben betrachtet, zugleich den Modul für alle Maßeinheiten gewonnen haben.

    Da der Sauerstoff das 8 fache Molekülgewicht vom Wasserstoff hat, so würde, vorausgesetzt, der Wasserstoff wäre der einfachste Stoff, das Atomgewicht des Sauerstoffs 64 sein, was der Kubus von 4 ist, indes 8 der Kubus von 2 ist. Der Sauerstoff könnte also einen Kubus mit doppelter Atomenzahl in der Seite als der Wasserstoff repräsentieren.

    Aggregatzustände. Man hat den Unterschied der Aggregatzustände gewöhnlich auf Rechnung einer verschiedenen Lage und Entfernung der Teilchen geschrieben, ohne jedoch die Verhältnisse des Überganges von festem in tropfbaren Zustand und umgekehrt recht damit in Einstimmung bringen zu können. Namentlich hat der Umstand, dass ein Körper in tropfbarem Zustande dichter sein kann, als in festem, manchen Erklärungen Hindernisse in den Weg gelegt.

    Nehmen wir mit manchen neueren Physikern im Sinne der Undulationstheorie an, dass die wachsende Erwärmung der Körper auf einer vergrößerten Amplitude der Schwingungen ihrer letzten Teilchen selbst beruht (wofür besonders die Ergebnisse, die man über das mechanische Äquivalent der Wärme erhalten hat, zu sprechen scheinen), ohne dabei auf besondere Wärmeatmosphären um die Teilchen zu rekurrieren, oder diese anders als in Mitleidenschaft zu ziehen, so dürfte sich auf unser Prinzip folgende Ansicht über das Verhältnis der verschiedenen Aggregatzustände gründen lassen.

    Gehen wir von einem Punkte stabilen Gleichgewichts aus, wo sich alle Teilchen eines Körpers in Ruhe finden, und mit zunehmender Nähe die Abstoßungskräfte, mit zunehmender Entfernung die Anziehungskräfte das Übergewicht erlangen, und setzen jetzt die Teilchen in Wärmeschwingung. So lange die Wärmeschwingungen klein genug sind, dass die Teilchen bei ihrer wechselseitigen Näherung den nächstliegenden Punkt labilen Gleichgewichts, von wo an sich jenes Verhältnis umkehrt, nicht überschreiten, bleibt der Körper fest. So wie aber dieser Punkt erreicht und überschritten wird, tritt der tropfbare Zustand und zwar plötzlich ein. Es folgt nämlich damit von selbst auch sofort die Überschreitung (des nächstfolgenden Punkts stabilen Gleichgewichts, indem das Teilchens, was den Punkt labilen Gleichgewichts überschritten hat, durch das hiermit eintretende Übergewicht der anziehenden Kraft mit zunehmender Geschwindigkeit bis zu diesem zweiten Punkte stabilen Gleichgewichts hingetrieben wird und vermöge der Beharrung ihn so weit überschreitet, bis die von nun an mehr und mehr überwiegende Abstoßungskraft endlich der weiteren Näherung Einhalt tut, worauf das Teilchen im Rückgang alle Geschwindigkeiten wieder annimmt, die es auf dem Hingang hatte; also auch wieder über seine erste Gleichgewichtslage hinausgeführt wird und fortan statt um eine, vielmehr um zwei stabile Gleichgewichtslagen mit einer zwischenliegenden labilen Gleichgewichtslage oszilliert.

    Es leuchtet nun aus allgemeinem Gesichtspunkte ohne Schwierigkeit ein, dass diese plötzliche Vergrößerung der Schwingung, womit von selbst auch neue Verhältnisse ihrer Dauer und Geschwindigkeit zusammenhängen, eine Unterbrechung der Kontinuität in alle Erscheinungen bringen muß, die mit der Größe, Dauer und lebendigen Kraft der Schwingungen zusammenhängen.

    Zunächst kann die plötzlich vergrößerte Beweglichkeit aller Teilchen der Flüssigkeit als ein Ausdruck des Umstandes angesehen werden, dass die Schwingungen jetzt selbst plötzlich vergrößert worden sind und einen Punkt labilen Gleichgewichts einschließen. Die Ausdehnungsverhältnisse müssen sich plötzlich ändern, sofern sie eine Funktion der Schwingungsverhältnisse sind; nicht minder muß die plötzliche Vergrößerung der Schwingungen, womit zugleich eine verlängerte Dauer verbunden ist, eine plötzliche Änderung der lebendigen Kraft mitführen, womit unstreitig das Latentwerden der Wärme im Akt des Flüssigwerdens in Beziehung steht.

    Der Eintritt des gasförmigen Zustandes beruht dann möglicherweise darauf, dass die Schwingungen sich so weit vergrößern, dass die Teilchen fortan um drei oder mehr Lagen stabilen Gleichgewichts oszillieren, was mit einer neueren Theorie des Gaszustandes wenn auch nicht zusammenfällt, doch einigermaßen zusammentrifft. Es müssen hier analoge Erscheinungen eintreten, als beim Eintritt des tropfbaren Zustandes, aber doch nicht gleiche.

    Falls die hier aufgestellte Ansicht von dem Verhältnis der Aggregatzustände sich bestätigen sollte, und der Begriff des festen Zustandes hiernach allgemein darein gesetzt würde, dass die Teilchen bei ihren Oszillationen nicht die nächste Grenze labilen Gleichgewichts überschreiten, würde die gewöhnliche Annahme, dass der Äther das Flüssigste in der Welt ist, was es gibt, der Ansicht Platz machen müssen, dass er das Festeste ist, was es gibt; da unstreitig die Ätherteilchen bei ihren weitesten Oszillationen immer sehr entfernt von Überschreitung jener Grenze bleiben, und die Alten hatten gewissermaßen Recht, wenn sie den Himmel für ein Kristallgewölbe hielten. Übrigens ist dies keine ganz neue Ansicht.

    Indes bleibt freilich der Vergleich des Äthers mit den festen Körpern der Erde nach anderer Seite wenig treffend. Die höchsten im Äther bemerklichen Kräfte gehen bei seiner Dünne unstreitig nicht über die abstoßende Kraft vierter und höchstens fünfter Stufe hinaus, und er ist schwerlich in besondere Moleküle gruppiert, indes die festen Körper der Erde aus Molekülen bestehen, in denen hohe Kräfte wirksam sind. Hieran knüpft sich dann natürlich ein sehr verschiedenes Verhalten. Der Äther ist nun eben ein Wesen sui generis, und sein Aggregatzustand mit keinem anderen vollkommen vergleichbar.

    Imponderabilien. Wenige Physiker dürften heutzutage noch glauben, dass die durch verschiedene Namen unterschiedenen Imponderabilien wesentlich verschiedene Agentien sind, wenn schon die Brücke zwischen Licht und Wärme zu Elektrizität und Magnetismus noch nicht gefunden ist; und weiter ist zu hoffen, dass der Abschluß der Atomistik in einfachsten und einheitlichsten Grundvorstellungen zuletzt auch den Unterschied der Imponderabilien von den Ponderabilien in sofern aufheben wird, als er die Erscheinungen, die wir ins Gebiet der Imponderabilien rechnen, nur von Verhältnissen und Bewegungszuständen derselben Grundatome abhängig macht, welche auch den Erscheinungen der Ponderabilien zu Grunde liegen; es bleibt aber diese Zurückführung ebenso wie die vorige noch der Zukunft aufgehoben. Indes dürfte sich doch mit einiger Wahrscheinlichkeit schon jetzt auf Grund unserer bisherigen Annahmen der allgemeine Unterschied der Imponderabilien von den Ponderabilien wie folgt aussprechen lassen:

    Alle Erscheinungen, die wir von Imponderabilien abhängig machen, sind direkt nur auf individuelle Bewegungsverhältnisse der letzten Teilchen, die dagegen, welche wir den Ponderabilien beilegen, auf Bewegungsverhältnisse von Kombinationen solcher Teilchen, als Moleküle, Körper, Weltkörper, im Ganzen beziehbar, wenn schon freilich in letzter Instanz auch letztere Erscheinungen von Verhältnissen der letzten Teilchen abhängig gemacht werden müssen, so aber, dass sie Resultanten oder Wirkungssummen für diese Kombinationen repräsentieren. So pflanzt sich das Licht im Himmelsraume durch Schwingungen der Teilchen des Äthers fort, der bemerktermaßen schwerlich aus Molekülen, vielmehr wahrscheinlich unmittelbar aus letzten Teilchen gleichförmig konstituiert zu denken ist; so scheinen sich die Wärmeschwingungen als Schwingungen der letzten Teilchen der wägbaren Körper selbst fassen zu lassen;4) so mögen auch die elektrischen, die magnetischen Erscheinungen auf Schwingungen oder sonst Bewegungen letzter Teilchen, sei es in den Molekülen oder zwischen den Molekülen, beruhen, indes die Bewegungen der Weltkörper, des fallenden Steins, des Pendels, die Wellenbewegungen des Wassers, die Schallschwingungen der Luft, selbst die chemischen Verbindungen und Scheidungen auf größere oder kleinere Kombinationen von letzten Teilchen beziehbar sind, sofern wir ja auch den chemisch einfachen Stoffen noch Moleküle unterzulegen veranlaßt sind.

