XXII. Philosophische Bezugspunkte.

    Das einfache Atom ist erstens der letzte Grenzwert, zu dem wir uns durch das Bedürfnis eines philosophischen Abschlusses der physikalischen Atomistik getrieben finden, zweitens der reinste Gegensatz und die vollständigste Ergänzung zu Raum und Zeit, drittens der engste Knotenpunkt, faktisch die reinste Hypostase einer ganzen Reihe fundamentaler Begriffe, welche sich auf diesen Gegensatz und diese Ergänzung beziehen. Der erste Punkt ist selbstverständlich, wonach wir hier nur von den beiden letzten in dem Zusammenhange, in dem sie natürlicherweise stehen, zu handeln haben.

    Unter Hypostase verstehe ich eine in das äußere Erfahrungsgebiet gehörige, sei es in die Erfahrung unmittelbar eintretende, oder aus dem Erfahrungszusammenhange erschließbare, Verwirklichung eines Allgemeinbegriffes.

    Mit dem Begriffe der absoluten Einfachheit unserer Atome steht der Begriff ihrer absoluten Diskontinuität in unmittelbarem Zusammenhange; denn sofern sie ohne Vielheit von Teilen und Seiten sind, können sie auch weder ein Continuum an sich sein, noch nach Teilen oder Seiten mit etwas Anderem, sondern jedes nur ganz mit sich selbst zusammenfallen. Umgekehrt sind sie als absolut diskontinuierliche Wesen notwendig absolut einfach zu denken, Unsere realen Wesen sind also absolut einfach und absolut diskontinuierlich in Eins. Es ist mit diesen und anderen Eigenschaften der einfachen Wesen, auf die wir fernerhin zu sprechen kommen, wie mit den Eigenschaften eines Kreises, die ohne begrifflich Dasselbe zu sein, doch sich begrifflich und faktisch einander mitführen und fordern, indem sie in etwas Identischem zusammenhängen. Bemerken wir nun, dass alle Diskontinuität, die wir in der Welt des Raums und der Zeit finden mögen, wirklich nicht durch Raum und Zeit selbst, sondern durch etwas hineinkommt, was wir uns als in Zeit und Raum zu denken haben. Die Diskontinuität ist eine Sache des Raum- und Zeit-Inhalts, nicht des Raums und der Zeit selbst; und mag die Diskontinuität, die uns zwischen verschiedenen Körpern und Bewegungen begegnet, auch zunächst nur eine scheinbare genannt werden (sofern selbst die diskontinuierlichen Himmelskörper noch durch den Äther zusammenhängen), so sehen wir nun aber den Grund der relativen oder scheinbaren Diskontinuität in unseren einfachen Wesen auf ein Absolutes zurückgeführt. Raum und Zeit sind das absolut Kontinuierliche, die Materie das absolut Diskontinuierliche; und geht man auf den Grund der Sache, so ist selbst die scheinbar kontinuierliche Materie doch wahrhaft diskontinuierlich. Wie der Begriff der Kontinuität sich in Raum und Zeit rein hypostasiert, so der Begriff der Diskontinuität in der Materie.

    Indes der Zeit und dem Raum für sich absolute Kontinuität, den einfachen Elementen der Materie für sich absolute Diskontinuität zukommt, kommen in der Körperwelt, welche Materie und Raum zugleich einschließt, Relationen von Kontinuität und Diskontinuität zur Sprache, und es handelt sich überhaupt überall, so lange man nicht bis zum Letzten geht, nicht um absolute, sondern nur um relative Kontinuität und Diskontinuität in der Körperwelt. Durch relative Kontinuität hängt jeder Körper in sich zusammen, durch relative Diskontinuität schließt sich jeder von seiner Umgebung ab und gewinnt Abteilungen, eine Gliederung in sich.

    Ruht eine Luftmasse über einer Wassermasse, so ist jede von beiden, trotz dem, dass ihre Atome absolut genommen diskontinuierlich gegen einander sind, doch relativ genommen kontinuierlich in sich, in so fern der Abstand und die Anordnung der Atome oder Moleküle durch die Ausdehnung jeder Masse hindurch kontinuierlich dieselbe bleibt oder sich nur in unmerklichen Übergängen ändert; sie sind dagegen relativ diskontinuierlich und hiermit abgegrenzt gegen einander in so fern, als im Übergange von einem zum anderen Körper in den Abstands- oder Anordnungsverhältnissen der Atome, respektiv Moleküle, ein merklicher Sprung eintritt.

    Auch bei Bewegungen, in welche die Zeit zugleich mit Raum und Materie eingeht, kommt der Begriff relativer Kontinuität und Diskontinuität zwischen Körpern in Betracht, und es kann auch von dieser Seite zur Diskontinuität zwischen den Körpern beigetragen werden, sofern ihre Atome oder Moleküle in abweichenden Bewegungszuständen sind.

    Vielleicht bestreitet man das wesentliche Zusammengehör der Begriffe absoluter Einfachheit und Diskontinuität dadurch, dass einfache Raumpunkte doch kontinuierlich mit anderen zusammenhängen. Also könne das Einfache auch kontinuierlich sein. Aber es ist vielmehr mathematisch anerkannt, dass der Raum sich als kein Continuum von Punkten repräsentieren läßt, sondern nur als ein Continuum von Continuis, das eben so ohne Grenze noch weiter teilbar, als ohne Grenze noch weiter erweiterbar zu denken.

