XXV. Hypothese über das allgemeine Kraftgesetz der Natur.

    Nach allen im vorigen Kapitel gepflogenen Erörterungen ist nicht anzunehmen, dass sich die Naturerscheinungen bloß mit Hilfe der Gravitation und Beharrung werden konstruieren lassen. Ehe man sich aber entschließt, Grundkräfte zuzulassen, die mit einer verschiedenen Grundqualität der Materie in Beziehung stehen, kann noch folgender Weg versucht werden.

    Es ließe sich denken, dass die Gravitation, ohne selbst die allgemeinste Kraft zu sein, welche das Geschehen in der Natur beherrscht, nur einen besonderen Fall einer allgemeinsten Kraft, oder, was dasselbe sagt, das Gravitationsgesetz nur einen besonderen Fall eines allgemeinsten Gesetzes darstellte, unter welchem alles Geschehen in der Natur steht, den Fall nämlich, der für merkliche und übermerkliche Entfernungen der materiellen Teilchen gilt, indes das allgemeine Gesetz für so kleine Entfernungen, wie sie bei den Molekularerscheinungen in Betracht kommen, Wirkungen bemerklich werden ließe, die für jede größere Entfernung verschwinden, und sich also unter dem Gravitationsgesetze nicht inbegriffen zeigen. Das Gravitationsgesetz wäre hiernach eigentlich nur ein Annäherungsgesetz, um so richtiger, je größer die Entfernung der Teilchen, doch schon merklich genau bei jeder merklichen Entfernung der Teilchen. Wie aber das Gravitationsgesetz auf eine verschiedene Grundqualität der Materie nicht Bezug nimmt, könnte dasselbe auch von dem allgemeinsten Gesetze gelten, dem es sich unterordnet.

    In der Tat hat man schon mehrfach versucht, die allgemeine Kraft durch eine unendliche Reihe von Gliedern auszudrücken, die nach Potenzen des Abstandes der Teilchen von einander aufsteigen, indem sie diesen Potenzen umgekehrt proportional (reziprok) sind. Das erste, dem Quadrat des Abstandes reziproke, Glied sollte die Gravitation bedeuten, gegen welches die folgenden Glieder bei merklichem Abstande der Teilchen verschwänden, indes umgekehrt bei molekularen Abständen die folgenden Glieder eine überwiegende Größe erhielten. Durch Abwechselung der Vorzeichen ließen sich abstoßende mit anziehenden Kraftgliedern in derselben Reihe vereinigen, von denen je nach den Verhältnissen des Abstandes bald die einen, bald die anderen überwiegen könnten.

    So hat schon Boscovich in Zusammenhang mit seiner einfachen Atomistik eine solche Vorstellung von der Beschaffenheit der allgemeinen Grundkräfte gehegt, und ist in mannigfache Erörterungen darüber eingegangen (Theoria phil. nat. §. 12. 117 ff. und Suppl. §. 15); ohne jedoch, so viel ich ans seiner Theoria ersehe, die Potenzenreihe näher zu bestimmen. (Vergl. darüber Kap. 27.) Auf eine ähnliche Vorstellung ist Buijs Ballot (Pogg. Ann. CIII. 241), wie er bemerkt, unabhängig von Boscovich, gekommen, bezieht jedoch die Form des Gesetzes (eine Reihe, nach reziproken Werten von r2, r3, r4 ... aufsteigend) nicht auf Grundkräfte, sondern resultierende Kräfte, und setzt demgemäß die Konstanten der das Gesetz ausdrückenden Reihe je nach Berücksichtigung von mehr oder weniger Teilchen veränderlich. Auch sonst erinnere ich mich, gelegentlich hier und da auf ähnliche Vorstellungen gestoßen zu sein, als geeignet, die Molekularkräfte mit der Gravitation unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt zu vereinigen, nirgends aber auf ein rationelles Prinzip der Aufstellung eines solchen Gesetzes. Nicht leugnen kann man doch, dass ein so kompliziertes Gesetz in Widerspruch mit der Einfachheit zu stehen scheint, die man sonst gewohnt ist, von letzten Gründen der Erklärung im Naturgebiet zu fordern, und namentlich die Annahme eines Vorzeichenwechsels der Kraft bloß nach Verhältnissen der Entfernung der Teilchen von vorn herein etwas sehr Widerstrebendes hat. Auch glaube ich nicht, dass die bisherige Weise, den Gegenstand zu fassen, das Rechte trifft, stelle aber im Folgenden ein Prinzip auf, was zwar nicht zu demselben, aber doch einem verwandten Resultate führt, indem es höhere Potenzen als die zweite mit Vorzeichenwechsel in solcher Weise einführt, dass die Komplikation nur in den Folgen des einfachen Prinzips und dieses als eine Verallgemeinerung dessen erscheint, was bei. der Gravitation als einem Einzelfalle, der sich dem Prinzipe unterordnet, gilt.

    Für den ersten Anblick zwar könnte man fast bedauern, dass ein so einfaches Gesetz wie das Gravitationsgesetz nicht zugleich das allgemeinste sein soll, indes wird sich zeigen, dass seine Einfachheit in der Tat nur eine Dürftigkeit ist, und dass unser Prinzip einen kaum minder einfachen, aber höheren und allgemeineren Gesichtspunkt stellt, der einer Entfaltung in einen unsäglich größeren Reichtum besonderer Gesetzesfälle fähig ist, als das Gravitationsgesetz, welches selbst nur den zweiten der bisher bekannten Fälle dieses Gesetzes darstellt.–Hierzu führt folgende Betrachtung.

    Gewöhnlich faßt man Beharrung und Kraft als etwas grundwesentlich Verschiedenes auf. Indes ist doch der Erfolg der Beharrung mit den Erfolgen der Kraft gerade so und nach denselben Regeln zusammensetzbar (beispielsweise in der Wurfbewegung) als die Erfolge der Kräfte unter sich, auch läßt sich ein begrifflicher Bezug zwischen Beharrung und Kraft durch den Gesichtspunkt finden, dass das Gesetz der Beharrung das Verhalten eines Teilchens für sich ohne Rücksicht auf sein Zusammensein mit anderen bestimmt, das Gesetz für die Kraft aber das Verhalten je eines Teilchens im Zusammensein mit je einem anderen, aber ohne Rücksicht auf sein Zusammensein mit noch mehreren, und ohne Rücksicht auf das vorige Gesetz. Da das Kraftgesetz das Verhalten je eines Teilchens zum anderen wechselseitig und solidarisch bestimmt, hindert nichts, auch zu sagen; das Beharrungsgesetz bestimme das Verhalten je eines Teilchens für sich ohne Rücksicht auf sein Zusammensein mit anderen; das Kraftgesetz das Verhalten je zweier Teilchen in Verbindung, ohne Rücksicht auf ihr Zusammensein mit noch mehreren, wie ohne Rücksicht auf das erste Gesetz. Die Erfolge beider Gesetze setzen sich dann aber an jedem Teilchen zusammen.

    Wir haben hier zwei erste Stufen einer Gesetzesreihe; läßt sich dieselbe nicht weiter fortsetzen?

    Gibt es ein Gesetz, was das Verhalten je eines Teilchens für sich bestimmt, ein solches vom vorigen zu trennendes, was das Verhalten je zweier Teilchen in Verbindung bestimmt, dessen Erfolge sich aber mit denen des vorigen zusammensetzen, warum nicht ferner eben sofür je 3 Teilchen besonders, für je 4 Teilchen besonders u. s. w., Gesetze, die von den vorigen zu trennen sind, deren Erfolge sich aber mit denErfolgen der vorigen zusammensetzen?

    Bisher hat man Das, was in einer Kombination z. B. von drei Teilchen geschieht, rein aus der Zusammensetzung der Erfolge abgeleitet, welche durch die für je ein Teilchen und je zwei Teilchen geltenden Gesetze bestimmt werden. Es ist gewiß, dass dies für alle Berechnungen der himmlischen Erscheinungen ausreicht; aber reicht es auch für die Molekularerscheinungen aus? können nicht eben hier Erfolge bemerklich werden, die von Kräften abhängen, welche solidarisch durch das Zusammensein von mehr als zwei Teilchen bestimmt werden?

    Hat sich doch nach W. Weber’s Untersuchungen im Gebiete der Elektrizität die Notwendigkeit wirklich schon herausgestellt, Kräfte anzunehmen, die nicht bloß durch das Zusammensein je zweier Teilchen, sondern auch das Mitdasein der anderen bestimmt werden. (Vgl. hierüber Weber’s Abhandlung in der Abhandl. der Jablonowskischen Gesellsch. 1846, S. 376 oder meine Schrift "Zend-Avesta" II. S. 287, wo die Stelle nach Weber mitgeteilt ist.)

    Gehen wir also dem Gedanken solcher Kräfte weiter nach, indem wir das Verhältnis, was schon zwischen dem ersten und zweiten Gesetz besteht, im Fortschritt zu den weiteren Gesetzen zu verallgemeinern suchen.