4) Mit der Ansicht von Krönig und Clausius über die Wärme der Gase, welche Vieles gut erklärt, vertrüge sich dies allerdings nicht, sofern hier eine Bewegung der ganzen Gasmoleküle als den Wärmezustand der Gase bedingend angesehen wird. Nun lasse ich es gern dahingestellt, ob diese, der Schwierigkeiten keineswegs ermangelnde, Ansicht oder die obige Auffassung in Betreff der Wärme der Gase nicht doch zu modifizieren ist, ohne deshalb für die übrigen imponderablen Erscheinungen ungültig zu werden. Jedenfalls scheint mir ein Bedürfnis vorzuliegen, die translatorische und Schwingungsbewegung ganzer Moleküle von den durch die Wechselbeziehung der Teilchen eines Moleküls unter sich und mit etwa umgebenden Ätheratomen abhängigen Schwingungen zu unterscheiden; aber es mag sein, dass der Zusammenhang der Tatsachen nötigt, die Wärme eines Gases vielmehr auf die Gesamtheit aller dieser Bewegungen, als bloß die letzteren zu beziehen, und muß dies einsichtigen Physikern zu entscheiden überlassen bleiben.     Mit diesem Unterschiede durfte ein anderer wesentlich zusammenhängen. Es leuchtet ein, dass Erscheinungen, welche die letzten Teilchen individuell betreffen, nur aus Wechselwirkungen derselben mit anderen sehr nahen Teilchen hervorgehen können, wogegen Wirkungen, die sich auf Moleküle, Weltkörper oder dergl. im Ganzen identisch äußern sollen, nur aus größerer Ferne geäußert sein können. Hiernach müssen die Erscheinungen der Imponderabilien im Allgemeinen unter dem Einfluß stärkerer und höherer Kräfte stehen, und mit größeren Geschwindigkeiten der Teilchen in Beziehung stehen, als die Erscheinungen der Ponderabilien. So sind die Lichtschwingungen des Äthers und Wärmeschwingungen der Körper ungeheuer viel schneller als die Schallschwingungen.

    Nun aber bietet sich noch folgender wichtiger Punkt der Erwägung dar. Soll die Aufgabe erfüllt werden, die Erscheinungen der Imponderabilien von denselben Grundkräften abhängig zu machen, und auf dieselben oder gleichgeartete Teilchen zu beziehen, als die der Ponderabilien, so scheint es nicht, dass man mit Grundkräften auskommt, welche bloß von der Distanz, aber nicht dem Bewegungszustande der Teilchen abhängig sind; und sofern unser Prinzip der multiplen Kräfte in der bisherigen Aufstellung und Ausführung, sowie bis auf Weber allgemein auch mit den binären Kräften geschehen, bloß auf Distanzen Rücksicht nimmt, scheint es daher noch einer Ergänzung zu bedürfen, die doch nicht mit einer Widerlegung zu verwechseln wäre.

    In der Tat, wenn man sieht, wie durch Reiben oder Berührung ungleichartiger Körper an einander Anziehungs- und Abstoßungskräfte entwickelt werden, die auf sehr merkliche Entfernungen wirken, so erhellt nicht, wie ein Prinzip, welches bloß die Distanz der Teilchen in Betracht zieht, jene Entwickelung und dieses Merklichwerden der Molekularkräfte soll repräsentieren können. Auch die elektrischen Induktionserscheinungen möchten sich jeder Erklärung auf Grund eines Prinzips, was bloß die Distanz der Teilchen als maßgebend für die Kraft ansieht, entziehen.

    Auch hat sich W. Weber schon vorlängst durch letztere Erscheinungen veranlaßt gefunden, eine Abhängigkeit der Kraft der elektrischen Teilchen von der relativen Geschwindigkeit und Beschleunigung derselben zu statuieren, und es wird um so weniger ein Hindernis vorhanden sein, an eine Verallgemeinerung dieser Abhängigkeit für materielle Teilchen überhaupt zu denken, als aus Weber’s Untersuchungen selbst hervorgeht, dass die Geschwindigkeit, von welcher merkliche Wirkungen im Felde der Elektrizität hervorgehen, so ungeheuer ist, dass man, wenn für die planetaren Massen eine gleiche Abhängigkeit angenommen würde, doch ihre Geschwindigkeit zu klein finden würde, um in den astronomischen Rechnungen nötig zu haben, darauf Rücksicht zu nehmen.

    Es leuchtet aber ein, dass die Reibung und Berührung ungleichartiger Körper sehr wohl im Stande sein kann, Abänderungen in den relativen Geschwindigkeits- und Beschleunigungsverhältnissen der kleinsten Teilchen hervorzurufen, und dass eine Kraft, die nach ihrer Abhängigkeit von der Distanz einen sehr kleinen Wert hat, doch möglicherweise nach ihrer Mitabhängigkeit von den Relationen der Bewegung einen sehr großen Wert annehmen kann. Von anderer Seite ist freilich in Rücksicht zu ziehen, dass die Weber’sche Formel für die Abhängigkeit der Kräfte elektrischer Teilchen von dem relativen Geschwindigkeits- und Beschleunigungszustande derselben keinen direkten Anhalt gewähren kann, wenn sich fragt, ob und wie etwa der elektrische Zustand der Teilchen selbst, der bei dieser Formel als gegeben vorausgesetzt ist, von Verhältnissen der relativen Geschwindigkeit und Beschleunigung abhängig gemacht werden könnte. Man kann nur aus der Notwendigkeit, jene Abhängigkeit bei den elektrischen Teilchen einzuführen, im Allgemeinen schließen, dass, falls überhaupt der elektrische Zustand sich von allgemeinen, für alle Teilchen der Materie gleich geltenden, Kräften abhängig machen läßt, auch diese Kräfte der Abhängigkeit von Geschwindigkeit und Beschleunigung nicht werden entbehren können. Eine derartige Zurückführung selbst aber ist bis jetzt nicht gelungen, und ich vermag nicht zu übersehen, inwiefern etwa die Einführung unserer höheren Kräfte dabei Dienste leisten kann; jedenfalls liegt hier ein Feld vor, was man in Bezug darauf noch untersuchen kann.

    Die Weber’sche Formel für die Kraft K, mit der sich zwei elektrische Teilchen, deren Massen e, e' sind, abstoßen oder anziehen, ist folgende 5):

Hierin ist r der Abstand beider Teilchen, v ihre relative Geschwindigkeit, w ihre relative Beschleunigung, A eine positive Konstante, e, e' sind mit gleichen oder entgegengesetzten Vorzeichen zu nehmen, je nachdem es gleichartige oder ungleichartige Elektrizitäten sind.

                5) Abhandlungen der Jablon. Gesellsch. 327.



XXVI
XXVI. Historisches über die Ansicht von den einfachen Grundatomen.

    Die Ansicht, dass die Grundatome der Körperwelt einfach seien, hat sich bei mir vorlängst, und wie ich glaube, ziemlich unabhängig von äußeren Anregungen, jedenfalls nicht auf Anlaß der Herbart’schen einfachen Wesen, aus dem Gesichtspunkte entwickelt, die physikalische Atomistik philosophisch abzuschließen. Als ich mich inzwischen mit der Herbart’schen Metaphysik zu beschäftigen anfing, traten mir so manche Bezugspunkte, noch mehr aber gegensätzliche Gesichtspunkte zwischen unseren einfachen Wesen und den Herbart’schen entgegen, dass ich mich dadurch im Jahre 1852 zu einer für die Fichte’sche Zeitschrift bestimmten Abhandlung veranlaßt fand, zu der jedoch bloß eine Art Einleitung daselbst (1853) erschienen ist, worin ich auf unsere einfachen Wesen vorgreifend hinweise.

    Inzwischen kann ich in keiner Weise eine Priorität des Gedankens der einfachen Wesen als letzter Elemente der Körperwelt in Anspruch nehmen; vielmehr sind mir, wie ich bei eingehenderem Studium zum Teil schon selbst, zum Teil erst nach Erscheinen der ersten Auflage dieser Schrift aufmerksam gemacht durch Lotze1) und R. Grassmann2) fand, eine ganze Reihe Physiker und selbst Philosophen in dieser Hinsicht vorangegangen, worüber ich hier das Wesentlichste berichten will.3)

            1) Götting. gel. Anz. 1855. S. 1095.

            2)Dessen Atomistik, S. 22.

3) Eine etwas eingehendere historische Darstellung der monadologischen Ansichten von Leibniz, Kant und Herbart als hier findet man in Langenbeck’s Dissertation "Über Atom und Monade". Hannover 1854.
 
 
    In gewissem Sinne kann man die erste Aufstellung einfacher Atome in der Leibniz’ischen Monadologie finden, indem seine einfachen Wesen, sog. Monaden, substantiae simplices, zwar geistiger Natur, doch nach seiner ausdrücklichen Erklärung zugleich Elemente der Körperwelt (atomi naturae) sein sollen, nur in so unbewußtstem Zustande, wie ihn unsere Seele, eine bewußte Monade, zeitweis im traumlosen Schlafe oder Scheintod hat, wo Leibniz zwar immer nach perceptiones, aber nicht mehr apperceptiones, conscientiam, statuiert, über deren Unterschied man ihn selbst nachlesen muß. Zwar legt Leibniz den Monaden bei ihrer ihnen zugeschriebenen Einfachheit qualitative Verschiedenheit, innere Mannigfaltigkeit und Veränderlichkeit bei, bezieht dies aber eben auch nur auf die inneren oder geistigen Zustände, was nicht hindern würde, sie nach äußerer oder physischer Beziehung, eben so, wie dies in Lotze’s Monadologie geschieht, ganz wie unsere einfachen Atome zu denken. Inzwischen läßt Leibniz die Monaden physisch genommen nicht durch leere Zwischenräume getrennt sein, sondern statuiert ein solches Verhältnis zwischen ihnen, welches zwar nicht vom Metaphysiker, aber vom Physiker als Raumerfüllung zu fassen ist, d. h. (in seinem Sinne gedacht) welches sich in der durch prästabilierte Harmonie zwischen den Monaden vermittelten äußeren Erscheinung für die Monaden selbst so darstellt, dass der Raum als ein durch Materie in continuo erfüllter vom Physiker zu behandeln ist. Dies bildet eine wesentliche Abweichung von unserer einfachen Atomistik und der physikalischen Atomistik überhaupt. Dazu hat man zu bemerken, dass Leibniz seine Monadologie nur in idealistischem Sinne ausgearbeitet und keinen Einfluß auf die Physik dadurch geäußert hat.

