XXVIII. Über den psychischen Wert der einfachen Atome.

Monadologische und synechologische Ansicht.

    Wir haben im 26. Kapitel gesehen, dass verschiedene Philosophen, Leibniz, Herbart, Lotze, Anlaß gefunden haben, die Seelen der Menschen und Tiere als einfache Wesen, sog. Monaden1), mit den letzten Elementen der Körperwelt und umgekehrt diese mit Seelen zu identifizieren, wenn schon unter den Genannten bloß Lotze die Körperelemente mit uns für räumlich diskret in physischem Sinne erklärt und hiermit die Monaden zugleich als einfache Atome in physischem Sinne betrachtet, indes die anderen bloß eine metaphysische Scheide zwischen ihre einfachen Wesen setzen. Da indes der Unterschied, ob man die letzten als einfach angesehenen Elemente der realen Welt physisch kontinuierlich oder diskontinuierlich nehmen will, für unsere jetzige Betrachtung nicht wesentlich ist, so nennen wir sie ohne Rücksicht darauf der Kürze halber hier überall Atome.

            1) Herbart jedoch bedient sich des Ausdrucks Monaden nicht.

    Nun wird den Atomen damit, dass man sie mit Seelen identifiziert, noch keineswegs allgemein ein gleiches Bewußtsein wie unseren Seelen beigelegt,2) sei es, dass die Atome unseres Körpers und der körperlichen Außenwelt ihrer Natur nach nicht fähig sind, zu gleichem Bewußtsein zu erwachen, sei es, dass sie nur die günstigen Entwickelungsbedingungen dazu erwarten, sei es endlich, dass sie wirklich irgendwie bewußt sind, ohne dass wir darum wissen, weil wir in ihre inneren Zustande nicht eindringen können. Genug, dass Seelen und einfache Körperatome wesentlich gleichartiger Natur sind, und, während sie jede für sich, in so weit sie bewußt sind, innerlich die Seelenerscheinungen produzieren, zugleich durch ihre Zusammensetzung die äußeren Erscheinungen des Körpers geben. Hierin stimmen Leibniz, Herbart, Lotze bei übrigens stattfindender wesentlicher Verschiedenheit ihrer Grundansicht überein; und indem wir ihre Ansicht hier nur nach diesem Gesichtspunkt der Übereinstimmung ins Auge fassen, begreifen wir sie gemeinsam unter dem Namen der monadologischen Ansicht von Leib und Seele. Am ansprechendsten dürfte man dieselbe von Lotze in s. Mikrokosmos Th. I. S. 374 ff. dargestellt finden.

2) Wonach Leibniz den Namen Seele auch nicht allen im eigentlichen Sinne beigelegt wissen will. Er sagt darüber (in der S. 224 angeführten Abhandlung §. 19, 20,21). 19. "Quodsi animam appellare libet, quicquid perceptionem et appetitum habet in sensu generali, quem modo explicavimus, omnes substantiae simplices aut monades creatae appellari possunt animae. Enim vero cum apperceptio aliquid amplius importet, quam simplicem quandam perceptionem, consultius est ut nomen generale monadum et entelechiarum sufficiat substantiis simplicibus, qui simplici perceptione gaudent, et animae appellentur tantummodo istae, quarum perceptio est magis distincta et cum memoria conjuncta." §. 20. "In nobis enim ipsis experimur statum quendam, in quo nihil recordamur, nec ullam perccptionem distinctam habemus, veluti cum deliquio animi laboramus, aut quando somno profundo absque insomnio oppressi sumus. In hoc statu anima quoad sensum non differt a simplici monade. Sed cum status iste non perduret, aliquid amplius sit, necesse est." – 21. "Atque inde non sequitur, quod tunc su t antia simplex careat omni perceptione" etc.
 
 
    Unstreitig muß es wichtige Gründe für die monadologische Ansicht geben, da Philosophen von so anerkannter Geltung, bei Ausgang von so ganz verschiedenen Grundstandpunkten und so verschiedener Grundrichtung, übereinstimmend dazu geführt worden sind. Es fragt sich, welches sind die Gründe für diese Ansicht und was ist davon zu halten.

    Da es in dieser Schrift um die einfache Atomistik wesentlich nur als Abschluß der physikalischen Atomistik zu tun war, könnte die Frage hier dahingestellt bleiben. Indem aber jeder richtige Abschluß eines Gebietes zugleich die Möglichkeit des Anschlusses an andere enthalten soll, mag ich sie doch auch nicht ganz beiseite lassen, und meine mit Folgendem das Wesentlichste dessen, was hierbei in Rücksicht kommt, zwar nicht erschöpft, doch berührt zu haben.

    Abstrahiere ich von den tiefer liegenden metaphysischen Gründen (im Sinne der gewöhnlichen Auffassung der Metaphysik), welche jeden der genannten Philosophen zur monadologischen Ansicht vielleicht weniger geführt haben als von denselben zu ihrer Begründung vorgeführt worden sind und in den allgemeinen Streit der philosophischen Systeme verwickelt sind, so liegen folgende Gründe mit Klarheit vor, welche der monadologischen Ansicht, unangesehen besonderer Fassungen derselben, zu Statten kommen oder zu Statten zu kommen scheinen.

