Über die physikalische Atomenlehre.

I. Eingang.

    Die allgemeinsten Grundbegriffe, Prinzipien und Methoden der Mathematik und Naturwissenschaften fallen unstreitig mit in das Gebiet der Philosophie, wenn auch an eine andere Stelle und mit anderem Gewicht dort als hier, indem das Höchste und Letzte für jene nur etwas Untergeordnetes und Abgeleitetes für diese ist. Falls nun die Philosophie eine Ableitung dieser Fundamente der exakten Wissenschaften auf regressivem Wege aus diesen selbst verschmäht, vielmehr es zu ihren Aufgaben rechnet, aus allgemeinem Gesichtspunkte Fundamente von oben dafür zu legen oder die gerade herrschenden zu kontrollieren und zu meistern, werden die exakten Wissenschaften beanspruchen dürfen, dass ihnen diese Fundamente, wenn nicht schon in fruchtbarer Anwendung, aber mit der Möglichkeit dazu von der Philosophie übergeben, mindestens gelassen werden, und die Methoden der letzteren, das Wahre zu finden, nicht in Widerspruch treten noch zusammenhanglos bleiben mit denen, welche ihnen gestatten, das Wirkliche zu finden. Jede Erweiterung oder Verbesserung oder Erleichterung oder Vertiefung oder auch nur höhere Anknüpfung und Begründung von Methoden aber, die diesen Sinn haben, wird mit Dank von ihnen anzunehmen sein. Umgekehrt darf die Philosophie fordern, dass die Methoden und Schlüsse der exakten Wissenschaft nicht höheren ideellen und praktischen Interessen widerstreiten. Über diese allgemeinen Grundsätze dürfte an sich kein ernsthafter Streit bestehen, sondern nur über ihre Anwendung.

    Um eine solche aber handelt es sich bei dem Streit zwischen der dynamischen und atomistischen Ansicht von der Grundkonstitution der Körper. Der Physiker behauptet, die atomistische Ansicht für seine Zwecke zu brauchen, der gegnerische Philosoph verweigert ihm die Anerkenntnis dieser Notwendigkeit, und behauptet seinerseits die Unmöglichkeit, höhere allgemeinere Interessen mit der atomistischen Ansicht zu befriedigen. Was nun das Letzte anlangt, so ist es unstreitig dem Physiker nicht zu verargen, wenn er bei dem Streit der philosophischen Systeme, unter welchen manche durch Monaden und einfache reale Wesen dem Atomismus sogar auf geistigem Gebiete oder hinter den Vorhängen der Welt nahe genug kommen, sich auf letztere Behauptung nicht allein verläßt, sondern bei der ihm einleuchtenden Notwendigkeit des Gebrauches mindestens auf physischem Gebiete so lange beharrt, bis ihm der Gebrauch wirklich philosophischerseits entbehrlich gemacht worden ist, bis dahin aber auch in einer Ansicht, die ihn als Bindeglied von Realitäten zu Realitäten besser als jede andere führt, weniger als in jeder anderen ein leeres Ideenspiel zu sehen geneigt ist. Er möchte sonst so töricht zu nennen sein, wie der Hund der Fabel, der bei der Frage, ob das ideale Schatten- oder Spiegelbild im Flusse oder das feste Stück, was er im Munde hält, das wahre Fleisch, sich nicht an das halten wollte, was er eben hält und von dem er weiß, dass es ihn wirklich nährt.

    Es ist die Absicht des Folgenden, aus diesem Gesichtspunkte etwas näher darzulegen, was denn den Physiker nach dem jetzigen Standpunkte seiner Wissenschaft an die atomistische Ansicht teils bindet, teils abgesehen von den bindenden Gesichtspunkten sie ihm und, wie mich dünkt, Jedem, der nicht mit festen Voraussetzungen dem Zusammenhange und Kerne der Dinge nachspürt, annehmlich machen kann. Für die heutige Philosophie freilich ist, war jedenfalls noch vor Kurzem, die negative Ansicht, dass keine Atome seien, selbst die festeste Voraussetzung, so zu sagen der Hohlraum, um den sich ihre sonst nach allen Seiten divergierenden Wandungen noch zum Gewölbe einträchtig zusammenschlossen. Wer aber gesteht nicht, dass die heutige Philosophie am Abend ist und ein Morgen und einen Morgen verlangt; nun kann die Hoffnung nicht in dem liegen, was sie hat, sondern was sie verwirft. Sie verwirft aber mit so Manchem, woran ich Hoffnung knüpfen möchte, in der Atomistik etwas, was, wie ich zu zeigen denke, zum wesentlichen materialen und formalen Gefüge eben derjenigen Wissenschaft gehört, die heutzutage vor allen ihre Lebenskraft durch ihre Tatkraft, ihre Frische durch ihren Fortschritt, ihre Zukunft durch ihren wachsenden Erfolg beweist. Und so sehr ins Rohe und Grobe auch ihr atomistisch Wesen den hoch potenzierten Einheitsprinzipien der herrschenden Philosophie gegenüber erst entwickelt sein mag, so dürfte es damit sein wie mit dem tatkräftigen Germanentum, das, lange zurückgedämmt, doch endlich mit seinen rohen Horden in die alternde Weltherrschaft Roms einbrach, sie zerstörte, verjüngte, sich selbst aber damit zu höherer und allgemeinerer Bildung erhob.

    Gewiß ist die jetzige Auffassung und Behandlung der Atomistik durch die Naturwissenschaft, die ganze Entwickelung derselben, in vieler Beziehung erst eine rohe, doch scheint mir die jetzige Abweisung derselben durch die Philosophie und deren ganze Stellung zur Natur in jeder Beziehung noch roher. Denn sie steigt in die Natur von oben herab, wie der Bär in einen Bienenbau. Den zusammenhängenden Honig lobt er; dass aber die einzelnen kleinen Wesen ihn zusammengetragen und ein Recht daran haben, liegt ihm ferne, und indem er ihn mit einheitlichem Griffe faßt, meint er, das sei seine Zubereitung. Gegen die Bienen aber wütet er grimmig und wirft den ganzen Bau um. Wogegen sich die atomistische Naturwissenschaft wie der Zeidler verhält, der wohl weiß, der ganze einheitliche Bau ist ein Werk unzähliger Einzelnen unter der Herrschaft eines still führenden Gesetzes, der sie hegt, ihren Flug verfolgt, ihr Weben und ihre Waben zum Gegenstande seiner steten und aufmerksamen Betrachtung und Beobachtung macht. Nun wohlan, weder der Bär noch der Zeidler wird den Anderen zu seiner Behandlungsweise des Bienenvolks und Stocks bekehren, es gilt vielmehr einen Kampf auf Tod und Leben; und also meine ich auch nicht, mit Folgendem die jetzt herrschende Philosophie zur Pflege der Atomistik bekehren zu können; doch eben weil es den Kampf gilt, weil sich Naturwissenschaft und Naturphilosophie zu keiner Zeit gleichgültig gegeneinander verhalten können, sondern befehden müssen, wenn nicht befreunden können, dürfte es doch auch für den Philosophen nicht ohne Interesse sein, die Hauptgründe des atomistischen Standpunktes etwas genauer dargestellt zu finden, als es gemeinhin zu geschehen pflegt; denn um sie zu bestreiten oder nur zu beurteilen, gilt es jedenfalls erst, sie zu kennen. Ignorieren oder durch Schelten beseitigen läßt sich die Atomistik einmal nicht mehr. Sie ist eine faktische Macht geworden. Nun liegen zwar die allgemeinsten Gründe des Physikers für die Atomistik offen vor, doch gerade nicht die schärfsten. Gegen jene stehen leicht wieder Allgemeinheiten zu Gebote; diese dagegen fordern ihrerseits ein scharfes Eingehen heraus; obschon sie vielleicht nur dieselben Allgemeinheiten als Entgegnung finden werden, mit denen schon jenen begegnet wird.

    Auch sieht wohl Mancher dem Streite zu, der außerhalb desselben steht, und möchte sich doch ein Urteil über die Sachlage desselben bilden, die den ganzen Zusammenhang der Wissenschaft berührt, indem sie den Grundzusammenhang der Dinge betrifft. Oder vielmehr er hat es schon gebildet; aber woher? doch wohl nur nach den Darstellungen der Philosophen, welche die Atomistik abhandeln, als wäre sie heute noch die Atomistik des Leucipp, Demokrit und Epicur, oder auch abfertigen, ohne sie abzuhandeln, verketzern, ohne sie zu kennen und zu hören, als sei sie vielmehr eine Sache der Antiphilosophie als Philosophie; und freilich ist sie es, obwohl nur der heutigen Philosophie gegenüber. Wogegen die Physiker es sich von jeher viel mehr haben angelegen sein lassen, die Atomistik auszubeuten und auszuarbeiten, als vor der Menge auszubreiten und gegen Angriffe der Philosophen zu verteidigen, die ihnen doch im Grunde wenig auf sich zu haben schienen, da die philosophisch vernichtete Atomistik inzwischen ihre physikalischen Früchte zu tragen fortfuhr, und es selbstverständlich schien, dass ein Baum, der Früchte trägt, auch Wurzeln hat. So viel zugänglicher aber sind die philosophischen Verketzerungen dem großen Publikum gewesen, als die physikalischen Nutzungen, dass sich ein fast allgemeines Vorurteil gegen die Atomistik erhoben hat; ja dass Atomist und Atheist zu sein nun Vielen fast dasselbe scheint.

    Und so kann das Folgende auch vielleicht etwas beitragen, das allgemeine Urteil über die Atomistik in eine richtigere Bahn zu lenken, indem dadurch statt der Grundlagen, von denen aus die Gegner sie darstellen, nur um sie zu verwerfen, die Grundlagen, auf denen sie fest steht, zum Vorschein gebracht werden. Das sind die Grundlagen der Natur oder, was dasselbe ist, einer erfolgreich fortschreitenden und durch ihre Leistungen bewährten Naturwissenschaft. Eine ausführliche Darstellung der Atomistik selbst zwar wird man hier nicht finden, wohl aber der wichtigsten Punkte, welche bei ihrer Beurteilung für Den maßgebend sein können und sein müssen, welcher die Herrschaft der Begriffe nicht weiter reichen läßt, als sich das Faktische ihr fügt.

    Eine kurze Zusammenstellung dessen, was man als die Hauptsumme der physikalischen Atomistik nach den vorzüglichsten Vertretern derselben halten darf, und was hier stets gemeint ist, wenn ich von Atomistik spreche, ist im 12. Kapitel gegeben; zunächst jedoch kommt es nur darauf an, das Haupt- und Grundmoment derselben, die Diskontinuität der Materie, überhaupt ins Auge zu fassen. Mit ihr hängen alle übrigen Punkte solidarisch aufs genaueste zusammen.

    Wir werden, kurz gesagt, zu zeigen suchen, dass die Atomistik richtig ist, weil sie für die Wissenschaft des Faktischen notwendig ist, und nur das faktisch Richtige kann für die Wissenschaft des Faktischen notwendig sein; wir werden als ein Übriges zu zeigen suchen, dass die atomistische Ansicht der Dinge auch erbaulicher und schöner ist, als die dynamische, wenn man nur aufhört, sie in dem verzerrenden Spiegel zu betrachten, in dem der Philosoph ihr Bild uns zeigt, und seine fabelhaften Schilderungen von ihr zu glauben. Ich bringe dafür eine Fabel, die besser trifft. Die Atomistik, sage ich, ist die arme Aschenbrödel, verhöhnt, gescholten von ihren sich schöner und weiser dünkenden, und darum unter einander selber zankenden Schwestern, die sie hätten hegen und erziehen sollen; aber nachdem sie lange der Welt weiss gemacht, das Kind sei nur gut, in der Asche zu wühlen, nachdem es lange selber seinen Platz nicht anders gesucht, geschafft, gewirkt, indes sich jene vor dem Spiegel putzten, zeigt sich endlich, wenn es zum Treffen und zum Tanze kommt, sie ist nicht nur die beste, sondern auch die schönste. Was ich hier sage, denk’ ich zu beweisen, nicht indem ich Gesicht und Gang derselben preise, sondern einfach zeige. Denn mehr bedarf es nichts.

    Wenn ich bisher und im Folgenden Philosophen und Physiker schlechthin einander und hiermit mich selbst den ersten gegenüberstelle, zu denen ich mich wohl ein anderes Mal selbst rechnen mag, so geschieht es, indem ich auf die respektiven Hauptrichtungen derselben Bezug nehme. Zur Zeit der ersten Abfassung dieser Schrift war die Feindseligkeit der Philosophen gegen die Atomistik so allgemein, dass ich die Ausdrücke Philosophen und Gegner der Atomistik als fast gleichbedeutend brauchen konnte. Dies hat sich nun wohl seitdem etwas geändert, und mehr und mehr häufen sich die Zeichen eines fortwährenden Umschlages in dieser Richtung. Doch wird die Gegnerschaft gegen die Atomistik noch von vielen, ja wohl der Mehrzahl der Philosophen hartnäckig festgehalten, und namentlich die Prinzipien, aus denen sie früher bekämpft wurde, bei allen abgedrungenen und partiellen Konzessionen, die man, nicht ohne Reservationen und Protestationen, der Atomistik philosophischerseits hier und da zu machen anfängt, noch so allgemein festgehalten, dass ich wohl einigen Anlaß finde, die Allgemeinheit der Opposition, kaum aber den allgemeinen Gesichtspunkt derselben dagegen zu ändern.

    Dieser Einstimmigkeit der Philosophen gegenüber muß ich zugestehen, dass die Physiker nicht von jeher die Atomistik mit gleicher Einstimmigkeit und Entschiedenheit behauptet, als die Philosophen sie verworfen haben. Vielmehr haben gar Manche, im Anschluß an die Philosophen, ihr sogar direkt widersprochen, noch mehrere sie dahingestellt oder, gleich den Philosophen, nur für eine bequeme Vorstellungs- und Rechnungshilfe erklärt, und noch heute gibt es wohl einige, die diesen Standpunkt einnehmen. Kein Wunder, wenn die Philosophen nicht verfehlt haben, dies gegen die in dieser Schrift behauptete Notwendigkeit der Atomistik für den Physiker geltend zu machen. Nun wird sich besser über diese Notwendigkeit sprechen lassen (Kap. 8), wenn sie im Verlaufe der Schrift sich erst bewiesen haben wird; doch dürfte es nützlich sein, einige Worte darüber vorweg zu sagen.