    Vielleicht schiene daher ein Rückgang auf Leibniz bei einer Geschichte der einfachen Atomistik überhaupt müßig, wenn nicht einerseits sein System doch den wesentlichen Gesichtspunkt der Rückführung des materiellen Bestandes der Existenz auf einfache, in gewissem (freilich nur metaphysischem) Sinne absolut von einander abgeschlossene, Wesen mit der einfachen Atomistik gemein hätte, und nur noch der Zuziehung der physischen oder als physisch erscheinenden Distanzen bedürfte, um nach physischer Beziehung damit zusammenzufallen, und wenn nicht sein System doch als Ausgangspunkt mittelst Durchgangs durch Wolff zur Aufstellung der einfachen Atomistik durch Kant geführt hätte. Dass ihm die Verhältnisse, welche der Physiker an der Materie beobachtet, nicht als wahre Verhältnisse der Monaden überhaupt gelten, sondern nur als Sache der Erscheinung in den Monaden, würde an sich keinen Widerspruch gegen die physikalische Auffassung bilden, da diese überhaupt nur auf Erscheinung, Verhältnisse und Gesetze der Erscheinung in dem Sinne geht, welcher in den Zusatzkapiteln der vorigen Abteilung besprochen ist.

    Wenn schon also Leibniz nicht als Urheber der physikalischen einfachen Atomistik angesehen werden kann, ist er doch als der wichtigste Vorläufer derselben anzusehen.

    Das Wesentlichste von Leibniz’s Ansichten, so weit sie hier in Betracht kommen, dürfte in einer Reihe Paragraphen enthalten sein, welche sich in: Leibnitii Opera. P. II. Genevae, 1760. p. 20 ff., unter dem Titel: Principia philosophiae, seu theses in gratiam principis Eugenii, finden.

    Auf Leibniz fortbauend nimmt auch der Philosoph Christ. v. Wolff (1679–1754) in seiner Kosmologie monadische Substanzen als Elemente der Körperwelt an, ohne sie diskontinuierlich im Raume zu denken, und unterscheidet sich nur darin wesentlich von Leibniz, dass er ihnen nicht gleiche psychische Bedeutung beilegt, vielmehr einen vollständigen Dualismus zwischen Leib und Seele statuiert.

    Hingegen hat Kant in einer seiner früheren Schriften zwar nicht als der Erste die physikalische einfache Atomistik mit diskreten Teilchen ohne Rücksicht auf eine psychische Bedeutung aufgestellt, denn darin ist ihm, wie nachher anzugeben, Boscovich vorangegangen, aber doch zuerst aus philosophischem Gesichtspunkte dieselbe behauptet, nur später diese Ansicht wieder verlassen; und es ist in der Tat merkwürdig, dass dieser Philosoph, von dessen späteren Ansichten die hartnäckigste Opposition gegen die Atomistik vorzugsweise ausgegangen ist, die Abschließbarkeit derselben im einfachen Atomismus von vorn herein und zuerst unter den Philosophen erkannt hat.

    Jene frühere Aufstellung der einfachen Atomistik durch Kant findet sich in der von ihm im J. 1756 veröffentlichten Schrift: Metaphysicae cum geometria junctae usus in philosophia naturali, cujus specimen I. continet Monadologiam physicam. (Gesamm. Werke VIII. S. 409). Zwar spricht Kant schon hier von einer Erfüllung des Raumes durch die Kraft, aber nur in demselben Sinne, als auch der Physiker davon sprechen kann, so, dass doch das einfache Atom, die Monade, als Centrum sphaerae activitatis begrifflich von der Kraft und faktisch von anderen Centris isoliert bleibt, sich anderen mehr oder weniger nähern kann, und jeder Körper nur aus einer begrenzten Zahl solcher einfacher Elemente besteht, worüber Lotze die wichtigsten Sätze in dem Gött. gel. Anz. (1855. S. 1096), so wie Langenbeck in seiner Dissertation: Über Atom und Monade, S. 12 ff. zusammengestellt hat.

    Hingegen enthalten die 20 Jahre später erschienen metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft von Kant einen Versuch zur ausdrücklichen Widerlegung der Theorie von 1756,4) wovon Lotze sagt: "er ist mir nicht so klar erschienen, dass ich ihn hier reproduzieren könnte."

            4) Ges. Werke, Band VIII. S. 487.

    Herbart hat bekanntlich in gewisser Beziehung an Kant angeknüpft; doch ist diese nicht in Betreff seiner Annahme einfacher Wesen geschehen, worin er eben so wie Leibniz, nur mit gänzlichem Abweis von dessen prästabilierter Harmonie, zugleich Seelen (teils bewußte, teils unbewußte) und Elemente der Körperwelt sieht. Auch kann seine Ansicht eben so wenig als die von Leibniz als eine wirklich atomistische in physikalischem Sinne gelten, sofern er ausdrücklich die räumliche Diskretion dieser einfachen Wesen in physikalischem Sinne bestreitet, indem er in einem Kapitel seiner Metaphysik, was vom Ursprunge der Materie handelt, (sämmtl. W. IV. S. 272) wörtlich sagt: "Wer hier von Atomistik eine Spur finden wollte, der würde sich sehr irren. Atome können einander nicht durchdringen, bei uns aber ist partiale Durchdringung der ganze Grund, warum wir uns auf die gemachte Fiktion überhaupt einlassen. Und hier wird sich gerade die Ursache zeigen, warum bisher alle Versuche, aus Atomen oder Monaden die Materie zu erklären, fruchtlos bleiben mußten."

    Hingegen verbindet Lotze, hierin original gegen alle früheren und anderen Philosophen, den wesentlichsten Gesichtspunkt der physikalischen einfachen Atomistik, welcher räumliche Trennung der Atome fordert, mit dem der monadologischen, welcher in den einfachen Atomen zugleich Seelen sehen läßt, und man kann es eigentümlich finden, dass Lotze gerade den umgekehrten Gang als Kant genommen, welcher von der einfachen Atomistik anhebend bei der Verwerfung des Atomismus überhaupt stehen blieb, wogegen Lotze mit einer Verwerfung des Atomismus überhaupt anhebend, wie mir aus früherem persönlichen Umgang mit ihm bekannt ist, bei dem einfachen Atomismus stehen geblieben ist.

    Lotze’s erste Äußerungen über diesen Gegenstand finden sich in einer Anzeige der ersten Auflage dieser Schrift in den Götting. gel. Anz. 1855. S. 1097, wo er bezüglich des einfachen Atomismus sagt: "Ich selbst glaube, auf diese eigentlich doch nahe liegende Vorstellungsweise aus anderen und nächstens zu erörternden Gründen gleich selbstständig gekommen zu sein", und weiter: "In der Schilderung der Tauglichkeit dieser Hypothese (der einfachen Atome) zur Rekonstruktion der jetzt in der Physik geltenden Vorstellungen ist mir Fechner in seiner . . . Darlegung zuvorgekommen, die ich der aufmerksamen Beachtung, namentlich der philosophischen Leser empfehlen möchte; über die Gründe meines Glaubens an diese Auffassung muß ich mir dagegen vorbehalten, anderswo zu sprechen. Sie liegen im Allgemeinen in der Theorie des Raumes."

    Nun hat zwar Lotze, so viel ich weiß, von dieser theoretischen Begründung bis jetzt nur die S. 73 mitgeteilte Andeutung gegeben, wohl aber die psychologische Verwertung der Ansicht im ersten Bande seines Mikrokosmus unter dem Abschnitt "Das Leben der Materie" S. 374 ff. dargelegt. Hiernach identifiziert Lotze die Seelen der Menschen und Tiere mit einfachen räumlich diskreten Atomen, d. h. die nach ihren äußeren physikalisch verfolgbaren Wirkungen als solche aufzufassen sind, indes sie in sich Bewußtseinserscheinungen haben. Jede Seele eines Menschen oder Tieres hat einen punktförmigen Sitz im Gehirn5). Die übrigen Atome des Körpers und der Körperwelt sind den Seelen an sich gleichartige, nur nicht eben so zum Bewußtsein erwachte, wenn auch dieses Erwachens an sich fähige, Wesen. Hierin, sowie überhaupt in der Ausführung der Beziehungen von Leib und Seele, stimmt Lotze, wie nicht anders sein kann, wesentlich mit Herbart überein, verfolgt aber diese Beziehungen eingehender mit mehr Rücksicht auf die Schwierigkeiten, welche der einfache Seelensitz darbietet, läßt auch die gesamten Atome der Welt weder durch prästabilierte Harmonie im Sinne von Leibniz, noch die Störungsintentionen und dagegen geübten Selbsterhaltungen im Sinne von Herbart in Beziehung treten, sondern (Mikr. I. 413 ff. II. 45 ff.) durch eine "unendliche Substanz" oder ein "substanzielles Unendliches", in dessen Wesen alle Gesetze, aller Kausalzusammenhang der Dinge mit diesen selbst begriffen sind, welches in den einzelnen Erscheinungen und Dingen seinem Wesen nach überall voll gegenwärtig ist, aber doch dieses Wesen in keinem voll kund gibt, und das letzte Prinzip seines Wirkens und Webens in der Idee des Guten hat, ohne dass ihm jedoch Lotze den Namen Gott gibt oder, wie es scheint, eine bewußte Persönlichkeit beilegt.

            5) Medicin. Psychol. S. 115. Mikrokosmus I. S. 316.