    Von jeher hat man psychologischerseits teils durch Achten auf die identische Einheit des Bewußtseins, teils das Bedürfnis, die ewige Fortdauer der Seele zu sichern, Anlaß gefunden, den Seelen eine einfache Natur zuzuschreiben, zugleich physikalischerseits sich zur Annahme einfacher Zentralpunkte körperlichen Wirkens gedrängt gefunden, gleichgültig jetzt, ob sie als physisch diskret anzunehmen sind oder nicht; man muß doch jedenfalls (im Sinne der hergebrachten Auffassung der Kraft) die physische Kraft von Punkten ausgehend denken. Nichts kann natürlicher und angemessener erscheinen, um Leib und Seele nicht dualistisch auseinanderfallen zu lassen, als beide Einfachheiten in einer identischen Substanz zusammenfallen zu lassen, somit die Seelen selbst mit einfachen Zentralpunkten körperlichen Wirkens, in unserem jetzigen Wortsinn mit Atomen, zusammenfallen zu lassen. Die psychische Einfachheit der Seele wird dabei physisch durch die Einfachheit des Atoms repräsentiert und das physische Atom erhält durch seinen psychischen Gehalt eine Bestimmtheit, wodurch es der Gefahr, mit einem punktförmigen Nichts verwechselt zu werden, entschiedener als auf jede andere Weise enthoben wird.

    Wir können nicht umhin, die Seele räumlich zu lokalisieren; denn Jeder wird doch seine Seele vielmehr in seinem als eines Anderen Körper sitzend denken müssen. Diese Lokalisation aber kann nach der zentralen Bedeutung der Seele für den Körper, d. i. der einheitlichen Verknüpfung seiner mannigfachen Beziehungen in ihr, der einheitlichen Beherrschung aller Tätigkeiten des Körpers durch sie, nicht wohl anders als in einem unteilbaren Punkte gedacht werden; und dass man so viele Teile des Körpers wegschneiden oder zerstören kann, ohne das Leben und die Integrität der Seele wesentlich zu gefährden, spricht selbst erfahrungsmäßig dafür; denn man braucht mit dieser Approximation nur bis zur denkbaren Grenze zu gehen, um zum einfachen Seelensitze im Körper zu gelangen.

    Die so unverbrüchliche Scheidung der Individualitäten und Unmöglichkeit des wechselseitigen Eindringens einer Seele in die inneren Zustände der anderen, die unveränderliche Forterhaltung der Identität des Ich bei allem Wechsel leiblicher Zustände, endlich die Unsterblichkeit der Seele, finden durch die metaphysische (Leibniz, Herbart) oder physische (Lotze) Trennung der einfachen Wesen und ihre unzerstörbar einfache Natur ihre einfache Erklärung und beste Sicherstellung. Der begrifflich nie zu vermittelnde Dualismus zwischen Seele und Körper wird durch die Identifizierung des Körpers mit einer Vereinigung einfacher, der Seele wesentlich gleichartiger, Wesen beseitigt und die so schwierige Vorstellung, wie Seele und Körper als wesentlich ganz heterogene Substanzen auf einander wirken können, durch die wesentliche Gleichartigkeit derselben mindestens sehr erleichtert, wenn nicht gar (im Sinne von Leibniz prästabilierter Harmonie) gehoben. Die ganze Körperwelt erscheint damit vergeistigt, in einem höheren Lichte;3) der Materialismus ist damit einfach abgeworfen, und für einen vagen Idealismus eine physikalisch und psychologisch in Zusammenhang fundierte Weltansicht begründet.

3) Wenigstens nach Leibniz und Lotze, während Herbart’s einfache Wesen allerdings an sich keinen geistigen Charakter hegen.
 
 
    Von den reichen Entwichelungen Lotze’s hier nur ein paar Sätze:

    "Die unteilbare Einheit jedes der einfachen Wesen gestattet uns, in ihm eine Zusammenfassung der äußeren Eindrücke, die ihm zukommen, zu Formen der Empfindung und des Genusses anzunehmen." (Mikrok. I. S. 392.)

    "Nicht auf den Körper, sofern er Materie ist, wirkt die Seele, sondern sie wirkt auf die mit ihr vergleichbaren übersinnlichen Wesen, die nur durch eine bestimmte Form ihrer Verknüpfung uns den Anschein der ausgedehnten Materie gewähren; nicht als Stoff und nicht mit Werkzeugen des Stoffes übt der Körper seinen Einfluß auf den Geist, sondern alle Anziehung und Abstoßung, aller Druck und Stoß, sind selbst in jener Natur, die uns aller Beseelung ledig scheint, selbst wo sie von Stoff zu Stoff wirken, nur der erscheinende Ausdruck einer geistigen Wechselwirkung, in der allein Leben und Tätigkeit ist." (Mikrok. I. S. 397.)

    Unstreitig wichtige Gründe, die der monadologischen Ansicht das Wort reden. Und um so ansprechender kann sie erscheinen, wenn sie einen so beredten und scharfsinnigen Verteidiger wie Lotze findet. Dennoch vertrete ich ihr gegenüber mit voller Überzeugung eine andere Ansicht, ich will sie kurz die synechologische nennen, welche zwar auch eine psychische Bedeutung der einfachen Atome bestehen läßt, doch in ganz anderem Sinne, so nämlich, dass sie nicht als selbständige Seelen, sondern als letzte Elemente eines Systems auftreten, was in äußerer Erscheinung den Körper, in innerer Erscheinung (Selbsterscheinung) die bewußte Seele gibt. Nachdem ich nun die Gründe für die erste so wirksam als es mir selbst in Kürze möglich war, dargelegt, werde ich dasselbe mit den Gründen für die zweite zu tun, zuvor jedoch an einige Hauptzüge derselben zu erinnern haben, soweit es nämlich zur Klarstellung ihres Verhältnisses zur monadologischen Ansicht nötig ist. Über ihre Ausführung und allgemeinere Verwertung verweise ich auf meine früheren Darstellungen, namentlich: Elemente der Psychophysik. Th.I. S.l ff. II. S. 381 ff. 526 ff. Über die Seelenfrage S. 198 ff. und Zend-Avesta II. S. 212ff.