    Das hindert nicht, dass man an jede beliebige Stelle des Raums, die man ins Auge fassen mag, einen Punkt hindenke; aber so viel Punkte an so viel Stellen man denken mag, man kann kein Raumkontinuum damit erzeugen, den Raum nicht nur nicht damit erschöpfen, sondern nicht einmal eine endliche Raumgröße damit hervorbringen. Jede Berührung von Punkten ist Zusammenfallen derselben. Der Punkt kann eben nur in den kontinuierlichen Raum gesetzt, aber der kontinuierliche Raum nicht aus Punkten zusammengesetzt werden. Findet man einen Widerspruch darin, dass man überall hin Punkte in den kontinuierlichen Raum denken, und doch den kontinuierlichen Raum nicht mit Punkten erfüllen kann, so vergißt man, dass überall hin nach dem Begriff des Punktes und Continuums selbst gar nicht ausführbar ist, indem, wie eng man auch Punkte denken will, so lange es nur Punkte bleiben, unendlich viel andere Punkte noch zwischen ihnen gedacht werden können, so fort bis ins Unbestimmte. Der scheinbare Widerspruch entsteht nur durch die dem Begriff des Punktes widersprechende Voraussetzung, die man von vornherein stellte: einen Punkt an jede beliebige Stelle hindenken, heißt noch nicht, ihn überall hindenken; jenes kann man, dieses sieht. Der Begriff des Punktes und Continuums sind nun einmal inkommensurabel und man leistet mit noch so vielen Punkten nicht mehr als mit einem einzigen zur Erschöpfung des Continuums; das verlangte Überall schwindet, in so fern man es mit Punkten auszuführen sucht, stets in summiertes Nichts zusammen.

    Sofern nach unserer Vorstellung die Materie bloß in Punkten enthalten ist, folgt also auch, dass; wollte man alle Materie der Welt bis zur Berührung zusammenpressen, man sie in einen Punkt zusammenpressen würde. Der Schein ihrer Ausdehnung hängt an ihrer Zerstreuung. Es sind aber Kräfte vorhanden, die sie in dieser Zerstreuung erhalten; d. h. Regeln, nach denen sie sich nur so bewegen können, dass sie nie zu wirklicher Berührung kommen.

    Schon im großen Weltenraum kann ein Zusammentreffen zweier Weltkörper kaum zu Stande kommen; und wenn auch einmal ein Meteorstein auf die Erde fällt, ist doch das Zusammentreffen nur scheinbar; es geht nur bis zum Abstand der Atome. In der Atomenwelt selbst ist ein Zusammentreffen unstreitig unmöglich.

    Man fragt vielleicht, wie kommt es aber, dass der Begriff des Diskontinuierlichen sich nur in einer Weise als Materie, der des Kontinuierlichen in doppelter Weise als Zeit und Raum hypostasiert. Das scheint doch gar nicht im Sinne eines reinen Gegensatzes der Begriffe; scheint gar nicht so symmetrisch, nicht so selbstverständlich, wie man es im Reiche der letzten Grundbegriffe und höchsten Gegensätze erwarten und fordern möchte, vielmehr wie eine aus falscher Fassung oder Stellung derselben erwachsene Disharmonie. Setzen wir dagegen die Materie selbst so kontinuierlich als Raum und Zeit, so durchdringen sich damit drei Kontinuitäten zur vollen Existenz der materiellen Welt, und die Drei zeigt sich ja auch sonst als die Norm aller Weltgliederung.

    Das Letzte zugegeben, obwohl ich meine, es ist nicht viel darauf zu geben, so läge aber darin bei näherem Zusehen nur ein hinderlicher Knoten für die dynamische Ansicht und ein neuer Verknüpfungsknoten der unseren. Denn die Materie würde ja doch die Kontinuität, die man ihr beilegen möchte, nur als räumliche, nur vom Raum, oder, will man’s umkehren, der Raum von ihr haben; beider Kontinuität wäre eine und dieselbe, indes der Raum keineswegs seine Kontinuität von der Zeit, noch umgekehrt entlehnt, beide ihre Kontinuität an sich haben; so hätte man auch nach der dynamischen Ansicht nur zwei grundwesentliche Continua, statt der geliebten drei; der Begriff des Continuum fällt nun einmal nicht in den Materiebegriff an sich. Für uns aber knüpfen sich Materie, Zeit und Raum zum metaphysischen Dreiklang durch Unterordnung unter die drei Haupt- und Grenzbegriffe der Quantität, Nichts, Einheit und Unendlichkeit. Denn in unseren einfachen Wesen haben wir etwas, was schlechthin kein Continuum einschließt, oder ist; in der Zeit etwas, was schlechthin Ein und eben nur Ein Continuum ist, das ist die Eine Richtung, in der die Zeit läuft; im Raum etwas, was nach unendlichen Beziehungen und Richtungen ein Continuum, eine Unendlichkeit von Continuis, ein Continuum von Continuis ist oder solches einschließt.

    Die drei Dimensionen des Raums bezeichnen nur drei Hauptrichtungen des Raums, in der Tat aber kann man unendlich viele Richtungen in ihm verfolgen.

    Mittelpunkt, Radius und Peripherie einer Kugel versinnlichen gewissermaßen in Eins die Einfachheit und Richtungslosigkeit des materiellen Punkts, die nach einer Richtung sich streckende Zeit und den nach unendlichen Richtungen gedehnten Raum. Man wolle nur dies Schema nicht ausbeuten, weitere Verhältnisse von Materie, Raum und Zeit daraus abzuleiten als denselben nun eben zukommen. Ein Schema kann nicht beweisen, nur erläutern, und es darf von vorn herein nicht erwartet werden, dass ein ganz in das Räumliche fallendes Schema das Verhältnis des Raums zu Dem, was nicht Raum ist, nach allen Seiten zulänglich repräsentiere.

    Dass es an sich nicht möglich ist, sich Raum und Zeit anders als kontinuierlich vorzustellen, beweist sich auch darin, dass wir dem Raum und der Zeit keine Grenze beilegen, uns einen Anfang und ein Ende derselben gar nicht zu denken vermögen, sofern an der Grenze die Kontinuität abbricht; dagegen es, vorausgesetzt selbst, dass die Materie kontinuierlich wäre, recht wohl möglich ist, sie diskontinuierlich vorzustellen; wir tun es überall mit den Weltkörpern im Großen, und können uns auch recht wohl an einer materiellen Weltgrenze stehend in den unbegrenzten leeren Raum hinaus blickend denken; das beweist doch, dass die Kontinuität und hiermit Unbegrenztheit nicht so wesentlich zum Begriffe der Materie als der Zeit und des Raums gehören kann. Auch kommt alle Begrenzung in Raum und Zeit nur durch die Materie.

    Dies leitet uns auf einen neuen Gegensatz oder eine neue Auffassung des Gegensatzes der einfachen Wesen gegen Raum und Zeit. Ein einfaches Atom ist trotz dem, dass seine Ausdehnung nichts ist, nicht selber Nichts; es hypostasiert aber die letzte Grenze des Seienden in quantitativer Hinsicht, ist ein unendlich Kleines im strengsten Sinne. Wogegen Zeit und Raum ein unendlich Großes, schlechthin Unbegrenztes sind, respektiv nach einer und nach unendlich vielen Richtungen.