    Als monadologische Ansichten haben sich noch ferner philosophischerseits geltend gemacht die Ansichten von Maximilian Drossbach, Herm. Langenbeck und J. H. Fichte, die freilich einer physikalischen einfachen Atomistik so fern liegen, dass eigentlich kein anderer Anlaß ist, ihrer hier zu gedenken, als einerseits zu zeigen, wie weit sich der Ideenkreis, in den die physikalische Atomistik eintritt, philosophischerseits überhaupt verzweigt hat, andererseits zu verhüten, dass man sich durch den Titel ihrer Schriften oder den Ausdruck Atom, den sie gebrauchen, verleiten lasse, etwas von physikalischer Atomistik darin zu suchen.

    Drossbach hat seine Ansichten in folgenden Schriften entwickelt: Die Harmonie der Ergebnisse der Naturforschung mit den Forderungen des menschlichen Gemüts oder die persönliche Unsterblichkeit als Folge der atomistischen Verfassung der Natur. Lpz, Brockhaus, 1858 und: die Genesis des Bewußtseins nach atomistischen Prinzipien. Lpz.., Brockhans, 1860. Auch er identifiziert Körperatome mit Seelen und gründet namentlich auf den unzerstörbaren Bestand derselben die Unsterblichkeit. Aber weder nimmt er die Körperatome für ausdehnungslos, noch den Raum zwischen ihnen für leer an (welches Letztere freilich Leibniz und Herbart auch nicht tun, aber doch Ersteres); Drossbach’s sogenannte Atome sind Kraftkugeln, wie er selbst sie mehrfach nennt, welche einander durchdringen, ohne ein vom Kraftinhalt substantiell unterschiedenes Zentrum, nur dass Drossbach doch die Zentren der Kraftkugeln als in endlichen Entfernungen von einander und demgemäß jeden Körper nur durch eine endliche Zahl derselben konstituiert denkt.

    Die Kraftkugeln sind sehr groß, z. B. die der Erde so groß, dass sie bis zum Monde und zur Sonne reichen (Harm. S. 46); doch von meßbarem Durchmesser (S. 39). "Aber die Atome bestehen nicht aus einer Kraft allein, folglich nicht aus einer meßbaren Kraftsphäre allein, sondern aus mehreren. Es kann gezeigt werden, dass nicht jede Kraft in einen gleich großen Raum wirkt, vielmehr wirken die einen Kräfte in sehr große Entfernungen, während andere in der nächsten Nähe wirken. Daher besteht jedes Atom aus einer Menge Kraftkugeln von verschiedenem Durchmesser, welche aber alle einen Punkt zu ihrem Mittelpunkte haben" (S. 39).

    Langenbeck in seiner Inauguraldissertation: Über Atom und Monade. Hannover 1858, erklärt die Seelen für monadische Wesen, deren Verhältnis zu den physikalischen Atomen er aber im Wesentlichen dahingestellt läßt, wenn schon er metaphysische Beziehungen dazwischen statuiert und andeutet.

    S. 6. "Unsere Atome sind die ihrer Natur nach Unteilbaren und haben als solche mit den Atomen der Naturwissenschaft – vielleicht – nichts gemein, als nur den Namen.– S. 37. "Die physikalischen Atome sind einstweilen nur Bilder unserer naturphilosophischen. Ob sie in Wirklichkeit mehr sind, ob sie diesen gleichgesetzt werden können, lassen wir dahingestellt". . . "Vielleicht haben wir hier gar nicht mit den Atomen der Naturwissenschaft . . . zu tun, sondern mit unteilbaren, gegen die möglicherweise selbst das Atom der Physik schon eine Molecula – wohl gar eine kolossale Moles ist."

    J. H. Fichte in s. Anthropologie. 2. Aufl. 1860. S. 198 stellt einen qualitativen Atomismus auf, welchen es hier genügen muß, durch eine resümierende Stelle aus seinem Werke zu bezeichnen.

    "Und so bekennen auch wir uns ausdrücklich zur Lehre von ""Atomen"" einfachen Unzerlegbar-keiten, aber qualitativer Art, welche ihren Raum setzen – erfüllen und durch ihre innere Affinität, so wie durch die damit zwischen ihnen herrschende Wechselwirkung das Phänomen relativ undurch-dringlicher Körper erzeugen. Sie sind daher nicht Atome in der Bedeutung kleinster, den ""leeren Raum"" erfüllender, qualitativ gleichartiger (d. h. qualitätsloser), mechanisch unzerstörbarer ""realer Raumpunkte"", sondern im Sinne qualitativ unterschiedener Urelemente, welche damit zugleich als wahrhaft ""unteilbare"" und ""unzerstörbare"" gedacht werden müssen, weil eben ein jedes in seiner ursprünglichen Qualität den anderen gegenüber selbstständig und eigentümlich sich zu behaupten vermag."

    Das Bisherige enthält das, was mir von den philosophischen Auffassungsweisen der einfachen Atomistik und damit sachlich oder nominell zusammenhängenden Vorstellungsweisen bekannt ist. Um es zu resumieren, so nehmen Leibniz, Wolff, Herbart zwar einfache, metaphysisch unterscheidbare Wesen als letzte Elemente der Körperwelt an, fassen sie aber nicht als räumlich oder physisch diskret, sondern statuieren ein Verhältnis dazwischen, welches vom Physiker als kontinuierliche Raumerfüllung zu fassen ist; und da die Verneinung einer solchen zur physikalischen Atomistik wesentlich gehört, so sind sie eigentlich gar nicht als Atomisten im Sinne der Physik zu betrachten. Noch weniger gilt dies von Drossbach mit seinen ungeheueren Kraftkugelatomen und Langenbeck wegen unklar gelassener Beziehung seiner Atome oder Monaden zu physischen Atomen. Hingegen gehen Kant in seiner früheren Ansicht, Lotze und ich selbst auf die Annahme räumlich diskreter Atome entschieden ein; wir unterscheiden uns aber darin, dass Kant überhaupt seinen einfachen Atomen keinen psychischen Wert gibt, Lotze sie einzeln mit bewußten und unbewußten Seelen ähnlich wie Leibniz und Herbart identifiziert, ich selbst das Seelendasein an ihr Zusammensein knüpfe, ein Unterschied der Ansichten, von welchem das 28. Kapitel des Näheren handeln wird.

    Eine irgendwie eingehende physikalische Verwertung der einfachen Atomistik hat, mit Ausnahme meines eigenen Versuches in dieser Schrift, der doch auch in Spezialitäten wenig eingeht, von keiner der bisherigen Seiten statt gefunden. Jetzt komme ich zu denjenigen Auffassungen und Darstellungen derselben, welche rücksichtslos auf etwaige psychologische Verwertung ausschließlich in physikalischem Interesse gemacht worden sind, und uns hier vorzugsweise angehen.

    Irre ich nicht, so muß der Jesuit Roger Boscovich aus Ragusa (1711–1787), ein gründlicher Physiker und Mathematiker, als der eigentliche Urheber der physikalischen einfachen Atomistik mit räumlich diskreten Atomen angesehen werden; ja ich bin erstaunt, nachdem ich auf ihn aufmerksam geworden, die wesentlichsten Grundbestimmungen der einfachen Atomistik, wie sie von mir in dieser Schrift ohne vorherige Kenntnis seiner Ansicht vorgetragen wurden, schon mit so großer Klarheit, Entschiedenheit und Vollständigkeit ausgesprochen zu finden und selbst das, im vorigen Kapitel von mir mit der einfachen Atomistik in Beziehung gesetzte, Gesetz der Abwechselung anziehender und abstoßender Kräfte je nach der Distanz nicht minder von ihm damit in Beziehung gesetzt zu sehen, wenn schon ohne Bezugnahme auf multiple Kräfte, demnach in anderer Form. Auch ist er nicht bei der allgemeinen Aufstellung der Grundpunkte der einfachen Atomistik stehen geblieben, sondern hat die ganzen Hauptlehren der Physik auf ihrer Unterlage zu entwickeln gesucht.

    Die erste Darstellung seiner Ansichten hat Boscovich in verschiedenen Dissertationen 1745, 1754, 1755, 1757 (verzeichnet p. 3 seiner Theoria) gegeben, eine ausführliche Darstellung derselben aber in folgendem Werke: Theoria philosophiae naturalis reducta ad unicam legem virium in natura existentium, auctore P. Rogerio Josepho Boscovich, Societatis Jesu. Venetiis 1763.6)

            6) Grassmann zitiert eine andere Ausgabe, Wien 1758.

    Der Hauptgesichtspunkt, von dem Boscovich bei Begründung seiner Theorie ausgeht, ist, dass eine plötzliche Ausgleichung oder überhaupt Änderung der Geschwindigkeiten an einander stoßender, sei es elastischer oder nicht elastischer, hinter einander hergehender oder gegen einander laufender, Körper im Momente wirklicher Berührung nicht ohne Verletzung des Gesetzes der (Kontinuität veränderlicher Größen, eine allmälige nach Eintritt der Berührung nicht ohne Verletzung der Undurchdringlichkeit gedacht werden könne, wie man des Näheren aus dem im folgenden Kapitel gegebenen Auszuge seiner Theoria (insbesondere § 18) ersehen kann. Hierüber sowie über die Notwendigkeit, das Gesetz der Kontinuität veränderlicher Größen und die Undurchdringlichkeit als unverbrüchlich anzusehen, geht er in sehr ausführliche Erörterungen ein und sucht sie gegen entgegenstehende Ansichten sicher zu stellen. Beides vorausgesetzt aber müsse eine Repulsivkraft angenommen werden, welche es gar nicht zur Berührung beim Stoße kommen lasse, sondern eine allmälige Ausgleichung der Geschwindigkeiten schon vorher bewirke, und diese Repulsivkraft müsse mit der Nähe der Körper oder Körperteilchen ins Unbestimmte wachsend gedacht werden, damit sie auch durch noch so große Geschwindigkeit des anstoßenden Körpers nicht überwunden werden könne, sondern in jedem Falle das Zustandekommen der Berührung und somit die Annahme eines Sprunges in der Geschwindigkeit oder einer Kompenetration der Materie beim Stoße ausschließe. Bei Vorhandensein einer solchen in größter Nähe unbestimmbar großen Repulsivkraft aber könne es gar nicht zu einer zusammenhängenden Materie kommen.