    Zuvörderst wird der Vorteil, in welchem sich die Philosophen in angegebener Hinsicht den Physikern, welche der Atomistik anhängen, gegenüber zu befinden scheinen, dadurch mehr als kompensiert, dass diese die Atomistik aus viel einstimmigeren Gesichtspunkten fordern, als jene sie verwerfen. Denn sehen wir ab von ganz allgemeinen formalen Gesichtspunkten des Widerspruches, worin ich eine gewisse Einstimmung der herrschenden Philosophie (mit Ausschluß freilich Herbart’s und seiner Schule, die doch auch gezählt sein will) nicht leugne, handelt es sich um wirkliches Eingehen auf die Sache, so kann es unstreitig nur die Ableitung, Stellung, Beziehung der Begriffe von Raum, Kraft, Materie sein, worauf sich die Verwerfung stützt. Hierüber aber herrscht bei aller Gemeinsamkeit des Gegensatzes gegen die physikalische Fassung doch nicht die geringste Einstimmung unter den Philosophen selbst, vielleicht, wie wenigstens der Atomistiker glauben kann, eben deshalb, weil die einstimmige Ablehnung der Atomistik eine Einstimmung in dieser Beziehung unmöglich macht; denn wie zu demselben Zentrum der Einigung von allen Seiten Wege führen, so auch von ihm nach allen Seiten hinweg, danach nicht gehen wollen, heißt divergieren. Man sucht nun doch sonst keine Bewährung eines Resultats darin, dass Andere dasselbe Resultat mittelst Rechnungen finden, die man selbst für falsch erklärt; so aber steht es mit dem Resultat der Philosophen, dass der Raum kontinuierlich voll sei.

    So weit nun aber eine Diskordanz der Physiker in Sachen der Atomistik bestanden hat und etwa noch besteht, erklärt sie sich, gewiß nicht zu Ungunsten der Atomistik, leicht wie folgt:

    Es ist ja zuzugestehen, dass der Atomismus nichts ist, was unmittelbar in die Erfahrung fällt. Ja Philosophen und Physiker scheinen in Bezug darauf geradezu die Rolle zu wechseln, indem die Physiker, die sich doch sonst so gern an den Augenschein halten, hier etwas wider allen Augenschein annehmen, die Philosophen dagegen den Augenschein, an dem sie sonst nicht hängen, hartnäckig verteidigen und wohl gar, was Verwunderung erregen könnte, als Argument gegen den Physiker benutzen. Aber unstreitig würden die Physiker, eben wegen jener Tendenz, im Augenscheinlichen und Handgreiflichen zu verharren, dem Augenschein nicht ohne tiefer liegende Gründe widersprechen; dass sie es aber auch sonst mit Erfolg tun können, beweist das Kopernikanische Weltsystem und die Undulationstheorie des Lichts; Inzwischen besteht jene Tendenz immerhin und die Abneigung vieler Physiker, ohne geradezu zwingende Motive über den Augenschein hinauszugehen, der die Basis aller physikalischen Untersuchungen bildet, ist groß genug, um dadurch den Philosophen oft Waffen des Tadels gegen sie in die Hand zu geben, die natürlich von der Philosophie in diesem Falle nicht in entgegengesetztem Sinne gewandt werden sollten, wie es doch geschieht, da sie verlangt, dieselben sollen mit geistigem Auge nicht weiter als mit leiblichem sehen. Nun liegen zwar die zur Atomistik einladenden allgemeinen Motive allen Physikern offen vor, vermögen aber bei vielen jenen an sich so heilsamen Widerstand, der in der Natur des Physikers tief wurzelt, nicht zu brechen, kommen auch wohl mit Einflüssen der herrschenden Philosophie in Konflikt, denen sich ja auch der Physiker nicht entziehen kann, noch weniger entziehen möchte, wenn er sie nur förderlicher spürte, und mit dem Verruf, in den die Atomistik durch die Philosophen gebracht worden ist. Dagegen liegen die den exakten Physiker zwingenden Motive freilich nicht so ganz offen vor; und hierüber ist des Nähern Folgendes zu sagen.

    Ich brauche ein erläuterndes Bild. Ein Wald erscheint von fern als eine gleichförmige Masse. Gesetzt, man sehe einen solchen, ohne zu wissen, was es ist, und suche aus der Weise seiner Erscheinung seine eigentliche Beschaffenheit erst zu erkennen. Nun macht sich zwar die Totalwirkung der Stämme und Blätter in sehr augenfälligen Erscheinungen, als Farbe, Wogen im Winde, Rauschen, geltend; aber es ist ziemlich gleichgültig für die Deutung dieser Erscheinungen, ob man den Wald als ein Continuum ansehen will oder nicht; oder vielmehr, da er als ein Continuum wirklich erscheint, ist die Ansicht, dass er ein solches ist, in offenbarem Vorteil. Gesetzt auch, man bemerkte eine Andeutung der einzelnen Stämme in einem streifigen Wesen, man sähe Tiere in den Wald eindringen und verschwinden, so wäre das eben auch nicht anders, als wenn man die Blätterdurchgänge der Kristalle wahrnimmt und Körper in Flüssigkeiten durch Auflösung verschwinden sieht; man ist deshalb noch nicht genötigt, anzunehmen, dass die Andeutung der Trennung bei näherem Zusehen zu einer wirklichen Trennung werde und Eins nur zwischen, statt in das andere eindringt; also auch nicht genötigt, den Glauben an den Augenschein aufzugeben, welcher den Wald wie den Kristall und die Flüssigkeit unmittelbar doch noch als ein Continuum erscheinen läßt, und vor Allen würde der Physiker sich davor hüten. Nun aber könnte der Physiker es durch feine Beobachtungsmittel vielleicht dahin bringen, die Pulse, welche durch den Schlag der diskontinuierlichen Blätter in der Luft entstehen, die Wellenzüge, welche sich dadurch bilden, dass die Luft zwischen den diskontinuierlichen Stämmen hinstreicht, zu unterscheiden, und zur Erklärung derselben genötigt sein, die kontinuierlich erscheinende grüne Laubmasse in einzelne zitternde Teile, die Holzmasse in einzelne Stämme wirklich aufzulösen. Diese feine Untersuchung könnte ein ganz bindendes Resultat geben, aber doch nicht Jedermanns Sache sein, und Viele, die sich mit diesem Gebiet feiner Untersuchungen nicht beschäftigen, ihnen vielleicht nicht einmal folgen können, es doch einfacher und natürlicher finden, beim unmittelbaren Augenschein stehen zu bleiben, welcher der Erklärung sonst so gut genügte. So ungefähr ist es mit der Atomistik.

    In der Tat, bis zu gewissen Grenzen macht sich der Unterschied der atomistischen und der gegenteiligen Ansicht bei Behandlung physikalischer Probleme nicht oder doch nicht entscheidend geltend. Die Berechnung der Anziehung zweier entfernten Körpermassen zu einander durch Summation der Wirkungen ihrer kleinsten Teilchen gibt dasselbe Resultat, ob man die Wirkungen auf kontinuierliche oder diskontinuierliche Teilchen beziehen will; ja man erspart sich erstenfalls eine Zwischenbetrachtung, welche im zweiten Fall nötig ist, um die Anwendung der Integrationsmethode zu rechtfertigen. Von einem den Physiker oder Mathematiker verlockenden äußerlichen Vorteile zu Gunsten der Atomistik kann also hierbei nicht die Rede sein; denn er kommt am liebsten auf kürzestem Wege zum Ziele. Auch die meisten Probleme, wobei es sich um Fortpflanzung von Wasser-, Luft-, Lichtwellen handelt, lassen sich bis zu gewissen Grenzen, freilich nur bis zu solchen, nach beiden Ansichten gleich gut behandeln. Bei allen Erscheinungen überhaupt, wo die Teilchen in Masse, d. h. viele Teilchen in Verbindung wirken, hängt so zu sagen auch das Massenhafte, das Gröbere der Erscheinungen von dem Kraftzusammenhange und den summierten Wirkungen der Teilchen überhaupt in einer Weise ab, welche keine Entscheidung zwischen beiden Ansichten zuläßt. Aber in dem Feineren, den speziellen Bestimmungen der Erscheinungen kann sich nicht nur ein Unterschied geltend machen, sondern muß sich auch geltend machen, hier nur kann er auch gesucht und von hier aus nur eine sichere, d. i. mathematische, Entscheidung zwischen beiden Ansichten gefunden werden, so fern sie überhaupt in Einzelgebieten gesucht wird. Eine andere Entscheidung gründet sich noch außerdem auf das Bedürfnis der Verknüpfung von Erscheinungen verschiedener Gebiete. Hierauf aber komme ich im folgenden Kapitel und werde noch oft zurückzukommen Anlaß haben.

    Nun sind jene Gebiete feinster zugleich und schwierigster Untersuchungen größtenteils erst in neueren Zeiten erschlossen, und auch jetzt noch sind es nicht zu viele Physiker, namentlich aber Chemiker, die sich in dieselben vertiefen, ja vielleicht nicht gar zu viele, die sich vom Gange derselben vollständig Rechenschaft geben. Für diese wie für die reinen Spezialisten, deren es zu aller Zeit und in jeder Wissenschaft gibt, fehlen dann auch die wichtigsten Motive, die den exakten Physiker zum Atomismus drängen. Hingegen haben alle, die sich auf derartige Untersuchungen eingelassen, wo die Atomistik Lebensfrage wird, einstimmig derselben gehuldigt; wonach es nichts auf sich hat, wenn unter den übrigen einer oder der andere den Einfluß einer früheren Richtung der Naturphilosophie noch nicht so weit hat überwinden können, um die Opposition gegen die Atomistik aufzugeben, oder in einer Spezialität so stecken geblieben ist, um die darüber hinausreichenden Gründe für die Atomistik nicht zu kennen oder sich nicht darum zu kümmern. Gibt es noch einzelne solcher Ausnahmen, so sind sie doch schon im Aussterben begriffen; denn die ganze Luft der Physik und Chemie ist atomistisch geworden, so dass, wer überhaupt darin leben will, darin atmen muß; ja selbst die Philosophen fangen an, dies Atembedürfnis zu fühlen. Nur das Urteil Sachverständiger und das Definitivurteil der Geschichte aber können maßgebend sein.

    Unter den jetzt lebenden Physikern und Chemikern, die als solche wirklich zählen, ist mir überhaupt kein erklärter Gegner der Atomistik bekannt, als etwa Faraday (nach Philos. mag. 1844, Febr.) und Schönbein, beides hochverdiente Forscher, doch beide noch von der alten Schule und mathematischer Betrachtungsweisen nicht eben mächtig, der letztere dazu ziemlich in Spezialitäten vertieft. Ich schließe wenigstens aus einer Äußerung des letzteren über die Erklärung der allotropen Zustände (s. Kap. 7, Nr. l), dass er die Atomistik ablehnt. Auch Snell, Professor der Physik in Jena, kann als Gegner der Atomistik genannt werden, ist aber vielmehr mit mathematischen und naturphilosophischen als physikalischen Betrachtungen und Untersuchungen beschäftigt. Mehr Gegner unter den jetzt lebenden Physikern und Chemikern habe ich nicht zusammenzufinden vermocht; auch konnten weder Prof. Hankel noch Prof. Erdmann, die ich darum befragte, mir solche nennen; doch mag es vielleicht noch einen oder den anderen geben. Vor noch nicht zu langer Zeit freilich war dies, mindestens in Deutschland, anders; es war aber eine Zeit, wo die exakte Naturwissenschaft in Deutschland ganz von der Schellingischen Naturphilosophie überwuchert war und keine erheblichen Leistungen hervorbrachte. Unter den erst in den letzten Jahrzehnten verstorbenen Mineralogen fallen mir K. I. B. Karsten und Ch. S. Weiss (früher als Professor der Physik in Leipzig) als entschiedene Gegner der Atomistik ein. Des ersteren "Philosophie der Chemie, 1843", so wie Geubel "Grundzüge einer spekulativen Einleitung zur Chemie, 1843" und Leo Meier "Die Nichtigkeit der atomistischen Lehren, 1851", werden in Fichte’s Philosophischer Zeitschrift (B. 57, S. 292) als Schriften zitiert, worin die "Nichtigkeit der Atomistik" evident dargetan sei".

    Wohl noch öfter als Philosophen nenne ich die Gegner der Atomistik Dynamiker schlechthin, eine Identifizierung im Ausdrucke, die aber auch nur eingeschränkt zu verstehen ist. Setzt man im Sinne eines engeren Wortgebrauches das Wesen der dynamischen Naturansicht in die Zurückführung des Materiebegriffes auf den Kraftbegriff, näher darein, dass die Materie den Raum durch ihre Kraft, nicht ihr bloßes Dasein erfülle, so kann es recht wohl Dynamiker geben, die zugleich Atomistiker sind, denn warum könnte nicht auch ein Atom den Raum durch seine Kraft erfüllend gedacht werden, wie es andererseits Solche geben kann, welche der Zurückführung der Materie auf Kraft entgegentreten, ohne Atomistiker zu sein. Doch ist die Gegnerschaft gegen die atomistische Ansicht hauptsächlich von der dynamischen Ansicht ausgegangen; die Frage nach der Gültigkeit der einen und anderen wird, wenn schon nicht triftig, doch gewöhnlich solidarisch betrachtet und behandelt, und jedenfalls fallen die Gegner der Atomistik größtenteils mit Dynamikern zusammen. So mochte es im Interesse der Kürze wohl gestattet sein, den einen Ausdruck geradezu für den anderen zu setzen.

    Inzwischen hat dies zur Folge gehabt, dass man dieser Schrift von mehr als einer Seite vorgeworfen, sie verfehle in ihrer Bestreitung der dynamischen Ansicht den Hauptpunkt, auf den es dem Dynamiker ankomme, welcher ja willig die Poren in der Eierschale und dem Holze zugebe. Aber sie verfehlt den Hauptpunkt, auf den es ihm ankommen mag, eben deshalb nicht, weil sie ausgesprochenermaßen nicht dagegen gerichtet ist. Dass der Dynamiker schließlich die Materie auf Kräfte seiner Art zurückführt, hat für den Physiker kein Interesse zu bestreiten, weil diese Kräfte mit seinen Kräften nichts zu schaffen haben, jene Zurückführung die Physik nicht berührt. Ich zeige das in einem besonderen Kapitel (Kap. 16). Wohl aber hat es für ihn ein Interesse, räumlich diskrete Zentra der Kräfte, um die sich’s in der Physik handelt, die nicht mit diesen Kräften selbst verfließen, zu behaupten; und hätte es für den Dynamiker kein Interesse sie in Kristallen, Wasser, Luft, Äther zu leugnen – denn darum, nicht um Poren in Eierschale und Holz handelt es sich bei der Atomenfrage – so sollte er sie auch nicht leugnen, wie es so allgemein geschieht. In sofern es aber geschieht, ist diese Schrift wesentlich dagegen gerichtet; nur beiläufig gegen die Unklarheit des dynamischen Kraftbegriffes, mit der jene Leugnung freilich schließlich doch zusammenhängt.