    Die unendlich kleinen Linien-, respektiv Flächen-, Körperelemente, mit denen die höhere Geometrie zu tun hat, sind nichts absolut unendlich Kleines, sondern nur ein relativ unendlich Kleines, indem sie zwar unendlich klein gegen alle endlichen Raumgrößen (Linien, Flächen, Körper), wie diese gegen den unendlichen Raum sind, aber ihrerseits im Verhältnis der Unendlichkeit zu Räumlichkeiten von einer Kleinheit höherer Ordnung, so fort bis ins Unbestimmte stehen und endliche Größenrelationen unter sich haben. Der Punkt allein, der aber eben hiermit vielmehr die Grenze der Raumgrößen als selbst eine Raumgröße bildet, steht zu allen unendlichkleinen Räumlichkeiten beliebiger Ordnung selbst im Verhältnis des Unendlichkleinen, ist das einzige Kleine, das nichts Kleineres mehr unter sich, noch in sich hat, ein Unendlichkleines unendlicher Ordnung, und gestattet keinen endlichen Größenvergleich mehr. Er kann aber, wie bemerkt, nicht durch den Raum, sondern nur in den Raum gesetzt werden, sein Begriff liegt nicht mehr eingeschlossen im Raumbegriffe, welcher durch Kontinuität und Außereinander gegeben ist, sondern bildet eine Grenze des Raumbegriffes, wo etwas Anderes als Raum angeht, und dies Andere ist eben die Materie.

    Wie nach einer Seite der Begriff der Unbegrenztheit, so hängt nach einer anderen Seite der Begriff der Teilbarkeit ins Unbestimmte mit dem der absoluten Kontinuität zusammen. Wollte man einen Teil des Coutinuums denken, der nicht selbst mehr als ein Continuum von Teilen faßbar, so bräche die Kontinuität so zu sagen eben so nach unten ab, wie sie nach oben abbräche, wenn man sich das Continuum begrenzt denken wollte. Raum und Zeit als absolut kontinuierlich sind also auch absolut ins Unendliche teilbar; dagegen die einfachen Wesen als absolut diskontinuierlich auch absolut nicht teilbar, so zu sagen absolut harte Wesen sind. Man kann bloß zwischen die Atome, nicht in die Atome schneiden. Dagegen ist der Raum das Weichste, was es gibt, und wird überall ohne Widerstand von der Demantspitze des Atoms geschnitten.

    Vielleicht, indem man die metaphysischen Begriffe einander passend gegenüberzustellen sucht, ist man geneigter, dem Continunm der Zeit und des Raums die Diskontinuität der Zahl als der Materie gegenüberzustellen und den Begriff der Diskontinuität vielmehr in jener als in dieser rein hypostasiert zu halten. Scheidet sich doch auch die Mathematik in einen Teil, der vom kontinuierlichen Raum, und einen anderen, der von der diskontinuierlichen Zahl handelt; dies scheint doch zu beweisen, dass vielmehr Raum und Zahl als Raum und Materie den reinen Gegensatz von Kontinuität und Diskontinuität vertreten.

    Doch auch dieser Einwand hebt sich leicht bei näherem Zusehen und führt nur zu einer neuen Bekräftigung und Bereicherung unseres metaphysischen Begriffkomplexes. Unstreitig besteht der Gegensatz von Diskontinuität und Kontinuität zwischen Zahl einerseits, Raum und Zeit andererseits; nur tritt nicht die bloß denkbare abstrakte Zahl dem Raum und der Zeit als Ergänzung zur Realität in der Natur gegenüber; man schreibe denkbare Zahlen, so viel man will, in Raum und Zeit, und man hat noch nichts; sondern statt der abstrakten Zahl das real Zählbare. Was aber ist das? im Himmel sind’s die Sterne; mit diesen schreibt sich der Begriff des Zählbaren zu oberst in Raum und Zeit real ein; was aber sind die Sterne anders als materielle Bälle; so sind wir wieder bei der Materie, und finden in ihr den Repräsentanten des Zählbaren. Doch sind die Sterne nicht das Letzte; was sie aus der Ferne scheinen, rein zählbare Punkte, sind endlich erst die einfachen Atome wirklich; aus ihnen konstruieren sich endlich alle realen Zahlen, die Sternenheere selber, mit dem, was zwischen ihnen. Schön aber bleibt’s, wie diese uns in der Nacht leuchtend über unseren Häuptern spiegeln, was in einer tieferen Nacht des Seins dem Auge unerkennbar wirklich ist. Man weiß ja, dass selbst dem Fernrohre der ferne Stern ein Punkt bleibt, der keine Messung, nur Zählung verträgt.

    Nach Vorigem finden wir also auch den Begriff des Zählbaren in unseren Atomen in reinster Weise real hypostasiert, indes zugleich der Begriff des Meßbaren sich in Raum und Zeit rein hypostasiert. Was meßbar ist, ist es bloß nach Seite Dessen, was an ihm kontinuierlich; was zählbar ist, ist es bloß nach Seite Dessen, was an ihm diskontinuierlich. Raum und Zeit stellen das schlechthin Meßbare, unsere einfachen Wesen das schlechthin Zählbare vor. Die dynamische Ansicht von der Raumerfüllung hat eine reine Hypostase in der Welt des Realen überhaupt nur für den Begriff des Meßbaren, nicht den Begriff des Zählbaren; die Augen auf dem Würfel aber bilden schon im Spiele gröblich das Einfache, Diskrete ab, was aller Zählbarkeit zu Grunde liegt.