    Nun wird allerdings der Dynamiker die Impenetrabilitas der Materie, hiermit eine wesentliche Voraussetzung in Boscovich’s Theorie, die von ihm (p. 12. 17 seiner Theoria) durch Induktion als begründet angesehen und später (p. 164. 165) im Sinne der Theorie selbst näher erläutert wird, nicht zuzugeben brauchen, vielmehr die chemischen Verbindungen und die Verdichtung der Körper durch Druck in entgegengesetztem Sinne geltend machen können.7) Hat man sich aber durch die in unserer physikalischen Atomistik zur Sprache gebrachten Gründe vorweg bestimmen lassen, die dynamische Deutung dieser Phänomene fallen zu lassen, so scheint die Boscovich’sche Betrachtung in der Tat geeignet, von der physikalischen zur einfachen Atomistik überzuführen, wenn schon sie als eine strenge nicht gelten kann; da man namentlich gegen die Notwendigkeit, eine mit wachsender Nähe ins Unbestimmte wachsende Repulsivkraft anzunehmen, einwenden kann, dass die Voraussetzung von Geschwindigkeiten, welche jede gegebene Grenze übersteigen können, ein unerwiesenes Postulat ist, denn möglicherweise könnte ein Maximum davon durch die realen Kraftverhältnisse der Materie selbst gesetzt sein. Sei dem aber wie ihm sei, so hat mich die historische Wichtigkeit der Boscovich’schen Theorie veranlaßt, im folgenden Kapitel einen wörtlichen Auszug ihrer Grundgesichtspunkte zu geben, ohne jedoch in die Ausführung der Physik auf der Basis dieser Gesichtspunkte einzugehen, welche man jedenfalls für antiquiert anzusehen haben dürfte.

7) Obwohl Kant in s. metaphys. Anf. d. Nat. (ges. Werke VIII. S. 483) den Satz aufstellt und in seinem Sinne beweist: "Die Materie kann in das Unendliche zusammengedrückt, aber niemals von einer Materie, wie groß auch die drückende Kraft derselben sei, durchdrungen werden.
 
 
    Unter den Philosophen stimmten Dugald Stewart aus Edinburg in seinen philosophical essays, Edinb. 1816, und James Mackentish (Mél. phil.) der Boscovich’schen Ansicht bei und nennen sie die beste auf diesem Gebiete, welche nichts gemein hat mit dem Idealismus Benkoley’s und nicht im Mindesten mit dem Dasein der äußeren Welt in Widerspruch tritt. Hingegen wurde dieselbe von Deluc aus dem Gesichtspunkte angegriffen, dass eine Tätigkeit ohne Substanz, wofür er die einem Punkt zugeschriebene Kraft erklärte, gar nichts sagen wolle. Auch hier also die Verwechselung von Punkt und Nichts. Ich kenne übrigens die Ansichten von Stewart, Mackentish und Deluc bloß aus Zitaten von Grassmann und Schyanoff.

    Bei den Physikern scheint der Versuch Boscovich’s keinen erheblichen oder nachhaltigen Eindruck gemacht zu haben, denn ich kenne keinen Physiker, der bis zu den dreißiger Jahren des jetzigen Jahrhunderts auf die einfache Atomistik zurückgekommen wäre; und wenn von dieser Zeit an eine ganze Reihe mathematischer Physiker Frankreichs sich dazu bekannt hat, ist es ohne Bezugnahme auf Boscovich und, wie es scheint, ganz unabhängig von ihm geschehen. Als solche neuere Vertreter sind insbesondere zu nennen und schon vorläufig genannt: Ampere, Cauchy, Séguin, Moigno, St. Venant.

    Wie es scheint, sind Ampere und nach ihm Cauchy diejenigen, welche unter den Neueren die Priorität haben.8) Da sich Cauchy auf Ampére bezieht, so ist Ampére Cauchy’n jedenfalls in Aufstellung der Ansicht vorausgegangen. Doch kenne ich Ampére’s Darstellung nicht aus eigener Ansicht; nach Grassmann’s Angabe findet sie sich im Cours da college de France 1835–1836. Aus Cauchy’s Darstellung entlehne ich auszugsweise Folgendes nach einer in Moigno’s Cosmos (1835. T. 11.) mit Anführungszeichen aus Cauchy’s Lecons wörtlich wiedergegebenen Stelle:

8) Grassmann führt in seiner Atomistik S. 23 unter den Vertretern der einfachen Atomistik zuerst Poisson auf, indem er sich dabei auf die Ann. dech, et de phys. XXXVI XXXIX. (1827. 1828) und das Journal de l'Ecole polyt. cah. 20. 1829 bezieht. Aber in den Abhandlungen Poisson’s, welche sich an diesen Orten finden, und die ich deshalb ausdrücklich eingesehen, finde ich wohl Hinweise auf die Notwendigkeit, die Gleichgewichts- und Bewegungsgleichungen elastischer und flüssiger Körper vielmehr auf die Annahme von molécules disjointes als eine Kontinuität der Materie zu gründen, nirgends aber eine Erklärung darüber, dass die molécules disjointes oder deren Atome als einfach oder als Punkte anzunehmen seien; glaube auch nach meinen Erinnerungen nicht, dass eine solche Erklärung sich überhaupt in einer Abhandlung von Poisson findet. – Von Moigno (Cosmos T. II. p. 374) wird Faraday mit Ampere und Cauchy in Verbindung als Vertreter der Ansicht von einfachen Atomen genannt, aber nur aus dem Gesichtspunkte, dass er die Materie auf Kraftzentra reduziert. Aber diese Kraftzentra sind nach ihm kontinuierlich (Philos. mag. 1841. Févr.), und er steht in sofern vielmehr im Gegensatz zur atomistischen Ansicht, welche eine räumliche Diskretion der Kraftzentra statuiert.
 
 
    ,,Suivant Newton, disait M. Cauchy, dans une de ses lecons de physique sublime à Turin, les molécules intégrantes des corps seraient solides, dures et invariables, en sorte, qu'elles ne pourraient changer de dimensions ni de figures. Mais cette opinion ne saurait s'accorder avec un phénomène récemment observé par M. Mitscherlich. En soumettant les cristaux à l'action de la chaleur, cet habile physicien a reconnu, qu'ils subissent des dilatations inégales dans les différents sens, et que les inclinaisons de leurs faces varient; or, pour expliquer ce phénomène, il faut nécessairement supposer, que par l'addition du calorique les molécules intégrantes non-seulement s'écartent les unes des autres, mais changent réellement de forme ... Ampère a fait voir, de son côté, que pour rendre raison de plusieurs phénomènes relatifs aux combinaisons de gaz, il suffisait de considérer les molécules des différents corps comme composés chacune de plusieurs atomes, dont les dimensions sont infiniment petites, relativement aux distances, qui les séparent. ... Si donc il nous était donné d'apercevoir les molécules intégrantes des différents corps soumis à nos expériences, elles présenteraient à nos regards des espèces de constellations; et en passant de l'infiniment grand à l'infiniment petit, nous retrouverions dans les dernières particules de la matière, comme dans l'immensité des cieux, des centres d'action sans étendue placés en présence les uns des antres. ... Dans l'opinion de M. Ampère, les dimensions des atomes, dans lesquels résident les centres d'action moléculaires, ne doivent pas être considérées seulement comme très-petites relativement aux distances, qui le séparent, mais comme rigoureusement nulles. En d'autres termes, ces atomes qui sont les véritables êtres simples, dont la matière se compose, n'ont pas d'étendue. ... Il semble, au premier coup d'oeil, que priver d'étendue une parcelle de matière, ce soit l'anéantir complètement; mais en y réfléchissant, il est facile de concevoir, comment la matière même composée d'atomes simples continue néanmoins à jouir des propriétés, qui manifestent sa présence, l'étendue ..., l'impénétrabilité ..., la tangibilité etc. etc. Dans la théorie mathématique de la lumière nous considérons la sensation lumineuse comme produite par la propagation du mouvement dans un éther composé d'atomes, qui n'auraient point d'étendue et qui agissent les uns sur les autres a de très-petites distances. "

    "II résulte de se qui précède que s'il plaisait à l'auteur de la nature, de modifier seulement les lois, suivant lesquelles les atomes s'attirent ou se repoussent, nous pourrions voir à l'instant même les corps le plus durs se pénétrer les uns les autres, les plus petites parcelles de matière occuper des espaces démesurées, ou les masses les plus considérables se réduire aux plus petites volumes, et l'univers se concentrer, pour ainsi dire, en un seul point."

    Séguin hat die Annahme einfacher Atome mit den Ansichten in Beziehung gesetzt, von welchen im Kap. 24 die Rede war, und Moigno nimmt bei Gelegenheit der Mittheilung derselben in Band I u. II seines Cosmos diese Annahme mit seiner gewöhnlichen Lebhaftigkeit in Schutz. In dem Compte rend. T. XXXVII. p. 705 knüpft Séguin dieselbe an vorgängige allgemeine Erörterungen über die Cohäsion mit folgenden Worten an: ,,Par cela même, qu'il n'y a pas de limites possibles à la petitesse, que l'on peut assigner aux molécules des corps, n'est-il pas plus simple, plus naturel plus élégant, et même plus en rapport avec l'idée, que nous avons des œuvres du Créateur, qui a dressé partout devant nous cette barrière infranchissable de l'infini ou de l'infiniment petit, contre laquelle notre esprit est obligé de venir sans cesse se briser, de considérer les dernières molécules des corps comme dépourvues de dimensions, ainsi que M. M. Ampère et Cauchy l'ont admis, ou mieux de les réduire à, do simples centres d'action, comme l'a fait M. Faraday?"