    Die synechologische Ansicht stimmt mit der monadologischen darin überein, dass sie der Köperwelt und Seelenwelt dieselben einfachen, streng (sei es physisch oder metaphysisch) geschiedenen Wesen, Atome, unterlegt, und dass sie eben so den Körper für ein System ansieht, was nach Seiten seiner inneren Erscheinlichkeit wesentlich psychischer Natur, nur nach Seiten seiner äußeren Erscheinlichkeit sich als Körper darstellt4), womit sie auch in denselben Gegensatz als die monadologische zur dualistischen, materialistischen und den meisten Wendungen der idealistischen Ansicht tritt. Sie unterscheidet sich aber darin wesentlich von der monadologischen Ansicht, dass sie, anstatt die psychische Einheit an die einzelnen Atome zu knüpfen und mithin eben so viel (bewußte oder unbewußte) Seelen in der Welt zu sehen, als metaphysisch oder physisch diskrete einfache Körper-Atome vorhanden sind, vielmehr die psychische Einheit in höchster und letzter Instanz an den gesetzlichen Zusammenhang des Gesamtsystems der Weltatome knüpft (Gott), untergeordnete psychische Einheiten (Seelen der Menschen und Tiere) aber an untergeordnete Teilsysteme dieses ganzen Systems, womit eine total andere Auffassung der Beziehung von Leib und Seele und andere Weltauffassung überhaupt entsteht.

4) Wenn schon die gern von mir gebrauchte Bezeichnung des betreffenden Verhältnisses durch innere und äußere Erscheinlichkeit in den monadologischen Systemen nicht eben so üblich ist, so dürfte doch der sachliche Gesichtspunkt ihrer Übereinstimmung mit dem synechologischen System dadurch treffend genug zu bezeichnen sein.
 
 
    In weiterem Sinne ist unser ganzer Leib beseelt zu nennen, sofern alle Teile und Tätigkeiten desselben, in solidarischem Zusammenhange sich ergänzend und bis zu gewissen Grenzen wechselseitiger Vertretung fähig, zu dem Vermögen der totalen inneren Selbsterscheinung beitragen (Elem. d. Psychoph. II. 382). Ein wirklich waches Bewußtsein aber ist nicht an das Dasein der Atome an sich, sondern an den Bewegungszustand derselben nach Gesetzen geknüpft, die ich nicht aprioristisch konstruiert habe, sondern in die ich (in meinen Elementen der Psychophysik) bis zu gewissen Grenzen erfahrungsmäßig einzudringen vermocht habe, und die man seltsam finden könnte; aber sie bestehen.

    Eins der fundamentalsten Gesetze ist dies, dass keine Bewegung, die ein Bewußtseinsphänomen mitzuführen vermag (psychophysische Bewegung), dies anders vermag, als dass die Bewegung einen gewissen Grad der Lebhaftigkeit oder Stärke5), die sog. Schwelle, übersteigt, ähnlich, wie Eisen erst bei einer gewissen Erhitzung glühend wird (Elem. I. S. 238 ff. II. 428. 439.) Von einem engeren Seelensitze (im Gehirn) kann dann insofern die Rede sein, als man damit den, nicht punktförmigen, sondern ausgedehnten Teil des Systems bezeichnet, in welchem die psychophysischen Bewegungen die Schwelle übersteigen (Elem. II. 289). Was man als Einfluß der Seele auf den Körper und des Körpers auf die Seele zu bezeichnen pflegt, sind Wirkungen aus jenem engeren Seelensitze in den weiteren hinein oder in umgekehrter Richtung. Die Unterbrechung des Bewußtseins eines Individuum durch den Schlaf wird eben so durch zeitweises Sinken seiner psychophysischen Tätigkeit unter die Schwelle (Elem. II. 439), als die (diesseitige) Scheidung des Bewußtseins der verschiedenen Individualitäten trotz des Eingewachsenseins der ihnen unterliegenden Systeme in das allgemeine System der Körperwelt dadurch begründet, dass die psychophysische Tätigkeit zwischen den verschiedenen Organismen in der äußeren Natur die Schwelle nicht erreicht (Elem. II. 529).

                5) Prinzipiell meßbar durch die sog. lebendige Kraft im Sinne der Physik und Physiologie.

    Man sieht also, dass, wenn die monadologische Ansicht veranlaßt ist, zwischen bewußten und unbewußten (doch des Bewußtseins fähigen) Seelen zu unterscheiden, die synechologische eine entsprechende, nur anders gefaßte, Unterscheidung hat. Es kann danach sehr wohl ein System nach Außen, d. i. einem anderen System, durch Wirkungen, die es hinein erstreckt, als Körper erscheinen, ohne für sich selbst eine innere oder Selbsterscheinung zu haben; aber es wird hinreichen, dass es in eine innere psychophysische Bewegung, welche die Schwelle übersteigt, gerate, um zum Bewußtsein zu gelangen, und wird immer eben so mit zum Vermögen der göttlichen Selbsterscheinung im Ganzen beitragen, wie auch die Teile unseres Leibes, in denen die psychophysische Tätigkeit die Schwelle nicht übersteigt, doch nach dem organischen Zusammenhange dazu beitragen, dass sie im engeren Seelensitze die Schwelle übersteigen kann.6)

6) Auf den, für die Ausführung des Systems freilich wichtigen, Unterschied von Schwellen verschiedener Stufen, je nachdem es sich um allgemeineres Bewußtsein oder speziellere Gebiete oder Bestimmungen desselben handelt, kann ich hier nicht näher eingehen. Vgl. Elem. II. 454 ff.
 
 
    Wenn monadologisch eine Seele auf die andere dadurch wirkt, dass durch eine Kette zwischenliegender seelenartiger Wesen sich eine Wirkung zwischen sie überpflanzt7), so erfolgt synechologisch diese Überpflanzung zwischen zwei ganzen Systemen durch Vermittelung des Gesamtsystems, womit sich diese Mitteilung in das Gesamtbewußtsein aufhebt; und für den einfachen Anstoß an das einfache Wesen, durch den monadologisch die definitive Überpflanzung erfolgt, tritt ein zusammengesetzter Prozeß in dem System ein, welches die Mitteilung empfängt, gemeinsam abhängig von der Natur der Mitteilung und der Einrichtung des Systems, mit welcher, als der Seite der äußeren Erscheinung, die Beschaffenheit der Seele als Seite der inneren Erscheinung zusammenhängt. 7) Nach Herbart und Lotze, indes nach Leibniz’s prästabilierter Harmonie von einer Wirkung einer Seele auf die andere im eigentlichen Sinne nicht zu sprechen ist, es sei denn, dass man, was man in gewissem Sinne wohl kann, die allgemeine Gesetzlichkeit, von der nach unserer Begriffsstellung die Wirkung abhängt, als prästabilierte Harmonie auffaßt.
 