    Vielleicht kann man bestreiten, dass zum Begriffe der Zahl der Begriff der Diskontinuität wesentlich ist, sofern sich zwischen je zwei ganzen Zahlen ein Übergang durch unendlich viele Bruchzahlen finden läßt. Aber man muß nicht außer Acht lassen, dass dies nur mittelst irrationaler, also unvollendbarer Zahlen möglich ist, und wo man in den Dezimalen mit einer solchen Zahl abbrechen mag, um sie auf eine Zahl zu reduzieren, mit der man wirklich zählen kann, sie bleibt diskontinuierlich gegen jede noch so nahe genommene abgekürzte Bruchzahl; man hat damit eben nur dasselbe, als wenn man versucht, die Kontinuität des Raumes durch immer enger gestellte Punkte herzustellen. Ein irrational ausgedrücktes Verhältnis bedeutet in der Tat nur ein Verhältnis, was überhaupt nicht genau, sondern nur mit wachsender Annäherung durch Zahlen ausdrückbar ist, die den Begriff der Zahl erfüllen.

    Ein System vieler einfacher Wesen kann man wieder als zählbare Einheit anderen solchen Systemen gegenüber betrachten. Ein jeder Himmelskörper ist eine solche Einheit; ein jeder Menschenkörper eine kleinere. Die absolute Eins aber, die sich schlechthin nur als solche, nicht auch als Vielheit fassen läßt, ist nur das Einfache. Die dynamische Ansicht hat keine absolute Eins. Das All ist freilich auch eine Einheit; doch keine zählbare Einheit den anderen gegenüber; das ist die Eins.

    Unser menschliches Zahlensystem hat 10 Ziffern, die zu allen menschlichen Rechnungen reichen. Das Zahlensystem der Natur hat nur eine Ziffer, das Atom, und reicht damit zu den Rechnungen des Alls. Unser Zahlensystem ist aber willkürlich, nur gebildet nach unseren 10 Fingern; man könnte mit 9, mit 8, mit 2 Ziffern reichen, Leibniz hat sich viel mit dem dyadischen Zahlensystem beschäftigt. Aber könnte man nicht noch weiter gehen, mit einer Ziffer reichen? In der Tat könnte man es, indem man für 10 zehn Punkte, für 100 hundert Punkte schriebe. So kommt man zum monadischen Zahlensystem, wo die Zahl der Ziffern in jedem Fall so groß, als es die dadurch auszudrückende Summe besagt; das ist das Zahlensystem der Natur, das einfachst mögliche, womit sie zu allen ihren Rechnungen reicht. Wir gewinnen hier wieder eine absolute Grenzvorstellung.

    Warum bedient sich der Mensch nicht dieses einfachst möglichen Systems? weil die Zahlen damit für ihn zu lang und die Übersicht zu schwer wird. In der Natur aber fehlt es nicht an Platz; der Raum ist eine unendliche Rechentafel, und eine Schwierigkeit der Übersicht der Zahlen besteht für den Geist nicht, weil sich das Fazit derselben von selbst in ihm zieht, weil er in gewisser Hinsicht das innerlich erscheinende Fazit des äußerlich erscheinenden atomistischen Systems selbst ist. Dies aber näher zu begründen oder weiter zu verfolgen ist hier nicht der Ort.

    Soll man die einfachen Atome für absolut unzählbar halten? Wären sie es nicht, so hätte der unendliche Raum eine bloß endliche Fülle, und so scheint die Unzählbarkeit der Atome als das Zugehörige zur Unmeßbarkeit des Raumes gefordert. Was sollte auch nach dem Gesetz des zureichenden Grundes bei einer bestimmten Anzahl Atome haben stehen bleiben lassen! Aber eine fertige Unzählbarkeit ist in keiner Weise denkbar. Auch kann man vielleicht zur absoluten Begrenzung des einfachen Atoms die absolute Begrenzung der Zahl der einfachen Atome als Gegensatz zur Unendlichkeit von Zeit und Raum gefordert halten. Ich mag nichts entscheiden. Übrigens trifft diese Antinomie die nicht atomistische und atomistische Auffassung der Körperwelt in gleichem Grade. Denn auch, wenn man die Körperwelt kontinuierlich denkt, so fragt sich, wie kann sie unbegrenzt gedacht werden, und was konnte sie begrenzen?

    Auch die Begriffe der Verbindung und des an sich unverbundenen Stoffes finden mit den vorigen zugleich ihre Hypostase, weil sie im Wesen mit ihnen zusammenhängen. Raum und Zeit sind selbst nur die allgemeinsten Verbindungsweisen im Reiche des Realen; ihr Continuum ist absolute Verbindung an und in sich, und was überhaupt als real verbunden gedacht werden soll, muß vor allem durch Raum und Zeit verbunden gedacht werden; und hierauf tragen sich erst besondere Verbindungsweisen auf; wozu aber schon der Zutritt eines Inhalts in Raum und Zeit gehört.

    Dem Begriff der Verbindungsweise kann man den der Form substituieren. Raum und Zeit sind die allgemeinsten Formen, in denen das Existierende auftritt, Raum die Form des Nebeneinander, Zeit die Form des Nacheinander, was übrigens nur andere Worte für Raum und Zeit sind; da man umgekehrt für Nebeneinander und Nacheinander Räumlichkeit und Zeitlichkeit sagen kann; auch ist jede besondere Form es nur als besondere Bestimmung von Raum und Zeit.

    Man hat Raum und Zeit Anschauungsformen genannt; auch hindert nichts, es zu tun, in Rücksicht Dessen, dass die ganze Natur wesentlich nur Sache der Anschauung oder sinnlichen Erscheinung ist; wonach auch die allgemeinsten Formen, in denen die Natur erscheint, nur Anschauungsformen sein können. Diese Anschauungsformen nehmen einen objektiven Charakter an, sofern man den solidarisch gesetzlichen Zusammenhang aller Raumanschauungen der verschiedensten Wesen (über Allen voraussetzlich Gottes) im Auge hat; einen subjektiven, sofern man sich auf die Raumanschauung eines einzelnen Geschöpfes bezieht.

    Dem Raum und der Zeit gegenüber sind die einfachen Wesen an sich etwas absolut Unverbundenes. Mit nichts sind sie an sich selbst verbunden, nichts ist in ihnen selbst verbunden, indes sie sich aber jeder Verbindungsweise mittelst der Zeit und des Raumes fügen. So entsprechen sie dem reinsten Begriff des an sich formlosen, doch für jede Form, d. h. Verbindungsweise verfügbaren Stoffes. Auch kommt hiermit unsere Atomistik nur dem lnstinkt des Sprachgebrauchs entgegen, der Materie und Stoff ohnehin in gleicher Bedeutung zu verwenden pflegt.