    Unstreitig liegt hier überhaupt ein Kreis zusammenhängender Fragen vor, die es schwer, ja in gewissem Sinne unmöglich ist, ganz getrennt zu halten, wie wir denn vor dem eigentlichen Angriff der Atomenfrage der Vorbetrachtung einer damit zusammenhängenden Frage (über die Imponderabilien) bedürfen werden. Im Grunde hängt die Betrachtung des gesamten Kreises der Naturdinge eben so wie dieser selbst zusammen, und kann man in dieser Hinsicht zwei allgemeine Ansichten als dynamische und mechanische im weiteren Sinne unterscheiden, deren eine sich absteigend vom Apriorismus der neueren Philosophie, die andere aufsteigend von Verallgemeinerungen der empirischen Naturwissenschaft her entwickelt hat, und deren jede sich über das gesamte Gebiet, die gesamten Verhältnisse der Natur im Zusammenhange erstreckt. Man weiß, wie sehr sie nach wichtigsten formellen und sachlichen Beziehungen in Streit liegen; die Atomistik ist nur einer der Punkte, um die sie streiten. Mit Fleiß aber sondere ich sie, so weit es immer möglich, aus dem Gesamtzusammenhange als besonderen Streitpunkt aus, indem ich meine, der Streit zwischen allgemeinen Ansichten wird sich überhaupt weniger leicht durch allgemeine Gründe entscheiden, als dadurch, dass sie sich mit ihren Hauptseiten besonders messen. So haben sich zwei kämpfende Stiere so lange nichts an, als sie mit vollen Stirnen gegen einander rennen; wenn aber einer von beiden nur mit einem Horne die rechte Wunde in des anderen Seite bohrt, siegt er ganz. Als ein solches Horn der mechanischen Ansicht kehre ich hier die Atomistik gegen die dynamische Ansicht, die mechanische Ansicht doch nur so weit vertretend, als sie in jenem weiteren Sinne recht verstanden und recht ausgebildet wird.



XXVIII
XXVIII. Über den psychischen Wert der einfachen Atome.

Monadologische und synechologische Ansicht.

    Wir haben im 26. Kapitel gesehen, dass verschiedene Philosophen, Leibniz, Herbart, Lotze, Anlaß gefunden haben, die Seelen der Menschen und Tiere als einfache Wesen, sog. Monaden1), mit den letzten Elementen der Körperwelt und umgekehrt diese mit Seelen zu identifizieren, wenn schon unter den Genannten bloß Lotze die Körperelemente mit uns für räumlich diskret in physischem Sinne erklärt und hiermit die Monaden zugleich als einfache Atome in physischem Sinne betrachtet, indes die anderen bloß eine metaphysische Scheide zwischen ihre einfachen Wesen setzen. Da indes der Unterschied, ob man die letzten als einfach angesehenen Elemente der realen Welt physisch kontinuierlich oder diskontinuierlich nehmen will, für unsere jetzige Betrachtung nicht wesentlich ist, so nennen wir sie ohne Rücksicht darauf der Kürze halber hier überall Atome.

            1) Herbart jedoch bedient sich des Ausdrucks Monaden nicht.

    Nun wird den Atomen damit, dass man sie mit Seelen identifiziert, noch keineswegs allgemein ein gleiches Bewußtsein wie unseren Seelen beigelegt,2) sei es, dass die Atome unseres Körpers und der körperlichen Außenwelt ihrer Natur nach nicht fähig sind, zu gleichem Bewußtsein zu erwachen, sei es, dass sie nur die günstigen Entwickelungsbedingungen dazu erwarten, sei es endlich, dass sie wirklich irgendwie bewußt sind, ohne dass wir darum wissen, weil wir in ihre inneren Zustande nicht eindringen können. Genug, dass Seelen und einfache Körperatome wesentlich gleichartiger Natur sind, und, während sie jede für sich, in so weit sie bewußt sind, innerlich die Seelenerscheinungen produzieren, zugleich durch ihre Zusammensetzung die äußeren Erscheinungen des Körpers geben. Hierin stimmen Leibniz, Herbart, Lotze bei übrigens stattfindender wesentlicher Verschiedenheit ihrer Grundansicht überein; und indem wir ihre Ansicht hier nur nach diesem Gesichtspunkt der Übereinstimmung ins Auge fassen, begreifen wir sie gemeinsam unter dem Namen der monadologischen Ansicht von Leib und Seele. Am ansprechendsten dürfte man dieselbe von Lotze in s. Mikrokosmos Th. I. S. 374 ff. dargestellt finden.

2) Wonach Leibniz den Namen Seele auch nicht allen im eigentlichen Sinne beigelegt wissen will. Er sagt darüber (in der S. 224 angeführten Abhandlung §. 19, 20,21). 19. "Quodsi animam appellare libet, quicquid perceptionem et appetitum habet in sensu generali, quem modo explicavimus, omnes substantiae simplices aut monades creatae appellari possunt animae. Enim vero cum apperceptio aliquid amplius importet, quam simplicem quandam perceptionem, consultius est ut nomen generale monadum et entelechiarum sufficiat substantiis simplicibus, qui simplici perceptione gaudent, et animae appellentur tantummodo istae, quarum perceptio est magis distincta et cum memoria conjuncta." §. 20. "In nobis enim ipsis experimur statum quendam, in quo nihil recordamur, nec ullam perccptionem distinctam habemus, veluti cum deliquio animi laboramus, aut quando somno profundo absque insomnio oppressi sumus. In hoc statu anima quoad sensum non differt a simplici monade. Sed cum status iste non perduret, aliquid amplius sit, necesse est." – 21. "Atque inde non sequitur, quod tunc su t antia simplex careat omni perceptione" etc.
 
 
    Unstreitig muß es wichtige Gründe für die monadologische Ansicht geben, da Philosophen von so anerkannter Geltung, bei Ausgang von so ganz verschiedenen Grundstandpunkten und so verschiedener Grundrichtung, übereinstimmend dazu geführt worden sind. Es fragt sich, welches sind die Gründe für diese Ansicht und was ist davon zu halten.

    Da es in dieser Schrift um die einfache Atomistik wesentlich nur als Abschluß der physikalischen Atomistik zu tun war, könnte die Frage hier dahingestellt bleiben. Indem aber jeder richtige Abschluß eines Gebietes zugleich die Möglichkeit des Anschlusses an andere enthalten soll, mag ich sie doch auch nicht ganz beiseite lassen, und meine mit Folgendem das Wesentlichste dessen, was hierbei in Rücksicht kommt, zwar nicht erschöpft, doch berührt zu haben.

    Abstrahiere ich von den tiefer liegenden metaphysischen Gründen (im Sinne der gewöhnlichen Auffassung der Metaphysik), welche jeden der genannten Philosophen zur monadologischen Ansicht vielleicht weniger geführt haben als von denselben zu ihrer Begründung vorgeführt worden sind und in den allgemeinen Streit der philosophischen Systeme verwickelt sind, so liegen folgende Gründe mit Klarheit vor, welche der monadologischen Ansicht, unangesehen besonderer Fassungen derselben, zu Statten kommen oder zu Statten zu kommen scheinen.

    Von jeher hat man psychologischerseits teils durch Achten auf die identische Einheit des Bewußtseins, teils das Bedürfnis, die ewige Fortdauer der Seele zu sichern, Anlaß gefunden, den Seelen eine einfache Natur zuzuschreiben, zugleich physikalischerseits sich zur Annahme einfacher Zentralpunkte körperlichen Wirkens gedrängt gefunden, gleichgültig jetzt, ob sie als physisch diskret anzunehmen sind oder nicht; man muß doch jedenfalls (im Sinne der hergebrachten Auffassung der Kraft) die physische Kraft von Punkten ausgehend denken. Nichts kann natürlicher und angemessener erscheinen, um Leib und Seele nicht dualistisch auseinanderfallen zu lassen, als beide Einfachheiten in einer identischen Substanz zusammenfallen zu lassen, somit die Seelen selbst mit einfachen Zentralpunkten körperlichen Wirkens, in unserem jetzigen Wortsinn mit Atomen, zusammenfallen zu lassen. Die psychische Einfachheit der Seele wird dabei physisch durch die Einfachheit des Atoms repräsentiert und das physische Atom erhält durch seinen psychischen Gehalt eine Bestimmtheit, wodurch es der Gefahr, mit einem punktförmigen Nichts verwechselt zu werden, entschiedener als auf jede andere Weise enthoben wird.

    Wir können nicht umhin, die Seele räumlich zu lokalisieren; denn Jeder wird doch seine Seele vielmehr in seinem als eines Anderen Körper sitzend denken müssen. Diese Lokalisation aber kann nach der zentralen Bedeutung der Seele für den Körper, d. i. der einheitlichen Verknüpfung seiner mannigfachen Beziehungen in ihr, der einheitlichen Beherrschung aller Tätigkeiten des Körpers durch sie, nicht wohl anders als in einem unteilbaren Punkte gedacht werden; und dass man so viele Teile des Körpers wegschneiden oder zerstören kann, ohne das Leben und die Integrität der Seele wesentlich zu gefährden, spricht selbst erfahrungsmäßig dafür; denn man braucht mit dieser Approximation nur bis zur denkbaren Grenze zu gehen, um zum einfachen Seelensitze im Körper zu gelangen.

    Die so unverbrüchliche Scheidung der Individualitäten und Unmöglichkeit des wechselseitigen Eindringens einer Seele in die inneren Zustände der anderen, die unveränderliche Forterhaltung der Identität des Ich bei allem Wechsel leiblicher Zustände, endlich die Unsterblichkeit der Seele, finden durch die metaphysische (Leibniz, Herbart) oder physische (Lotze) Trennung der einfachen Wesen und ihre unzerstörbar einfache Natur ihre einfache Erklärung und beste Sicherstellung. Der begrifflich nie zu vermittelnde Dualismus zwischen Seele und Körper wird durch die Identifizierung des Körpers mit einer Vereinigung einfacher, der Seele wesentlich gleichartiger, Wesen beseitigt und die so schwierige Vorstellung, wie Seele und Körper als wesentlich ganz heterogene Substanzen auf einander wirken können, durch die wesentliche Gleichartigkeit derselben mindestens sehr erleichtert, wenn nicht gar (im Sinne von Leibniz prästabilierter Harmonie) gehoben. Die ganze Körperwelt erscheint damit vergeistigt, in einem höheren Lichte;3) der Materialismus ist damit einfach abgeworfen, und für einen vagen Idealismus eine physikalisch und psychologisch in Zusammenhang fundierte Weltansicht begründet.

3) Wenigstens nach Leibniz und Lotze, während Herbart’s einfache Wesen allerdings an sich keinen geistigen Charakter hegen.
 
 
    Von den reichen Entwichelungen Lotze’s hier nur ein paar Sätze:

    "Die unteilbare Einheit jedes der einfachen Wesen gestattet uns, in ihm eine Zusammenfassung der äußeren Eindrücke, die ihm zukommen, zu Formen der Empfindung und des Genusses anzunehmen." (Mikrok. I. S. 392.)

    "Nicht auf den Körper, sofern er Materie ist, wirkt die Seele, sondern sie wirkt auf die mit ihr vergleichbaren übersinnlichen Wesen, die nur durch eine bestimmte Form ihrer Verknüpfung uns den Anschein der ausgedehnten Materie gewähren; nicht als Stoff und nicht mit Werkzeugen des Stoffes übt der Körper seinen Einfluß auf den Geist, sondern alle Anziehung und Abstoßung, aller Druck und Stoß, sind selbst in jener Natur, die uns aller Beseelung ledig scheint, selbst wo sie von Stoff zu Stoff wirken, nur der erscheinende Ausdruck einer geistigen Wechselwirkung, in der allein Leben und Tätigkeit ist." (Mikrok. I. S. 397.)

    Unstreitig wichtige Gründe, die der monadologischen Ansicht das Wort reden. Und um so ansprechender kann sie erscheinen, wenn sie einen so beredten und scharfsinnigen Verteidiger wie Lotze findet. Dennoch vertrete ich ihr gegenüber mit voller Überzeugung eine andere Ansicht, ich will sie kurz die synechologische nennen, welche zwar auch eine psychische Bedeutung der einfachen Atome bestehen läßt, doch in ganz anderem Sinne, so nämlich, dass sie nicht als selbständige Seelen, sondern als letzte Elemente eines Systems auftreten, was in äußerer Erscheinung den Körper, in innerer Erscheinung (Selbsterscheinung) die bewußte Seele gibt. Nachdem ich nun die Gründe für die erste so wirksam als es mir selbst in Kürze möglich war, dargelegt, werde ich dasselbe mit den Gründen für die zweite zu tun, zuvor jedoch an einige Hauptzüge derselben zu erinnern haben, soweit es nämlich zur Klarstellung ihres Verhältnisses zur monadologischen Ansicht nötig ist. Über ihre Ausführung und allgemeinere Verwertung verweise ich auf meine früheren Darstellungen, namentlich: Elemente der Psychophysik. Th.I. S.l ff. II. S. 381 ff. 526 ff. Über die Seelenfrage S. 198 ff. und Zend-Avesta II. S. 212ff.

    Die synechologische Ansicht stimmt mit der monadologischen darin überein, dass sie der Köperwelt und Seelenwelt dieselben einfachen, streng (sei es physisch oder metaphysisch) geschiedenen Wesen, Atome, unterlegt, und dass sie eben so den Körper für ein System ansieht, was nach Seiten seiner inneren Erscheinlichkeit wesentlich psychischer Natur, nur nach Seiten seiner äußeren Erscheinlichkeit sich als Körper darstellt4), womit sie auch in denselben Gegensatz als die monadologische zur dualistischen, materialistischen und den meisten Wendungen der idealistischen Ansicht tritt. Sie unterscheidet sich aber darin wesentlich von der monadologischen Ansicht, dass sie, anstatt die psychische Einheit an die einzelnen Atome zu knüpfen und mithin eben so viel (bewußte oder unbewußte) Seelen in der Welt zu sehen, als metaphysisch oder physisch diskrete einfache Körper-Atome vorhanden sind, vielmehr die psychische Einheit in höchster und letzter Instanz an den gesetzlichen Zusammenhang des Gesamtsystems der Weltatome knüpft (Gott), untergeordnete psychische Einheiten (Seelen der Menschen und Tiere) aber an untergeordnete Teilsysteme dieses ganzen Systems, womit eine total andere Auffassung der Beziehung von Leib und Seele und andere Weltauffassung überhaupt entsteht.