 
    Diese Punkte der synechologischen Ansicht können hier genügen. Folgendes die Gründe, mit denen ich sie der monadologischen gegenüber vertrete.

    l) So üblich es sein mag, die Seele als einfaches Wesen zu fassen, so ist sie doch nach denjenigen Bestimmungen, die von ihr in die Erfahrung treten, was ich faktische Beziehungen nenne, vielmehr ein einheitliches Wesen mit einer Mannigfaltigkeit nicht nur sukzessiver, sondern auch gleichzeitiger Bestimmungen, was sich mit dem Begriffe der Einfachheit nicht verträgt. Zwar kann man aus der Mannigfaltigkeit der Bewußtseinserscheinungen die Einheit des Bewußtseins als einfachen Begriff abstrahieren, aber dieselbe eben nur als Abstraktum aus der Mannigfaltigkeit, nicht selbständig für sich aufzeigen. Ist aber die Seele psychisch kein einfaches Wesen, so fällt damit ein Hauptmotiv weg, sie physisch durch ein solches zu repräsentieren; ist sie psychisch ein einheitliches Wesen mit einer Mehrheit und Mannigfaltigkeit gleichzeitiger Bestimmungen, so kann man hierin ein Hauptmotiv finden – denn ein durchschlagender Grund ist es nicht – sie physisch durch ein solches, also durch einen einheitlich verknüpften Organismus, nicht einen Punkt im Organismus zu repräsentieren.

    Dem entgegen hat man, zur Rettung der einfachen Natur der Seele, Dreierlei, zum Teil in Verbindung, aufgestellt.

    a) Man hat die metaphysische Einfachheit eines hinter den Seelenerscheinungen rückliegenden realen Wesens als Grund der einheitlichen Verknüpfung dieser Erscheinungen selbst erklärt.

    b) Man hat geleugnet, dass eine simultane Mannigfaltigkeit der Seelenbestimmungen überhaupt bestehe, in jedem Momente sei vielmehr die Seele nur durch eine einfache Qualität bestimmt. Und zwar hat man hierbei einen doppelten Gesichtspunkt untergelegt.

    a ) Man hat die Raumanschauungen und Raumvorstellungen der Seele, worin die Gleichzeitigkeit einer Mehrheit von Bestimmungen am entschiedensten sich geltend macht, ja worauf vielleicht alle simultane Mannigfaltigkeit von Seelenbestimmungen zu reduzieren ist, als eine von der Seele zusammengefaßte rasche Sukzession einfacher Vorstellungen erklären wollen.

    b ) Man hat zu beweisen gesucht, dass unsere Vorstellungen des Ausgedehnten etwas rein Intensives sind, dass wir, "wenn wir durch die Bewegung körperlicher Organe räumliche Ausdehnung wahrzunehmen glauben, in der Tat nichts Anderes wahrnehmen, als den Zustandswechsel unserer Seele, als ein intensives unräumliches Geschehen."8)

            8) Langenbeck, Atom und Monade, S. 32ff. mit Verweisung auf Lotze’s medicin. Psychol. S. 327 ff.

    Was nun aber das Erste (a) anlangt, so ist eine metaphysische Einfachheit überhaupt nur ein dunkler Begriff, und weder eine logische noch faktische Veranlassung liegt vor, außer der in die Erfahrung tretenden Bewußtseinseinheit ein Wesen hinter aller Erscheinung als Grund derselben zu postulieren. Dazu kann man bemerken, dass, wenn die metaphysische Einfachheit des Seelenwesens die erfahrungsmäßige Mannigfaltigkeit der inneren Seelenerscheinungen nicht ausschließt, eben so wenig eine Mannigfaltigkeit in seiner äußeren Erscheinung dadurch ausgeschlossen sein kann, also die Hypostasierung der Seele in einem einfachen Atom dadurch nicht als gefordert angesehen werden kann.

    Das Zweite (b.a ) anlangend, so könnte durch Zusammenfassen einer zeitlichen Sukzession einfacher Vorstellungen, welcher Art sie immer sein möchten, bei der selbst nur einfachen, so zu sagen linearen, Dimension der Zeit höchstens der Eindruck einer Linie entstehen, oder wollte man die Gleichzeitigkeit des Vielen in den Begriff der Zeit mit einrechnen, der Zeit so zu sagen zu ihrer Länge noch eine Dicke geben, so würde das Zeitmoment selbst als Querschnitt dieser Dicke nicht mehr einfach bleiben. Außerdem aber lehrt die direkte Erfahrung, dass die längste Dauer einer einfachen Empfindung, sei es der Empfindung eines räumlich einfachen Lichtpunktes oder qualitativen einfachen Geruches, eben nur als Dauer, die Sukzession verschiedener einfacher Empfindungen eben nur als Sukzession, nicht als räumliche Extension von der Seele aufgefaßt, in der Erinnerung zusammengefaßt und expliziert wird. Also könnte auch nicht einmal der Eindruck einer Linie so entstehen.