    Es ist zwar wahr, den Ton, aus dem man eine Statue modelliert, denkt man sich vielmehr zusammenhängend. Aber er ist insofern eben kein reiner Stoff; bringt vielmehr schon etwas von Form, d. h. Zusammenhangsweise, in die Hand des Künstlers mit, und kommt dadurch der Formung von gewisser Seite entgegen, indes er sie zugleich nach anderer Seite beschränkt. Was für unzählige Gestalten kann ein Wimpel, der im Winde flattert, annehmen; aber alle kann er nicht annehmen, bloß so viele, dass doch der Zusammenhang gewahrt bleibt. Der Ton gewährt darin schon mehr Freiheit; aber volle kann er nicht gewähren, diese hat man eben erst mit einem Stoffe, wo jedes Teilchen an sich ganz zusammenhangslos mit dem anderen. Die dynamische Ansicht macht die Welt aus Ton, denn sie erkennt einen gewissen Zusammenhang des Stoffes von vorn herein an und hält ihn wesentlich dem Stoffe, wenn schon die Zerreißbarkeit der Körper, wie wir gesehen haben, dem widerspricht. Unsere Atomistik allein nimmt einen Stoff nach dem reinen Begriffe des Stoffes dazu.

    Indes Zeit und Raum an sich absolute Formen sind, geben sie mit der Materie zusammen Formen von relativer Bedeutung, sofern durch das Dasein der materiellen Punkte die unendliche Möglichkeit räumlicher und zeitlicher Verbindungsweisen nach dieser oder jener Beziehung im Besonderen bestimmt und gegen andere Möglichkeiten abgegrenzt wird.

    Die äußere Form eines Körpers ist durch die räumliche Verbindungsweise der materiellen Teile seiner Oberfläche gegeben, die dadurch entsteht, dass sich die Materie des Körpers durch relative Kontinuität zusammenschließt, indes sie sich zugleich durch relative Diskontinuität gegen die Umgebung abgrenzt. Die diskontinuierliche Materie an sich selbst trägt aber hierbei zum zusammenhängenden Zuge der Oberfläche nichts bei, sondern gewährt bloß Bestimmungspunkte dafür, womit die Formen in der Natur eine viel idealere Bedeutung erhalten, als in der dynamischen Ansicht. Diese hat kompakte, massive, bleierne Formen, unsere Ansicht hat bloß gedachte, indem die Vorstellung Linien und Flächen zwischen den Grenzatomen des Körpers zieht. Hierin kommt unsere Atomistik wiederum dem Sprachgebrauch nur entgegen, der, wie stofflich und materiell, so formell und ideell gern verwechselt. Und wie der Himmel sonst die Atomistik vielfach spiegelt, so läßt sich auch an den Sternbildern auf unseren Sterncharten sehen, wie es sich mit dem Zuge der Körperformen in Wirklichkeit verhält.

    Der Zug der Figur durch die Sterne ließe sich freilich auch anders legen. Und überhaupt kann durch jede Anordnung von Punkten eine unbegrenzte Möglichkeit verschiedenster Formen repräsentiert werden. Die Aufgabe, solche hindurchzuziehen, ist an sich unbestimmt; doch nicht absolut unbestimmt, nur einer Ergänzung zur Bestimmung bedürfend, wie eine solche entgegen bietend. Jede Regel, wie Punkte überhaupt zur Bestimmung einer Figur dienen sollen, gewährt eine solche Ergänzung; denn es reicht hin, eine solche zu geben, um fortan mit jeder anderen bestimmten Anordnung der Punkte eine andere bestimmte Figur oder Klasse von Figuren gegeben zu haben. Die Regel täte es nicht allein, die Punkte täten es nicht allein; die Regel mit den Punkten tut es. Und wie man die Regel wechselt, werden alle Figuren anders, doch alle wieder in bestimmter Weise anders. Hiemit bietet die Atomistik die denkbar allgemeinste Unterlage für eine allgemeine Formenlehre dar, indes die dynamische bloß einzelne Beispiele dafür bietet. Der Geist wird übrigens im Allgemeinen immer seine Gründe und Zwecke haben, sich an diese oder jene Bestimmungsweise vor anderen zu halten, und wo kein besonderer Grund und Zweck vorliegt, die einfachste und leichteste als die natürlichste vorziehen.

    Die einfachste Regel und der einfachste Weg, durch eine gegebene Anordnung von Punkten eine Figur fest zu bestimmen, besteht darin, in jedem Falle das relative Minimum des Raums zur Verknüpfung der Punkte zu verwenden, nachdem die Punkte selbst als Punkte schon das absolute Minimum einnehmen, d. i. sie durch gerade Linien und durch Ebenen zu verbinden. Diese haben zugleich die Eigenschaft, den strengen Mittel- oder Grenzfall zwischen allen möglichen symmetrisch gleichen Linien oder Flächen zu bilden, die sich rings um eine Linie oder nach beiden Seiten einer Fläche legen lassen. Beides, dass die Vorstellung solchergestalt auf kürzestem Wege zum Ziele kommt und dass sie nach zureichendem Grunde keinen Anlaß findet, nach einer Seite vor der anderen davon abzuweichen, mag zusammenwirken, dass der Geist diese Bestimmungsweise überall als die natürlichste vorzieht, wo kein besonderer Grund zu einer anderen Bestimmungsweise vorhanden ist, d. h. gegebene Punkte von selbst in der Vorstellung vielmehr durch gerade Linien und Ebenen, als krumme Linien oder Flächen zu verbinden geneigt ist. Man kann demnach, wo kein anders bestimmender Grund vorliegt, diese Bestimmungsweise überall als die schlechthin gültige und überhaupt als fundamentale betrachten; die Kristalle geben die Naturmodelle dazu. Auch lassen sich die krummlinigen und krummflächigen Formen als höhere Grenzformen der geradlinigen und ebenflächigen betrachten, sofern sie entstehen, wenn die Zahl der geraden Seiten oder ebenen Flächen unendlich groß, ihre Größe unendlich klein wird; indes man nicht umgekehrt das Gerade als obere Grenze des Krummen betrachten kann, wenn man Bestimmtheit in der unteren Grenze verlangt, weil das Gerade die Grenzform unbestimmt vieler krummen Formen sein kann.