    Saint Venant’s Daratellung ist enthalten in seinem Mémoire sur la question de savoir s'il existe des masses continues, et sur la nature probable des derniéres particules des corps. Paris 1844. (Societé; philomatiqne de Paris. Sitzung am 20. Jan. 1844), das nach seinem größeren Teile von Grassmann in dessen Atomistik S. 29 ff. in wörtlicher Übersetzung reproduziert ist. St. Venant stellt eine ganze Reihe physikalisch-mathematischer Gesichtspunkte zur Begründung der einfachen Atomistik auf, ohne jedoch solche so scharf und klar zu entwickeln, dass ich zu einer eingehenden Mitteilung daraus Anlaß fände.

    Unter den deutschen Fach-Physikern und Mathematikern ist die Möglichkeit einfacher Atome bis jetzt nur beiläufig statuiert worden von W. Weber, Helmholtz, Hoppe, wie ich Kap. 21. mitgeteilt habe. Hiergegen hat der, in mathematischen Studien selbst nicht unbewanderte, Bruder des bekannten verdienstvollen Mathematikers H. Grassmann, Robert Grassmann9), in seiner Schrift: "Die Atomistik, erstes Buch der Lebenslehre oder der Biologie. Stettin 1862," die einfache Atomistik nicht nur im Allgemeinen behauptet, sondern auch die Hauptlehren der Physik und Chemie auf Grundlage derselben zu entwickeln versucht. Kann ich nun schon diesem Versuche aus den schließlich anzuführenden Gründen in wesentlichsten Punkten nicht beistimmen, so glaube ich doch in Betracht dessen, dass er manches Sinnreiche enthält, dass er nach Boscovich’s Theoria der erste Versuch einer derartigen Ausführung ist, und dass er mit meinem eigenen, im vorigen Kapitel gemachten, Versuche, zu den Grundkräften der einfachen Atome zurückzugehen, in Konflikt kommt, nicht umhin zu können, die Hauptpunkte dieses Versuches mit Folgendem etwas näher zu bezeichnen und meine ablehnende Stellung dazu zu motivieren.

9) Jetzt Buchhändler in Stettin, nachdem er früher Theologie studiert und das Lehrerexamen gemacht hat.
 
 
    Die Atomistik Grassmann’s, ein Schriftchen von 90 Seiten, ist nur das erste Buch eines in Aussicht gestellten größeren Werkes, in welchem sich der Verfasser die größte Aufgabe gestellt hat, welche sich die Wissenschaft überhaupt stellen kann, indem nämlich dies Werk in einer ersten Abteilung von 2 Bänden "die gesamten Welt- und Naturwissenschaften", im Ganzen aber "das Gebäude des menschlichen Wissens" überhaupt, darunter "allgemeine Wissenschaftslehre, Staatswissenschaft, Theologie, Metaphysik" zu umfassen bestimmt ist.

    In Betreff der Notwendigkeit, bis zur Annahme einfacher Atome zurückzugehen, fußt der Verf. wesentlich auf den französischen Vorgängern, ohne sich auf neue Begründung einzulassen. Geschichtlich gedenkt er auch Leibniz’s und Boscovich’s. Die Hauptsätze seiner Atomistik, wozu er geglaubt, eine neue Terminologie einführen zu müssen, sind folgende:

    Die letzten Teile der Körperwelt sind unteilbare, in einem leeren Raume schwebende Punkte, Atome, von bloßen Raumpunkten dadurch unterschieden, dass sie Kräfte äußern.

    Die Kräfte der letzten Punkte sind teils anziehender teils abstoßender Natur, befolgen aber sämtlich das Gesetz des umgekehrten Quadrats der Entfernung, was eben so durch Induktion nach der Beschaffenheit der besterkannten Grundkräfte, als nach dem Begriffe, den wir von einer Ausdehnung der Kraft im Raume haben müssen, folgt.

    Es sind ponderable und imponderable einfache Atome zu unterscheiden, Körperpunkte und E-Punkte (EIektrizitätspunkte) nach Grassmann’s Ausdruck. Erstere anlangend, "so muß man entweder behaupten, dass die einfachen Körperpunkte der Grundstoffe verschiedene Gewichte besitzen, welche den Mischgewichten der Stoffe entsprechen, oder man muß annehmen, dass die sog. Grundstoffe noch abermals zusammengesetzt seien und dass es Urstoffe gebe, welche schließlich erst aus einfachen Körperpunkten bestehen, deren Gewicht gleich sei. Die Erfahrung hat über diese Frage noch nicht entschieden und wird man daher zunächst an der ersten Auffassung festhalten müssen, wenn auch die letztere an sich sehr viel mehr Wahrscheinlichkeit besitzt". Wie dem auch sei, so ziehen sich die Körperpunkte sämtlich nach dem Gravitationsgesetze an, müssen aber doch nach dem alsbald anzugebenden doppelten Verhalten zu den E-Punkten für doppelter Art angenommen werden.

    Die E-Punkte sind ebenfalls zweierlei, + E und – E, indem sie durch die Grundbestandteile der entgegengesetzten Elektrizitäten repräsentiert sind, und die demgemäßen bekannten Abstoßungs- und Anziehungskräfte je nach Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit gegen einander äußern.

    Jeder Köperpunkt zieht den einen E-Punkt aber so stark an, als er den anderen abstößt; die Körperpunkte unterscheiden sich aber in + Punkte und – Punkte, je nachdem sie die – E oder + E-Punkte anziehen.

    Der Äther des Weltalls besteht in seinen letzten Teilen aus E-Punkten, welche je zwei zu einem E-Paare nach dem Bilde eines Doppelsterns vereinigt sind und deshalb nicht durch ihre Anziehung in einen Punkt zusammenlaufen, weil sie eben wie die Sterne eines Doppelsternes einander umkreisen. Die E-Paare des Äthers sind gewichtslos, weil Anziehung und Abstoßung der komponierenden E-Punkte gegen wägbare Körper sich die Waage halten. Grassmann beweist (S. 40) durch eine einfache Rechnung, dass, wenn zwei E-Paare mit ihren 4 Punkten in einer geraden Linie liegen und beide Paare weit von einander entfernt in Verhältnis zur gegenseitigen Entfernung der Punkte jedes Paares sind, die Anziehung oder Abstoßung beider E-Paare (je nach Zuwendung der ungleichartigen oder gleichartigen Punkte beider Paare) merklich im umgekehrten Verhältnis der vierten Potenz der Entfernung steht, und setzt dies damit in Beziehung, dass Cauchy bewiesen habe, "die Ätheratome ziehen sich gegenseitig an oder stoßen sich gegenseitig ab, umgekehrt wie die vierten Potenzen ihrer Entfernung."10)

10) Der Verfasser bemerkt (S. 39), dieser glückliche Gedanke, dass das Cauchy’sche Gesetz sich durch Repräsentation der Ätherteilchen als E-Paare erklären lasse, rühre von seinem Bruder H. Grassmann her. Er gibt die Stelle von Cauchy’s Beweis nicht an, bezieht sich aber dabei unstreitig auf Cauchy’s Mémoire sur la dispersion de la lumiére (p. 185), wo Cauchy jedoch nicht beweist, dass sich die Ätherteilchen nach obigem Gesetze anziehen oder abstoßen, sondern (p. 191) dass "dans le voisinage du contact cette action soit r répulsive et réciproquement proportionnelle au bicarré de la distance." Dabei liegt die, eine Vernachlässigung von Größen höherer Ordnung gestattende, Voraussetzung unter, dass der Äther des Himmelsraumes anders als der Äther in den Körpern alle Farbenstrahlen mit gleicher Geschwindigkeit fortpflanze; welche Voraussetzung Cauchy darauf begründet, dass die Sterne statt als (meist weiße) Lichtpunkte uns sonst als sehr schmale Streifen mit den Spektralfarben erscheinen müßten.
 
 
    Was wir Moleküle zu nennen gewohnt sind, nennt Grassmann Körner. Jeder aus Körnern zusammengesetzte Körper besitzt im natürlichen Zustande beide Arten E-Punkte, zu E-Paaren, Ätherteilchen verbunden, in gleicher Menge, welche aber durch die bekannten Mittel in der Art getrennt werden können, dass sie als freie Elektrizitäten zum Vorschein kommen.

    Jeder + oder – Körperpunkt eines Korns insbesondere ist von einem Kranze aus E-Paaren (Ätherhülle) umgeben, welche dem Körperpunkte den ungleichartigen Punkt zukehren, den gleichartigen davon abkehren. Hieraus resultiert, unter Voraussetzung, dass der Abstand der E-Punkte jedes Paares von einander klein im Verhältnis zum Abstande des E-Paares vom Körperpunkte ist, eine Anziehung des ganzen E-Paares gegen den Körperpunkt im umgekehrten Verhältnis des Kubus der Entfernung, wie wieder durch eine einfache Rechnung (S. 44) bewiesen wird. Indem bei einem + Körperpunkt alle – E-Punkte, bei einem – Körperpunkte alle + E-Punkte in sämtlichen Körnern nach Außen liegen, müssen sich die E-Paare der verschiedenen Körner eines aus gleichartigen Körnern zusammengesetzten Körpers selbst einander abstoßen. "Diese gegenseitige Abstoßungskraft hält vereint mit der etwaigen Zentrifugalkraft der E-Paare der Anziehungskraft der Körperpunkte (gegen einander) das Gleichgewicht und bestimmt die Entfernung der E-Punkte von den Schwerpunkten der Körperpunkte." (S. 41.) Bei Näherung der Körperpunkte gegen einander wächst die Abstoßung der daran gebundenen Kranzringe, nimmt hingegen bei wachsender Entfernung ab, womit sich die Erscheinungen der Elastizität erklären.