    Das Dritte (b.b ) endlich anlangend, so fällt das so ziemlich in das Kapitel des Wortstreits, von dem ich im 14. Kapitel gehandelt. Nenne man immerhin die Vorstellung einer Ausdehnung etwas rein Intensives, so wird man in dieser intensiven Vorstellung der Ausdehnung nicht nur an sich etwas wesentlich Anderes haben, als in der intensiven Vorstellung oder Empfindung z. B. eines Lichtpunkts, eines Schalles, etwas, was sich dazu wie gleichzeitiges Außereinander zum Nichtaußereinander verhält – oder wie will man den doch zu machenden Unterschied anders bezeichnen, – sondern man wird auch nach dem Zusammenhange der Tatsachen, auf welche sich die synechologische Ansicht stützt (s. unten No. 3), genötigt sein, vielmehr diese intensive Vorstellung der Ausdehnung von dem Sitze der Seele zu hegen, als die intensive, welche man von einem Punkte hegt, kurz ihn in demselben Sinne für ausgedehnt anzusehen, als man überall von räumlicher Ausdehnung spricht; und was hat man nun mit der ganzen Zurückführung der Ausdehnungsvorstellung auf intensive Seelenbestimmung gewonnen, als mit scheinbar tiefsinnigen Erörterungen eben dahin zurückzukommen, wobei wir synechologisch gleich stehen blieben, und die Klarheit einer notwendig zu machenden Unterscheidung durch eine Identifizierung im Worte zu verdunkeln.

    Die Ausdehnungsvorstellung einer einzelnen Seele ist freilich nicht in demselben Sinne selbst ausgedehnt zu nennen, als ein Körper, dessen Ausdehnung durch den gesetzlichen Zusammenhang aller möglichen Ausdehnungsvorstellungen nicht nur einer, sondern aller Seelen, objektiv bestimmt ist. Aber wenn Tatsachen Alle, die solche richtig auffassen, nötigen, die Vorstellung einer räumlichen Ausdehnung von dem Sitze der Seele zu hegen, gewinnt er eben damit den Charakter eines objektiv ausgedehnten Daseins, jedenfalls läßt sich ein anderer Charakter solchen Daseins nicht finden; von solchem zu sprechen aber können wir doch nicht umhin.

    Es ist ferner unbedingt zuzugeben, was Lotze mit besonderem Nachdruck geltend macht, dass die Ausdehnungsvorstellung nicht als der einfache Abdruck oder das einfache Bild eines ihr unterliegenden Vorganges im Gehirn anzusehen sei, und also die subjektive Ausdehnungserscheinung nichts für die objektive Ausdehnung ihrer körperlichen Unterlage beweise. Es ist sogar eine der direktesten Folgerungen der synechologischen Ansicht selbst, dass, was dem Physiologen auf seinem äußerlichen Standpunkt als körperlicher Vorgang im Gehirn erscheint, für den inneren Standpunkt der Seele nicht eben so erscheinen kann, nur wendet sich diese Folgerung synechologisch in entgegengesetztem Sinne als monadologisch. Monadologisch geht die zusammengesetzteste Raumanschauung in einem Wesen vor, was physisch als Punkt zu fassen ist; synechologisch ist selbst die einfachste Raumanschauung, die eines Punktes, Sache eines Vorganges, der physisch als ein ausgedehnter erscheint. Muß aber einmal zugestanden werden, dass die Erscheinung der Ausdehnungsvorstellung sich nicht mit der ihrer körperlichen Unterlage deckt, so ist an sich unstreitig gleich denkbar, dass sie einfacher und dass sie zusammengesetzter sei als diese. Da nun die Denkbarkeit an sich nicht entscheiden kann, so müssen andere Gründe entscheiden; und wir bleiben mithin auf diese anderen Gründe verwiesen.

    2. Eine metaphysische Schwierigkeit kann an sich nicht dagegen erhoben werden, das, was nach äußeren Beziehungen als Vieles außer einander erscheint, durch eine einheitliche Selbsterscheinung verknüpft zu denken, und in sofern im Geiste vielmehr ein innerlich verknüpfendes Prinzip des Körpers als ein mit den Körperelementen äußerlich verknüpftes wesentlich gleichartiges Element zu sehen; da überhaupt der Begriff der Einheit den einer darunter begriffenen oder dazu bezogenen Vielheit nicht ausschließt. Verknüpft das Gravitationsgesetz identisch einheitlich allgegenwärtig alle Elemente der Körperwelt, ohne in einem derselben seinen herrschaftlichen Sitz zu haben, warum nicht auch der Geist, zumal man die psychische Einheit selbst mit der Einheit, welche das Gesetz in die Körperwelt bringt, in Beziehung denken kann?

    Was nämlich als psychische Einheit, Sukzessives wie Gleichzeitiges bindend, nur Sache der innern Erscheinung ist, kann nach synechologischer Auffassung mit dem, aus äußeren Erscheinungen abstrahierbaren, Kausalzusammenhange und Wirkungszusammenhange des unterliegenden körperlichen Systems als wesentlich zusammenhängend oder substanziell sich deckend angesehen werden. Der Kausal- und Wirkungszusammenhang der gesamten Welt aber ruht nur in der, sich identisch hindurch erstreckenden, Gesetzlichkeit, welche das Fernste in Zeit und Raum mit dem Nächsten verknüpft; und schließlich faßt sich daher auch Alles endlich in die Einheit des göttlichen Geistes zusammen; und diese gliedert sich nur in endliche Einheiten. Man muß dabei die psychische Einheit oder Einheit des Bewußtseins nicht mit Bewußtsein selbst verwechseln. Die psychische Einheit des Menschen verknüpft die Bewußtseinszustände desselben Menschen durch die zwischenfallenden Unbewußtseinszustände durch, greift also über diese mit über. Dass aber der Körper vor und nach dem Schlafe und sein ganzes Leben durch selbst nach vollständigem Austausche seiner Materien noch dasselbe Bewußtsein trägt, hängt synechologisch gefaßt eben bloß daran, dass seine späteren Zustände und Tätigkeiten sich kausal aus den früheren heraus entwickelt und auf immer neue Stoffe übertragen haben; und wenn unbewußte Zustände durch zeitweises Sinken der Tätigkeit unter die Schwelle zwischen eintreten, so wird doch hierdurch dieser Kausalzusammenhang und hiermit die Identität des Bewußtseins nicht unterbrochen.