    Inzwischen bleibt dem Geiste allgemein gesprochen immer die Möglichkeit und Freiheit, auch nach beliebigen Motiv oder beliebiger selbstgemachter Regel durch gegebene Punkte von endlicher Distanz beliebige Figuren zu ziehen. Wo sie nun nicht nach einfachster Regel zu Ecken verwandt werden, liegt es am nächsten, Maxima und Minima der Krümmung, Wendepunkte, singuläre Punkte damit zu bezeichnen, und so geschieht’s nicht selten.

    Dass der Geist bei Abwesenheit besonderer (ausnahmsweiser) Bestimmungsgründe es stets vorzieht, distante Punkte vielmehr durch gerade Linien und durch Ebenen, als durch krumme Linien und krumme Flächen vorstellend zu verbinden, läßt sich durch hinreichende Induktion beweisen. Sind nur zwei Punkte (z. B zwei Sterne am Himmel) gegeben, so stellt man ihre Verbindungslinie zweifellos als eine gerade vor; drei Punkte bestimmen für uns stets eine Ebene, ungeachtet man eben so gut jene zwei Punkte durch eine krumme Linie, die drei durch eine krumme Fläche verbunden denken könnte. Wo sich irgend eine Mehrheit von Punkten, zugleich ins Auge gefaßt, durch eine gerade Linie oder Ebene verbinden läßt, da wird es der Geist auch sicher tun, statt eine Wellenlinie oder Wellenfläche durch sie zu legen. So wenn man die Blätterdurchgänge der Kristalle atomistisch repräsentiert sieht. Drei beliebig geordnete Punkte sind an sich eben so gut zu Bestimmungspunkten eines Kreises als eines Dreiecks tauglich; doch wird man stets dadurch ein Dreieck wie durch vier Punkte in einer Ebene ein Viereck bestimmt halten. Die acht Würfelecken könnten auch eine Kugelfläche bestimmen; aber jeder denkt bei ihrer Lage, auch wenn der Würfel nicht voll noch der Umriß voll gezogen ist, an einen Würfel. Wenn aber viele im Kreis gestellte Punkte uns doch auch einen Kreis recht wohl repräsentieren können, so hängt dies mit dem bemerkten Umstande zusammen, dass Polygone von sehr großer Zahl und Kleinheit der Seiten mit krummlinigen Figuren merklich zusammenfallen.

    Zwar könnte man meinen, es käme in diesem Falle wie in anderen Fällen mit dem Prinzip, durch möglichste Verkürzung der Verbindungslinien den Aufwand an Vorstellungstätigkeit möglichst zu verkleinern, ein anderes Prinzip in Konflikt und überwöge diesfalls, wonach zu jedem scharfen Richtungswechsel lebendige Kraft verbraucht wird, so dass man bei häufigem Richtungswechsel es doch leichter fände, eine längere krumme als eine kürzere vieleckige gerade Linie zu ziehen. Aber zuvörderst nimmt mit zunehmender Kleinheit und Mehrheit der Seiten einer Figur auch die Schärfe ihres Richtungswechsels ab; und dann finde ich nicht, dass man irgend wie weniger geneigt ist, drei oder vier Punkte als Dreieck oder Viereck aufzufassen, und irgendwie mehr geneigt, sie durch eine krumme Linie in der Vorstellung zu verbinden, wenn man sie recht nahe, als wenn man sie recht weit von einander stellt, ungeachtet hier der Aufwand an lebendiger Kraft durch die scharfe Wendung an den Ecken relativ größer gegen die durch die Länge des Weges werden müßte, was beweist, dass das betreffende Prinzip hierbei gar nicht in Betracht kommt.

    Man kann dies auffallend finden; es liegt aber unstreitig darin und beweist gegen die Ansichten von Manchen (was sich freilich auch noch sonst auf mehr als eine Weise beweisen läßt), dass wir den Gesichtseindruck von Figuren, die auf einmal in das Auge fallen, überhaupt nicht sowohl durch sukzessiven Verfolg derselben, als durch ein gleichzeitiges Zusammenwirken ihrer Teile empfangen; denn sonst würde das Auge oder die Einbildungskraft bei Darbietung von beispielweise drei oder vier Punkten sicher die scharfe Wendung an den Ecken scheuen und lieber in sanftem krummen Wege durch die Punkte gehen. Die Bewegung der Augen ist nur dazu nötig, eine erst im Ganzen undeutlich erfaßte Figur dann im Einzelnen deutlicher zu fassen. Ließe sich doch auch mit bloßer sukzessiver Verfolgung der Punkte des Gesichtsfeldes bei noch so raschen hin- und hergehenden Bewegungen des Auges höchstens der Eindruck einer sehr geschlängelten Linie, nicht einer Fläche erhalten. Ungeachtet daher dem Auge sicher auch die sukzessive Auffassung einer Figur zu Gebote steht, geschieht doch die erste Auffassung eben so sicher simultan. Und was für die direkte Sinnesauffassung gilt, gilt für dir Vorstellung oder Einbildung, die es ihr nachtut. Anstatt also zu sagen: der Geist, die Vorstellung, die Einbildungskraft zieht Linien zwischen gegebenen Punkten, wäre es eigentlich richtiger zu sagen: es entsteht durch das Zusammen der Punkte der Eindruck oder die Vorstellung einer verbindenden Linie zugleich mit. Hiernach wird man den kürzeren Ausdruck überall in den wahren zu übersetzen haben.

    Man kann bemerken, wie mit unserer Auffassung ein Zusammenhang zwischen äußerer Form und innerer Struktur entsteht. Indes die äußere Form durch die Linien und Flächen (respektiv Geraden und Ebenen) bestimmt wird, die man durch die Grenzpunkte des Körpers legt, kann man auch Linien und Flächen durch die Punkte des Inneren legen, und die Linien, Flächen, die man in ersterem Sinne legt, bilden nur ein gemeinschaftliches System mit denen, die man in letzterem Sinne legt. Treten doch auch in der Mathematik die verbindenden Geraden und Ebenen, die man durch den Umfang und das Innere eines Systems von Punkten legt, unter gemeinsame Gesichtspunkte und Formeln. Für die dynamische Ansicht dagegen behalten die äußere Oberfläche und das innere Gefüge immer etwas Inkommensurables.