    Das erste Gesetz bestimmt das Verhalten eines Teilchens für sich; das zweite Gesetz bestimmt das Verhalten desselben Teilchens nach den Verhältnissen seines Zusammenseins mit je einem anderen, weist ihm eine demgemäße Geschwindigkeit und Richtung an, die mit der durch das erste Gesetz bestimmten nicht allgemein zusammenfällt, aber sich damit zusammensetzt, sowie auch die verschiedenen Richtungen und Geschwindigkeiten, die das zweite Gesetz dem Teilchen anweist, je nachdem dasselbe mit diesem oder jenem anderen Teilchen zusammengefaßt wird, sich zusammensetzen; das dritte Gesetz wird nun das Verhalten des Teilchens nach den Verhältnissen seines Zusammenseins mit je zwei anderen solidarisch bestimmen (wozu wir unten die Regeln näher zu ermitteln versuchen), ihm eine demgemäße Geschwindigkeit und Richtung anweisen, die mit der durch die beiden vorigen Gesetze bestimmten nicht allgemein zusammenfällt, aber sich damit zusammensetzt, sowie auch die verschiedenen Richtungen und Geschwindigkeiten, die das dritte Gesetz dem Teilchen anweist, je nachdem dasselbe mit diesen oder jenen zwei anderen Teilchen zusammengefaßt wird, sich zusammensetzen werden und so fort auch bei den Kräften die durch das Zusammensein von je vier Teilchen, je fünf Teilchen, u. s. w. bestimmt werden, allgemein in der Art: dass immer der Erfolg der höheren Gesetze, anstatt als eine Zusammensetzung des Erfolgs der niederen gefaßt werden zu können, sich mit den Erfolgen der niederen Gesetze selbst zusammensetzt.

    Soll eine solche Ansicht statthaft erscheinen, so gehört noch dazu, dass die Kräfte, welche durch die höheren (d, h. aus mehr Teilchen bestehenden) Kombinationen bestimmt werden, um so rascher mit der Entfernung abnehmen, je höher die Kombination, so dass alle Kräfte, welche die Gravitation übersteigen, für die Bewegung der so fernen Himmelskörper außer Acht gelassen werden können, indes sie im Gebiete des Molekularen eine große und selbst größere Rolle als die Gravitation spielen könnten. Es wird sich aber unten zeigen, wie dies aus dem Verallgemeinerungsprinzip, was der ganzen Ansicht zu Grunde liegt, von selbst folgt, indem sich danach schon für die ternäre Kraft eine Reziprozität mit der sechsten Distanzpotenz ergibt.

    Auch im Gebiete des Molekularen können solchergestalt, je nach den Abstandsverhältnissen der Teilchen oder Moleküle, bald niedere Kräfte gegen höhere, bald höhere gegen niedere verschwinden und relativ isolierte Kombinationen in Betreff des Verhaltens ihrer Teilchen zu einander als bloß ihren eigenen inneren Kräften überlassen gedacht werden, ungeachtet streng genommen jede Kombination als Glied der allgemeinen Weltkombination selbst den höchsten Weltkräften mit unterliegt.

    Ehe wir das so im Allgemeinen aufgestellte Prinzip näher zu bestimmen und in Folgerungen zu entwickeln versuchen, lassen wir einige allgemeinere Betrachtungen zu seinen Gunsten sprechen.

    Von vorn herein liegt keine aprioristische Notwendigkeit vor, das Verhalten eines Teilchens unmittelbar nur nach seinem Bestehen für sich und seinem Zusammensein mit je einem anderen Teilchen gesetzlich bestimmt zu denken, und Alles bloß von Zusammensetzung so gewonnener Bestimmungen abhängig zu machen, da jedes Teilchen doch eben so als für sich und als mit je einem auch mit je zwei, mit je drei anderen Teilchen u. s. w. unmittelbar zusammen und zusammenfaßbar ist; ja es kann von vorn herein wenig wahrscheinlich erscheinen, dass die Natur sich mit den zwei ersten Schritten auf einem Wege, der ins unendliche frei steht, begnügt haben sollte.

    Dieser allgemeinen Betrachtung kommt entgegen, dass die höheren Kräfte, auf die wir so geführt werden, sich zur Befriedigung wirklicher Bedürfnisse der Physik auch wirklich geeignet zeigen, wie dies beim näheren Eingehen auf die Folgerungen unsers Prinzips erhellen wird. Es fragt sich in der Tat eigentlich nicht, ob wir noch andere Kräfte als die Gravitation haben wollen, sondern wie wir solche in Verhältnis und Zusammenhang mit der Gravitation denken und des Näheren bestimmen sollen, und in dieser Beziehung dürfte unser Prinzip die günstigstmöglichen Bedingungen darbieten.

    Erinnern wir hier nur ganz vorgreiflich an einige Punkte, wo unser Prinzip versprechende Aussichten eröffnet.

    Für nichts scheint die Annahme von Kräften, welche solidarisch von den Verhältnissen des Zusammenseins aller Teile eines Systems abhängen, oder was Dasselbe sagt, von Gesetzen, welche das Verhalten aller Teile desselben solidarisch bestimmen, willkommener als für die Deutung der Erscheinungen, welche die Organismen darbieten. In der Tat scheint es kaum denkbar, dass man das Spiel dieser Erscheinungen bloß von einer Zusammensetzung von Kräften, welche von je einem Teilchen zum anderen herüberwirken, sollte abhängig machen können, dagegen es im Sinne unserer Hypothese für die Gesamtheit der Teile eines Organismus eine Kraft gibt, welche deren Verhältnisse im Zusammenhange beherrscht, mit vielen untergeordneten Kräften für die besonders untergeordneten Systeme, die in der allgemeinen Zusammenstellung inbegriffen sind.

    Nicht minder ist die Deutung der verschiedenen Qualität der sog. chemisch einfachen Stoffe leicht mit unserem Prinzip in Beziehung zu setzen, falls man im Sinne der früher entwickelten Vorstellung nur die einfachsten Kombinationen des einfachsten Stoffes darin sucht, sofern es gestattet, ihre Hauptverschiedenheit in der Verschiedenheit des Gesetzes zu sehen, was in den ihnen unterliegenden Molekülen je nach der Zahl der darin befaßten Atome waltet.

    So verspricht unser Prinzip von vorn herein ebenso für die Repräsentation der verwickeltsten Anordnungen der Natur, d. i. der organischen, wie der einfachsten Anordnungen, d. i. der Moleküle der sog. einfachen chemischen Stoffe, Dienste zu leisten; was gewissermaßen die Grenzfälle des Gebiets sind, das damit zu decken ist.

Um jedoch einen bestimmtem Anhalt zur Beurteilung der Tragweite und Leistungen unsers Prinzips zu gewinnen, wird es gelten, dasselbe erst näher zu bestimmen, d. h. die Abhängigkeit der Kräfte, die es unter sich faßt, von den Verhältnissen des Zusammenseins der Teilchen in entsprechender Weise allgemein festzustellen, wie es für die Gravitation schon im Besonderen stattfindet, und hierzu dürfte der beste, wo nicht einzige Weg der sein, dass wir eben durch eine verallgemeinernde Fassung des Gravitationsgesetzes selbst dazu zu gelangen suchen. Die gewöhnliche Ausdrucksweise des für je zwei Teilchen geltenden Gravitationsgesetzes gestattet nun freilich keine Verallgemeinerung für mehr als zwei Teilchen und dies hat unstreitig beigetragen, den Gedanken an ein allgemeines Gesetz wie das unsrige zurückzudrängen; aber es ist leicht, die gewöhnliche Ausdrucksweise in eine andere zu übersetzen, welche dem Faktischen ebenso gut genügt und das Verlangte leistet.

    Nach der gewöhnlichen Fassung des Gravitationsgesetzes ist die Kraft jedes Teilchens nach der Verbindungslinie der Teilchen gerichtet, d. h. es strebt sich in Richtung dieser Linie nach dem anderen Teilchen hin zu bewegen. Aber da in einer Kombination von drei Teilchen jedes Teilchen mit je zwei anderen verbunden ist, so kann die Kraft dritter Stufe, welche durch das Zusammensein aller drei gemeinschaftlich bestimmt sein soll, weder im Sinne der einen, noch andern Verbindungslinie gerichtet sein, da natürlich keine etwas vor der anderen voraus hat. Welches wird ihre Richtung sein? Da der gewöhnliche Ausdruck des Gravitationsgesetzes in dieser Beziehung keine Verallgemeinerung zuläßt, so übersetzen wir ihn in einen anderen, welcher das Faktische noch ebenso gut als der erste trifft, aber nun die Übertragung auf die Kombination von drei und mehr Teilchen gestattet. Wir sagen nicht mehr, die Kraft jedes Teilchens ist nach dem anderen Teilchen, sondern sie ist nach dem gemeinsamen Schwerpunkt beider Teilchen gerichtet, als wenn dieser der sie gemeinsam anziehende Mittelpunkt wäre. Im Faktischen kommt dies in der Tat auf dasselbe hinaus, kann aber nun auf jede beliebige Anzahl Teilchen übertragen werden.