    Auf Grund dieser Hauptsätze entwickelt der Verf. in allgemeinen Betrachtungen die Hauptlehren der Elektrizität, des Galvanismus, der Wärme, des Lichtes, des Chemismus u.s.w.

    Nach einer mündlichen Unterhaltung, die ich Gelegenheit hatte, mit dem Verf. zu pflegen, gibt auch er den einfachen Atomen einen psychischen Wert im Sinne Lotze’s (ohne von dessen Ansicht zuvor Kenntnis gehabt zu haben) und hatte er die Absicht, in der Fortsetzung des Werkes, wozu seine Atomistik den Eingang bildet, diese Ansicht zu entwickeln.

    Was ich nun Bedenkliches in all dem finde, ist Folgendes:

    1) Die Ansicht, dass alle Grundkräfte das umgekehrte Verhältnis des Quadrats der Entfernung befolgen, kann triftig weder aus dem Begriffe der Kraft gefolgert werden, wie Kap. 16. besprochen ist, noch durch Induktion für andere als merkliche Entfernungen der Teilchen als erwiesen gelten. Die multiplen Kräfte, zu deren Annahme sich W. Weber durch die elektro-dynamischen Erscheinungen genötigt gesehen hat und auf die man noch durch andere Gesichtspunkte geführt werden kann (vgl. Kap. 25), fallen dabei ganz außer Betracht. Grassmann hat aber nicht gezeigt, wie sich dieselben Erscheinungen ohne diese Annahme erklären lassen.

    2) Alle Körperpunkte sollen sich gegenseitig anziehen, sowohl + Punkte unter einander, als – Punkte unter einander, als endlich + Punkte und – Punkte gegenseitig; in dieser Hinsicht also beiderlei Körperpunkte gleichartig sein, aber doch dadurch verschieden, dass die einen dieselben E-Punkte anziehen, welche die anderen abstoßen. Wie zweierlei Körperpunkte, werden zweierlei E-Punkte statuiert, aber während die gleichartigen Körperpunkte einander eben so anziehen, als die ungleichartigen, stoßen sich die gleichartigen E-Punkte ab und nur die verschiedenartigen ziehen sich an. Eine solche Incongruenz in den Verhältnissen der Grundkräfte erscheint mindestens sehr unwahrscheinlich.

    3) "Das Hervortreten der + E im Zink und der – E im Kupfer bei Berührung kann (nach Grassmann S. 48) offenbar nur darin seinen Grund haben, dass die Zinkpunkte mehr die + E, die Kupferpunkte mehr die – E von den E-Punkten anziehen, dass daher an der Berührungsstelle der beiden Metalle die beiden E-Punkte der E-Paare getrennt, die + E dem Zink, die – E dem Kupfer zugeführt werden, und dass sich beide auf den trefflichen metallenen Leitern ungestört ausbreiten."

    Aber wie kommt es dann überhaupt je zu einem natürlichen Zustande des Kupfers und Zinks, in welchem nach Grassmann (S. 38) wie nach der gewöhnlichen Annahme, + E und – E in gleicher Menge vorhanden sind? Das Kupfer sollte dann stets negativ, das Zink positiv gefunden werden. Wie kommt es, dass Zink die negative Elektrizität durch Überleitung eben so leicht annimmt und abgibt, als die positive u. s. w.?

    Ersterem Einwande könnte der Verfasser vielleicht dadurch zu begegnen suchen, dass in den kranzförmigen Umringen aus E-Punkten, welche die + Körperpunkte im Zink umgeben, alle – E-Punkte nach Innen, dem Körperpunkte näher liegen, als die + E-Punkte, im Kupfer umgekehrt. Damit sei der stärkeren Anziehung der ersteren auf die – E-Punkte, der letzteren auf die + E-Punkte bei Vorhandensein gleicher Mengen derselben in natürlichem Zink und Kupfer genügt. Aber zuvörderst wäre dann zu beweisen, was zu beweisen oder nur anzunehmen unmöglich sein dürfte, dass durch solche verschiedene Verteilung der + E-Punkte und – E-Punkte bei gleicher Menge derselben der verschiedenen Anziehungskraft der + Körper und – Körperpunkte in gleicher Weise Genüge geschehen kann. Denn man muß zwar zugestehen, dass wegen der gegenseitigen Anziehung der + und – E-Punkte sowohl der + Körper als – Körper beide enthalten wird, aber doch nicht in gleicher Menge. Sei es aber zugestanden, so wird nun um so weniger erklärlich, wie ein + Körper, in welchem die + E-Punkte alle nach Außen gekehrt sind, die + Elektrizität noch so leicht durch Überleitung aufnehmen und abgeben kann, als ein – Körper. Endlich widerspricht der Verfasser jener Anordnung der E-Punkte in festen Lagen, woraus er u. a. auch die Elastizitätsverhältnisse erklärt, durch die anderwärts aufgestellte Ansicht, dass die E-Punkte jedes E-Paares nicht nur im Äther des Himmelsraums, sondern auch in den Körpern (S.61), ausgenommen im Zwischenraume zwischen chemisch differenten Körnern (S. 62), um einander wie die Sterne eines Doppelsternes kreisen.

    Ich gestehe, dass es mir beim besten Willen nicht gelungen ist, über diese Widersprüche und was damit zusammenhängt hinwegzukommen; und wenn dem Verfasser eine Auflösung derselben zu Gebote steht, so liegt sie wenigstens nicht auf der Hand.



Zusatzkapitel
Zusatzkapitel.

    Die Gründe, das erste der folgenden Zusatzkapitel beizufügen, sind S. 231 angeführt. Das zweite mag man als einen Exkurs betrachten, der aus bloß physikalischen Gesichtspunkten nicht interessieren, aber als Anhang an eine philosophische Atomistik wohl Platz finden kann.

XXVII. Auszugsweise Darstellung der Grundgesichtspunkte der einfachen Atomistik aus Boscovich’s Theoria philosophiae naturalis.

    Boscovich’s Auffassung des Begriffes der einfachen Atome ward schon Kap. 20. angeführt. Was er als Hauptpunkte seiner Theoria ansieht, faßt er selbst in der, seiner Theoria vorangehenden, Synopsis totius operis (p. XVII) wie folgt zusammen.

    Materiam constantem punctis prorsus singularibus, indivisibilibus, et inextensis, ac a se invicem distantibus, quae puncta habeant singula vim inertiae, et praeterea vim activam mutuam pendentem a distantiis, ut nimiram, data distantia, detur et magnitudo, et directio vis ipsius, mutata antem distantia, mutetur vis ipsa, quae, imminuta distantia in infinitum, sit repulsiva, et quidem excrescens in infinitum: aucta autem distantia, minuatur, evanescat, mutetur in attractivam crescentem primo, tum decrescentem, evanescentem, abeuntem iterum in repulsivam, idque per multas vices, donec demum in majoribus distantiis abeat in attractivam decrescentem ad sensum in ratione reciproca duplicata distantiarum.

    Aus der Pars prima theoriae (p. l ff.), überschrieben Theoriae expositio, analytica deductio et vindicatio, entnehme ich Folgendes:

    1) Virium mutuarum theoria, in quam incidi jam ab anno 1745, dum e notissimis principiis alia ex aliis consectaria eruerem, et ex qua ipsam simplicium materiae elemontorum constitutionem deduxi, systema exhibet medium inter Leibnitianum et Newtonianum, quod nimirum et ex utroque habet plurimum et ab utroque plurimum dissidet; at utroque in immensum simplicius, proprietatibus corporum generalibus sane omnibus et peculiaribus quibusque praecipuis per accuratissimas demonstrationes deducendis est profecto mirum in modum idoneum.

    2) Habet id quidem ex Leibnitii Theoria: elementa prima simplicia, ac prorsus inextensa, habet ex Newtoniano systemate vires mutuas, quae pro aliis punctorum distantiis a se invicem aliae sint; et quidem ex ipso itidem Newtone non ejusmodi vires tantummodo, quae ipsa puncta determinent ad accessum, quas vulgo attractiones nominant; sed etiam ejusmodi, quae determinent ad recessum, et appellantur repulsiones: atque id ipsum ita, ut, ubi attractio desinat, ibi, mutata distantia, incipiat repulsio, et vice versa, quod nimirum Newtonus idem in postrema Opticae Quaestione proposuit, ac exemplo transitus a positivis ad negativa, qui habetur in algebraicis formulis, illustravit. Illud autem utrique systemati commune est cum hoc meo, quod quaevis particula materiae cum aliis quibusvis, utcunque remotis, ita connectitur, ut ad mutationem utcunque exiguam in positione unica cujusvis, determinationes ad motum in omnibus relequis immutentur, et nisi forte elidantur omnes oppositae, qui casus est infinities improbabilis, motus in iis omnibas aliquis inde ortus habeatur.

