III. Vorbemerkungen über das Substrat der Imponderabilien.1)

    Leider müssen wir gleich mit Betrachtungen beginnen, die dem Physiker recht müßig scheinen werden; aber wir haben es ja nicht mit dem Physiker, sondern mit dem Philosophen zu tun, der dem Physiker über so manche Punkte ein Verständnis eröffnen möchte, ohne ihn nur recht verstanden zu haben. Natürlich meinen wir nur diejenigen damit, die es trifft.

            1) Ausführungen dazu s. in Fichte’s Zeitschr. B. 57, S. 26 ff.

    Die Frage, ob Atome oder nicht, kann sowohl bezüglich des Gebietes der wägbaren als unwägbaren Substanzen aufgeworfen werden. Sie wird im Folgenden bezüglich beider Gebiete behandelt und bejaht. Auch der Äther, als Substrat der Bewegungen, auf welchen die Erscheinungen des Lichts, der Strahlwärme, des Magnetismus und der Elektrizität (wahrscheinlich gemeinsam) beruhen, ist atomistisch zusammengesetzt. Nun kann aber vom gegnerischen Philosophen vorweg bestritten werden und wird in der Tat mehrfach bestritten, dass den Erscheinungen des Unwägbaren in ähnlichem Sinne ein Substrat unterliege, als den Erscheinungen des Wägbaren. Falle aber das Substrat der Imponderabilien, so falle damit von selbst der Atomismus für dies Gebiet weg, den bloß die falsche Voraussetzung eines Substrats hier mitführe oder nachziehe. Was man als ein Spiel der Imponderabilien zwischen den wägbaren Körpern oder innerhalb derselben fasse, sei zum Teil nur Spiel der Kraftäußerungen der wägbaren Körper auf einander oder innerer Kraftäußerungen ihrer wägbaren Masse. Insofern man aber von den Imponderabilien besonders zu sprechen habe, seien es Actus puri, Bewegungen ohne Substrat, welche die räumliche Fortschreitung, nicht mehr aber die träge Masse an sich haben, womit die körperliche Bewegung behaftet sei; so Licht und Strahlwärme bei ihrer Fortpflanzung durch den Himmelsraum und ihrer freien Durchstrahlung durch Luft, Wasser, Kristalle; so auch das Unwägbare, was in unserem Nervensystem spielt. Mit Rücksicht auf letzteres faßt man auch wohl das Unwägbare als ein Vermittelungsglied oder Mittelglied zwischen Geist und Körper unter Kategorien auf, welche dasselbe an der Natur des einen und anderen partizipieren lassen, ohne ihm die Natur des einen und anderen ganz zu leihen.

    Ohne auf die meist schwer verfolgbaren Begründungen und Ausführungen solcher bei verschiedenen Dynamikern sich verschiedentlich modifizierenden Auffassungen näher einzugehen, läßt sich, genug für unseren Zweck, hier Folgendes im Allgemeinen dagegen sagen.

    Erstens. Wird der Äther als substantielles Mittelglied der Strahlung des Lichtes und der Wärme von Sonne zur Erde geleugnet, so wird hiermit der Atomismus, der im Kleinen geleugnet wird, im Großen zugegeben, d. h. es werden räumlich diskrete Massen mit absolut leeren Zwischenräumen zugegeben, und man sieht dann überhaupt nicht ein, was es noch für ein anderes, als gemachtes, philosophisches Interesse haben kann, das im Kleinen zu leugnen, was man im Großen zugibt, ja behauptet. Jedenfalls kann die Kontinuität der Materie dann nicht mehr auf den Begriff der raumerfüllenden Kraft gestützt und der Raum selbst nicht mehr als ein bloßes Akzidenz oder ein bloßer Formalbegriff, der nur solidarisch mit dem fließenden Inhalt der Materie zu fassen sei, betrachtet werden, wie es so oft in Opposition gegen die Atomistik geschieht. (Vergl. Kap. 9.)

    Zweitens. Licht- und Wärmestrahlung zwischen den Himmelskörpern oder auch irdischen Körpern bloß als Kraftwirkungen der wägbaren Körper auf einander in distanz in demselben Sinne anzusehen, wie die Wirkungen der Schwere, der man das Licht so gern polar gegenüberstellt, geht deshalb nicht, weil das Licht und die Strahlwärme, aber nicht die Schwere, durch Zwischenkörper aufgehalten, reflektiert, gebrochen werden können, Zeit zur Fortpflanzung brauchen, überhaupt ganz analoge Gesetze befolgen, als die Fortpflanzung des Schalls, die zugestandenermaßen an einem Substrat hängt.