4) Wenn schon die gern von mir gebrauchte Bezeichnung des betreffenden Verhältnisses durch innere und äußere Erscheinlichkeit in den monadologischen Systemen nicht eben so üblich ist, so dürfte doch der sachliche Gesichtspunkt ihrer Übereinstimmung mit dem synechologischen System dadurch treffend genug zu bezeichnen sein.
 
 
    In weiterem Sinne ist unser ganzer Leib beseelt zu nennen, sofern alle Teile und Tätigkeiten desselben, in solidarischem Zusammenhange sich ergänzend und bis zu gewissen Grenzen wechselseitiger Vertretung fähig, zu dem Vermögen der totalen inneren Selbsterscheinung beitragen (Elem. d. Psychoph. II. 382). Ein wirklich waches Bewußtsein aber ist nicht an das Dasein der Atome an sich, sondern an den Bewegungszustand derselben nach Gesetzen geknüpft, die ich nicht aprioristisch konstruiert habe, sondern in die ich (in meinen Elementen der Psychophysik) bis zu gewissen Grenzen erfahrungsmäßig einzudringen vermocht habe, und die man seltsam finden könnte; aber sie bestehen.

    Eins der fundamentalsten Gesetze ist dies, dass keine Bewegung, die ein Bewußtseinsphänomen mitzuführen vermag (psychophysische Bewegung), dies anders vermag, als dass die Bewegung einen gewissen Grad der Lebhaftigkeit oder Stärke5), die sog. Schwelle, übersteigt, ähnlich, wie Eisen erst bei einer gewissen Erhitzung glühend wird (Elem. I. S. 238 ff. II. 428. 439.) Von einem engeren Seelensitze (im Gehirn) kann dann insofern die Rede sein, als man damit den, nicht punktförmigen, sondern ausgedehnten Teil des Systems bezeichnet, in welchem die psychophysischen Bewegungen die Schwelle übersteigen (Elem. II. 289). Was man als Einfluß der Seele auf den Körper und des Körpers auf die Seele zu bezeichnen pflegt, sind Wirkungen aus jenem engeren Seelensitze in den weiteren hinein oder in umgekehrter Richtung. Die Unterbrechung des Bewußtseins eines Individuum durch den Schlaf wird eben so durch zeitweises Sinken seiner psychophysischen Tätigkeit unter die Schwelle (Elem. II. 439), als die (diesseitige) Scheidung des Bewußtseins der verschiedenen Individualitäten trotz des Eingewachsenseins der ihnen unterliegenden Systeme in das allgemeine System der Körperwelt dadurch begründet, dass die psychophysische Tätigkeit zwischen den verschiedenen Organismen in der äußeren Natur die Schwelle nicht erreicht (Elem. II. 529).

                5) Prinzipiell meßbar durch die sog. lebendige Kraft im Sinne der Physik und Physiologie.

    Man sieht also, dass, wenn die monadologische Ansicht veranlaßt ist, zwischen bewußten und unbewußten (doch des Bewußtseins fähigen) Seelen zu unterscheiden, die synechologische eine entsprechende, nur anders gefaßte, Unterscheidung hat. Es kann danach sehr wohl ein System nach Außen, d. i. einem anderen System, durch Wirkungen, die es hinein erstreckt, als Körper erscheinen, ohne für sich selbst eine innere oder Selbsterscheinung zu haben; aber es wird hinreichen, dass es in eine innere psychophysische Bewegung, welche die Schwelle übersteigt, gerate, um zum Bewußtsein zu gelangen, und wird immer eben so mit zum Vermögen der göttlichen Selbsterscheinung im Ganzen beitragen, wie auch die Teile unseres Leibes, in denen die psychophysische Tätigkeit die Schwelle nicht übersteigt, doch nach dem organischen Zusammenhange dazu beitragen, dass sie im engeren Seelensitze die Schwelle übersteigen kann.6)

6) Auf den, für die Ausführung des Systems freilich wichtigen, Unterschied von Schwellen verschiedener Stufen, je nachdem es sich um allgemeineres Bewußtsein oder speziellere Gebiete oder Bestimmungen desselben handelt, kann ich hier nicht näher eingehen. Vgl. Elem. II. 454 ff.
 
 
    Wenn monadologisch eine Seele auf die andere dadurch wirkt, dass durch eine Kette zwischenliegender seelenartiger Wesen sich eine Wirkung zwischen sie überpflanzt7), so erfolgt synechologisch diese Überpflanzung zwischen zwei ganzen Systemen durch Vermittelung des Gesamtsystems, womit sich diese Mitteilung in das Gesamtbewußtsein aufhebt; und für den einfachen Anstoß an das einfache Wesen, durch den monadologisch die definitive Überpflanzung erfolgt, tritt ein zusammengesetzter Prozeß in dem System ein, welches die Mitteilung empfängt, gemeinsam abhängig von der Natur der Mitteilung und der Einrichtung des Systems, mit welcher, als der Seite der äußeren Erscheinung, die Beschaffenheit der Seele als Seite der inneren Erscheinung zusammenhängt. 7) Nach Herbart und Lotze, indes nach Leibniz’s prästabilierter Harmonie von einer Wirkung einer Seele auf die andere im eigentlichen Sinne nicht zu sprechen ist, es sei denn, dass man, was man in gewissem Sinne wohl kann, die allgemeine Gesetzlichkeit, von der nach unserer Begriffsstellung die Wirkung abhängt, als prästabilierte Harmonie auffaßt.
 
 
    Diese Punkte der synechologischen Ansicht können hier genügen. Folgendes die Gründe, mit denen ich sie der monadologischen gegenüber vertrete.

    l) So üblich es sein mag, die Seele als einfaches Wesen zu fassen, so ist sie doch nach denjenigen Bestimmungen, die von ihr in die Erfahrung treten, was ich faktische Beziehungen nenne, vielmehr ein einheitliches Wesen mit einer Mannigfaltigkeit nicht nur sukzessiver, sondern auch gleichzeitiger Bestimmungen, was sich mit dem Begriffe der Einfachheit nicht verträgt. Zwar kann man aus der Mannigfaltigkeit der Bewußtseinserscheinungen die Einheit des Bewußtseins als einfachen Begriff abstrahieren, aber dieselbe eben nur als Abstraktum aus der Mannigfaltigkeit, nicht selbständig für sich aufzeigen. Ist aber die Seele psychisch kein einfaches Wesen, so fällt damit ein Hauptmotiv weg, sie physisch durch ein solches zu repräsentieren; ist sie psychisch ein einheitliches Wesen mit einer Mehrheit und Mannigfaltigkeit gleichzeitiger Bestimmungen, so kann man hierin ein Hauptmotiv finden – denn ein durchschlagender Grund ist es nicht – sie physisch durch ein solches, also durch einen einheitlich verknüpften Organismus, nicht einen Punkt im Organismus zu repräsentieren.

    Dem entgegen hat man, zur Rettung der einfachen Natur der Seele, Dreierlei, zum Teil in Verbindung, aufgestellt.

    a) Man hat die metaphysische Einfachheit eines hinter den Seelenerscheinungen rückliegenden realen Wesens als Grund der einheitlichen Verknüpfung dieser Erscheinungen selbst erklärt.

    b) Man hat geleugnet, dass eine simultane Mannigfaltigkeit der Seelenbestimmungen überhaupt bestehe, in jedem Momente sei vielmehr die Seele nur durch eine einfache Qualität bestimmt. Und zwar hat man hierbei einen doppelten Gesichtspunkt untergelegt.

    a ) Man hat die Raumanschauungen und Raumvorstellungen der Seele, worin die Gleichzeitigkeit einer Mehrheit von Bestimmungen am entschiedensten sich geltend macht, ja worauf vielleicht alle simultane Mannigfaltigkeit von Seelenbestimmungen zu reduzieren ist, als eine von der Seele zusammengefaßte rasche Sukzession einfacher Vorstellungen erklären wollen.

    b ) Man hat zu beweisen gesucht, dass unsere Vorstellungen des Ausgedehnten etwas rein Intensives sind, dass wir, "wenn wir durch die Bewegung körperlicher Organe räumliche Ausdehnung wahrzunehmen glauben, in der Tat nichts Anderes wahrnehmen, als den Zustandswechsel unserer Seele, als ein intensives unräumliches Geschehen."8)

            8) Langenbeck, Atom und Monade, S. 32ff. mit Verweisung auf Lotze’s medicin. Psychol. S. 327 ff.

    Was nun aber das Erste (a) anlangt, so ist eine metaphysische Einfachheit überhaupt nur ein dunkler Begriff, und weder eine logische noch faktische Veranlassung liegt vor, außer der in die Erfahrung tretenden Bewußtseinseinheit ein Wesen hinter aller Erscheinung als Grund derselben zu postulieren. Dazu kann man bemerken, dass, wenn die metaphysische Einfachheit des Seelenwesens die erfahrungsmäßige Mannigfaltigkeit der inneren Seelenerscheinungen nicht ausschließt, eben so wenig eine Mannigfaltigkeit in seiner äußeren Erscheinung dadurch ausgeschlossen sein kann, also die Hypostasierung der Seele in einem einfachen Atom dadurch nicht als gefordert angesehen werden kann.

    Das Zweite (b.a ) anlangend, so könnte durch Zusammenfassen einer zeitlichen Sukzession einfacher Vorstellungen, welcher Art sie immer sein möchten, bei der selbst nur einfachen, so zu sagen linearen, Dimension der Zeit höchstens der Eindruck einer Linie entstehen, oder wollte man die Gleichzeitigkeit des Vielen in den Begriff der Zeit mit einrechnen, der Zeit so zu sagen zu ihrer Länge noch eine Dicke geben, so würde das Zeitmoment selbst als Querschnitt dieser Dicke nicht mehr einfach bleiben. Außerdem aber lehrt die direkte Erfahrung, dass die längste Dauer einer einfachen Empfindung, sei es der Empfindung eines räumlich einfachen Lichtpunktes oder qualitativen einfachen Geruches, eben nur als Dauer, die Sukzession verschiedener einfacher Empfindungen eben nur als Sukzession, nicht als räumliche Extension von der Seele aufgefaßt, in der Erinnerung zusammengefaßt und expliziert wird. Also könnte auch nicht einmal der Eindruck einer Linie so entstehen.

    Das Dritte (b.b ) endlich anlangend, so fällt das so ziemlich in das Kapitel des Wortstreits, von dem ich im 14. Kapitel gehandelt. Nenne man immerhin die Vorstellung einer Ausdehnung etwas rein Intensives, so wird man in dieser intensiven Vorstellung der Ausdehnung nicht nur an sich etwas wesentlich Anderes haben, als in der intensiven Vorstellung oder Empfindung z. B. eines Lichtpunkts, eines Schalles, etwas, was sich dazu wie gleichzeitiges Außereinander zum Nichtaußereinander verhält – oder wie will man den doch zu machenden Unterschied anders bezeichnen, – sondern man wird auch nach dem Zusammenhange der Tatsachen, auf welche sich die synechologische Ansicht stützt (s. unten No. 3), genötigt sein, vielmehr diese intensive Vorstellung der Ausdehnung von dem Sitze der Seele zu hegen, als die intensive, welche man von einem Punkte hegt, kurz ihn in demselben Sinne für ausgedehnt anzusehen, als man überall von räumlicher Ausdehnung spricht; und was hat man nun mit der ganzen Zurückführung der Ausdehnungsvorstellung auf intensive Seelenbestimmung gewonnen, als mit scheinbar tiefsinnigen Erörterungen eben dahin zurückzukommen, wobei wir synechologisch gleich stehen blieben, und die Klarheit einer notwendig zu machenden Unterscheidung durch eine Identifizierung im Worte zu verdunkeln.

    Die Ausdehnungsvorstellung einer einzelnen Seele ist freilich nicht in demselben Sinne selbst ausgedehnt zu nennen, als ein Körper, dessen Ausdehnung durch den gesetzlichen Zusammenhang aller möglichen Ausdehnungsvorstellungen nicht nur einer, sondern aller Seelen, objektiv bestimmt ist. Aber wenn Tatsachen Alle, die solche richtig auffassen, nötigen, die Vorstellung einer räumlichen Ausdehnung von dem Sitze der Seele zu hegen, gewinnt er eben damit den Charakter eines objektiv ausgedehnten Daseins, jedenfalls läßt sich ein anderer Charakter solchen Daseins nicht finden; von solchem zu sprechen aber können wir doch nicht umhin.

    Es ist ferner unbedingt zuzugeben, was Lotze mit besonderem Nachdruck geltend macht, dass die Ausdehnungsvorstellung nicht als der einfache Abdruck oder das einfache Bild eines ihr unterliegenden Vorganges im Gehirn anzusehen sei, und also die subjektive Ausdehnungserscheinung nichts für die objektive Ausdehnung ihrer körperlichen Unterlage beweise. Es ist sogar eine der direktesten Folgerungen der synechologischen Ansicht selbst, dass, was dem Physiologen auf seinem äußerlichen Standpunkt als körperlicher Vorgang im Gehirn erscheint, für den inneren Standpunkt der Seele nicht eben so erscheinen kann, nur wendet sich diese Folgerung synechologisch in entgegengesetztem Sinne als monadologisch. Monadologisch geht die zusammengesetzteste Raumanschauung in einem Wesen vor, was physisch als Punkt zu fassen ist; synechologisch ist selbst die einfachste Raumanschauung, die eines Punktes, Sache eines Vorganges, der physisch als ein ausgedehnter erscheint. Muß aber einmal zugestanden werden, dass die Erscheinung der Ausdehnungsvorstellung sich nicht mit der ihrer körperlichen Unterlage deckt, so ist an sich unstreitig gleich denkbar, dass sie einfacher und dass sie zusammengesetzter sei als diese. Da nun die Denkbarkeit an sich nicht entscheiden kann, so müssen andere Gründe entscheiden; und wir bleiben mithin auf diese anderen Gründe verwiesen.

    2. Eine metaphysische Schwierigkeit kann an sich nicht dagegen erhoben werden, das, was nach äußeren Beziehungen als Vieles außer einander erscheint, durch eine einheitliche Selbsterscheinung verknüpft zu denken, und in sofern im Geiste vielmehr ein innerlich verknüpfendes Prinzip des Körpers als ein mit den Körperelementen äußerlich verknüpftes wesentlich gleichartiges Element zu sehen; da überhaupt der Begriff der Einheit den einer darunter begriffenen oder dazu bezogenen Vielheit nicht ausschließt. Verknüpft das Gravitationsgesetz identisch einheitlich allgegenwärtig alle Elemente der Körperwelt, ohne in einem derselben seinen herrschaftlichen Sitz zu haben, warum nicht auch der Geist, zumal man die psychische Einheit selbst mit der Einheit, welche das Gesetz in die Körperwelt bringt, in Beziehung denken kann?