    Auch bei einer Kombination von drei Teilchen, von vier Teilchen u. s. w., wird also die durch das Zusammensein der Teilchen gemeinsam bestimmte Kraft überall gegen den Schwerpunkt der Kombination gerichtet sein, oder, sofern sich später auch abstoßende Kräfte unter der Reihe der höheren Kräfte von selbst ergeben werden, von ihm weg gerichtet sein, als wenn die ganze anziehende oder abstoßende Kraft des Systems von da ausginge. Da übrigens die Zusammensetzung der Gravitationswirkungen in Kombinationen aus drei und mehr Teilchen jedes Teilchen ebenfalls gegen den Schwerpunkt treibt, so wird durch die höhere Kraft schließlich eigentlich keine neue Richtung eingeführt, sondern die einfache Wirkung derselben addiert sich oder (im Fall abstoßender Kräfte) subtrahiert sich nur zu oder von der zusammengesetzten Wirkung der Gravitation, ohne doch mit ihr identifiziert werden zu können.

    Die Vorstellung, dass die Richtung der Kraft jedes Teilchens einer Kombination statt in Bezug zu einem anderen Teilchen vielmehr in Bezug zum gemeinsamen Schwerpunkt aller Teilchen der Kombination bestimmt ist, kann Schwierigkeit für Den haben, der die Kraft als etwas in den Teilchen besonders Sitzendes, Auf andere Teilchen Hinüberwirkendes ansieht, eine Schwierigkeit, die natürlich wegfällt, wenn man diese an sich unklare Vorstellung verläßt, um die Kraft, so wie von uns schon früher geschehen ist, vom Gesetzesbegriff abhängig zu machen. Hier zeigt sich der faktische Vorteil begrifflicher Klarheit. Wir sagen: Körper äußern eine Kraft auf einander, wenn sie sich nach einem auf die Verhältnisse ihres Zusammenseins bezüglichen Gesetze von oder gegen einander bewegen. Da hiernach die Kraft selbst erst durch das Zusammensein der Teilchen entsteht und bestimmt wird, in sofern das Gesetz eben nur für ein gegebenes Zusammensein eine gegebene Kraftwirkung aussagt, erscheint es auch ganz angemessen, dass die Richtung eines Teilchens durch die Kraftwirkung nicht einseitig in Bezug zum anderen, sondern in Bezug auf ein durch ihr gemeinsames Dasein gesetztes Ziel bestimmt ist, wie denn auch die Teilchen das gemeinsame Ziel, den gemeinsamen Schwerpunkt, wirklich erreichen würden, wenn sie ohne ablenkenden Impuls der alleinigen Wirkung anstehender Kräfte überlassen blieben.

    Jedenfalls ist gewiß, dass das Faktische der bis jetzt bekanntes Kraftwirkungen eben so wohl den einen als anderen Ausdruck duldet, so dass von hier aus kein Einwand gegen unsere Auffassungsweise möglich ist. Mit bloßen Ansichten aber lassen sich Ansichten nicht widerlegen.

    Unstreitig zwar wird nichts hindern, unsere einfach gegen den Schwerpunkt der Kombination gerichtet gedachten höheren Kräfte auch nach den Verbindungslinien der Teilchen zerlegt zu denken; aber weder konnte von einer solchen Auffassung bei der Herleitung der Wirkungsweise der höheren Kräfte ausgegangen werden, sofern sie einheitlich durch das Zusammensein mehrerer Teilchen bestimmt sein sollen, noch würde sich die allgemeine Betrachtung der Erscheinungen dadurch vereinfachen; wenn schon, wie nicht bestritten wird, für das Bedürfnis der Rechnung eine solche Zerlegung nötig sein kann.

    Die Abhängigkeit der Kraft vom Abstande der Teilchen wird für die Gravitation gewöhnlich so ausgedrückt: die Kraft sei umgekehrt proportional oder reziprok dem Quadrat des Abstandes. Da es aber schon bei drei Teilchen drei Abstände statt eines gibt, erleidet dieser Ausdruck wieder keine Übertragung auf die höheren Kräfte. Aber wir können ihn in folgenden übersetzen: statt zu sagen, die Größe der Kraft, welche in einer Kombination von zwei Teilchen a und b wirkt, sei reziprok dem Quadrat ihres Abstandes, kann ich ebenso gut sagen, sie sei reziprok dem Produkte aus dem Abstande von a zu b in den Abstand von b zu a, überhaupt dem Produkte der irgendwie von Teilchen zu Teilchen nehmenden Abstände. Danach wird dann die Kraft in einer Kombination z. B. ans drei Teilchen reziprok sein einem Produkt aus sechs einfachen Distanzen1) oder drei Distanzquadraten, d. i. im Fall der Gleichheit der Abstände der sechsten Potenz des Abstandes; in einer Kombination aus vier Teilchen einem Produkt aus zwölf einfachen Distanzen oder sechs Distanzquadraten u. s. f.

1) Nämlich, wenn a, b, c, die drei Teilchen, und a b, b c, a c, ihre respektiven Abstände (in einer Richtung verfolgt) sind, dem Produkte aus a b, b a, a c, c a, b c, c b, wovon je zwei abgesehen vom weiterhin zu berücksichtigenden Vorzeichenunterschiede gleich sind.     Dieses Ergebnis ist in sofern sehr befriedigend, als sich hiermit die große Schwächung der molekularen Kräfte mit der Entfernung, welche die Erfahrungen fordern, von selbst ergibt.

    Führt man die Bestimmung für Kombinationen von noch mehr Teilchen aus, so wird man zu einer, aus folgender Tabelle von selbst einleuchtenden, allgemeinen Regel geführt, wodurch sich ohne Rechnung aus der Zahl der Atome, die in die Kombination eingehen, sofort die Zahl der Distanzfaktoren ergibt, die in das Produkt eingehen, welchem die Kraft reziprok ist; eine Regel, die sich übrigens auch durch eine einfache Anwendung der Kombinationsrechnung ergibt. Man erhält nämlich:

                                                                Zahl der Teilchen der Kom-     Zahl der Distanzfaktoren, welche in das der Kraft
                                                                     bination.                                             reziproke Produkt eingehen.
 
                                                                        1                                                             0. l     =     0
                                                                        2                                                             1.2     =     2
                                                                        3                                                             2.3     =     6
                                                                        4                                                             3.4     =     12
                                                                        5                                                             4.5     =     20
                                                                        6                                                             5.6     =     30
                                                                        7                                                             6.7     =     42

u. s. f. Geht man zu den Quadraten über, so hat man natürlich die Hälfte der in der zweiten Kolumne gegebenen Zahlen zu nehmen, was die Reihe gibt

0, 1, 3, 6, 10, 15, 21 u. s. f. worin je zwei ungerade und zwei gerade Zahlen auf einander folgen, was für eine später zu ziehende Folgerung wichtig ist.

    Bei der Gravitation werden je zwei gleichwertige Teilchen durch die in ihrer Kombination wirkende Kraft mit gleicher Beschleunigung nach einander oder nach dem gemeinsamen Schwerpunkt hingetrieben, so dass die Lage dieses Schwerpunkts unverrückt bleibt. Soll bei Kombinationen aus mehr als zwei gleichen Teilchen unter dem Einfluß der darin waltenden höheren Kräfte die Lage des Schwerpunkts ebenfalls unverrückt bleiben, so kann die Beschleunigung nicht mehr für alle gleich sein, sondern muß im Verhältnis des Abstandes vom Schwerpunkt stehen, so dass sich die Teilchen von der Ruhe ab mit Geschwindigkeiten, welche diesen Abständen proportional sind, nach demselben hinbewegen. Da also bei den höheren Kombinationen nicht mehr wie bei den binären beide Bedingungen, gleiche Beschleunigung der gleichen Teilchen und Erhaltung der Lage ihres Schwerpunkts, zusammentreffen, so hat man sich zu entscheiden, welche von beiden festzuhalten ist. Unstreitig die letztere, weil wir kein System kennen, in welchem durch die Wirkung seiner eigenen Molekularkräfte der Schwerpunkt verrückt zu werden vermöchte. Die gleiche Beschleunigung der gleichmassigen Teilchen im Falle der Gravitation wäre dann nur als ein besonderer Fall anzusehen, welcher von dem gleichen Abstande derselben vom Schwerpunkte abhängt. Da die Richtung der Kraft auf den Schwerpunkt zu beziehen ist, muß ohnehin erwartet werden, dass der relative Abstand der Teilchen davon auf die relative Geschwindigkeit, mit der die Teilchen ihm zustreben, nicht ohne Einfluß sein werde; und wenn die größere Distanz der Teilchen von einander die Beschleunigung für alle Teilchen gemeinsam schwächt, so ist dies kein Hindernis, dass sich die Relation ihrer Beschleunigung nach dem Verhältnis des Abstandes vom Schwerpunkt richte. Dieser wird demnach in diesem Sinne mit in den Ausdruck der Kraft aufzunehmen sein.

    Insofern wir geneigt sind, anzunehmen, dass alle Atome in allen Kombinationen gleichwertig sind, wird die Kraft, von welcher die einfachen Atome in irgend welcher Kombination sollizitiert werden, unabhängig von den Massen der Atome, sofern die Masse jedes Atoms = l gesetzt werden kann, und das Produkt noch so vieler Massen dann auch l bleibt.