    Drittens. Läßt man hingegen die Fortpflanzung des Lichtes und der Wärme zwar als eine analoge Bewegung, wie die des Schalls, gelten, ohne ihr aber im selben Sinne als diesem ein Substrat unterzulegen, so kann man zuvörderst fragen, ob eine Bewegung ohne ein Bewegtes überhaupt denkbar sei. Vielleicht wird dies mit Unrecht bestritten. Ich kann das Nebeneinander des Raums denkend nach einander durchlaufen; dies gibt den abstrakten Begriff der Bewegung, und wenigstens deutlich brauche ich ein Bewegtes dabei nicht mit zu denken; der Streit aber, ob nicht doch undeutlich, wird nicht zu entscheiden sein. Nun ist gewiß, dass mit solch abstraktem Nacheinander des Nebeneinder die photographischen Wirkungen des Lichtes, die ausdehnenden Wirkungen der Strahlwärme, wenn sie zu den Körpern gelangt, und die Wirkungen des Nervenagens in unserem Körper nicht repräsentiert werden könnten; aber das behauptet der Gegner auch nicht; er erfüllt den Begriff der Bewegung mit dem der Tätigkeit; es sollen nicht kraftleere, sondern tatkräftige, eben deshalb Actus genannte, Bewegungen sein, Bewegungen, denen die Kraft, das Wirken immanent ist, ohne dass sie träge Masse dazu mitführen oder brauchen. Ohne nun in einen neuen Streit einzugehen, ob Bewegungen denkbar sind, die ohne Masse auf Masse wirken, läßt sich aber wie folgt zeigen, dass sie physikalisch nicht brauchbar sind.

    Die Abänderungen in der Geschwindigkeit und Richtung der Schallfortpflanzung durch die Luft und andere Körper lassen sich in gesetzlichen Zusammenhang nur nach ihrer Abhängigkeit von Abänderungen der Dichtigkeit und Elastizität der Luft und anderen Körper bringen, welche Eigenschaften bloß mit Bezug auf ein massiges Substrat überhaupt einen Sinn haben. Dies hat noch kein gegnerischer Philosoph ersparen und leugnen können. Weigert man sich nun, die entsprechenden Abänderungen in der Geschwindigkeit und Richtung der Lichtfortpflanzung entsprechend von den Abänderungen in der Dichtigkeit und Elastizität eines Substrates abhängig zu machen, so fehlt jeder Weg, nicht nur sie in entsprechend gesetzlichen Zusammenhang unter sich zu bringen, sondern auch die Analogie einerseits, Verschiedenheit andererseits zwischen der Schall- und Lichtfortpflanzung von einer, beide Gebiete zugleich umfassenden Gesetzlichkeit, abhängig zu machen. Wer aber einen allgemeinen gesetzlichen Zusammenhang der Naturdinge verschmäht, ist nicht nur kein Physiker, sondern auch kein Philosoph.

    Wie man den Begriff Substrat philosophisch auflösen will, bleibt dabei ganz dahingestellt und wird vom Physiker gern dem Philosophen überlassen; er behauptet nur, im selben Sinne, als dem Schall, ist dem Licht ein Substrat unterzulegen, im selben Sinne insofern, als es durch dieselben Kategorien bestimmbar ist, wohin Dichtigkeit und Elastizität gehören, ohne dass diese bei Schall und Licht als gleich anzusehen sind, da vielmehr die Verschiedenheiten der Licht- und Schallfortpflanzung auf Verschiedenheiten hierin beruhen. Sollte sich das Licht wie der Schall durch Schwingungen der wägbaren Moleküle der Luft, des Wassers, Kristalls fortpflanzen, so würde er sich auch mit gleicher Geschwindigkeit dadurch fortpflanzen müssen, statt sich mit unsagbar größerer Geschwindigkeit hindurch fortzupflanzen, denn es kommt bezüglich der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Bewegungen durch körperliche Media nicht auf die Natur der sich fortpflanzende Bewegung, sondern des fortpflanzenden Mediums an. Ist aber der Äther ein Substrat im selben Sinne, nur mit anderer Dichtigkeit und Elastizität als die Luft, so muß auch die Frage nach Kontinuität und Diskontinuität bei ihm im selben Sinne erhoben und nach den weiter folgenden Gründen entschieden werden können.