    Das Gerüst, was nach unserer Auffassung das Innere jedes Körpers durchzieht, und sich mit der Oberfläche durch die Grenzpunkte verkettet, kann als Ausdruck einer dritten Dimension der Körperform betrachtet werden. Die dynamische Ansicht, indem sie den Raum in seiner ganzen Tiefe mit körperlicher Substanz durchdringt, muß dafür mit der Körperform bei der Oberfläche stehen bleiben. Nach unserer Auffassung ist alle Materie des Körpers unmittelbar in Form aufgehoben, indem sie eben deren Bestimmungspunkte bildet, nach der dynamischen Ansicht ist sie in der Form nur wie in einem äußeren Sacke enthalten.

    Sofern man von jedem Atom der Oberfläche wie des Inneren eines Körpers nach jedem anderen (nicht bloß dem nächsten, sondern auch dem fernsten) eine Gerade und nach je zwei anderen eine Ebene legen kann, stellt sich nach allgemeinster Formbestimmung durch Gerade und Ebenen die Struktur jedes Körpers als ein höchst verwickeltes Maschenwerk dar. Insofern aber die Anordnung der Atome als willkürlich gedacht wird, kann man fragen, wie sie zu bestimmen sei, um bei gegebenem Totalvolum des Körpers den kleinstmöglichen Aufwand von Räumlichkeit zu den verbindenden Geraden und Ebenen zu erfordern. Es ist die regelmäßige, indem bei ihr nicht nur viele sonst divergierende Verbindungslinien und Ebenen zusammenfallen, sondern überhaupt die Summe der verbindenden Linien und Ebenen die kleinstmögliche wird. (Um einen einfachsten Fall zu nehmen, so ist in einem Quadrate, der regelmäßigsten Figur, die durch vier Punkte in einer Ebene bestimmt werden kann, die Summe der Seiten und Diagonalen, wie auch schon der Seiten für sich, kleiner als in jedem Rechteck oder unregelmäßigen Viereck von gleichem Inhalt.) Auch ist dies wieder der Grenzfall zwischen allen gleich möglichen Verschiebungen der Atome nach verschiedenen Richtungen um gleiche Größen (z. B. der Grenzfall zwischen solcher Verschiebung von vier Atomen, dass einmal ein stehendes, das andere Mal ein liegendes Rechteck dadurch entsteht). Durch die regelmäßige Anordnung vereinfacht sich also das Maschenwerk der Struktur, und jede Annäherung an die Regelmäßigkeit ist zugleich eine Annäherung an die Einfachheit derselben. Und so kann man überhaupt, ungeachtet der an sich unendlich mannigfaltigen Möglichkeit der Formbestimmung durch Punkte, immer Grenzbestimmungen aus diesem oder jenem Gesichtspunkte erhalten, die teils durch die Annäherung, welche die Natur daran zeigt, teils durch die Tendenz, welche der Geist hat, sich an sie zu halten, von fundamentaler Wichtigkeit sind.

    Nicht minder, als eine zusammenhängende Form entsteht, wenn man die Lagen, welche von verschiedenen Punkten zugleich eingenommen werden, in der Vorstellung verbindet, entsteht eine solche, wenn man die Lagen, die derselbe Punkt sukzessiv einnimmt, in der Vorstellung verbindet, d. h. man kann auch Formen durch Bewegung gewinnen. Hier ist es augenscheinlich, dass die Form nur etwas Gedankenmäßiges ist; denn nur nach Maßgabe als man in Gedanken das Gewesene mit dem Jetzigen verbindet, entsteht die Form bei der Bewegung. Die Gestirne spiegeln uns auch diese Art Formen in einfachster Weise vor, d. i. in ihren himmlischen Bahnen.

    Der Dynamiker mag freilich sagen, wenn die Materie in der Bewegung kontinuierlich verschiedene Lagen nach einander einnimmt, so ist es nur entsprechend, dass sie solche in der Raumerfüllung auch zugleich einnimmt. Aber wenn sie wirklich die verschiedenen Lagen, die sie in der Bewegung nach einander einnimmt, vermöge der Raumerfüllung schon alle zugleich einnähme, so würde es eben weder der Bewegung bedürfen, sie noch nach einander einzunehmen, noch würde ohne Zuziehung der Durchdringlichkeit der Materie eine Bewegung möglich sein in einem Raume, der schon eingenommen ist. Der Raum bedarf vielmehr der Bewegung zur Erfüllung seiner Leere, und die Bewegung bedarf des leeren Raumes zu ihrer Bahn. Der Raum ist nicht der Affe der Zeit, sondern das Weib der Zeit; ihr ähnlich in vielen Stücken, sich damit ergänzend in anderen.

    Die Formen, die durch Bewegung der einfachen Atome entstehen sind nur lineare, indes die Formen, die durch räumliche Zusammenordnung der Atome entstehen (sofern man die Struktur mit darunter faßt), durch die Tiefe der drei Dimensionen gehen. Das hängt unstreitig damit zusammen, dass die Zeit nur eine, der Raum drei Dimensionen hat. Die Formen durch Bewegung sind ferner an sich bestimmte, indes die Raumformen an sich unbestimmte und nur relativ bestimmbare sind.

    Zum Stoff und zur Form können wir noch ein Drittes, ein formendes Prinzip, verlangen, was die Atome ordnet, sie ihre Bahnen führt. An einem solchen Prinzip fehlt es nicht, es liegt in den Kräften, und wir wissen, Kräfte sind Vertreter von Gesetzen, und alle Gesetze stehen letztlich unter einem höchsten. So ist das Wesen der Form ein Gedanke, der Grund der Form ein Gesetz. Dass eine Pflanze sich so baut und umbaut, hängt daran, dass Atome sich nach diesem Gesetz ordnen und bewegen. Auch die Freiheit kann nur auf Grund des Gesetzes oder selbst als gesetzgebend zugleich formgebend sein.

    Womit bindet denn die dynamische Ansicht ihren Ton? Wieder durch Ton, denn die Kräfte, welche die Materie zusammenhalten und bewegen, schlagen ja nach ihr selbst in Materie über.