    Das Vorige hat noch nicht auf den Unterschied von Anziehungs- und Abstoßungskräften geführt. Man kommt aber leicht in folgender Weise auf einen solchen Unterschied.

    Die Richtung der Kraft, ob anziehend ob abstoßend, läßt sich bestimmt halten durch das respektiv negative (Verkleinerung des Abstandes bedeutende) oder positive (Vergrößerung des Abstandes bedeutende) Vorzeichen des aus den gesamten Distanzen erhaltenen Produkts. Dieses Vorzeichen ist immer für je zwei auf einander folgende Kraftstufen dasselbe und wechselt im Übergange zu den nächstfolgenden zwei Kraftstufen, wie sich leicht so ergibt:

    Nimmt man bei zwei Atomen a, b die Richtung von a nach b positiv, so ist die von b nach a, negativ, das Distanzprodukt also negativ, mithin die Gravitation anziehend. Alle Quadrate der Distanzen sind aus gleichem Grunde überhaupt negativ, eben so alle Distanzprodukte, in welche eine ungerade Zahl von Quadraten eingeht, und da nach vorgen. in das Distanzprodukt für 3 Atome 3 Quadrate eingehen, so ist auch das Distanzprodukt für 3 Atome negativ, mithin die ternäre Kraft ebenfalls anziehend. In das Distanzprodukt für 4 Atome dagegen gehen 6, in das für 5 Atome 10 Quadrate ein, also werden die Distanzprodukte hier positiv und die betreffenden Kräfte sind abstoßender Natur. Das oben angeführte Gesetz, wie die Distanzprodukte fortschreiten, führt von selbst mit, dass der Wechsel mit Aufsteigen in der Stufenreihe der Kräfte stets in voriger Weise fortgeht.

    Jede höhere Kraft in einer Kombination schließt notwendig das Mitbestehen aller niederen innerhalb derselben Kombination ein; da ja natürlich eine Verbindung z, B. aus 5 Atomen auch Kombinationen aus 4, aus 3, aus 2 Teilchen bis zu l herab einschließt; dagegen nicht umgekehrt. Die höchste Kraft in jeder Kombination kommt insofern immer nur einfach vor, als sie durch das Zusammensein sämtlicher Teilchen der Kombination bestimmt wird, obschon natürlich jedes Teilchen nach den angegebenen Regeln davon ergriffen wird; die niederen Kräfte aber kommen insofern mehrfach vor, als in jeder höheren Kombination sich mehrere niedere Kombinationen derselben Stufe finden lassen, und setzen sich in ihrer Wirkung unter einander und mit der ersten an jedem Teilchen zusammen.

    So unterliegt z. B. in einer Kombination von drei Teilchen jedes Teilchen l) einer einfachen Kraft dritter Stufe; 2) einer Zusammensetzung zweier Kräfte zweiter Stufe (weil es zwei Kombinationen zweiter Stufe zugleich angehört), und 3) einer einfachen Kraft erster Stufe, sofern man das Wort Kraft hier noch brauchen will, oder der Beharrung. Diese drei Kräfte, von denen Nr. 2 selbst zusammengesetzt ist, setzen sich schließlich in eine gemeinsame Resultante zusammen.

    In einer Kombination von vier Atomen unterliegt eben so jedes Teilchen l) einer einfachen Kraft vierter Stufe, 2) einer Zusammensetzung zweier Kräfte dritter Stufe; 3) einer Zusammensetzung dreier Kräfte zweiter Stufe; 4) einer einfachen Kraft erster Stufe, die sich wiederum sämtlich zusammensetzen u. s. f.

    Es ist nicht unwichtig zu bemerken, dass die Zusammensetzung aller niederen Kräfte (mit Ausnahme der Beharrung auf Grund einer etwaigen Urbewegung) den Schwerpunkt der ganzen Kombination eben so wenig verrücken kann, als er auch durch die höchste Kraft selbst nicht verrückt werden kann, wie sich daraus ergibt, dass jede niedere Kraft für sich den Schwerpunkt der partiellen Kombination, in der sie wirkt, unverändert läßt; denn hiernach kann auch die Zusammensetzung dieser, in verschiedenen partiellen Kombinationen wirkenden, Kräfte nichts zur Verrückung des resultierenden Schwerpunkts der ganzen Kombination leisten.

    Fassen wir das Wesentlichste der vorigen Bestimmungen kurz zusammen:

    In jeder Kombination aus irgend viel Teilchen waltet eine Kraft, welche ihrer Größe und Richtung nach durch die Verhältnisse des Zusammenseins aller Teilchen auf einmal bestimmt wird, und die Bedeutung hat, dass ihrer Größe proportional die Geschwindigkeit aller Teilchen zugleich nach der Richtung, in der sie durch die Kraft getrieben werden, wächst oder abnimmt. Der Größe nach ist sie reziprok dem Produkt aus den Quadraten aller Abstände, die sich von je einem Teilchen zum andern nehmen lassen. Der Richtung nach treibt sie die Teilchen als anziehende Kraft gegen den gemeinsamen Schwerpunkt oder als abstoßende vom gemeinsamen Schwerpunkt weg, je nachdem jenes Produkt negativ oder positiv ausfällt, wenn man jedes Quadrat selbst negativ setzt. Die Verteilung der Wirkung dieser Kraft auf die einzelnen Teilchen, d. h. die Bewegung der einzelnen Teilchen vermöge dieser Kraft, erfolgt so, dass das Prinzip der Erhaltung des Schwerpunkts dabei besteht, wonach sie, von der Ruhe ab gerechnet, dem Schwerpunkt mit Geschwindigkeiten zustreben oder von demselben mit Geschwindigkeiten wegstreben, welche ihrem Abstande vom Schwerpunkt direkt proportional sind. Sofern jede höhere Kombination (d. i. aus mehr Teilchen) alle niedere Kombinationsstufen (mit weniger Teilchen) einschließt, mithin jedes Teilchen im Allgemeinen mehrern niederen und höheren Kombinationen und einer höchsten zugleich angehört, sind alle die Bewegungen, die es vermöge seines Inbegriffenseins in jeder dieser Kombinationen für sich annehmen würde, besonders zu bestimmen, nun aber unter einander und mit der, die ihm durch Beharrung zukommt, nach der Regel des Parallelogramms der Kräfte zusammenzusetzen.

    Vergleichen wir die von uns aufgestellte Kraftreihe mit der zu Anfang dieses Kapitels erwähnten, an die man schon früher gedacht hat, so liegt der unseren insofern ein anderer, höherer und allgemeinerer Gesichtspunkt unter, als in unserer Reihe die höheren Kraftglieder nicht von den Verhältnissen derselben zwei Teilchen zu einander abhängig gemacht und nach der Verbindungslinie derselben gerichtet gedacht werden, als die niederen, sondern sich sukzessiv auf Kombinationen von immer mehr Teilchen beziehen und danach auch immer neue Richtungen, jedesmal nämlich nach dem Schwerpunkt, gewinnen. Auch liegt der unseren ein rationelles Prinzip unter, nach dem die den Kräften reziproken Distanzprodukte so rasch, wie es die Erfahrung fordert, aufsteigen, und anziehende und abstoßende Kräfte wechseln, indes es in der bisherigen Aufstellung der Reihe an einem Prinzipe dafür fehlte.

    Hierzu tritt noch ein wichtiger Unterschied, der aber weniger die allgemeine Auffassung des Gesetzes der Kraftreihe, als den mathematischen Ausdruck und die mathematische Verwendbarkeit desselben betrifft; daher seine Betrachtung hierher verschoben werden konnte, darin ruhend, dass der, zur Repräsentation der Gesetze kontinuierlich sich ändernder Geschwindigkeiten statuierte und notwendig zu statuierende, Unterschied zwischen Änderungen niederer und höherer Ordnung, bisher nur bis zu Änderungen zweiter Ordnung fortgeführt, in unserer Kraftreihe weiter geführt wird, indem jene Beschränkung mit der Beschränkung auf binäre Kräfte natürlicherweise zusammenhängt.