    Sonach ist auch mit Vorigem nicht gesagt, dass jedem beschränkten Kausal- und Wirkungszusammenhange für sich ein Bewußtsein zukomme; dazu gehört noch, dass in dem betreffenden Systeme die Schwelle überstiegen sei; insofern sie aber überstiegen ist, gehört auch das damit erwachende Bewußtsein der Einheit des göttlichen Bewußtseins an, und scheidet sich zugleich von gleichstufigen Einheiten, wenn die Schwelle in ihm nur insularisch überstiegen ist. Hierbei kommt der Unterschied von Schwellen niederer und höherer Stufe nur Sprache.

    Jedenfalls müßte jede metaphysische Schwierigkeit, die man gegen die synechologische Verknüpfung der Materie durch den Geist erheben wollte, ganz eben so gegen die physikalische Verknüpfung derselben durch das Gesetz laufen; und da doch diese faktisch besteht, so widerlegt eine Metaphysik, die jene widerlegt, sich damit selbst.

    3. Es ist ganz unmöglich, und hierin liegt für eine exakte Betrachtung, der sich die Philosophie nicht entziehen sollte, der durchschlagende Grund gegen die monadologische Ansicht, gegen den keine Metaphysik Stich hält, ihren einfachen Seelensitz mit anatomischen, physiologischen, pathologischen Tatsachen in nur erträgliche Übereinstimmung zu bringen. Selbst der Flourens’sche Lebensknoten, in dem Manche die letzte Rettung der Ansicht gesehen, hat nicht Stand gehalten, vielmehr die darauf bezüglichen Tatsachen sich in Widerspruch damit gestellt (Elem. d. Psychoph. II. 400 ff.); wogegen alle hieher gehörigen Tatsachen sich auf die natürlichste Weise der synechologischen Ansicht unterordnen. Hierüber mag man die sehr eingehenden Nachweise in meinen Elementen der Psychophysik II. 392 ff. vergleichen, und diesen wichtigsten Grund nicht deshalb gering achten, weil er hier am kürzesten behandelt ist; dort ist er am ausführlichsten behandelt.

    4. Die monadologische Ansicht gestattet prinzipiell der Psychophysik über ihren ersten Angriffspunkt hinaus (den sie in der sog. äußeren Psychophysik findet), keine weitere Entwickelung (zur inneren Psychophysik); wogegen die synechologische ihr prinzipiell eine mit der Naturwissenschaft in gewissem Sinne parallele, in anderem Sinne sie übersteigende, unbeschränkte Entwickelung gestattet. Denn nach der monadologischen Ansicht sind alle geistigen Vorgänge nur innere Vorgänge des Atoms ohne wesentlichen Bezug zu körperlichen Vorgängen, die in einem Atom nicht statt haben können; nur die erregenden körperlichen Anstöße an das Atom von Außen und Rückwirkungen nach Außen sind psychophysisch faßbar und verfolgbar. Hingegen nach der synechologischen Ansicht sind alle verschiedenartigen geistigen Vorgänge an üben so verschiedene körperliche Vorgänge (als einheitliche innere oder Selbsterscheinungen derselben) gebunden; selbst jede einfache Empfindung an einen zusammengesetzten körperlichen Prozeß, verschieden nach der verschiedenen Qualität der Empfindung, jede höhere, d. h. höhere Beziehungen einschließende, geistige Tätigkeit an einen körperlichen Prozeß, der höhere Verhältnisse einschließt, und selbst die höchste göttliche geistige Tätigkeit entzieht sich diesem Prinzip nicht, sofern sie mit der allgemeinsten und höchsten Ordnung der Weltverhältnisse solidarisch zusammenhängt.

    5. Die monadologische Ansicht muß den teleologischen, Kausal und Wirkungszusammenhang der Dinge so gut anerkennen, als die synechologische; aber sie kann ihn nicht als geistig durchdrungen fassen; denn ein geistiger Zusammenhang besteht nach ihr bloß für die inneren Erscheinungen jedes Atoms für sich, vermittelt durch die Einfachheit des Atoms; der Zusammenhang der Atome und hiernach Seelen unter einander hat hierzu kein commensurables Verhältnis, und entweder kein Prinzip oder ein dem vorigen ganz unadäquates Prinzip, da er nicht seinerseits an den Begriff der Einfachheit geknüpft werden kann. Wogegen sich nach der synechologischen Ansicht der Zusammenhang, der in der Körperwelt besteht, mit dem Zusammenhange, der im höchsten Geiste besteht, deckt.

    6. Während die synechologische Ansicht sich gar nicht anders abzuschließen vermag, als in der Idee eines allgegenwärtigen, allwissenden, allwaltenden, persönlichen, d.h. eine Bewußtseinseinheit in sich tragenden, Gottes mit den innerlichsten unmittelbarsten Bewußtseinsbeziehungen zu seinen Geschöpfen, vermag die monadologische in keiner Weise zu einer Vorstellung Gottes zu gelangen, welche nicht für das religiöse Bedürfnis eine Absurdität oder für das philosophische eine Inkonsequenz wäre. Denn entweder ist nach ihr auch Gott ein, in einem Punkt seiner Welt sitzendes, Atom unter anderen Atomen, dem man aber ganz wunderbare exceptionelle Kräfte zuschreiben muß, welche mit allen Kräften, die man sonst physischen Atomen zuschreibt, unvergleichbar sind, mittelst deren er von seinem punktförmigen Sitze aus die Welt beherrscht; oder er ist kein Atom, die geistige Einheit wird bei ihm nicht durch einen einfachen Punkt repräsentiert, warum aber dann bei anderen Geistern; oder der Gedanke Gottes wird in ein Glaubensgebiet verwiesen, welches sich mit unserem Wissensgebiete nicht berührt oder nicht verträgt, und dadurch die Lücke oder der Widerspruch zwischen Glauben und Wissen festgehalten, deren Beseitigung wir vielmehr von der Philosophie zu fordern hätten; oder er wird in mystisch-phantastische Unklarheit versenkt. Letzten Charakter scheint mir Leibniz’s göttliche Urmonas mit ihren Fulgurationen zu tragen, den vorletzten Weg betritt Herbart in seinem Abweis der Frage nach dem göttlichen Dasein von der Metaphysik. Lotze könnte ich nicht umhin, der Inkonsequenz zu zeihen, wenn wirklich seine unendliche Substanz den bewußten persönlichen Gott vorstellen sollte, und wo sonst denselben bei ihm finden.