    Weiter finden sich mit Vorigem zusammenhängend auch die Begriffe der absoluten Extension und Intension hypostasiert. Raum und Zeit sind ein reines Außereinander, die einfachen realen Wesen sind ein reines Insich. Allerdings stehen die verschiedenen einfachen Wesen auch im Verhältnis des relativen Außereinander; aber der Bestand keines derselben ist an dieses Außereinander geknüpft, während der Bestand des Raumes wie der Zeit wesentlich im Außereinander selber liegt; auch wird jenes Außereinander der einfachen Wesen nur durch den Raum vermittelt.

    Die dynamische Ansicht hat bloß eine reine Hypostase für die Extension. Das Geistige selber kann nicht als etwas rein Intensives gelten, weil es der Zeit bedarf, seinem Wesen nach ein zeitlich Ausgedehntes ist. In einem Augenblicke läßt sich nichts fühlen und nichts denken.

    Als rein extensiv können Raum und Zeit keinen Inhalt darstellen, geben; man kann von Raum und Zeit nicht sagen, dass sie in Etwas wären, dagegen Alles, was ist, in Raum oder Zeit oder Beidem gedacht werden muß. Umgekehrt können die einfachen Wesen nur Inhalt darstellen, geben, aber nicht selbst haben. Hiermit sind Raum und Zeit an sich zugleich das absolute Leere, die einfachen Wesen Das, was die Fülle in diese Leere bringt.

    Indem die einfachen Wesen den Raum füllen, erfüllen sie ihn doch nicht. Sollte dies der Fall sein, so würde der Raum sie nicht als Inhalt, wie es ihr Begriffsverhältnis fordert, einschließen, sondern sie würden den Raum decken. Was einen Kreisumfang deckt, ist nicht in ihm, aber Punkte können in beliebiger Zahl in ihm sein. Statt Kreisumfang setze Raum. Auch würde die Fülle, die in der Menge des Unterscheidbaren besteht, mit der absoluten Erfüllung des Raums schwinden. Die unendliche Fülle, welche die einfachen Wesen in den Raum bringen, ist eben nur mit der Nichterfüllung des Raums möglich.

    Anstatt dass der Raum durch die Materie erfüllt würde, kann man aus gewissem (freilich auch nur gewissem) Gesichtspunkte sagen, er bleibt mit ihrem Dasein so leer, als ohne ihr Dasein; weil alle einfachen Wesen als Punkte zusammengenommen immer wieder nur zu einem Punkte zusammengehen, der keine Ausdehnung repräsentiert.

    Die Zeit wird durch das Dasein der Materie nicht mehr erfüllt als der Raum; denn in der Zeit sein ist so wenig mit Erfüllen der Zeit, als im Raum sein mit Erfüllen des Raums zu verwechseln. Eine gemeinsame Erfüllung von Raum und Zeit erfolgt aber, wenn man so will, durch die Bewegung. Sollte ein einfaches Wesen einmal völlig ruhen (es gibt aber keine absolute Ruhe), so würde es während dessen auch die Zeit mit Nichts erfüllen. Es ist jedoch nicht das einfache Wesen, was in der Bewegung Zeit und Raum erfüllt; sondern eben nur die Bewegung des einfachen Wesens erfüllt Zeit und Raum, in so fern als sie ein Produkt beider ist.

    Einige weitere Betrachtungen über die Bewegung s. im folgenden Kapitel.

    Wir haben im Vorigen gesehen, was wir voraussagten, wie eine Reihe der wichtigsten Begriffe, unter welche die Existenz nach Seiten ihrer äußeren Erscheinlichkeit zu fassen ist, im einfachen Atom gleichsam wie in einem identischen Zentrum zusammenlaufen und darin eine gemeinsame reine Hypostase finden, als da sind die Begriffe des Einfachen, Diskontinuierlichen, Unendlichkleinen, Unteilbaren, Zählbaren, Stofflichen, Intensiven, Füllenden, und wie sie sich darin mit den gegensätzlichen Bestimmungen von Zeit und Raum ergänzen.

    Ohne das einfache Atom ginge dieser ganze Nexus zugleich und sich ergänzende Gegensatz verloren. Wir haben, wenn die Materie den Raum erfüllt, eine nach einer Richtung sich streckende Zeit, einen nach unendlichen Richtungen sich streckenden Raum, und eine ebenso sich nach unendlichen Richtungen streckende Materie. Die Materie, statt der Unendlichkeit durch ihre unendliche Kleinheit den Widerpart zu halten, und damit die Relationen der Endlichkeit zu geben, wird von gewisser Seite eine Tautologie des Raumes, von anderer Seite verdrängt sie den Raum und verlegt sich ihn für die Bewegung.

    Wenn die bisherigen Versuche, die Atomistik recht weit zurückführen, im Allgemeinen nur ins Dunkle und Wirre geführt haben, so lag der Grund nur darin, dass man sie noch nicht weit genug zurückgeführt hat, vielmehr vor dem letzten Schritte zurückgescheut ist, der auf einmal aus dem Dunkel und der Wirre in das helle Licht führt. So lange die letzten Atome noch endlich bleiben, ist man noch nicht am Ende und bleibt man genötigt, das zu Erklärende in das Erklärungsmittel aufs Neue zu verlegen. Die Welt in letzter Instanz aus kleinen Kugeln bauen wollen, was Manche als den Schluß atomistischer Weisheit betrachtet haben, heißt ein Haus statt aus Steinen aus kleinen Häusern bauen wollen. Nun gar Tetraeder und Würfel dazu verwenden wollen, heißt zum Weltbau einen Kinderspielkasten nehmen.

    Nur erst sowie die letzten Atome einfach werden, tritt mit der einfachsten zugleich die großartigste, mit der erhabensten zugleich die feinste Bauweise der Welt uns entgegen. Alle Last, die jene kleinen Lasten noch dem bauenden Geiste aufbürdeten, ist in Nichts geschwunden, alle Hemmnis, die ihre starre Undurchdringlichkeit in den Weg legte, ist in Kraft verwandelt, mit der sich die einfachen Wesen unter Führung des Gesetzes zum schmuckvollen Baue, Kosmos, fügen.