    Nach dem Beharrungsgesetze wird in jedem kleinen Zeitelement d t ein kleines Raumelement d r durchlaufen, und das Maß der Kraft ist, wenn man Beharrung als Kraft fassen will, durch  ausdrückbar, d. h. durch das konstante Verhältnis zwischen dem Raumelemente und dem zu seiner Durchlaufung gebrauchten Zeitelemente, die Kraft hingegen, die zwischen zwei Teilchen besteht, ist nicht mehr durch Bezugnahme auf Raum- und Zeitelemente bloß erster Ordnung, sondern nur zweiter Ordnung ausdrückbar, durch , d. h. durch das Raumelement von einer Größe zweiter Ordnung, welches in einem Zeitelement von der Größe zweiter Ordnung in Richtung der Kraft durchlaufen wird. Wenn nun die Wirkung der Beharrung mit der Wirkung der Kraft zusammengesetzt wird, muß also auch prinzipiell diese Zusammensetzung in Zeitelementen und zwischen Raumelementen zweiter Ordnung vollzogen gedacht und durch Integration das Resultat für endliche Zeiten und Räume abgeleitet werden. Geht man verallgemeinernd in demselben Sinne weiter, so wird die Kraft dritter Ordnung durch  zu messen, und, insofern von einer Zusammensetzung ihrer Wirkung mit den Wirkungen der Kräfte niederer Ordnung die Rede ist, diese Zusammensetzung in Zeitelementen und zwischen Raumelementen dritter Ordnung mathematisch zu vollziehen sein, u. s. f. Nach der bisherigen Auffassung aber, die bloß bis zu binären Kräften geht, wird auch bloß bis zu Änderungen zweiter Ordnung gegangen, und die ganze Reihe reziproker Distanzpotenzen, die wir unsrerseits auf die Reihe der sukzesiven Kräfte, mithin Differenzialquotienten fallen lassen, auf die Kraft zweiter Ordnung, mithin den Quotienten übertragen. Muß es aber nicht von vorn herein befremdlich erscheinen, dass die Natur bis zu Kräften gegangen ist, die ihren Ausdruck durch die Differenzialquotienten der beiden ersten Ordnungen finden und nicht darüber hinausgegangen ist? Ein aprioristischer oder aus den allgemeinen Prinzipien der Mechanik fließender Grund liegt unstreitig nicht dazu vor. Wenn man aber an die Einführung höherer Differenzialquotienten denken will, wird sich sicher kein anderer Weg finden lassen, als sie mit der Einführung höherer als binärer Kräfte in Beziehung zu setzen.

    Nun übersieht sich freilich leicht, dass, allereinfachste Fälle etwa ausgenommen, eine wirkliche Ausführung von Rechnungen auf Grundlage unseres Prinzips nach dem jetzigen Zustande der Mathematik unübersteigbaren Hindernissen unterliegt. Schon die allgemeine Behandlung des Problems der 3 Körper auf bloßer Grundlage des binären Gravitationsgesetzes unterliegt solchen, geschweige bei Zuziehung von mehr als binären Kräften. Ist aber deshalb die Aufstellung unseres Prinzips müßig? Ich glaube nicht.

    Einmal kann die Schwierigkeit einer Aufgabe nicht ersparen, den Gesichtspunkt derselben zu stellen, wenn er in der Natur der Sache begründet ist, wäre es auch nur, um Versuche der Lösung aus untriftigen Gesichtspunkten zu verhüten oder zu beseitigen. Zweitens könnten bei Verzichtleistung darauf, die durch unser Prinzip gestellte mathematische Aufgabe je allgemein lösen zu können, doch besondere Fälle einer sei es genauen oder approximativen Lösung fähig sein; wie dies ja auch bei Behandlung des Problems, der drei Körper auf Grund des Gravitationsgesetzes der Fall ist. Drittens läßt sich von Fortschritten der Mathematik die Lösung mancher Aufgaben hoffen, die jetzt unmöglich scheint. Viertens können ohne Hilfe der Mathematik doch gar manche allgemeine Folgerungen aus unserem Prinzip gezogen oder Anknüpfungspunkte von Tatsachen daran gewonnen werden, worauf ich unten komme. Über all das endlich ist in Betracht zu ziehen, dass unser Prinzip, ganz abgesehen von allen mathematisch daraus ziehbaren Folgerungen, eine sehr allgemeine Aufklärung über die Natur und den Zusammenhang der Naturkräfte enthält, die sicher nicht zu verachten wäre, falls sie stichhaltig sein sollte, wobei nur zu bedauern ist, dass sich das bis jetzt nicht sicher beweisen, sondern nur durch den Zusammenhang der von uns angeführten Gründe probabel machen läßt. Könnte ich es freilich beweisen, so würde ich mich kühn neben Newton stellen.

    Sollte nicht aber wirklich die mathematische Aufgabe sich für viele der wichtigsten Fälle sehr vereinfachen? Zum Beispiel: Wenn die Moleküle der sog. einfachen Stoffe wie unteilbare Ganze in chemische Verbindungen eingehen, so bleiben sie dabei unstreitig immer noch sehr entfernt im Verhältnis zu der Entfernung, welche die Atome jedes Moleküls unter sich haben; und die Berechnung der Kräfte, unter deren Einfluß diese Prozesse stehen, sollte je an eine Berechnung derselben gedacht werden, wird also so stattfinden können, als wenn alle Atome jedes Moleküls in einem Punkte vereinigt wären; nur dass wir statt bloß binärer Kräfte zwischen je zwei solchen Kollektivpunkten die höheren Kräfte mit einzuführen haben, die daraus hervorgehen, dass jeder derselben eine Verbindung von Punkten repräsentiert, die zu denen des anderen Punkts in solche Nähe gekommen sind, dass höhere Kräfte als binäre, niedere Kräfte aber als die inneren Kräfte des Moleküls merklich werden, welche letztere zu berechnen überhaupt kein Interesse vorliegen dürfte. Eine ähnliche Betrachtung dürfte auf die Moleküle der anerkannt zusammengesetzten Stoffe Anwendung finden, wenn es gilt, die Kräfte zu berechnen, von welchen die Erscheinungen der Elastizität abhängen u. s. w.

    Ich habe unser Prinzip in Zusammenhang mit der einfachen Atomistik vorgetragen, und bei einiger Überlegung zeigt es sich auch nur mit ihr verträglich. Setzen wir Atome endlicher Größe, die mit Masse kontinuierlich erfüllt sind, so sind nicht nur die binären Kräfte je zweier sich berührenden Teilchen jedes Atoms und alle höheren Kräfte, welche sie mit den entfernteren Teilchen desselben Atoms geben, sondern auch die höheren Kräfte, welche sie mit den Teilchen anderer Atome geben, bei jedem endlichen Abstande dieser anderen Atome unendlich, weil je zwei sich berührende Teilchen einen Distanzfaktor Null zu dem Totalprodukt beitragen, mit welchem die multiple Kraft reziprok ist. Der reziproke Wert von Null ist aber ¥ . Sofern nun die Totalwirkung zweier Atome auf einander aus der Zusammensetzung der Wirkungen aller niederen und höheren Kräfte ihrer Teilchen abhängt, gäbe es gar keine Totalwirkung endlicher Größe zwischen Atomen bei endlichem Abstande derselben, wie es doch der Fall ist. Sollte sich also unsere Hypothese irgendwie durch die Erfahrung bestätigen lassen, so würde hiermit zugleich für die Annahme einfacher Atome entschieden sein.

    Was ich vorläufig noch von besonderen Betrachtungen an das Gesetz zu knüpfen wüßte, möchte etwa Folgendes sein, bis jetzt freilich nur mehr in Andeutungen zur Anbahnung einer genaueren Prüfung, als strengen Entwickelungen bestehend.

    Elastizität. Daraus, dass mit zunehmender Nähe der Teilchen, also Verdichtung der Körper, immer höhere Kräfte spürbar und endlich über die mit der Nähe der Teilchen langsamer wachsenden niederen überwiegend werden, die Kräfte aber im Aufsteigen nach je zwei Stufen ihr Vorzeichen wechseln, folgt, dass mit zunehmender Nähe der Teilchen abwechselnd eine anziehende und weiterhin wieder abstoßende Kraft größer, als alle übrigen wird,2) so wie auch dass die Summe der anziehenden und abstoßenden Kräfte (da es nicht bloß auf die stärkste ankommt) abwechselnd überwiegt. Unter dem Einfluß dieses Übergewichts werden sich die Teilchen so lange fortfahren zu nähern oder zu entfernen, bis Gleichgewicht, und zwar ein Fall stabilen Gleichgewichts, zwischen beiden eingetreten ist, d. h. wo bei weiterer Näherung die Summe der abstoßenden, bei größerer Entfernung die Summe der anziehenden Kräfte überwiegend wird. Dies ist der Fall der Elastizität.

    Kristallisation. Damit die Teilchen eines seinen eigenen Kräften überlassenen Körpers in stabilem Gleichgewicht sind, wird nicht notwendig erfordert, dass sie alle gleich weit von einander entfernt sind. Sie könnten sich z. B. nach einer Richtung so nahe sein, dass Gleichgewicht unter dem Einflusse sehr hoher anziehender und abstoßender Kräfte stattfände, indes sie nach der darauf senkrechten Richtung bei größerem Abstande unter dem Einflusse niederer Kräfte im Gleichgewicht wären. Dann wird der Körper nach letzter Richtung leichter spaltbar sein, als nach erster, weil die niederen Kräfte der Entfernung der Teilchen aus der Gleichgewichtslage weniger Widerstand entgegensetzen als die höheren, da sie sich weniger rasch mit der Entfernung ändern. Dies gibt den allgemeinen Gesichtspunkt für das Gefüge oder die Blätterdurchgänge der Körper. Da an den Grenzen des Körpers sich die Teilchen unter anderen Verhältnissen befinden als im Inneren, so wird die Lage der Teilchen hier noch besondere Bedingungen erfüllen müssen, wenn sie sich in stabilem Gleichgewicht befinden sollen, und es läßt sich im Allgemeinen übersehen, wenn schon der genauere Nachweis noch zu führen ist, dass hierzu gewisse Symmetriebedingungen der Stellung wesentlich sind; was den Gesichtspunkt der Kristallformen stellt.

