V. Gründe für die Atomistik aus dem Bedürfnis, die magnetischen mit den elektrischen und anderen Erscheinungen gesetzlich zu verknüpfen.

    So schlagend für den Sachverständigen und Unbefangenen, der sich an das Urteil Sachverständiger zu halten gewohnt ist, die Gründe des vorigen Kapitels erscheinen mögen, kann doch ein Dynamiker, um sich nicht für überwunden zu erklären, zur Beschwerde greifen, dass ihm zugemutet werde, jene Gründe ohne die Möglichkeit eigener genauer Prüfung gelten zu lassen, oder sich in Studien zu vertiefen, in welche die meisten Anhänger der Atomistik selbst sich scheuen zu vertiefen. Mag diese Ausflucht ihm zu Gute kommen, so findet er aber hier eine neue Reihe von Tatsachen, wo sie nicht mehr hilft; da vielmehr an jeden, der über die Atomenfrage urteilen will, die Zumutung gestellt werden kann, so viel, und es ist in der Tat sehr wenig, von der Physik zu verstehen, um die folgenden Gründe zu verstehen. Noch weniger Zumutung liegt in den Gründen der folgenden Kapitel.

    l. Seit elektrische und magnetische Erscheinungen bekannt sind, hat man auch das Bedürfnis empfunden, diese in so vieler Hinsicht einander verwandten Erscheinungen auf ein gemeinsames Erklärungsprinzip zurückzuführen. In der, jetzt wohl allgemein akzeptierten, Ampére’schen Theorie ist neuerdings bekanntlich ein solches Prinzip gefunden, wonach alle Erscheinungen des Magnetismus sich als Wirkungen elektrischer Kreisströme darstellen lassen. Durch Spiralen, die von einem elektrischen Strome durchlaufen sind – jede solche Spirale aber repräsentiert approximativ ein System elektrischer Kreisströme – kann man nicht nur unmagnetisches Eisen magnetisch machen, sondern auch alle Anziehungs- und Abstoßungserscheinungen der Magnete gegen einander repräsentieren, endlich die Richtung, welche Magnete unter dem Einflusse eines galvanischen Schließungsdrahtes oder der Erde annehmen, an ihnen reproduzieren. Selbst die westliche Abweichung und die Inklination des Nordpols der Magnetnadel, die Änderungen ihrer Deklination und Inklination je nach der geographischen Lage des Beobachtungsortes, fehlen nicht bei der elektrischen Spirale und sind ganz übereinstimmend mit denen der wirklichen Magnetnadeln.1) Wer mochte hiernach diese Zurückführung des Magnetismus auf Elektrizität noch bestreiten, und, fügen wir hinzu, wer möchte sie durch die verknüpfenden oder scheidenden Kategorien, welche die Philosophie in dynamischem Sinne für Elektrizität und Magnetismus hat einzuführen versucht, ersetzbar oder verdrängbar halten? Aber eins der fundamentalsten Phänomene, welche von Magneten dargeboten werden, läßt sich doch nicht durch elektrische Spiralen reproduzieren. In wie kleine Stücke man auch einen Magneten zerbricht, jedes Stück stellt wieder einen vollständigen Magneten dar; zerbricht man aber eine elektrische Spirale irgendwie, so hört der Strom auf. Wie diese Abweichung erklären?

1) Eine Abweichung, welche darin liegt, dass in den elektrischen Spiralen die Pole (Stellen stärkster Anziehung) ganz an den Enden, in den Magneten in einem kleinen Abstande von den Enden liegen, braucht, als nur von untergeordneter Bedeutung, hier nicht berücksichtigt zu werden, da sie sich leicht dadurch repräsentieren läßt, dass in den Magneten die Kreisströme nach dem Ende zu an Intensität abnehmen oder den Parallelismus gegen die übrigen Ströme verlieren; indes sie in allen Windungen der Spirale gleich stark und (nahehin) parallel sind.
 