    Viertens. Setzen wir endlich, die Imponderabilien lassen sich wirklich sei es auf Kraftäußerungen zwischen wägbaren Körpern oder auf substratlose Bewegungen oder teils auf das Eine teils das Andere zurückführen, so würde doch die Frage, ob Atomismus für sie besteht oder nicht, anstatt, wie man meint, vorweg in negativem Sinne dadurch entschieden zu sein, noch wesentlich ganz umgeändert bleiben; sie würde nur einen anderen Ausdruck und die entscheidenden Argumente dafür eine andere Form annehmen. Es mag nützlich sein, dies noch mit einigen Worten zu zeigen.

    In der Tat, möchte man immerhin die Bahn des Lichtstrahls durch den Kristall als eine Fortpflanzung durch die wägbaren Teile des Kristalls deuten können, so würde sich damit eben nur auf die wägbaren Teile übertragen, was man den unwägbaren dazwischen als nicht existierend abspricht; und möchte man immerhin die Imponderabilien als substratlose Bewegungen teils im Leeren, teils im Vollen ansehen, so würde sich zwar nicht mehr fragen können, ob sie von diskontinuierlichen Äther- oder Körperatomen vollzogen werden oder in einem kontinuierlichen Äther vorgehen, wohl aber, ob sie selbst kontinuierlich oder diskontinuierlich im Raume sind, d. h. ob Zwischenräume im Raume vorhanden sind, in denen nichts von diesen Actus stattfindet, oder ob sich dieselben in continuo durch den Raum erstrecken, sofern doch die Lichterscheinungen jedenfalls im Raume vorgehend zu denken und also auch die Actus darauf zu beziehen, d. h. darin zu lokalisieren sind. So wäre es in Betreff der Imponderabilien nur die Frage um Atomistik der Actus oder Bewegungen statt des Substrats, was das Wesen der Frage ungeändert läßt, und in Betreff der Ponderabilien bliebe überhaupt Alles ungeändert.

    Um sich den Sinn der Alternative noch bestimmter zu erläutern, braucht man nur an die diskontinuierlichen Bewegungen der Weltkörper im Raum einander gegenüber zu denken. Auch wenn wir uns dergleichen Bewegungen als Actus puri, als sukzessive Tätigkeitsentwicklungen in an einander hängenden Orten des Raums, ohne Rücksicht auf Materie denken, oder auch die Erscheinung der massiven Weltkörper selbst von solcher Tätigkeitsentwicklung abhängig machen wollten, die nur den Ort im Raume wechselt, was von der Ansicht mancher Dynamiker nicht gar zu weit abweichen dürfte, würden sie nichts desto weniger noch diskontinuierlich im Raume zu denken und dies Verhalten von der Kontinuität zu unterscheiden sein, welche der Bewegungszug jedes einzelnen Weltkörpers in sich hat. Man sieht jedenfalls, es können Bewegungen, Actus im Raume kontinuierlich und diskontinuierlich sein, und die Frage ist nicht umsonst, ob gegebene Erscheinungen von Actus dieser oder jener Art abhängen; es ist ein Fehlschluß, wenn man meint, es reiche nur hin, über das Dasein oder Nichtdasein eines Substrats im Raume, im Reinen zu sein, um hiermit auch ohne Weiteres über die Kontinuität oder Nichtkontinuität der Actus im Raume im Reinen zu sein. Beide Fragen sind unabhängig von einander.

    Sehen wir endlich näher zu, was mit der Voraussetzung substratloser Actus gewonnen werde; Um den Zusammenhang der Erscheinungen erforderlich zu repräsentieren, hätte man für die nicht mehr Platz greifenden Begriffe der Dichtigkeit und Elastizität eines Substrats andere, das Wesen der Actus selbst betreffende, Begriffe einzuführen, müßte aber dazu dieselben Bestimmungen in die Actus einführen, die der Physiker in das Substrat verlegt, denn der Physiker charakterisiert ja das Substrat absolut durch nichts Andres, als was zur Repräsentation des Zusammenhangs der Erscheinung, denen er es unterlegt, nötig ist. Also hätte man im Grunde nur das Wort, nicht die Sache des Substrats eliminiert und ersetzt, und würde mit dem anderen Worte ganz eben so zur Sache des Atomismus kommen müssen.

    Dass der Äther im Himmelsraume den Kometen einen Widerstand entgegenzusetzen scheint, und dass die Kant-Laplace’sche Hypothese über die Bildung der Weltkörper darauf führen kann, die Weltkörper aus derselben Substanz geballt zu denken, die noch als Verbindungsglied zwischen ihnen zurückgeblieben ist, habe ich vorstehends mit Fleiß nicht geltend gemacht, da es der Geltendmachung des noch nicht Zweifellosen oder Hypothetischen dabei nicht bedurfte.