    Drossbach in seiner freilich etwas kuriosen und daher hier nicht besonders berücksichtigten Atomistik ist doch zugleich aufrichtig und konsequent genug, um seine Ansicht über das Dasein Gottes so zu formulieren: "Die Existenz des atomistischen Gottes ist bewiesen, so wie die Existenz des Atoms überhaupt bewiesen ist. Diese ist aber eine durch Erfahrung wahrzunehmende Tatsache, folglich hat jene die Gewißheit einer Tatsache, denn Gott ist in seinem innersten Wesen ein Atom, ein Individuum, wie jedes andere." (Die Harmonie S. 182.)

    7. Die Rettung der Unsterblichkeit auf monadologischem Wege erscheint zwar sehr einfach, ist aber sehr illusorisch. Lotze selbst gibt zu (Mikrok. I. 425), dass eine Monade wenn auch nach ihrem Begriffe nicht zerfallen, doch vergehen könne; und werde immerhin ihre Unzerstörbarkeit postuliert oder durch Identifizierung mit dem physischen Atom für gesichert gehalten, so handelt es sich ja bei der Unsterblichkeitsfrage nicht um Fortbestand schlechthin, sondern bewußten Fortbestand. War die Monade vor der Geburt nicht bewußt, was verbürgt das Bewußtsein nach dem Tode bei Wegfall der Bedingungen, an die wir faktisch ihr Bewußtsein hier geknüpft finden, ohne das Prinzip eines Ersatzes dafür? Nicht dass nicht auch die synechologische Ansicht, wie jede Ansicht in diesen Dingen, ihre Schwierigkeiten hätte; doch scheinen sie mir nach den Ausführungen, die ich ihr an mehreren Orten auf Grund so mancher Analogien gegeben, geringer als bei jeder anderen Ansicht.

    8. Man kann ein Bedenken gegen die synechologische Ansicht aus dem Gesichtspunkt der Freiheitsfrage erheben, aber nur ein untriftiges. Die synechologische Ansicht behauptet nämlich nur das wesentliche Zusammengehör geistiger und körperlicher Vorgänge und Verhältnisse oder innerer und äußerer Erscheinlichkeit und Verhältnisse, ohne über Freiheit und Unfreiheit, sei es der einen oder anderen etwas auszusagen; nur dass, was von den einen angenommen wird, auf die zugehörigen anderen zu übertragen ist; wonach der Determinist wie Indeterminist die synechologische Ansicht im Sinne seiner Ansicht wenden kann, ohne dass ihre Gültigkeit von der Gültigkeit des Determinismus oder Indeterminismus abhängt. Besteht die indeterministische Ansicht, so wird sich die Exzeption von dem gesetzlichen Kausalzusammenhange, welche nach ihr den freien Willensäußerungen im geistigen Gebiete zukommt, auf die Tätigkeiten übertragen, welche denselben körperlicherseits, wie man sich ausdrückt, unterliegen; besteht die deterministische, so wird beiderseits keine Exzeption statt finden.

    Natürlich werden die indeterministisch freien Willensäußerungen, gibt es überhaupt solche, nicht aus der Einheit des Geistes erklärt werden können, wenn diese mit dem gesetzlichen Zusammenhange des unterliegenden körperlichen Systems selbst wesentlich zusammenhängt; aber sie sind überhaupt ihrer Natur nach unerklärbar, als Sache eines Prinzips anzusehen, was, mit dem Prinzipe der Einheit inkommensurabel, neue Anfänge in dem dadurch verknüpften Zusammenhange begründet, welche aber, einmal eingetreten, dann auch mit gesetzlichen Folgen daran Teil nehmen.

    Zum Schluß noch einige allgemeine Bemerkungen. Die synechologische Ansicht ist nur insofern an die atomistische gebunden, als für diese überhaupt bindende Gründe vorhanden sind. Es kommt aber der Unterschied der atomistischen und gegenteiligen Ansicht betreffs der allgemeinen Gesichtspunkte der synechologischen Ansicht so wenig in Betracht, dass ich bei allen meinen Darstellungen derselben in anderen Schriften auf die Frage nach der Statthaftigkeit von Atomen einzugehen gar nicht nötig gefunden habe; und hier keinen Anlaß gehabt hätte, auf die synechologische Ansicht überhaupt einzugehen, wenn nicht, um der monadologischen, die allerdings naheliegende Beziehungen zur Atomistik hat, und droht, derselben eine falsche Stellung anzuweisen, den Widerpart damit zu halten.