 
    Zunächst scheint folgender Weg dazu sich darzubieten: Wenn ein leitender Körper über seiner ganzen Oberfläche mit ruhender Elektrizität bedeckt ist, und man zerbricht den Körper, etwa durch Anstoß mittelst eines nichtleitenden Körpers, so wird jedes Stück des leitenden Körpers sich wieder über seiner ganzen Oberfläche elektrisch zeigen, indem die, erst auf der gemeinsamen äußeren Oberfläche verbreitete, Elektrizität sich über die, durch den Bruch zum Vorschein gekommenen neuen Oberflächen mit verbreitet und nun die Stücke eben so einhüllt, wie anfangs den ganzen Körper, natürlich mit geschwächter Intensität, wie aber auch die Stücke eines Magneten nicht mehr so stark wirken, als der ganze Magnet. Eben so werden die, den ganzen Magneten umgebenden, elektrischen Ströme beim Zerbrechen desselben auf die Bruchflächen mit übergehen, und sich eben so wieder um die Stücke zusammenschließen, als anfangs um den ganzen Magneten. Bei einer von einem elektrischen Strome durchlaufenen Spirale aber kann etwas Entsprechendes deshalb nicht stattfinden, weil der elektrische Strom darin überhaupt nur durch die Schließung der Kette, in welcher die Spirale begriffen ist, unterhalten wird, diese Schließung aber durch Zerbrechen der Spirale aufhört. Wozu noch kommt, dass der elektrische Strom den Draht in seiner ganzen Dicke durchströmt, wie sich dadurch beweist, dass er ihn durch und durch in Glühen versetzen, ja im elektrischen Schlage sprengen kann. Zerbricht man nun die Spirale in Stücke, so bleibt dem Strome jedes Stücks nichts übrig, als eben aufzuhören oder in sich zurückzukehren, was dem Aufhören gleich gilt.

    Aber diese Erklärung des Unterschiedes zwischen Magneten und elektrischen Spiralen hält bei näherer Betrachtung nicht Stich, indem sie nur eine neue Schwierigkeit für die Identifizierung beider heraufbeschwört. Denn wenn der Magnet im Ganzen in seiner oder an seiner Oberfläche, oder auch durch seine ganze Masse in konzentrischen Kreisen um seine Achse, von elektrischen Strömen umkreist wäre, so müßte sich sein Magnetismus durch eine am Magneten äußerlich angebrachte Nebenschließung (d. i. einen mit seinen beiden Enden auf zwei Umfangspunkte des Magneten in gleicher Höhe aufgesetzten Drahtbogen) schwächen und durch einen in die Nebenschließung eingeschalteten Multiplikator die abgeleitete Strömung nachweisen lassen, was beides nicht der Fall ist. Zeigte nun die elektrische Spirale in dem Zerbrechungsphänomen eine Abweichung vom Magnete, die durch die Theorie erklärt sein wollte, so kommt hier umgekehrt eine Abweichung des Magneten von der elektrischen Spirale zum Vorschein, die nicht minder erklärt sein will und im angegebenen Wege nicht zu erklären ist: denn der elektrische Strom der Spirale wird wirklich durch eine irgendwie äußerlich angebrachte Nebenschließung geschwächt, und der dadurch abgeleitete Strom ist mittelst eingeschalteten Multiplikators nachweisbar.

    Kurz, während der gesamte Kreis jener ersten Tatsachen die schlagendste Bestätigung für die verknüpfende Theorie des Magnetismus und der Elektrizität bietet, stellen sich die zwei nachträglich angeführten Tatsachen in schreienden Widerspruch dagegen. Soll man nun um dieser paar Ausnahmen willen jene Theorie aufgeben, die doch sonst den Zusammenhang von Magnetismus und Elektrizität so vortrefflich repräsentiert? In der Tat müßte man es, wenn sich kein Weg zeigte, den Widerspruch zu heben. Es gibt nun wirklich einen solchen Weg; aber nur einen, der zugleich sehr einfach ist, und das ist der atomistische.