2) Das heißt: ein größeres Raumelement gegebener Ordnung in dem entsprechenden Zeitelement durchlaufen läßt.     Unstreitig sind in allen Kristallen Kräfte höherer Stufe wenigstens mit tätig, als welche die Adhäsion der Körper an einander bewirken, die wahrscheinlich in der Hauptsache die Kraft dritter Stufe ist. Nun hindert nichts, dass kleine Kristalle noch in unregelmäßiger Weise durch diese Adhäsion vereinigt werden, und so die scheinbar nicht kristallinischen Körper bilden.

    Maßeinheiten. Es ist bisher nicht gelungen, eine absolut konstante Größe in der Natur zu entdecken, auf die man überall und immer wieder zurückzukommen vermöchte, und die somit als Grundlage absoluten Maßes dienen könnte. Auf der Erde ist man geneigt, ein absolutes Maß von den Dimensionen der Erde oder der unter konstanten Verhältnissen bestimmten Pendellänge zu entlehnen; aber die Dimensionen der Erde sind in Betracht ihrer allmälig fortschreitenden Erkaltung nicht absolut fest, und die Pendellänge demgemäß auch nicht absolut unveränderlich; überdies wäre ein nur für Erdbewohner brauchbares Maß im günstigsten Falle noch kein absolutes Maß. Unser Prinzip aber gewährt das Mittel, ein solches aufzustellen, welches für alle Zeiten, auf allen Weltkörpern, bei allen Veränderungen derselben unveränderlich als dasselbe besteht, nur dass es freilich der feinsten, und für jetzt noch nicht durchführbaren Untersuchungen bedürfen wird, das Verhältnis einer bekannten Größe dazu zu ermitteln; ohne dass übrigens die Hoffnung dazu überhaupt aufgegeben zu werden brauchte.

    Nach Symmetriebedingungen darf man annehmen, dass ein Würfel aus 8 Atomen, d. h. dessen 8 Ecken respektiv von 8 Atomen eingenommen werden, als Molekül bestellen kann.3) Er kann aber, sollen die Attraktivkräfte mit den Repulsivkräften im Gleichgewicht sein, nur bei gewissen Dimensionen bestehen, die überall und immer dieselben bleiben werden. Dieser Würfel kann demnach mit seiner Seite, Seitenfläche und kubischem Inhalt zugleich die Einheit des Längenmaßes, Flächenmaßes und Körpermaßes darbieten. Sein Gewicht wird zugleich als Gewichtseinheit, seine Dichtigkeit als Dichtigkeitseinheit dienen können. Die Zeiteinheit wird man durch die Dauer der Schwingungen erhalten, in welche der Würfel (zwischen Expansion und Kontraktion wechselnd) gerät, wenn man seine Teilchen unendlich wenig in der Richtung nach dem Schwerpunkt verrückt denkt; wobei man sich zu erinnern hat, dass die Dauer unendlich kleiner Schwingungen (als Grenzbegriff) doch endlich ist. Insofern Wärme, Magnetismus und Elektrizität sich, wie vielleicht nicht unwahrscheinlich, nur durch verschiedenartige Schwingungen unterscheiden sollten, würde man auch hierfür absolute Maßeinheiten von dem Würfel gewinnen können. Für die räumlichen Einheiten wird vorausgesetzt, dass der Würfel absolut kalt, unelektrisch, unmagnetisch sei, d. h. alle Teilchen desselben in völliger Ruhe, weil der Schwingungszustand wahrscheinlich Änderungen in der Mittellage der Atome hervorbringt. Vielleicht fällt der Würfel, um den es sich hierbei handelt, mit dem Molekül des relativ einfachsten chemischen Stoffes zusammen, wie im Folgenden betrachtet wird.

3) Die Betrachtungsweise würde sich nicht wesentlich ändern, wenn mehr als 8 Atome dazu gehörten, den kleinstmöglichen Würfel zu bilden.     Chemisch einfache Stoffe. Nach der schon oben berührten Auffassung beruht ihre Verschiedenheit darauf, dass ihnen Moleküle von einer verschiedenen Anzahl einfacher Atome unterliegen. Da sie durch die uns zu Gebote stehenden Kräfte nicht zersetzbar sind, müssen die inneren Kräfte, durch die sie zusammengehalten werden, sehr stark in Verhältnis zu den äußeren Kräften sein, die auf sie einwirken können; was sich nicht wohl anders repräsentieren läßt als so: Die Moleküle der sogenannten einfachen Stoffe bestehen aus einer so hohen Kombination, d. h. so großer Anzahl, einfacher Atome, dass höhere Kräfte in ihnen tätig werden, welche mit der Nähe sehr stark zunehmen; und die Moleküle sind so dicht, dass diese Kräfte wirklich eine sehr starke Wirkung erlangen. Indem sich nach den bei der Elastizität und Kristallisation erörterten Prinzipien die anziehenden und abstoßenden Kräfte hierbei ins Gleichgewicht setzen, nimmt jedes Molekül eine gewisse kristallinische Grundform an.

    Denken wir uns die Atome der Welt anfangs in sehr mannigfaltiger Anordnung, so konnten solche Moleküle sog. einfacher Stoffe sich an sehr verschiedenen Stellen identisch bilden, da es nur galt, dass die hinreichende Anzahl Atome dazu in hinreichender relativer Nähe zu einander und hinreichender Entfernung von anderen zusammentraf, um nicht durch deren Wirken in Bildung des Moleküls gestört zu werden. Nachdem aber diese Moleküle einmal gebildet sind, können sie nicht so leicht wieder zerstört werden, da, wenn sich zwei oder mehr solcher Moleküle einander aus großer Entfernung nähern, Gleichgewicht der anziehenden und abstoßenden Kräfte zwischen ihnen schon unter dem Einfluß niederer Kräfte, als in ihnen selbst walten, und bei größeren Abständen, als zwischen ihren eigenen Teilchen bestehen, eintreten wird, so dass ohne eine gewaltsame Annäherung, wozu wir keine Mittel kennen, jedes Molekül seinen Bestand behält, ohne mit dem anderen zusammenzufließen oder sich mit ihm zu zersetzen.

    Die nächstliegende wichtige Folgerung vorstehender Auffassung der einfachen Stoffe ist diese: Wenn selbst das Molekül des relativ einfachsten Stoffes, auf unserer Erde des Wasserstoffes, noch zusammengesetzt ist, so wird es prinzipiell genommen überhaupt nicht zweckmäßig sein, das Atomgewicht irgend eines der sog. chemisch einfachen Stoffe als Grundeinheit des Atomgewichts anzusehen, sondern das Gewicht des einfachen Atoms selbst. Die Atomgewichte oder eigentlicher Molekülgewichte aller einfachen Stoffe werden dann mit der Zahl der Atome zu bezeichnen sein, die respektiv in das Molekül eines jeden eingehen. Hiernach kann man sich die Aufgabe stellen, die jetzt angenommenen Molekülgewichte, welche auf eins unter ihnen als Einheit bezogen werden, mit einem solchen gemeinschaftlichen Faktor zu multiplizieren, dass der Rationalität ihrer Verhältnisse durch kleinstmögliche Zahlen in hinreichender Annäherung genügt werde, um die übrig bleibende Abweichung auf Rechnung von Beobachtungsfehlern schreiben zu können; womit man dann hoffen könnte, die absoluten Atom- oder Molekülgewichte der sog. einfachen Stoffe gefunden zu haben. Unstreitig würden damit manche Inkongruenzen verschwinden, die daran hängen, dass man das Gewicht eines an sich noch zusammengesetzten Moleküls als Einheit annimmt.

    Dieser Untersuchung auf einem Wege a posteriori läßt sich aber mit Betrachtungen a priori entgegenkommen, welche vorweg eine untere Grenze setzen, unter die das Molekülgewicht des relativ einfachsten Stoffes (bezogen auf das Gewicht des einfachen Atoms als l) nicht gehen kann.