    Nichts übrigens hindert, die synechologische Ansicht bei weiterer Vertiefung in die idealistische aufzuheben, welche in den Zusatzkapiteln der vorigen Abteilung entwickelt ist. Wenn nach synechologischer Ansicht die Erscheinungen des Körpers und der Seele nur wie innere und äußere Erscheinungen desselben Wesens zusammenhängen, so mag der, dessen Vorstellung dieses Anhalts bedarf, immerhin als Wesen ein dunkles Ding hinter den Erscheinungen supponieren, auf das er dieselben bezieht oder wovon er sie abhängig macht, und die synechologische Ansicht wird sich aus gewissem Gesichtspunkte damit vertragen können. Meinerseits eliminiere ich, wenn es gilt, zur letzten Tiefe zu gehen, auf die es doch, wie schon früher erinnert, nicht überall gilt, zurückzugehen, diesen letzten dunklen Punkt des Systems, indem ich die Betrachtung in einer letzten Anstrengung zusammenfasse, und verstehe unter dem, den körperlichen und geistigen Erscheinungen gemeinsam unterliegenden, Grundwesen nichts als das gesetzliche Zusammengehör der Erscheinungen selbst, die alle in der Einheit eines alles Einzelbewußtsein einschließenden allgemeinen Bewußtseins ihren letzten Verknüpfungspunkt und Halt finden. Es entspricht nur eben dem Sprachgebrauche, das im Wesen verknüpft zu nennen, was so zusammengehört, dass nach Maßgabe als das eine besteht, auch das andere besteht.

    Jede Seele wird nur eines gewissen Kreises von Erscheinungen gewahr, das sind ihre Selbsterscheinungen, die unmittelbar durch die Einheit des Bewußtseins und (damit zusammengehörig) gesetzlich unter einander zusammenhängen, daher als Sache eines Wesens, der Seele gelten. Ein Teil des inneren Erscheinungsgebietes jeder Seele aber hängt nach Gesetzen, die zwischen den verschiedenen Seelen übergreifen, mit dem von anderen Seelen so zusammen, dass wir der Gesamtheit dieser Erscheinungen wieder ein gemeinsames Wesen, als Natur, unterlegen, und diese Erscheinungen als äußere bezeichnen, wenn schon es immer nur Erscheinungen sind, die in Seelen fallen. Der Teil dieses, den verschiedenen Seelen gemeinsamen, äußeren Erscheinungszusammenhanges, durch den wir den Körper einer Seele charakterisiert halten, hängt seinerseits so gesetzlich mit dem inneren Erscheinungsgebiete der betreffenden Seele zusammen, dass wir wiederum beiden ein gemeinsames Wesen unterlegen und sagen können, es erscheine nur nach Außen als Körper, was nach Innen als Seele. Jede Seele nimmt dabei ihren eigenen Körper durch das wahr, was von dem äußeren Erscheinungszusammenhange, durch den er charakterisiert wird, in sie selbst eintritt. Die Gesetzlichkeiten des inneren Erscheinungszusammenhanges der Seele und des äußeren Erscheinungszusammenhanges der Natur sind verschieden, ohne sich zu widersprechen, sofern sie verschiedenen Richtungen des Zusammenhanges angehören, die sich nur dadurch verknüpfen, dass jede Seele selbst mit ihren Wahrnehmungen von der Natur an dem äußeren Erscheinungszusammenhange Anteil hat, von wo aus der psychische Zusammenhang nach Innen, der physische nach Außen von jeder Seele aus zu verfolgen ist. Insofern nun beiden Erscheinungszusammenhängen, dem psychischen und physischen, eine verschiedene Art der Gesetzlichkeit unterliegt, können wir allerdings beiden auch verschiedene Wesen unterlegen. Sofern aber beide gesetzliche Zusammenhänge selbst nicht nur in jenem Verknüpfungspunkt der sinnlichen Wahrnehmung zusammentreffen, sondern ihrerseits gesetzlich (nach den Gesetzen der Beziehung von Leib und Seele) zusammenhängen, können wir auch beide Wesen in ein gemeinsames aufheben, und in diesem Sinne den Dualismus in eine Identitätsansicht aufheben, wie es in anderem Sinne von Spinoza und Schelling geschehen ist. Endlich aber ist die gesamte Gesetzlichkeit Sache des inneren Erscheinungsgebietes des allgemeinsten Geistes und hängt selbst untrennbar, also wesentlich, mit dessen Einheit zusammen, womit die Ansicht sich endlich als eine idealistisch pantheistische abschließt.

Einige Zusätze.

    Zu Kap. 4. Lorenz macht darauf aufmerksam, dass man ohne alle Hypothesen über die Natur der molekularen Grundkräfte einleuchtend finden müsse, dass die Dicke der Schichten eines periodisch heterogenen Körpers auf den Gang der Lichtstrahlen einen von den Wellenlängen abhängigen Einfluß haben müsse, und zeigt genauer, wie sich hiernach mit der Farbenzerstreuung zugleich zirkulare Polarisation und Doppelbrechung aus Gleichungen ableiten lassen, welche nur solche Größen berücksichtigen, die sich unmittelbar oder mittelbar wahrnehmen lassen. Wenn nun aber hierin noch kein Beweis liegt, dass die periodische Heterogeneität oder Schichtung als eine Schichtung aus Atomen gedacht werden müsse, so zeigt er aber weiter, dass die Gesetze, welche die Erfahrung für die Abhängigkeitsverhältnisse des Brechungsvermögens der Körper hat finden lassen, sich mit derselben Theorie nur unter der Voraussetzung in Übereinstimmung bringen lassen, "dass die Körper aus durchsichtigen Teilchen, Molekülen, bestehen, die durch Zwischenräume getrennt sind, deren Lichtgeschwindigkeit die des leeren Raumes ist. Diese Moleküle müssen ferner, so lange jene Gesetze gültig bleiben, unveränderlich sein, in der Weise, dass jede Veränderung des Körpers nur auf die Größe der Zwischenräume und die Anordnung der Moleküle selbst Einfluß haben." (Pogg. Ann. CXXI. S. 579. ff.)

    Zu Kap. 24. Al. Mitscherlich macht in seinem Schriftchen: Über die Spektren der Verbindungen und der einfachen Körper. Berlin 1864 S. 29, einige Tatsachen der Spektralanalyse für die Vermutung geltend, dass Jod, Brom, Selen, Tellur, Phosphor noch zusammengesetzte Körper sind.