    Der ganz einfache Weg nämlich, beide Schwierigkeiten oder scheinbare Widerspruche mit einem Schlage im Zusammenhange zu heben, besteht darin, dass man die Kreisströme nicht um die Achse des Magnets im Ganzen, sondern um die einzelnen Partikeln in homologem Sinne laufend denkt. Die Rechnung und selbst eine leichte Betrachtung ohne Rechnung zeigen nämlich, dass dies für alle nach Außen gerichteten Wirkungen des Magneten zu demselben Resultate führt, als wenn man ihn im Ganzen umkreist oder durch die elektrische Spirale ersetzt dächte, indes sich nun der Fortbestand des Magnetismus an den Bruchstücken und die Unmöglichkeit der Ableitung durch Nebenschließungen von selbst erklärt. Eine Nebenschließung vermag nämlich nur in sofern ableitend zu wirken, als sie zwei Punkte desselben Stroms, nicht aber zwei Punkte getrennter Ströme verbindet, wie es die Ströme um die atomistisch gedachten Partikeln des Magneten sind.

    Die Partikeln aber, um welche die elektrischen Ströme laufen, muß man sich notwendig atomistisch denken, weil in einem Continuum aus leitender Masse, wie sich der Dynamiker das Eisen denkt, getrennte elektrische Kreisströme überhaupt nicht bestehen könnten; ganz gleichgültig, wie man sich das Grundwesen der Elektrizität dabei denken will. Selbst wenn es auf Actus puri im Sinne des Dynamikers hinausliefe, so könnten solche Actus puri in kontinuierlicher leitender Masse erfahrungsmäßig nicht in Form gesonderter Kreise bestehen, ein einleuchtendes Beispiel, dass mit dieser Zurückführung nichts gegen die Atomistik auszurichten. Ja sie könnten nicht nur nicht gesondert bestehen, sondern auch nicht bleibend bestehen, wie sich aus Folgendem ergibt: Öffnet man eine geschlossene Kette, an der sich eine Nebenschließung befindet, so entsteht in letzterer im Augenblicke der Öffnung der Hauptkette ein Strom, doch nur von sehr kurzer Dauer, trotzdem, dass die Nebenschließung mit dem Teile der Hauptkette, den sie zwischen sich faßt, fortgehends einen vollen Kreis darstellt; warum? weil der Strom im Übergang zwischen wägbaren Teilchen einen Widerstand findet, der ihn bald vernichtet, wenn nicht die erregende Ursache kontinuierlich fortbesteht, wie es bei geschlossener Kette der Fall ist. Also könnten die Ströme im Magneten nach Entfernung der ursprünglich erregenden Ursache nicht dauern, wenn sie nicht im leeren, keinen Widerstand leistenden, Raume um die wägbaren Teilchen verliefen.

    Der Nexus der vorigen Tatsachen in Betreff der Forderung des Atomismus ist so bindend, dass sich gar nicht absehen läßt, wie ihr auszuweichen ist, wenn man nur überhaupt die Vorforderung gelten läßt, die gesamten Verhältnisse der Übereinstimmung und Verschiedenheit elektrischer Schrauben und Magnete aus einem gemeinsamen Erklärungsprinzipe abzuleiten, hiermit Elektrizität und Magnetismus selbst auf ein solches zurückzuführen, und es kann das vorige Beispiel zugleich als eins der augenfälligsten dienen, welcherlei Forderungen die Physik in Betreff der Verknüpfung verschiedener Erscheinungsgebiete stellt, wie solche durch die atomistische Ansieht befriedigt und durch die dynamische nicht befriedigt werden. Dabei kann man zugeben, dass unsere jetzigen Vorstellungen über die Grundnatur der Elektrizität und mithin elektrischen Ströme, mithin des Magnetismus, noch einer weiteren Zurückführung fähig sind, wie sie denn bei den gründlichsten Physikern wohl nur als praeliminäre gelten; aber es läßt sich leicht übersehen, dass, insofern derselbe Nexus der Tatsachen, welcher die atomistische Auffassung der Magnete fordert, dabei bestehen bleibt, auch die atomistische Folgerung in gleicher Kraft bestehen bleiben wird. Um so besser wird dies nach den Erörterungen der folgenden Nummer einleuchten.