    Da die abstoßenden Kräfte erst mit der vierten Stufe beginnen, so ist a priori nicht möglich, dass sich ein Molekül von weniger als 4 distanten Atomen durch eigene Kräfte in stabilem Gleichgewichtszustande seiner Teile erhält; und das Molekülgewicht des einfachsten Stoffes kann daher nicht unter 4 betragen. Die Kristallgestalt hiervon wäre ein Tetraeder. Indes ist wohl nicht daran zu denken, dass ein Molekül aus bloß 4 Atomen, in dem also eine abstoßende Kraft vierter Stufe den niederen anziehenden Kräften bei gegebenem Abstande das Gleichgewicht hält, dauernd besteht, da die chemischen Verbindungs- und Zersetzungserscheinungen, in welche die Moleküle der einfachen Stoffe unverändert eingehen, selbst zum mindesten das merkbare Spiel der anziehenden Kraft dritter, und abstoßenden Kraft vierter Stufe, und hiermit eine Annäherung zwischen den Molekülen voraussetzen würde, welche der Nähe der Atome in den Molekülen aus 4 Teilchen entspräche, so dass ein getrenntes Bestehen derselben nicht möglich wäre. Da übrigens schon für die Erscheinungen der gewöhnlichen Elastizität die abstoßende Kraft vierter Stufe als das Mindeste in Anspruch genommen ist, kann sogar für die chemischen Erscheinungen die Kraft vierter Stufe nicht reichen, und um so mehr muß die Bildung der Moleküle der einfachen, d. i. durch unsere chemischen Operationen unzersetzbaren, Stoffe auf noch höheren Kräften beruhen, d. h. noch mehr als 4 Teilchen in den einfachsten derselben eingehen. Während nun die abstoßende Kraft vierter und fünfter Stufe der anziehenden zweiter und dritter Stufe das Gleichgewicht halten kann, so wird dagegen, um mit höheren über der fünften einen Zustand stabilen Gleichgewichts für die Teilchen eines Moleküls zu erhalten, den anziehenden Kräften sechster und siebenter Stufe durch eine abstoßende Kraft achter Stufe das Gleichgewicht gehalten werden müssen, denn wenn einmal die anziehende Kraft sechster Stufe das Übergewicht gewonnen hat, so werden sich die Teilchen vermöge derselben unter Wachstum dieser Kraft so lange zu nähern fortfahren, bis die Kraft siebenter Stufe überwiegend wird und dann weiter, bis vermöge der immer wachsenden Nähe die abstoßende Kraft achter Stufe merklich eintritt und eine solche Größe gewinnt, dass die Wirkung der anziehenden Kräfte kompensiert wird; wonach es nicht möglich scheint, dass das Molekülgewicht des einfachsten Stoffes unter 8 sei. Möglicherweise könnte es noch höher sein, auch ist nicht sofort als entschieden anzusehen, dass der einfachste Stoff sich auch auf unserer Erde finde, und also der Wasserstoff dafür zu halten sei.

    Nehmen wir aber an, das Molekülgewicht des einfachsten Stoffes sei wirklich 8, so würde die Gestalt desselben unstreitig ein Würfel sein und man damit, wie oben betrachtet, zugleich den Modul für alle Maßeinheiten gewonnen haben.

    Da der Sauerstoff das 8 fache Molekülgewicht vom Wasserstoff hat, so würde, vorausgesetzt, der Wasserstoff wäre der einfachste Stoff, das Atomgewicht des Sauerstoffs 64 sein, was der Kubus von 4 ist, indes 8 der Kubus von 2 ist. Der Sauerstoff könnte also einen Kubus mit doppelter Atomenzahl in der Seite als der Wasserstoff repräsentieren.

    Aggregatzustände. Man hat den Unterschied der Aggregatzustände gewöhnlich auf Rechnung einer verschiedenen Lage und Entfernung der Teilchen geschrieben, ohne jedoch die Verhältnisse des Überganges von festem in tropfbaren Zustand und umgekehrt recht damit in Einstimmung bringen zu können. Namentlich hat der Umstand, dass ein Körper in tropfbarem Zustande dichter sein kann, als in festem, manchen Erklärungen Hindernisse in den Weg gelegt.

    Nehmen wir mit manchen neueren Physikern im Sinne der Undulationstheorie an, dass die wachsende Erwärmung der Körper auf einer vergrößerten Amplitude der Schwingungen ihrer letzten Teilchen selbst beruht (wofür besonders die Ergebnisse, die man über das mechanische Äquivalent der Wärme erhalten hat, zu sprechen scheinen), ohne dabei auf besondere Wärmeatmosphären um die Teilchen zu rekurrieren, oder diese anders als in Mitleidenschaft zu ziehen, so dürfte sich auf unser Prinzip folgende Ansicht über das Verhältnis der verschiedenen Aggregatzustände gründen lassen.

    Gehen wir von einem Punkte stabilen Gleichgewichts aus, wo sich alle Teilchen eines Körpers in Ruhe finden, und mit zunehmender Nähe die Abstoßungskräfte, mit zunehmender Entfernung die Anziehungskräfte das Übergewicht erlangen, und setzen jetzt die Teilchen in Wärmeschwingung. So lange die Wärmeschwingungen klein genug sind, dass die Teilchen bei ihrer wechselseitigen Näherung den nächstliegenden Punkt labilen Gleichgewichts, von wo an sich jenes Verhältnis umkehrt, nicht überschreiten, bleibt der Körper fest. So wie aber dieser Punkt erreicht und überschritten wird, tritt der tropfbare Zustand und zwar plötzlich ein. Es folgt nämlich damit von selbst auch sofort die Überschreitung (des nächstfolgenden Punkts stabilen Gleichgewichts, indem das Teilchens, was den Punkt labilen Gleichgewichts überschritten hat, durch das hiermit eintretende Übergewicht der anziehenden Kraft mit zunehmender Geschwindigkeit bis zu diesem zweiten Punkte stabilen Gleichgewichts hingetrieben wird und vermöge der Beharrung ihn so weit überschreitet, bis die von nun an mehr und mehr überwiegende Abstoßungskraft endlich der weiteren Näherung Einhalt tut, worauf das Teilchen im Rückgang alle Geschwindigkeiten wieder annimmt, die es auf dem Hingang hatte; also auch wieder über seine erste Gleichgewichtslage hinausgeführt wird und fortan statt um eine, vielmehr um zwei stabile Gleichgewichtslagen mit einer zwischenliegenden labilen Gleichgewichtslage oszilliert.

    Es leuchtet nun aus allgemeinem Gesichtspunkte ohne Schwierigkeit ein, dass diese plötzliche Vergrößerung der Schwingung, womit von selbst auch neue Verhältnisse ihrer Dauer und Geschwindigkeit zusammenhängen, eine Unterbrechung der Kontinuität in alle Erscheinungen bringen muß, die mit der Größe, Dauer und lebendigen Kraft der Schwingungen zusammenhängen.

    Zunächst kann die plötzlich vergrößerte Beweglichkeit aller Teilchen der Flüssigkeit als ein Ausdruck des Umstandes angesehen werden, dass die Schwingungen jetzt selbst plötzlich vergrößert worden sind und einen Punkt labilen Gleichgewichts einschließen. Die Ausdehnungsverhältnisse müssen sich plötzlich ändern, sofern sie eine Funktion der Schwingungsverhältnisse sind; nicht minder muß die plötzliche Vergrößerung der Schwingungen, womit zugleich eine verlängerte Dauer verbunden ist, eine plötzliche Änderung der lebendigen Kraft mitführen, womit unstreitig das Latentwerden der Wärme im Akt des Flüssigwerdens in Beziehung steht.

    Der Eintritt des gasförmigen Zustandes beruht dann möglicherweise darauf, dass die Schwingungen sich so weit vergrößern, dass die Teilchen fortan um drei oder mehr Lagen stabilen Gleichgewichts oszillieren, was mit einer neueren Theorie des Gaszustandes wenn auch nicht zusammenfällt, doch einigermaßen zusammentrifft. Es müssen hier analoge Erscheinungen eintreten, als beim Eintritt des tropfbaren Zustandes, aber doch nicht gleiche.

    Falls die hier aufgestellte Ansicht von dem Verhältnis der Aggregatzustände sich bestätigen sollte, und der Begriff des festen Zustandes hiernach allgemein darein gesetzt würde, dass die Teilchen bei ihren Oszillationen nicht die nächste Grenze labilen Gleichgewichts überschreiten, würde die gewöhnliche Annahme, dass der Äther das Flüssigste in der Welt ist, was es gibt, der Ansicht Platz machen müssen, dass er das Festeste ist, was es gibt; da unstreitig die Ätherteilchen bei ihren weitesten Oszillationen immer sehr entfernt von Überschreitung jener Grenze bleiben, und die Alten hatten gewissermaßen Recht, wenn sie den Himmel für ein Kristallgewölbe hielten. Übrigens ist dies keine ganz neue Ansicht.

    Indes bleibt freilich der Vergleich des Äthers mit den festen Körpern der Erde nach anderer Seite wenig treffend. Die höchsten im Äther bemerklichen Kräfte gehen bei seiner Dünne unstreitig nicht über die abstoßende Kraft vierter und höchstens fünfter Stufe hinaus, und er ist schwerlich in besondere Moleküle gruppiert, indes die festen Körper der Erde aus Molekülen bestehen, in denen hohe Kräfte wirksam sind. Hieran knüpft sich dann natürlich ein sehr verschiedenes Verhalten. Der Äther ist nun eben ein Wesen sui generis, und sein Aggregatzustand mit keinem anderen vollkommen vergleichbar.