    Was nämlich als psychische Einheit, Sukzessives wie Gleichzeitiges bindend, nur Sache der innern Erscheinung ist, kann nach synechologischer Auffassung mit dem, aus äußeren Erscheinungen abstrahierbaren, Kausalzusammenhange und Wirkungszusammenhange des unterliegenden körperlichen Systems als wesentlich zusammenhängend oder substanziell sich deckend angesehen werden. Der Kausal- und Wirkungszusammenhang der gesamten Welt aber ruht nur in der, sich identisch hindurch erstreckenden, Gesetzlichkeit, welche das Fernste in Zeit und Raum mit dem Nächsten verknüpft; und schließlich faßt sich daher auch Alles endlich in die Einheit des göttlichen Geistes zusammen; und diese gliedert sich nur in endliche Einheiten. Man muß dabei die psychische Einheit oder Einheit des Bewußtseins nicht mit Bewußtsein selbst verwechseln. Die psychische Einheit des Menschen verknüpft die Bewußtseinszustände desselben Menschen durch die zwischenfallenden Unbewußtseinszustände durch, greift also über diese mit über. Dass aber der Körper vor und nach dem Schlafe und sein ganzes Leben durch selbst nach vollständigem Austausche seiner Materien noch dasselbe Bewußtsein trägt, hängt synechologisch gefaßt eben bloß daran, dass seine späteren Zustände und Tätigkeiten sich kausal aus den früheren heraus entwickelt und auf immer neue Stoffe übertragen haben; und wenn unbewußte Zustände durch zeitweises Sinken der Tätigkeit unter die Schwelle zwischen eintreten, so wird doch hierdurch dieser Kausalzusammenhang und hiermit die Identität des Bewußtseins nicht unterbrochen.

    Sonach ist auch mit Vorigem nicht gesagt, dass jedem beschränkten Kausal- und Wirkungszusammenhange für sich ein Bewußtsein zukomme; dazu gehört noch, dass in dem betreffenden Systeme die Schwelle überstiegen sei; insofern sie aber überstiegen ist, gehört auch das damit erwachende Bewußtsein der Einheit des göttlichen Bewußtseins an, und scheidet sich zugleich von gleichstufigen Einheiten, wenn die Schwelle in ihm nur insularisch überstiegen ist. Hierbei kommt der Unterschied von Schwellen niederer und höherer Stufe nur Sprache.

    Jedenfalls müßte jede metaphysische Schwierigkeit, die man gegen die synechologische Verknüpfung der Materie durch den Geist erheben wollte, ganz eben so gegen die physikalische Verknüpfung derselben durch das Gesetz laufen; und da doch diese faktisch besteht, so widerlegt eine Metaphysik, die jene widerlegt, sich damit selbst.

    3. Es ist ganz unmöglich, und hierin liegt für eine exakte Betrachtung, der sich die Philosophie nicht entziehen sollte, der durchschlagende Grund gegen die monadologische Ansicht, gegen den keine Metaphysik Stich hält, ihren einfachen Seelensitz mit anatomischen, physiologischen, pathologischen Tatsachen in nur erträgliche Übereinstimmung zu bringen. Selbst der Flourens’sche Lebensknoten, in dem Manche die letzte Rettung der Ansicht gesehen, hat nicht Stand gehalten, vielmehr die darauf bezüglichen Tatsachen sich in Widerspruch damit gestellt (Elem. d. Psychoph. II. 400 ff.); wogegen alle hieher gehörigen Tatsachen sich auf die natürlichste Weise der synechologischen Ansicht unterordnen. Hierüber mag man die sehr eingehenden Nachweise in meinen Elementen der Psychophysik II. 392 ff. vergleichen, und diesen wichtigsten Grund nicht deshalb gering achten, weil er hier am kürzesten behandelt ist; dort ist er am ausführlichsten behandelt.

    4. Die monadologische Ansicht gestattet prinzipiell der Psychophysik über ihren ersten Angriffspunkt hinaus (den sie in der sog. äußeren Psychophysik findet), keine weitere Entwickelung (zur inneren Psychophysik); wogegen die synechologische ihr prinzipiell eine mit der Naturwissenschaft in gewissem Sinne parallele, in anderem Sinne sie übersteigende, unbeschränkte Entwickelung gestattet. Denn nach der monadologischen Ansicht sind alle geistigen Vorgänge nur innere Vorgänge des Atoms ohne wesentlichen Bezug zu körperlichen Vorgängen, die in einem Atom nicht statt haben können; nur die erregenden körperlichen Anstöße an das Atom von Außen und Rückwirkungen nach Außen sind psychophysisch faßbar und verfolgbar. Hingegen nach der synechologischen Ansicht sind alle verschiedenartigen geistigen Vorgänge an üben so verschiedene körperliche Vorgänge (als einheitliche innere oder Selbsterscheinungen derselben) gebunden; selbst jede einfache Empfindung an einen zusammengesetzten körperlichen Prozeß, verschieden nach der verschiedenen Qualität der Empfindung, jede höhere, d. h. höhere Beziehungen einschließende, geistige Tätigkeit an einen körperlichen Prozeß, der höhere Verhältnisse einschließt, und selbst die höchste göttliche geistige Tätigkeit entzieht sich diesem Prinzip nicht, sofern sie mit der allgemeinsten und höchsten Ordnung der Weltverhältnisse solidarisch zusammenhängt.

    5. Die monadologische Ansicht muß den teleologischen, Kausal und Wirkungszusammenhang der Dinge so gut anerkennen, als die synechologische; aber sie kann ihn nicht als geistig durchdrungen fassen; denn ein geistiger Zusammenhang besteht nach ihr bloß für die inneren Erscheinungen jedes Atoms für sich, vermittelt durch die Einfachheit des Atoms; der Zusammenhang der Atome und hiernach Seelen unter einander hat hierzu kein commensurables Verhältnis, und entweder kein Prinzip oder ein dem vorigen ganz unadäquates Prinzip, da er nicht seinerseits an den Begriff der Einfachheit geknüpft werden kann. Wogegen sich nach der synechologischen Ansicht der Zusammenhang, der in der Körperwelt besteht, mit dem Zusammenhange, der im höchsten Geiste besteht, deckt.

    6. Während die synechologische Ansicht sich gar nicht anders abzuschließen vermag, als in der Idee eines allgegenwärtigen, allwissenden, allwaltenden, persönlichen, d.h. eine Bewußtseinseinheit in sich tragenden, Gottes mit den innerlichsten unmittelbarsten Bewußtseinsbeziehungen zu seinen Geschöpfen, vermag die monadologische in keiner Weise zu einer Vorstellung Gottes zu gelangen, welche nicht für das religiöse Bedürfnis eine Absurdität oder für das philosophische eine Inkonsequenz wäre. Denn entweder ist nach ihr auch Gott ein, in einem Punkt seiner Welt sitzendes, Atom unter anderen Atomen, dem man aber ganz wunderbare exceptionelle Kräfte zuschreiben muß, welche mit allen Kräften, die man sonst physischen Atomen zuschreibt, unvergleichbar sind, mittelst deren er von seinem punktförmigen Sitze aus die Welt beherrscht; oder er ist kein Atom, die geistige Einheit wird bei ihm nicht durch einen einfachen Punkt repräsentiert, warum aber dann bei anderen Geistern; oder der Gedanke Gottes wird in ein Glaubensgebiet verwiesen, welches sich mit unserem Wissensgebiete nicht berührt oder nicht verträgt, und dadurch die Lücke oder der Widerspruch zwischen Glauben und Wissen festgehalten, deren Beseitigung wir vielmehr von der Philosophie zu fordern hätten; oder er wird in mystisch-phantastische Unklarheit versenkt. Letzten Charakter scheint mir Leibniz’s göttliche Urmonas mit ihren Fulgurationen zu tragen, den vorletzten Weg betritt Herbart in seinem Abweis der Frage nach dem göttlichen Dasein von der Metaphysik. Lotze könnte ich nicht umhin, der Inkonsequenz zu zeihen, wenn wirklich seine unendliche Substanz den bewußten persönlichen Gott vorstellen sollte, und wo sonst denselben bei ihm finden.

    Drossbach in seiner freilich etwas kuriosen und daher hier nicht besonders berücksichtigten Atomistik ist doch zugleich aufrichtig und konsequent genug, um seine Ansicht über das Dasein Gottes so zu formulieren: "Die Existenz des atomistischen Gottes ist bewiesen, so wie die Existenz des Atoms überhaupt bewiesen ist. Diese ist aber eine durch Erfahrung wahrzunehmende Tatsache, folglich hat jene die Gewißheit einer Tatsache, denn Gott ist in seinem innersten Wesen ein Atom, ein Individuum, wie jedes andere." (Die Harmonie S. 182.)

    7. Die Rettung der Unsterblichkeit auf monadologischem Wege erscheint zwar sehr einfach, ist aber sehr illusorisch. Lotze selbst gibt zu (Mikrok. I. 425), dass eine Monade wenn auch nach ihrem Begriffe nicht zerfallen, doch vergehen könne; und werde immerhin ihre Unzerstörbarkeit postuliert oder durch Identifizierung mit dem physischen Atom für gesichert gehalten, so handelt es sich ja bei der Unsterblichkeitsfrage nicht um Fortbestand schlechthin, sondern bewußten Fortbestand. War die Monade vor der Geburt nicht bewußt, was verbürgt das Bewußtsein nach dem Tode bei Wegfall der Bedingungen, an die wir faktisch ihr Bewußtsein hier geknüpft finden, ohne das Prinzip eines Ersatzes dafür? Nicht dass nicht auch die synechologische Ansicht, wie jede Ansicht in diesen Dingen, ihre Schwierigkeiten hätte; doch scheinen sie mir nach den Ausführungen, die ich ihr an mehreren Orten auf Grund so mancher Analogien gegeben, geringer als bei jeder anderen Ansicht.

    8. Man kann ein Bedenken gegen die synechologische Ansicht aus dem Gesichtspunkt der Freiheitsfrage erheben, aber nur ein untriftiges. Die synechologische Ansicht behauptet nämlich nur das wesentliche Zusammengehör geistiger und körperlicher Vorgänge und Verhältnisse oder innerer und äußerer Erscheinlichkeit und Verhältnisse, ohne über Freiheit und Unfreiheit, sei es der einen oder anderen etwas auszusagen; nur dass, was von den einen angenommen wird, auf die zugehörigen anderen zu übertragen ist; wonach der Determinist wie Indeterminist die synechologische Ansicht im Sinne seiner Ansicht wenden kann, ohne dass ihre Gültigkeit von der Gültigkeit des Determinismus oder Indeterminismus abhängt. Besteht die indeterministische Ansicht, so wird sich die Exzeption von dem gesetzlichen Kausalzusammenhange, welche nach ihr den freien Willensäußerungen im geistigen Gebiete zukommt, auf die Tätigkeiten übertragen, welche denselben körperlicherseits, wie man sich ausdrückt, unterliegen; besteht die deterministische, so wird beiderseits keine Exzeption statt finden.

    Natürlich werden die indeterministisch freien Willensäußerungen, gibt es überhaupt solche, nicht aus der Einheit des Geistes erklärt werden können, wenn diese mit dem gesetzlichen Zusammenhange des unterliegenden körperlichen Systems selbst wesentlich zusammenhängt; aber sie sind überhaupt ihrer Natur nach unerklärbar, als Sache eines Prinzips anzusehen, was, mit dem Prinzipe der Einheit inkommensurabel, neue Anfänge in dem dadurch verknüpften Zusammenhange begründet, welche aber, einmal eingetreten, dann auch mit gesetzlichen Folgen daran Teil nehmen.

    Zum Schluß noch einige allgemeine Bemerkungen. Die synechologische Ansicht ist nur insofern an die atomistische gebunden, als für diese überhaupt bindende Gründe vorhanden sind. Es kommt aber der Unterschied der atomistischen und gegenteiligen Ansicht betreffs der allgemeinen Gesichtspunkte der synechologischen Ansicht so wenig in Betracht, dass ich bei allen meinen Darstellungen derselben in anderen Schriften auf die Frage nach der Statthaftigkeit von Atomen einzugehen gar nicht nötig gefunden habe; und hier keinen Anlaß gehabt hätte, auf die synechologische Ansicht überhaupt einzugehen, wenn nicht, um der monadologischen, die allerdings naheliegende Beziehungen zur Atomistik hat, und droht, derselben eine falsche Stellung anzuweisen, den Widerpart damit zu halten.

    Nichts übrigens hindert, die synechologische Ansicht bei weiterer Vertiefung in die idealistische aufzuheben, welche in den Zusatzkapiteln der vorigen Abteilung entwickelt ist. Wenn nach synechologischer Ansicht die Erscheinungen des Körpers und der Seele nur wie innere und äußere Erscheinungen desselben Wesens zusammenhängen, so mag der, dessen Vorstellung dieses Anhalts bedarf, immerhin als Wesen ein dunkles Ding hinter den Erscheinungen supponieren, auf das er dieselben bezieht oder wovon er sie abhängig macht, und die synechologische Ansicht wird sich aus gewissem Gesichtspunkte damit vertragen können. Meinerseits eliminiere ich, wenn es gilt, zur letzten Tiefe zu gehen, auf die es doch, wie schon früher erinnert, nicht überall gilt, zurückzugehen, diesen letzten dunklen Punkt des Systems, indem ich die Betrachtung in einer letzten Anstrengung zusammenfasse, und verstehe unter dem, den körperlichen und geistigen Erscheinungen gemeinsam unterliegenden, Grundwesen nichts als das gesetzliche Zusammengehör der Erscheinungen selbst, die alle in der Einheit eines alles Einzelbewußtsein einschließenden allgemeinen Bewußtseins ihren letzten Verknüpfungspunkt und Halt finden. Es entspricht nur eben dem Sprachgebrauche, das im Wesen verknüpft zu nennen, was so zusammengehört, dass nach Maßgabe als das eine besteht, auch das andere besteht.