    3) Distat autem a Leibnitiana Theoria longissime, turn quia nullam extensionem continuam admittit, quae ex contiguis et se Cuntingentibus inextensis oriatur: in quo quidem difficultas jam olim contra Zenonem proposita, et nunquam sane aut soluta satia, aut solvenda, de compenetratione omnimodo inextensorum contiguorum, eandem vim adhuc habet contra Leibnitianum systema: tunc quia homogeneitatem admittit in elementis, omni massarum discrimine a sola dispositione, et diversa combinatione derivata, ad quam homogeneitatem in elementis, et discriminis rationem in massis, ipsa nos Naturae analogia ducit, ac chemicae resolutiones inprimis, in quibus cum ad adeo pauciora numero, et adeo minus inter se diversa principiorum genera, in compositorum corporum analysi deveniatur, id ipsum indicio est, quo ulterius promoveri possit analysis, eo ad majorem simplicitatem, et homogeneitatem deveniri debere, adeoque in ultima demum resolatione ad homogeneitatem, et simplicitatem summam, contra quam quidem indiscernibilium principium, et principium rationis sufficientis usque adeo a Leibnitio depraedicata, meo quidem judicio, nihil omnino possunt.

    4) Distat itidem a Newtoniano systemate quam plurimum, tum in eo, quod ea, quae in ipsa postrema Quaestione Opticae conatus est explicare per tria principia, gravitatis, cohaesionis, fermentationis, immo et reliqu quam plurima, quae ab iis tribus principiis non pendent, per unicam explicat legem virium, expressam anica, et ex pluribus inter se commixtis non composita algebraica formula, vel unica continua geometrica curva: tum in eo, quod in minimis distantiis vires admittat non positivas, sive attractivas, uti Newtonus, sed negativas, sive repulsivas, quamvis itidem eo majores in infinitum, quo distantiae in infinitum decrescant. Unde illud necessario consequitur, ut nec cohaesio a contactu immediato oriatur, quam ego quidem longe aliunde desumo; nec ullus immediatus, et, ut illum appellare soleo, mathematicus materiae contactus habeatur, quod simplicitatem, et inextensionem inducit elementorum...

    5) . . 6) (Citation von Boscovich’s früheren Abhandlungen.) 7) (p. 4.) Prima elementa materiae mihi sunt puncta prorsus indivisibilia et inextensa, quae in immenso vacuo ita dispersa sunt, ut bina quaevis a se invicem distent per aliquod intervallum, quod quidem infinite augeri potest et minui, sed penitus evanescere non potest, sine compenetratione ipsorum punctorum: eorum enim contiguitatem nullam admitto possibilem; sed illud arbitror omnino certum, si distantia duorum materiae punctorum sit nulla, idem prorsus spatii vulgo concepti punctum indivisibile occupari ab utroque debere et haberi veram ac omnimodam compenetrationem. Quamobrem non vacuum ego quidem admitto disseminatum in materia, sed materiam in vacuo disseminatam atque innatantem.

    8) In hisce punctis admitto determinationem perseverandi in eodem statu quietis vel motus uniformis in directum, in quo semel sint posita, si seorsum singula in Natura existant; vel si alia alibi existant puncta, componendi per notam et communem methodum compositionis virium et motuum, parallelogrammorum ope, praecedentem motum cum motu, quem determinant vires mutuae, quas inter quaevis puncta agnosco a distantiis pendentes, et iis mutatis mutatas, juxta generalem quandam omnibus communem legem. In ea determinatione stat illa, quam dicimus, inertiae vis, quae, an a libera pendeat Supremi Conditoris lege, an ab ipsa punctorum natura, an ab aliquo iis adjecto, quodcunque istud sit, ego quidem non quaero; nec vero, si velim quaerere, inveniendi spem habeo; quod idem sane censeo de ea virium lege, ad quam gradum jam facio.

    9) (Allgemeine Betrachtung über die Natur der Kräfte.)

    10) Lex autem virium est ejusmodi, ut in minimis distantiis sint repulsivae, atque eo majores in infinitum, quo distantiae ipsae minuantur in infinitum, ita, ut pares sint extinguendae cuivis velocitati utcunque magnae, cum qua punctum alterum ad alterum possit accedere, antequam eorum distantia evanescat, distantiis vero auctis minuatur ita, ut in quadam distantia perquam exigua evadat vis nulla; tum adhuc, aucta distantia, mutentur in attractivas, primo quidem crescentes, tum decrescentes, evanescentes, abeuntes in repulsivas, eodem pacto crescentes, deinde decrescentes, evanescentes, migrantes iterum in attractivas, atque id per vices in distantiis plurimis, sed adhuc perexiguis, donec, ubi ad aliquanto majores distantias ventum sit, incipiant esse perpetuo attractivae, et ad sensum reciproce proportionales, quadratis distantiarum, atque id vel utcunque augeantur distantiae etiam in infinitum, vel saltem donec ad distantias deveniatur omnibus Planetarum et Cometarum longe majoribus.

    11–17) (Erörterungen über allgemeinere und speziellere Bestimmungen dieses Grundgesetzes der Kräfte.) Hiernach folgende Begründung der ganzen Ansicht.

    18) (p. 9.) "Concipiantur duo corpora aequalia, quae moveantur in directum versus eandem plagam, et id, quod praecedit, habeat gradus velocitatis 6, id vero, quod ipsum persequitur, gradus 12. Si hoc posterius cum sua illa velocitate illaesa deveniat ad immediatum contactum cum illo priore; oportebit utique, ut ipso momento temporis, quo ad contactum devenerint, illud posterius minuat velocitatem suam, et illud prius suam augeat, utrumque per saltum, abeunte hoc a 12 at 9, illo a 6 ad 9, sine ullo transitu per intermedios gradus 11, et 7; 10 et 8; 91/2 et 41/2 etc. Neque enim fieri potest, ut per aliquam utcunque exiguam continui temporis particulam ejusmodi mutatio fiat per intermedios gradus, durante contactu. Si enim aliquando alterum corpus jam hubuit 7 gradus velocitatis, et alterum adhuc retinet 11; toto illo tempusculp, quod effluxit ab initio contactus, quando velocitates erant 12 et 6, ad id tempus, quo sunt 11 et 7, corpus secundum debuit moveri cum velocitate majore, quam primum, adeoque plus percurrere spatii, quam illud, et proinde anterior ejus superficies debuit transcurrere ultra illius posteriorem superficiem, et idcireo pars aliqua corporis sequentis cum aliqua antecedentis parte compenetrari debuit, quod cum ob impenetrabilitatem, quam in materia agnoscunt passim omnes Physici, et quam ipsi tribuendam omnino esse, facile evincitur, fieri omnino non possit. ...

    19) Sunt, qui difficultatem omnem submoveri posse censeant, dicendo, id quidem ita se habere debere, si corpora dura habeantur, quae nimirum nullam compressionem sentiant, nullam mutationem figurae, et quoniam haec a multis excluduntur penitus a Natura; dum se duo globi contingunt introcessione et compressione partium fieri posse, ut in ipsis corporibus velocitas immutetur per omnes intermedios gradus transitu facto, et omnis argumenti vis eludatur.

    20) At inprimis ea responsione uti non possunt, quicuncque cum Newtono, et vero etiam cum plerisque veterum Philosophorum prima elementa materiae omnino dura admittunt, et solida, cum adhaesione infinita, et impossibilitate absolata mutationis figurae. Nam in primis elementis illis solidis et duris, quae in anteriore adsunt sequentis corporis parte, et in praecedentis posteriore, quae nimirum se mutuo immediate contingunt, redit omnis argumenti vis prorsus illaesa.

    21) Deinde vero illud omnino intelligi sane non potest etc.

    22) At ea etiam, utcunque penitas inintelligibili sententia admissa, redit omnis eadem argumenti vis in ipsa prima et ultima corporum se immediate contingentium superficie, vel si nullae continuae superficies congruant, in lineis, vel punctis. Quidquid enim sit id, in quo contactus fiat, debet utique esse aliquid, quod nimirum impenetrabilitati occasionem praestet, et cogat motum in sequente corpore minui, in praecedente augeri: id, quidquid est, in quo exoritur impenetrabilitatis vis, quo fit immediatus contactus, id sane velocitatem mutare debet per saltum, sine transitu per intermedia, et in eo continuitatis lex abrumpi debet atque labefactari, si ad ipsum immediatum contactum cum illo velocitatum discrimine deveniatur etc.

    23–72) (Erörterung von Einwürfen, Rechtfertigungen, namentlich der lex continuitatis und Impenetrabilitas.

    73 p. 33) Quoniam ad immediatum contactum devenire ea. corpora non possunt cum praecedentibus velocitatibus, oportet, ante contactum ipsum immediatum incipiant mutari velocitates ipsae, et vel ea consequentis corporis minui, vel ea antecedentis augeri, vel utrumque simul. Quidquid accidat, habebitur ibi aliqua mutationis causa, quaecunque illa sit. Causa vero mutans statum corporis in ordine ad motum vel quietem, dicitur vis. Habebitur igitur vis aliqua, quae effectum gignat, etiam ubi illa duo Corpora nondum ad contactum devenerint.

    Es folgt dann §. 74 ff. die weitere Auseinandersetzung, dass diese vis als eine gegenseitige Repulsivkraft zu fassen, und mit der Nähe ins Unbestimmte wachsend anzusehen sei, widrigenfalls bei immer wachsender Geschwindigkeit des Körpers, der hinter dem anderen herläuft und an ihn stößt, doch Berührung und Sprung der Geschwindigkeit oder Eindringen eines Körpers in den anderen eintreten müsse.

    81) (p. 37.) Qnoniam imminutis in infinitum distantiis, vis repulsiva augetur in infinitum, facile patet, nullam partem materiae posse esse contiguam alteri parti; vis enim illa repulsiva protinus alteram ab altera removeret. Quamobrem necessario inde consequitur, prima materiae elementa esse omnino simplicia, et a nullis contiguis partibus compositas. Id quidem immediate et necessario fluit ex illa constitutione virium, quae in minimis distantiis sunt repulsivae, at in infinitum excrescunt.