    Imponderabilien. Wenige Physiker dürften heutzutage noch glauben, dass die durch verschiedene Namen unterschiedenen Imponderabilien wesentlich verschiedene Agentien sind, wenn schon die Brücke zwischen Licht und Wärme zu Elektrizität und Magnetismus noch nicht gefunden ist; und weiter ist zu hoffen, dass der Abschluß der Atomistik in einfachsten und einheitlichsten Grundvorstellungen zuletzt auch den Unterschied der Imponderabilien von den Ponderabilien in sofern aufheben wird, als er die Erscheinungen, die wir ins Gebiet der Imponderabilien rechnen, nur von Verhältnissen und Bewegungszuständen derselben Grundatome abhängig macht, welche auch den Erscheinungen der Ponderabilien zu Grunde liegen; es bleibt aber diese Zurückführung ebenso wie die vorige noch der Zukunft aufgehoben. Indes dürfte sich doch mit einiger Wahrscheinlichkeit schon jetzt auf Grund unserer bisherigen Annahmen der allgemeine Unterschied der Imponderabilien von den Ponderabilien wie folgt aussprechen lassen:

    Alle Erscheinungen, die wir von Imponderabilien abhängig machen, sind direkt nur auf individuelle Bewegungsverhältnisse der letzten Teilchen, die dagegen, welche wir den Ponderabilien beilegen, auf Bewegungsverhältnisse von Kombinationen solcher Teilchen, als Moleküle, Körper, Weltkörper, im Ganzen beziehbar, wenn schon freilich in letzter Instanz auch letztere Erscheinungen von Verhältnissen der letzten Teilchen abhängig gemacht werden müssen, so aber, dass sie Resultanten oder Wirkungssummen für diese Kombinationen repräsentieren. So pflanzt sich das Licht im Himmelsraume durch Schwingungen der Teilchen des Äthers fort, der bemerktermaßen schwerlich aus Molekülen, vielmehr wahrscheinlich unmittelbar aus letzten Teilchen gleichförmig konstituiert zu denken ist; so scheinen sich die Wärmeschwingungen als Schwingungen der letzten Teilchen der wägbaren Körper selbst fassen zu lassen;4) so mögen auch die elektrischen, die magnetischen Erscheinungen auf Schwingungen oder sonst Bewegungen letzter Teilchen, sei es in den Molekülen oder zwischen den Molekülen, beruhen, indes die Bewegungen der Weltkörper, des fallenden Steins, des Pendels, die Wellenbewegungen des Wassers, die Schallschwingungen der Luft, selbst die chemischen Verbindungen und Scheidungen auf größere oder kleinere Kombinationen von letzten Teilchen beziehbar sind, sofern wir ja auch den chemisch einfachen Stoffen noch Moleküle unterzulegen veranlaßt sind.

4) Mit der Ansicht von Krönig und Clausius über die Wärme der Gase, welche Vieles gut erklärt, vertrüge sich dies allerdings nicht, sofern hier eine Bewegung der ganzen Gasmoleküle als den Wärmezustand der Gase bedingend angesehen wird. Nun lasse ich es gern dahingestellt, ob diese, der Schwierigkeiten keineswegs ermangelnde, Ansicht oder die obige Auffassung in Betreff der Wärme der Gase nicht doch zu modifizieren ist, ohne deshalb für die übrigen imponderablen Erscheinungen ungültig zu werden. Jedenfalls scheint mir ein Bedürfnis vorzuliegen, die translatorische und Schwingungsbewegung ganzer Moleküle von den durch die Wechselbeziehung der Teilchen eines Moleküls unter sich und mit etwa umgebenden Ätheratomen abhängigen Schwingungen zu unterscheiden; aber es mag sein, dass der Zusammenhang der Tatsachen nötigt, die Wärme eines Gases vielmehr auf die Gesamtheit aller dieser Bewegungen, als bloß die letzteren zu beziehen, und muß dies einsichtigen Physikern zu entscheiden überlassen bleiben.     Mit diesem Unterschiede durfte ein anderer wesentlich zusammenhängen. Es leuchtet ein, dass Erscheinungen, welche die letzten Teilchen individuell betreffen, nur aus Wechselwirkungen derselben mit anderen sehr nahen Teilchen hervorgehen können, wogegen Wirkungen, die sich auf Moleküle, Weltkörper oder dergl. im Ganzen identisch äußern sollen, nur aus größerer Ferne geäußert sein können. Hiernach müssen die Erscheinungen der Imponderabilien im Allgemeinen unter dem Einfluß stärkerer und höherer Kräfte stehen, und mit größeren Geschwindigkeiten der Teilchen in Beziehung stehen, als die Erscheinungen der Ponderabilien. So sind die Lichtschwingungen des Äthers und Wärmeschwingungen der Körper ungeheuer viel schneller als die Schallschwingungen.

    Nun aber bietet sich noch folgender wichtiger Punkt der Erwägung dar. Soll die Aufgabe erfüllt werden, die Erscheinungen der Imponderabilien von denselben Grundkräften abhängig zu machen, und auf dieselben oder gleichgeartete Teilchen zu beziehen, als die der Ponderabilien, so scheint es nicht, dass man mit Grundkräften auskommt, welche bloß von der Distanz, aber nicht dem Bewegungszustande der Teilchen abhängig sind; und sofern unser Prinzip der multiplen Kräfte in der bisherigen Aufstellung und Ausführung, sowie bis auf Weber allgemein auch mit den binären Kräften geschehen, bloß auf Distanzen Rücksicht nimmt, scheint es daher noch einer Ergänzung zu bedürfen, die doch nicht mit einer Widerlegung zu verwechseln wäre.

    In der Tat, wenn man sieht, wie durch Reiben oder Berührung ungleichartiger Körper an einander Anziehungs- und Abstoßungskräfte entwickelt werden, die auf sehr merkliche Entfernungen wirken, so erhellt nicht, wie ein Prinzip, welches bloß die Distanz der Teilchen in Betracht zieht, jene Entwickelung und dieses Merklichwerden der Molekularkräfte soll repräsentieren können. Auch die elektrischen Induktionserscheinungen möchten sich jeder Erklärung auf Grund eines Prinzips, was bloß die Distanz der Teilchen als maßgebend für die Kraft ansieht, entziehen.

    Auch hat sich W. Weber schon vorlängst durch letztere Erscheinungen veranlaßt gefunden, eine Abhängigkeit der Kraft der elektrischen Teilchen von der relativen Geschwindigkeit und Beschleunigung derselben zu statuieren, und es wird um so weniger ein Hindernis vorhanden sein, an eine Verallgemeinerung dieser Abhängigkeit für materielle Teilchen überhaupt zu denken, als aus Weber’s Untersuchungen selbst hervorgeht, dass die Geschwindigkeit, von welcher merkliche Wirkungen im Felde der Elektrizität hervorgehen, so ungeheuer ist, dass man, wenn für die planetaren Massen eine gleiche Abhängigkeit angenommen würde, doch ihre Geschwindigkeit zu klein finden würde, um in den astronomischen Rechnungen nötig zu haben, darauf Rücksicht zu nehmen.

    Es leuchtet aber ein, dass die Reibung und Berührung ungleichartiger Körper sehr wohl im Stande sein kann, Abänderungen in den relativen Geschwindigkeits- und Beschleunigungsverhältnissen der kleinsten Teilchen hervorzurufen, und dass eine Kraft, die nach ihrer Abhängigkeit von der Distanz einen sehr kleinen Wert hat, doch möglicherweise nach ihrer Mitabhängigkeit von den Relationen der Bewegung einen sehr großen Wert annehmen kann. Von anderer Seite ist freilich in Rücksicht zu ziehen, dass die Weber’sche Formel für die Abhängigkeit der Kräfte elektrischer Teilchen von dem relativen Geschwindigkeits- und Beschleunigungszustande derselben keinen direkten Anhalt gewähren kann, wenn sich fragt, ob und wie etwa der elektrische Zustand der Teilchen selbst, der bei dieser Formel als gegeben vorausgesetzt ist, von Verhältnissen der relativen Geschwindigkeit und Beschleunigung abhängig gemacht werden könnte. Man kann nur aus der Notwendigkeit, jene Abhängigkeit bei den elektrischen Teilchen einzuführen, im Allgemeinen schließen, dass, falls überhaupt der elektrische Zustand sich von allgemeinen, für alle Teilchen der Materie gleich geltenden, Kräften abhängig machen läßt, auch diese Kräfte der Abhängigkeit von Geschwindigkeit und Beschleunigung nicht werden entbehren können. Eine derartige Zurückführung selbst aber ist bis jetzt nicht gelungen, und ich vermag nicht zu übersehen, inwiefern etwa die Einführung unserer höheren Kräfte dabei Dienste leisten kann; jedenfalls liegt hier ein Feld vor, was man in Bezug darauf noch untersuchen kann.

    Die Weber’sche Formel für die Kraft K, mit der sich zwei elektrische Teilchen, deren Massen e, e' sind, abstoßen oder anziehen, ist folgende 5):

Hierin ist r der Abstand beider Teilchen, v ihre relative Geschwindigkeit, w ihre relative Beschleunigung, A eine positive Konstante, e, e' sind mit gleichen oder entgegengesetzten Vorzeichen zu nehmen, je nachdem es gleichartige oder ungleichartige Elektrizitäten sind.

                5) Abhandlungen der Jablon. Gesellsch. 327.