    Jede Seele wird nur eines gewissen Kreises von Erscheinungen gewahr, das sind ihre Selbsterscheinungen, die unmittelbar durch die Einheit des Bewußtseins und (damit zusammengehörig) gesetzlich unter einander zusammenhängen, daher als Sache eines Wesens, der Seele gelten. Ein Teil des inneren Erscheinungsgebietes jeder Seele aber hängt nach Gesetzen, die zwischen den verschiedenen Seelen übergreifen, mit dem von anderen Seelen so zusammen, dass wir der Gesamtheit dieser Erscheinungen wieder ein gemeinsames Wesen, als Natur, unterlegen, und diese Erscheinungen als äußere bezeichnen, wenn schon es immer nur Erscheinungen sind, die in Seelen fallen. Der Teil dieses, den verschiedenen Seelen gemeinsamen, äußeren Erscheinungszusammenhanges, durch den wir den Körper einer Seele charakterisiert halten, hängt seinerseits so gesetzlich mit dem inneren Erscheinungsgebiete der betreffenden Seele zusammen, dass wir wiederum beiden ein gemeinsames Wesen unterlegen und sagen können, es erscheine nur nach Außen als Körper, was nach Innen als Seele. Jede Seele nimmt dabei ihren eigenen Körper durch das wahr, was von dem äußeren Erscheinungszusammenhange, durch den er charakterisiert wird, in sie selbst eintritt. Die Gesetzlichkeiten des inneren Erscheinungszusammenhanges der Seele und des äußeren Erscheinungszusammenhanges der Natur sind verschieden, ohne sich zu widersprechen, sofern sie verschiedenen Richtungen des Zusammenhanges angehören, die sich nur dadurch verknüpfen, dass jede Seele selbst mit ihren Wahrnehmungen von der Natur an dem äußeren Erscheinungszusammenhange Anteil hat, von wo aus der psychische Zusammenhang nach Innen, der physische nach Außen von jeder Seele aus zu verfolgen ist. Insofern nun beiden Erscheinungszusammenhängen, dem psychischen und physischen, eine verschiedene Art der Gesetzlichkeit unterliegt, können wir allerdings beiden auch verschiedene Wesen unterlegen. Sofern aber beide gesetzliche Zusammenhänge selbst nicht nur in jenem Verknüpfungspunkt der sinnlichen Wahrnehmung zusammentreffen, sondern ihrerseits gesetzlich (nach den Gesetzen der Beziehung von Leib und Seele) zusammenhängen, können wir auch beide Wesen in ein gemeinsames aufheben, und in diesem Sinne den Dualismus in eine Identitätsansicht aufheben, wie es in anderem Sinne von Spinoza und Schelling geschehen ist. Endlich aber ist die gesamte Gesetzlichkeit Sache des inneren Erscheinungsgebietes des allgemeinsten Geistes und hängt selbst untrennbar, also wesentlich, mit dessen Einheit zusammen, womit die Ansicht sich endlich als eine idealistisch pantheistische abschließt.

Einige Zusätze.

    Zu Kap. 4. Lorenz macht darauf aufmerksam, dass man ohne alle Hypothesen über die Natur der molekularen Grundkräfte einleuchtend finden müsse, dass die Dicke der Schichten eines periodisch heterogenen Körpers auf den Gang der Lichtstrahlen einen von den Wellenlängen abhängigen Einfluß haben müsse, und zeigt genauer, wie sich hiernach mit der Farbenzerstreuung zugleich zirkulare Polarisation und Doppelbrechung aus Gleichungen ableiten lassen, welche nur solche Größen berücksichtigen, die sich unmittelbar oder mittelbar wahrnehmen lassen. Wenn nun aber hierin noch kein Beweis liegt, dass die periodische Heterogeneität oder Schichtung als eine Schichtung aus Atomen gedacht werden müsse, so zeigt er aber weiter, dass die Gesetze, welche die Erfahrung für die Abhängigkeitsverhältnisse des Brechungsvermögens der Körper hat finden lassen, sich mit derselben Theorie nur unter der Voraussetzung in Übereinstimmung bringen lassen, "dass die Körper aus durchsichtigen Teilchen, Molekülen, bestehen, die durch Zwischenräume getrennt sind, deren Lichtgeschwindigkeit die des leeren Raumes ist. Diese Moleküle müssen ferner, so lange jene Gesetze gültig bleiben, unveränderlich sein, in der Weise, dass jede Veränderung des Körpers nur auf die Größe der Zwischenräume und die Anordnung der Moleküle selbst Einfluß haben." (Pogg. Ann. CXXI. S. 579. ff.)

    Zu Kap. 24. Al. Mitscherlich macht in seinem Schriftchen: Über die Spektren der Verbindungen und der einfachen Körper. Berlin 1864 S. 29, einige Tatsachen der Spektralanalyse für die Vermutung geltend, dass Jod, Brom, Selen, Tellur, Phosphor noch zusammengesetzte Körper sind.



Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur ersten Auflage.1)

    Von den zwei, durch besondere Titel unterschiedenen Abteilungen dieser Schrift hat die erste den Zweck, die Atomistik der Körperwelt, nach ihrer Gestaltung durch die neuere exakte Physik, den philosophischen Anfechtungen gegenüber, denen sie unterliegt, als eine in der Natur gegründete, von der Naturwissenschaft daher geforderte, mit höheren allgemeinern Interessen nicht nur wohl verträgliche, sondern auch denselben dienstbare Ansicht ins Licht zu stellen, und von hier aus einige allgemeinere Blicke auf die philosophischen Richtungen zu werfen, mit denen sie in Konflikt kommt; die zweite, zu zeigen, wie ein philosophischer Abschluß der Atomistik, den ihre Gegner bisher noch vermissen konnten, doch denkbar sei, nicht unter Aufgabe ihres bisherigen Wesens und ihrer bisher festgestellten Sätze, sondern durch Vorwegnahme des Ziels ihrer bisher eingeschlagenen Richtung.

    Indem sich diese Schrift hiernach wesentlich gegen philosophische Gegner wendet, wendet sie sich doch keinesweges ausschließlich an dieselben. In der Hauptsache hat sie ein allgemeineres Publikum vor Augen, was Interesse an den allgemeinern Streitfragen, welche die Wissenschaft bewegen, nimmt, und dessen Urteil über die vorliegende bisher, wie mich dünkt, in unbilliger Einseitigkeit von der Gegenseite her bestimmt worden ist. Und gewiß verdient die Frage, um die es sich hier handelt, ein allgemeineres Interesse. Die Atomenfrage ist, vielleicht der Punkt, in dem heutige Philosophie und heutige Naturwissenschaft am härtesten zusammentreffen und wieder am weitesten auseinandergehen. Die Frage, gibt es Atome oder nicht, ist zugleich die Frage über die Grundgestaltung, fast kann man sagen, um die Existenz der einen und der anderen Lehre nach ihrem heutigen Bestande.

1)Die Kapitelverweisungen in diesem Vorwort sind nach den Abänderungen der Kapitelzahlen in der 2. Auflage abgeändert.
 
 
    Physiker anlangend, so kann sich diese Schrift zwar nicht speziell und vorzugsweise an sie wenden wollen, sofern es für die meisten derselben einer Verteidigung der Atomistik nicht bedarf, um einen philosophischen Abschluß derselben es nur wenigen zu tun sein mag. Doch dürfte für manche derselben die im ersten Teile gegebene Zusammenstellung der wichtigsten, teils empirischen, teils formalen Gesichtspunkte, auf welche sich die Atomistik stützen kann, immerhin in sofern von Interesse sein, als es (meines Wissens wenigstens) an einer Zusammenstellung der Art überhaupt fehlt, und als denen, welche nicht eine besondere Aufmerksamkeit auf die Fundamente der Naturwissenschaften gerichtet haben, leicht selbst entgeht, wie tief und wesentlich die Atomistik nach allen Seiten damit verwachsen, wie sehr durch das Bedürfnis, die Erscheinungen exakt und klar zu verknüpfen, gefordert ist; ja es dürfte darin, dass sie ihre größten Leistungen stets so still im Schoße der Naturwissenschaft vollbracht, und dagegen stets so laut von Seiten der Philosophen angegriffen worden ist, einer der Hauptgründe liegen, dass sie selbst unter Naturforschern noch nicht die volle und allgemeine Anerkennung gefunden hat, die sie verdient.

    Auch kann dem Physiker, der sich nicht einseitig in seiner Wissenschaft abschließen will, die Differenz, in der er sich über eine der wichtigsten Grundlagen derselben mit der herrschenden Philosophie findet, doch nicht gleichgültig sein; und nachdem eine Verhandlung darüber bisher fast nur von der Gegenseite her stattgefunden hat, mag es wohl sein Interesse berühren, dieselbe mit den zu Gebote stehenden Mitteln einmal von dem Standpunkt, auf dem er selbst steht, aufgenommen zu sehen. Hierbei galt es dann, weil die physikalische Atomistik nicht bloß, oder eigentlich gar nicht, mit physikalischen Gründen angegriffen wird, außer der Verteidigung durch solche, die für den Physiker als solchen immer die entscheidenden bleiben werden, auch die allgemeineren Gesichtspunkte und Beziehungen ins Auge zu fassen, unter welche die Atomistik tritt. Während nun die ersten Kapitel der ersten Abteilung sich vorzugsweise mit der rein physikalischen Seite des Gegenstandes beschäftigen, ist in den letzten auf die allgemeineren Beziehungen desselben eingegangen und in den als Zusatzkapitel abgesonderten zu den Prinzipien selbst, auf welche die physikalischen Argumente sich stützen, mit zurückgegangen.

    Vielleicht darf ich in dieser Beziehung für eine Reihe von Betrachtungen im 15. Kapitel der ersten Abteilung einige Aufmerksamkeit des Physikers insbesondere aus folgendem Gesichtspunkte in Anspruch nehmen. Es scheint mir, dass Physiker und überhaupt Naturforscher, wenn sie zu gewissen Grenzbetrachtungen ihres Gebiets gelangen, sich leicht dadurch desorientieren lassen, dass sie meinen, es sei hinter der Welt der körperlichen und geistigen Erscheinung noch ein dunkles Wesen anzunehmen und bei gründlichster Betrachtung darauf Rücksicht zu nehmen, wozu die Philosophie den Schlüssel sei es biete oder bieten solle. All’ was wir sehen, hören, tastend fühlen, ja wohl gar, was wir denken, sei doch nur subjektiver Schein, gezogen vor etwas, was den Schein erst gibt, der für Jeden ein anderer nach dem anderen Baue seines Auges und Gehirns, die nur Instrumente dieses Scheines; und es gelte endlich immer, nach dem wahrhaft und objektiv an sich Seienden, Realen zu fragen, das hinter aller Welt des Scheines liegt, und, wo nicht die Beschaffenheit und Verhältnisse dieses Seienden an sich, die immerhin unerkennbar sein mögen, aber die Verhältnisse der Scheinwelt dazu festzustellen und diese selbst jedenfalls als solche anzuerkennen. Das endlich sei die wahre Tiefe. (Kant, Herbart, die meisten Naturforscher, wenn sie sich vertiefen.) Ich suche zu zeigen, dass es die Tiefe eines Schattens ist, die man hinter der Tiefe der ganzen vollen lichten Welt noch sucht. Zwar gibt es Schatten, doch nur, den die Dinge auf einander selber werfen. Und die Verhältnisse davon aufzusuchen, gibt allein das wahre und höhere Licht.

    Es kann natürlich nicht meine Absicht sein, diesen Gegenstand im Vorwort hier rekapitulieren zu wollen; doch will ich hier zur Erläuterung noch eine kleine Historie beifügen, die mir eben beifällt, indem ich dieses schreibe. Prof. Ermann d. A. erzählte sie mir, als ich ihn vor Jahren in Berlin besuchte, und sie ist mir, ich weiß nicht warum, im Gedächtnis geblieben, nachdem mir so viel merkwürdigere Geschichten entfallen sind.

    Ein vornehmer Pole oder Russe besuchte ein großes Fabriketablissement in Berlin, das durch eine Dampfmaschine in Betrieb gesetzt war. Er ließ sich in der ganzen Anstalt herumfuhren, besah alle Teile derselben sehr genau, verfolgte das Ineinandergreifen der Maschinenteile, fragte nach allem Möglichen, unterhielt sich über die Verhältnisse der Anstalt mit dem herumführenden Werkführer sehr verständig, kurz, schien vollkommen über den Gang, das Getriebe der Anstalt orientiert zu sein; als er endlich, nachdem Alles durchgegangen war, zum höchsten Erstaunen des Werkführers sagte: wollen Sie mir nun nicht auch die unteren Räume zeigen, wo die Pferde stehen? – So fragt man nach den Pferden unten, nachdem man den ganzen Gang, und, wenn nicht den Erbauer, aber die Arbeiter an der Maschine, Alles vor Augen gehabt hat.

    Ich sage einfach in jenem Kapitel: es gibt keine Pferde unten. Gelänge es mir, mit meiner Darstellung der Philosophie auch nur eine Seele abzustreiten, die sich mit ihr in jene dunkle Tiefe der Betrachtungen verloren geben will, wo Alles nur Heulen und Zähnklappen und jeder wider den Anderen ist, so würde ich schon glauben, etwas geleistet zu haben,

    Nicht für unnütz halte ich es, besonders darauf hinzuweisen, dass, während die zweite Abteilung dieser Schrift sich ganz auf die erste stützt, und ohne die Begründungen der ersten gar keinen Boden haben würde, dagegen nicht das Umgekehrte der Fall ist, wenn schon die Gegner aus Gesichtspunkten, denen entgegenzutreten gerade eine Hauptabsicht dieser Schrift ist, es vielleicht so darstellen mögen, als hänge die Gültigkeit der physikalischen Atomistik, wie sie in der ersten Abteilung verteidigt wird, an der Gültigkeit einer philosophischen Atomistik, zu der sie Dieser oder Jener erheben oder in der sie Dieser oder Jener (respektiv wir selbst) abzuschließen versuchen mag; und könne ich also auch die physikalische Atomistik nur auf Grund der philosophischen halten wollen, in der ich sie in der zweiten Abteilung abzuschließen versuche. Dies aber heißt, meines Erachtens, die Sache auf den Kopf stellen. Selbst wenn man den metaphysischen Gesichtspunkt (im Sinne der Auffassung der Metaphysik), durch den ich den philosophischen Abschluß zu bewirken versuche, verwerfen will, würden damit doch alle Argumente, welche für die physikalische Atomistik nach ihrem heutigen Stande bestehen, bestehend bleiben. Die Sachlage ist die, dass die physikalische Atomistik, indem sie eine Gliederung und Untergliederung der Körper über das scheinbare Kontinuum hinaus in diskrete Teile fordert, behauptet und beweist, und darin liegt ihr Wesen, doch über die Beschaffenheit der letzten Glieder, der Grundatome noch nichts Bestimmtes auszusagen vermag. Wie sich die Welt in diskrete Weltsysteme und Weltkörper gliedert, so weiter der Weltkörper und jeder Körper in Atomensysteme (sog. Moleküle) und Atome, die nur aus ähnlichen Gründen eine kontinuierliche Masse zu bilden scheinen, als die Sterne im Nebelflecke. Das ist, kurz gesagt, das, was sie weiß. Aber wie groß, wie klein, wie gestaltet, als was überhaupt zu fassen sind endlich die letzten Glieder, die Grundatome? Die Physik vermag uns darüber nichts Sicheres zu sagen. Nur das eben weiß sie zu sagen, die Gliederung in Diskretes reicht weiter, als das Auge und das Mikroskop solche verfolgen läßt. Die Grenze aber liegt für sie noch im Unbestimmten und Dunkeln. Nun kann man diese Unbestimmtheit, die so in letzter Instanz physikalischerseits noch übrig bleibt, in philosophischem Interesse und mit einem philosophischen Vorblick zu erledigen suchen; aber gesetzt, das Interesse werde durch den Versuch nicht befriedigt, der Blick habe getäuscht, die philosophische Ansicht, die über den physikalischen Nexus von Tatsachen, den die heutige Atomistik repräsentiert und gewährt, hinaus oder hinter denselben zurückzugehen versucht, sei irrig, so würde dies nur eine neue philosophische Ansicht, einen zulänglichem Abschluß fordern, nicht jenen Nexus von Tatsachen, und hiermit nicht die physikalische Atomistik, ungültig machen. Dass aber die Atomistik in jener vorsichtigen Beschränkung, in der wir sie im ersten Teile halten, und in der sie jeder besonnene Physiker mit uns halten wird, wo selbst vieles physikalisch dabei zu Bestimmende noch dahingestellt wird, die philosophischen Fragen und Schwierigkeiten über das Wesen der Materie und Kraft aber noch gar nicht beginnen und nur ungehörigerweise ins Spiel gezogen werden könnten, dass, sage ich, die Atomistik in dieser vorsichtigen Beschränkung wirklich eine Ansicht ist, die einen Nexus von Tatsachen repräsentiert und gewährt, soll eben durch den ersten Teil dieser Schrift gezeigt werden.

    Wenn ich dann aber doch im zweiten Teile den Versuch mache, diese Beschränkung aufzugeben, und auf die letzte Konstitution der Materie selbst einzugehen, so mag man diesen Versuch mit Nachsicht aufnehmen. Will man einmal mit einer Metaphysik über eine Physik hinausgehen, und ich meine, es ist wirklich ein Bedürfnis des Menschen, nach jedem Ziel vorauszublicken, schon ehe man dabei steht, so halte ich dafür, dass die dort aufgestellte Ansicht die wahrscheinlichste ist, auf die man kommen kann, indem sie sich eben so als absolute Grenze des Weges, den der Nexus der physikalischen Tatsachen schon zu gehen nötigt (daher auch schon Physiker vor mir darauf gekommen sind), wie dadurch empfiehlt, dass sie selbst einen reinen und klaren Nexus metaphysischer Begriffe mitführt, der nun freilich kein dialektischer im Sinne der neueren Philosophie ist, den ich aber demselben weit vorziehe, weil er nicht bloß Produkt und Produzent eines zweideutigen Formalismus ist, sondern den vorstellbaren Zusammenhang der Weltdinge direkt und kompakt in letzte Spitzen und Knoten zusammenfaßt. Indem ich aber selbst gestehe, dass ich die Metaphysik für keine so exakte Wissenschaft halte, als die mathematische Physik, gestehe ich auch ein Moment der Unsicherheit in solchen Betrachtungen, wie ich sie anstellen werde, zu. Man mag dies Bekenntnis der Unsicherheit eines der wichtigsten Teile der Philosophie für eine Ketzerei gegen die Philosophie selbst halten, doch spricht jedenfalls der tatsächliche Stand aller bisherigen Metaphysik für mich.

    Mit Vorigem glaube ich zugleich den formellen Gesichtspunkt, nach welchem ich in dieser Schrift die physikalische und philosophische Atomistik scheide, hinreichend bezeichnet zu haben; denn Mißverständnis wäre es, mir eine Scheidung in der Sache aufbürden zu wollen. In der physikalischen Atomistik stelle ich das auf, was sich bis jetzt physikalisch, d. i. durch eine Verknüpfung von Tatsachen begründen läßt, in der philosophischen das, was sich auf Grund des physikalisch Begründeten philosophisch, d. h. aus dem Bedürfnis, einen reinen begrifflichen Abschluß zu erhalten, fordern läßt. Aber Forderungen haben überhaupt nicht leicht die Sicherheit von Begründungen; und es ist gut, beides so scharf und streng als möglich auseinander zu halten. Nur darum eben sind hier zwei Teile aus dem gemacht, welchem eine einige Sache unterliegen muß. Nach Maßgabe, als die Physik fortschreitet, wird sie nun entweder den philosophischen Vorforderungen immer mehr nachkommen oder die Philosophie ihrerseits ihre Forderungen nach diesen Fortschritten immer mehr entweder berichtigen oder fester stellen können; denn je weiter der Fortschritt zum Ziele, desto sicherer der Vorblick danach. Das richtige philosophische Ziel der Physik wird endlich die Vollendung der Physik sein.

    Ich wünschte, dass auch die Gegner der Atomistik die Trennung der zwei Fragen, die hiermit gemacht wird, wohl im Auge behalten: besteht eine Gliederung der kontinuierlich erscheinenden Körpermassen, und, ist die Weise, wie sich Dieser oder Jener, wir selbst, die Konstitution der letzten Glieder denkt, richtig? und eben nur in jener Frage die Lebensfrage der physikalischen Atomistik sehen mögen, weil sie in der Tat nur darin liegt. Nur zu häufig, ja vielleicht gewöhnlich, wird die erste Frage bloß deshalb verneint, weil sie mit der zweiten zusammengeworfen, verwechselt und vermengt wird. Man trennt aber doch sonst überall zweckmäßig zwei Fragen, wenn sie sich wirklich trennen lassen und möglicherweise eine verschiedene Beantwortung zulassen, was hier der Fall ist. Was ist nicht Alles über die Konstitution der letzten Atome gefabelt und gefaselt worden, wie wenig klare Vorstellungen herrschen noch über das Wesen der Materie überhaupt und haben in atomistischen Darstellungen nicht minder als dynamischen Platz gegriffen. Die Beurteilung der Triftigkeit der physikalischen Atomistik innerhalb der bezeichneten Grenzen hängt aber gar nicht hieran, sondern bloß ihre Fortentwickelung und Vertiefung. Wer durch solche untriftige Auffassungen der letzten Glieder und des Begriffs der Materie, Kraft u. s. w. die diskrete Gliederung der Materie überhaupt widerlegt halten wollte, würde gerade so untriftig schließen, als wer die Zellen in der Pflanze damit widerlegt halten wollte, dass über die ursprüngliche Bildung, die letzte Konstitution der Zellenwand und es Zellenkerns und den Begriff der Zelle selbst noch höchst unsichere, schwankende und unklare Vorstellungen bestehen. Die Zelle besteht trotzdem. Ein Fehler der Gegner ist freilich der, dass sie meinen, die Existenz des Atoms sei darum weniger erweislich, als der Zelle, weil jene nur durch einen Zusammenhang von Erfahrungen, diese schon durch eine einzelne Erfahrung konstatiert werden kann. Hierüber weiter zu sprechen, ist im Vorwort nicht der Ort; die Schrift selbst wird diesen Punkt weiter zu beleuchten haben.

    Ich bezweifle freilich nicht, dass mein obiger Wunsch umsonst getan ist. Die philosophischen Gegner werden ebenso wenig geneigt sein, auf die verlangte Trennung der genannten Fragen einzugehen, als noch einiger anderen Fragen, worauf ich nicht minder im Laufe dieser Schrift dringe; und ich leugne gar nicht, dass in jedem aprioristischen Zusammenhange alle diese Fragen auch im Zusammenhange werden aufzufassen und zu behandeln sein. Allein man vergesse nicht, dass im Folgenden nicht die Absicht ist, den mannigfachen und sich widerstreitenden aprioristischen Untersuchungen über diese Fragen eine neue hinzuzufügen, wozu gewiß kein Bedürfnis vorhanden ist, sondern vielmehr denselben auf einem von ihrem Widerstreite unbeteiligten Wege entgegenzutreten, mit der Untersuchung dessen nämlich, was Tatsachen im Sinne exakter (d. i. logisch mathematischer) Verknüpfung lehren und fordern. Selbst der Philosoph aber, mag er auch diesen Weg nicht selbst gehen wollen, kann oder sollte wenigstens nicht eine Kontrolle und Prüfung auf demselben verwerfen. Um so mehr setze ich voraus, dass sie anderen erwünscht sein kann; und ich wende mich wie gesagt nicht allein an Philosophen. Die exakte Wissenschaft kann aber prinzipiell nicht aus Einem vorweggenommenen Grundsatz heraus Alles beweisen oder erledigen wollen, wie es die Philosophie wohl oft versucht, aber niemals geleistet hat; und das bisherige Mißlingen dieser Versuche macht selbst die Kontrolle auf dem anderen Wege nötig, den wir hier einschlagen. Darum bedarf es hier einer Trennung von manchen Fragen, welche die Philosophie immerhin in solidarischer Verbindung behandeln und sich damit der Gefahr aussetzen mag, dass mit einem Teile ihres Zusammenhanges ihr ganzer Zusammenhang fällt.2)

2) Eine Abhandlung des jüngeren Fichte gegen die Atomistik (in d. Zeitschr. f. Philos. 1854 S. 24), die mir zu Händen kommt, nachdem diese ganze Schrift mit Einschluß des Vorworts schon geschrieben war, gibt mir Anlaß, dem Obigen noch einige bekräftigende Worte hinzuzufügen. Die oben geforderte Trennung beider Fragen wird auch in dieser Abhandlung vermißt; und was vom Verf. gegen die Versuche mancher Physiker, teils die letzte Konstitution der Atome zu ergründen, teils die Tatsache der Atome begrifflich zu fassen, zu beziehen und zu deuten, nicht untriftig gesagt worden ist, erscheint doch sogleich untriftig, wenn es gegen die Atomistik überhaupt gelten soll. Nach Maßgabe als der Physiker über die Grenzen der ersten Fragstellung hinaus in das Gebiet der Philosophie hinübergreift, und die Aufforderung dazu bestreite ich nicht, da ich ihr selbst nachgebe, fällt er auch fast notwendig dem Schicksal anheim, was alle philosophischen Versuche, das Letzte zu ergründen und Grundbegriffe auf einander zu beziehen, bisher gehabt haben, d. i. ins Schwankende, Streitige zu geraten, wobei das Meiste in der Regel Wortstreit ist.
Aber eben deshalb muß man Das, worüber alle Atomistiker einig und aus physikalischem Gesichtspunkte klar sind, von Dem trennen, worüber sie uneins und philosophisch unklar sind. Indem Fichte eins mit dem anderen verwirft, schüttet er das Kind mit dem Bade aus, das allein wegzuschütten war. Hierzu bringen wir selbst einen Topf herbei; das Kind aber wollen wir retten.
Die physikalische Atomistik, wie sie von mir im 13. Kapitel des ersten Teils dargelegt ist, kann überhaupt weder philosophisch (aus Begriffen heraus) begründet, noch widerlegt werden; sie kann aber selbst unter den Grundlagen einer Philosophie zählen, welche ihre Begriffe auf Sachverhältnisse stützen will. Die philosophische Atomistik, wie sie von mir im zweiten Teile dargelegt ist, steht natürlich auch philosophischen Einwürfen offen. Eine ausführlichere Replik gegen Fichte habe ich im dritten Heft der philosophischen Zeitschrift 1854 geliefert.
    Man wird übrigens schon nach dem Umstande, dass ich nach einer Bestreitung der philosophischen Gegner im ersten Teile selbst auf den Versuch eines philosophischen Abschlusses der Atomistik im zweiten Teile eingehe und im Laufe des ersten Teils sogar ein Hauptargument für die Atomistik darein lege, wie gegen so manche Physiker (und Chemiker) selbst damit verteidige, dass sie durch die Philosophie der Physik gefordert werde, dieser Schrift nicht den Vorwurf machen können, dass sie eine antiphilosophische Richtung verfolge. Und so sehr die Richtung unserer Philosophie, die wir so zu nennen uns nicht scheuen, der herrschenden aus gewissem Gesichtspunkte entgegengesetzt sein mag, bleibt ihr doch die Aufgabe, Allgemeinstes, Höchstes und Letztes zu suchen, damit gemein. Der Unterschied liegt zuletzt nur in dem Wege und der Weise des Suchens. Nun bestrebe ich mich zu zeigen, dass mit der Atomistik sich nicht nur ein Suchen Dessen, was die Philosophie zu suchen hat, sehr wohl verträgt, sondern dass sie selbst als ein Fund im Sinne dieses Suchens zu betrachten ist, der von der Philosophie vorlängst zuerst erblickt, von der Physik aber aufgehoben ward, und den diese der Philosophie, die ihn inzwischen verwarf, in vollkommenerer Gestalt nun wieder bietet. Ich suche zu zeigen, wie eine Philosophie, die diesen Fund verwirft, sich selbst verloren gibt; womit doch nicht die Philosophie überhaupt verloren sein wird; denn die Philosophie stirbt nicht. Alles, was ich in dieser Schrift gegen die Philosophen und die Philosophie ohne Beisatz sage, hat man also auch nur gegen die jetzt weit vorherrschende antiatomistische Richtung der Philosophie, nicht gegen die Philosophie überhaupt gesagt zu halten. Es wäre nur weitläufig gewesen, dies jedesmal besonders hinzuzufügen; und wer mich in dieser Beziehung nicht mißverstehen will, kann mich nicht mißverstehen.

    Wenn man aber die Angriffe in dieser Schrift gegen die Schelling’sche, Hegel’sche, Herbart’sche und die von ersteren abgeleiteten Weisen des Philosophierens (als sämtlich der antiatomistischen Richtung angehörig und sie heutzutage hauptsächlich bestimmend) doch etwas hart und unumwunden findet, so möge man nicht übersehen, dass sie als Abwehr gleich harter und, wie hier mindestens zu zeigen versucht wird, minder gerechter und begründeter Angriffe gegen die hier vertretene Lehre motiviert sind.

    Es mag aber allerdings sein, dass im Eifer der Verteidigung oder des Angriffs die Anerkennung doch zu sehr zurücktritt, die in jedem Fall Männern gebührt, welche, wenn auch nicht die wirklichen Besitzer der absoluten Sophia, als die sie sich selbst laut proklamierten, doch sicher die Vertreter und Erhalter einer Philosophia längere Zeit hindurch gewesen und es noch in ihren Abkömmlingen sind, die nur das lebhafte Begehren mit dem Haben, den Gang mit dem Ziele verwechselte. Gibt’s doch ohne Begehren kein Haben, ohne Gang kein Ziel; und wer wird je sich des vollen sicheren Habens, der richtigen Fassung des Ziels voll rühmen können! Ja, gestehe ich es, fast schlägt mir das Gewissen, wenn ich mich erinnere, was ich selbst jenen Männern verdanke, wie ich, der ich so weit von Schelling abgefallen und nur diesen Abfall hier zur Geltung bringe, doch ursprünglich mit meiner ganzen Philosophie von seinem Stamm gefallen; wie ich die beste Frucht von einem freilich weit abgebogenen Zweige Hegel’s gepflückt, wie ich aus Herbart’s Asche, um die ich Stamm und Frucht bedaure und vermisse, doch eine Kohle auf meinem eigenen Herde gebrannt (Zend-Avesta H. 351. 43. 373). Es soll ja aber auch mit all’ dem, was in dieser Schrift nach ihrem Charakter als Streitschrift gesagt ist und gesagt werden mußte, nicht überhaupt gesagt sein, dass Die, gegen welche sie sich richtet, ganz umsonst gelebt und gestrebt haben, da sie das Bewußtsein, dass es über der gemeinen Sinnesbetrachtung, der zerstückelten Weltauffassung, der toten Regel noch etwas Allgemeineres, Höheres, Lebendigeres, Ganzes, nach allen endlichen Zielen auch letzte Ziele gebe, nicht nur aufrechterhalten, sondern auch diesem Bewußtsein eine, wenn schon nur schwankende und zerfließliche Gestaltung, aber doch eine Gestaltung, die sicher große Züge der Wahrheit enthält, gegeben haben; und dass Alle, die von ihnen ausgegangen und über sie hinausgegangen (denn wer stände noch ganz bei ihnen), nur in größere Irren gegangen sind. Im Gegenteil; es hieße, mit ihrem Streben zugleich das unsere schlagen. Nur eben in dieser Schrift, bei diesem Gegenstande war wenig Anlaß, dies hervorzuheben, was ich hier nun zur Ergänzung eines sonst mit Recht unbillig und halb blind erscheinenden Urteils glaube hervorheben zu müssen, da die Opposition, in die ihre Richtungen gegen die hier vertretene treten, meines Erachtens eben nicht auf jenen Vorzügen der großen, hohen, einigen, lebendigen Betrachtung und Gestaltung, sondern auf dem gänzlichen Verkennen und Fehlen der Bedingungen einer klaren Betrachtung, einer haltbaren Gestaltung, auf der Zerfließlichkeit und Bodenlosigkeit ihrer Fundamente beruht; und in dieser Hinsicht weiß ich nichts von den gemachten Angriffen zurückzunehmen oder in Betreff Herbart’s nur so viel auszunehmen, als ich freilich zugleich von jenen Vorzügen bei ihm zurücknehmen muß.

    Vielleicht kann es für den ersten Blick auffallend erscheinen, dass gerade gegen Herbart sich in dieser Schrift manche vorzugsweise scharfe Äußerungen finden, da unter allen genannten Richtungen die seinige der hier vertretenen am verwandtesten erscheinen mag. Ist er doch auch ein Atomistiker, in anderer Bedeutung zwar, so dass er unserer Atomistik direkt widerspricht; aber hängt dies nicht bloß daran, dass er mit seiner Atomistik bis zu größerer Tiefe herabgegangen? bleibt doch das atomistische Prinzip ihm mit uns gemein; – dringt er doch ganz ebenso sehr wie wir darauf, rein vom Gegebenen auszugehen, zwar nur, um es sofort in ein Nichtgegebenes zu verwandeln; aber teilen wir nicht mit dem atomistischen Prinzip nun auch den Ausgangspunkt und Realgrund seines philosophischen Ganges, und sind nicht unsere Atome auch ein Nichtgegebenes?

    So mag man den Grund darin finden, dass, wo zwei Richtungen nicht überhaupt zusammenfallen, jeder Berührungspunkt mehr zugleich ein Divergenzpunkt mehr ist, der die Abweichung um so schärfer hervortreten läßt, und zwischen Verwandten die Gelegenheit zu Konflikten oft am größten. In der Tat sind jene Berührungspunkte, die ich anerkenne, zugleich Punkte, von denen aus die wesentlichste Abweichung beginnt, so, dass man nach Allem die Verwandtschaft der beiderseitigen Weltanschauungsweisen doch nicht zu groß finden wird.

    Inzwischen weil Das, was wir unsere philosophische Atomistik nennen, sei es im Prinzip, sei es in der Sache, doch um so leichter mit der Herbart’schen Monadologie verwechselt werden könnte, als sie sich auch im Namen der einfachen Wesen mit ihr begegnet, habe ich kurz sowohl jene Berührungspunkte, die sie wirklich damit gemein hat, als die Gesichtspunkte der Abweichung davon in einer übersichtlichen Zusammenstellung der Hauptmomente der beiderseitigen Weltansichten in einem Kapitel der zweiten Abteilung zu resümieren gesucht,3) wobei ich mir erlaube, hinsichtlich der näheren Begründung meines Urteils über die Herbart’sche Metaphysik (um die sich’s allein bei den hier besprochenen Fragen handelt) auf eine, diesem Gegenstand besonders gewidmete Abhandlang in Fichte’s Zeits. N. V. Band XXIII. Heft l mit zu verweisen.

            3) Dieses Kapitel ist in der jetzigen Auflage durch ein anderes von allgemeinerer Tendenz (das 28) vertreten.

    Ob aber die Richtung, die ich den genannten Richtungen gegenüber in dieser Schrift vertrete, und nach ihren formellen Gesichtspunkten an mehreren Orten dieser Schrift zu charakterisieren versucht habe, wirklich die richtige sei, darüber läßt sich freilich so gut streiten, als jene Richtungen unter einander selbst streiten, und es kann nun diese Schrift selbst mit zu dieser Vertretung dienen.

    Indem ich in diesem Vorwort die Richtung, den Charakter und Inhalt der ganzen Schrift nach ihren beiden Abteilungen zugleich in allgemeinster Weise vorweg anzudeuten suchte, liegt es in der Natur der Sache, dass auf Manches davon in den besonderen Eingängen und Betrachtungen dieser Abteilungen wird zurückzukommen sein, und es möge also entschuldigt werden, wenn in dieser Beziehung Einiges von allgemeinen Gesichtspunkten hier vorgegriffen und später als Wiederholung erscheint.
 
 

Vorwort zur zweiten Auflage.

    Seit dem Erscheinen der vorigen Auflage dieser Schrift (1855) hat sich der Stand der physikalischen Atomistik nicht wesentlich geändert; sie hat sich nur fort und fort weiter entwickelt und ist damit immer fester gewurzelt, wie ein Baum nach Maßgabe, als er mehr Zweige treibt, auch fester wurzelt. Nun war es von vorn herein nicht die Aufgabe dieser Schrift, das System der atomistischen Naturlehre eingehend darzustellen; also kann es auch nicht die Aufgabe dieser neuen Auflage sein, den Fortschritten derselben zu folgen; sondern ihre wesentliche Aufgabe besteht nach wie vor ausgesprochenermaßen nur darin, die Grundgesichtspunkte der atomistischen Ansicht einerseits den philosophisch dagegen erhobenen Einwänden gegenüber zu rechtfertigen (erste Abteilung), andererseits einen Weg philosophischer Abschließbarkeit der physikalischen Atomistik zu zeigen (zweite Abteilung); und da in beider Hinsicht noch ganz die früheren Gesichtspunkte und Gründe fortbestehen, so war von keiner dieser Seiten Anlaß, diese zweite Auflage wesentlich gegen die erste umzugestalten oder zu erweitern. Inzwischen bot sich mancher Anlaß zu Vervollständigungen dar, und habe ich Anlaß genommen, verschiedene mit der Hauptfrage in Beziehung stehende Punkte und Fragen von allgemeinerem Interesse eingehender als früher zu behandeln, wodurch trotz mancher Kürzungen und conciseren Fassungen, die ich nach anderen Seiten habe Platz greifen lassen, der Umfang dieser Schrift gegen die vorige Auflage um mehrere Bogen gewachsen ist. So sind die Kapitel 5, 9, 27, 28 ganz neu hinzugekommen, und die Kapitel 16, 21, 24, 25 durch erhebliche Zusätze erweitert, kleinerer Zusätze in fast jedem Kapitel nicht zu gedenken. Dabei durfte die Übersichtlichkeit des Stoffes durch vielfach vorgenommene Abänderung in Verteilung und Zusammenfassung desselben gewonnen haben.

    Man hat mir gesagt, ich würde wohl besser getan haben, die Gründe für die Atomistik einfach darzustellen, als mich so viel mit Philosophen dabei herumzuschlagen, wie es geschehen; die Gründe würden doch ihres Eindrucks nicht verfehlt haben. Vielleicht hat man Recht. Die Schrift würde jedenfalls an conciser Fassung und Haltung gewonnen haben, und viele Betrachtungen, die Viele gar nicht interessieren, denen es einfach bloß um die Tatfrage der Atomistik zu tun ist, würden weggefallen sein. Inzwischen ist diese ganze Schrift aus einer oppositionellen Richtung gegen die neuere Philosophie hervorgegangen, und die Atomistik würde gar keiner Verteidigung bedürfen, wenn sie nicht von den Philosophen angegriffen worden wäre. Es war daher schwer, wenn nicht unmöglich, eine Rechtfertigung derselben abzufassen, ohne sie gegen die Philosophen zu richten; und wenn sich die Schrift überhaupt nicht in diesem Sinne umarbeiten ließ, ohne sie zu einer ganz neuen mit neuer Tendenz zu machen, so habe ich es, näher erwogen, auch nicht für zweckmäßig halten können. Die ganze Schrift wird ihrer Haupttendenz nach überflüssig geworden sein, wenn der Widerstand der Philosophen gegen die Atomistik ausgestorben sein wird, ein Zustand, dem die Zeit sicher entgegengeht; da er aber doch noch nicht eingetreten ist, so mag man der Schrift immerhin gestatten, in Beibehaltung ihrer früheren Tendenz und Fassung, so viel an ihr ist, etwas dazu beizutragen, ihn herbeizuführen. Ganz fruchtlos ist sie doch in dieser Beziehung nicht gewesen.

    Meinerseits lege ich überhaupt weniger Gewicht auf die in dieser Schrift gegebene Zusammenstellung der Gründe für die Atomistik, deren es in Kurzem nicht mehr bedürfen wird, als den darin gemachten Versuch, die Atomistik dem Gesamtbestande unserer Erkenntnisse triftig einzuordnen und gewisse allgemeine Formalprinzipien dabei zur Geltung zu bringen, der nicht bald eben so überflüssig sein wird, weil er noch weit von einer allgemeinen Geltung entfernt ist. Die Atomistik hat sich schon gegen eine ihr hart widerstrebende Philosophie so gut als durchgesetzt; um sie aber selbst philosophisch recht zu stellen, muß auch erst eine andere Philosophie durchgesetzt sein, eine Philosophie, welche die Atomistik nicht bloß unwillig und in halbem Zugeständnis in ihren aprioristischen Nexus aufnimmt, weil sie nun einmal nicht mehr abzuweisen ist, sondern die in Verallgemeinerungen über sie und andere Einzelgebiete faktischen Wissens und praktischen Interesses emporsteigt; und ich habe gern die von der Behandlung der Atomenfrage aus sich darbietenden Gelegenheiten ergriffen, diese Richtung der Philosophie, die ich für die rechte halte, zu bezeichnen, und die Atomistik selbst in diesem Sinne zu stellen. Man würde aber der Schrift mit Unrecht vorwerfen, dass sie das philosophisch Postulierte und physikalisch Begründete vermischt, da vielmehr beides in ihr überall streng, selbst äußerlich, auseinandergehalten ist; wonach es jedem freisteht, sich vielmehr an die eine oder andere Seite der Betrachtung zu halten.

    Bei dem durchweg oppositionellen Charakter, den dieselbe hiernach gegen die Hauptrichtungen der neueren Philosophie trägt, konnte es nicht fehlen, dass sie von dieser Seite her ihrerseits vielen Anfechtungen ausgesetzt war. Insoweit mir dieselben von beachtenswerter Seite herzurühren schienen, sind sie von mir in einigen Abhandlungen in Fichte’s philos. Zeitschrift 4) beantwortet, und, insoweit sie mir an sich der Rücksichtnahme zu bedürfen schienen, hier nachträglich berücksichtigt worden, ohne dass ich mich veranlaßt gefunden hätte, eingehende Erörterungen in dieser Hinsicht nachzutragen. Manchen Einwänden kehrt man doch besser den Rücken, als sie zu bekämpfen.

4) "Über die Atomistik." 1854. S. 25. "In Sachen der Atomistik." 1856. S. 61. 165. "Üeber den Punkt." 1858. S. 161.
 
 
    Billig ist der Wunsch, dass man nicht immer von Neuem auf Einwände gegen die Atomistik zurückkomme, die in der Schrift erledigt sind, ohne sich um das zu kümmern, was zur Erledigung derselben darin gesagt ist; doch wird er wohl wie bisher unerfüllt bleiben.

    Seit dem ersten Erscheinen dieser Schrift sind einige andere Schriften über Atomistik erschienen, von Drossbach, von Langenbeck und von Grassmann, die im historischen Kapitel näher verzeichnet und kurz charakterisiert sind. Hier genüge es, ihr Verhältnis zur vorliegenden Schrift kurz anzudeuten.

    Drossbach’s Atome, ungeheure Kraftkugeln, haben nur den Namen mit unseren Atomen, und seine Atomistik mit unserer Atomistik nur den Versuch gemein, die Körperwelt damit zu konstruieren. – Langenbeck hütet sich mit seinen metaphysischen Atomen so sehr, in die Physik eingreifen zu wollen, ja fast ihr damit zu nahe zu kommen, dass das Verhältnis zu unserer Atomistik von anderer Seite damit verloren geht. – Hingegen ergänzt sich Grassmann’s Schrift in ihrer Tendenz, die Atomistik aus rein physikalischem Gesichtspunkte zur Geltung zu bringen, insofern mit der unseren, als die unsere in Ausführungen der Atomistik nur insoweit eingeht, als zur Rechtfertigung der Atomistik nötig ist, und die einfache Atomistik nur als Abschluß der physikalischen Atomistik in Aussicht stellt; hingegen die Grassmann’sche von einer Rechtfertigung der Atomistik nur so viel beibringt, als zur Einleitung ihrer Ausführung nötig war, und dabei sofort von der einfachen Atomistik ausgeht; ein Versuch, den ich freilich zur Zeit noch für zu gewagt halte, um ihm in jeder Hinsicht beipflichten zu können.