    2. Früher faßte man den Magnetismus physikalisch nicht minder als philosophisch unter dem Gesichtspunkte einer Polarität auf, und ein Unterschied lag nur darin, dass man die Polarität physikalisch nicht eben so wie philosophisch bloß durch Unterordnung unter begriffliche oder ideelle Kategorien, sondern durch erfahrungsmäßige gesetzliche Beziehungen bestimmte und charakterisierte, dadurch ihren Begriff zu einer faktischen Macht erhob. Diese reichte aus, das ganze Gebiet der magnetischen Erscheinungen für sich zu beherrschen, nur nicht auch das der elektromagnetischen mit zu beherrschen, wie es die Ampére’sche Auffassung leistet, durch welche der Begriff der magnetischen Polarität von einem fundamentalen zu einem sekundären herabgedrückt wird. Nun aber dürfte es nützlich sein, zu zeigen, dass, selbst wenn man die fundamentale Bedeutung der magnetischen Polarität, hiermit die Trennung von Magnetismus und Elektrizität, aufrecht halten, nur eine Wechselwirkung und Wechselerregbarkeit beider nach gewissen Gesetzen statuieren will 2), man nichts desto weniger, um nicht den Zusammenhang der Phänomene auch nach anderen Richtungen zu verlieren, genötigt ist, die Konstitution des Magneten atomistisch zu fassen, d. h. anzunehmen, dass der Magnet, anstatt kontinuierlich mit Stahl erfüllt zu sein, aus diskontinuierlichen Elementarmagneten mit homologer Richtung der Pole besteht. Um so leichter wird man dann verstehen, dass es hierbei überhaupt wesentlich nur auf den Zusammenhang der Tatsachen ankommt, der bis zu gewissen Grenzen gleich gut durch verschiedene Grundvorstellungen über die Natur des Magnetismus repräsentiert werden kann, und was es überhaupt mit jener, im vorigen Kapitel besprochenen, Ausflucht des Dynamikers sagen will, die Physik würde nur nötig haben, andere Grundvorstellungen im Sinne der dynamischen Ansicht einzuführen, um dasselbe auch dynamisch zu erklären, was sie jetzt meint, bloß atomistisch erklären zu können. Jede neue Wendung der Grundvorstellungen, die in dieser Hinsicht Gleiches leisten soll, fordert vielmehr die Atomistik nur in neuer Wendung. Daher läßt sich, was wir folgends im Sinne der alten Grundvorstellung vom Magnetismus erklären, recht wohl auch in die Ampére’sche übersetzen; aber immer nur unter Festhaltung der atomistischen Körperkonstitution, soll die Erklärung noch wie früher fortbestehen.

2) So ist es selbst nach Entdeckung des Elektromagnetismus noch längere Zeit von vielen Physikern geschehen; und vielleicht stehen manche noch jetzt auf diesem Standpunkte; doch scheint die Beziehung auf Elementar- oder Molekularmagnete statt auf elektrisch umkreiste Teilchen, wo sie noch stattfindet, im Allgemeinen mehr durch die bequemere Repräsentation, welche sie in Verhältnis zur Ampére’schen Auffassung für manche Kreise der Erscheinungen bietet, als durch einen Abweis der Ampére’schen Auffassung veranlaßt, mit Rücksicht, dass die schließliche Übersetzung der einen Auffassung in die andere in jedem Falle leicht ist.
 
 
    Das Hauptphänomen, was schon lange vor Entdeckung des Elektromagnetismus die Physiker zur atomistischen Auffassung der Magnete veranlaßte, war jenes schon besprochene Phänomen, dass jeder Magnet, ungeachtet er im ganzen Zustande bloß zwei Pole an den Enden zeigt, beim Zerbrechen in Stücke in eben so viel kleinere Magnete mit homologer Richtung der Pole zerfällt. Hiergegen ließ sich dynamischerseits etwa sagen: die Polarität des Magneten ist so wesentlich an die Richtung geknüpft, dass sie, wenn neue Enden durch Bruch des Magneten zum Vorschein kommen, auch neu in entsprechender Richtung daran hervortritt. Nun aber zeigt sich, dass Erschütterungen während der Einwirkung eines magnetisierenden elektrischen Stromes den Magnetismus eines Stabes vermehren, hingegen den permanenten Magnetismus des Stabes nach Aufhebung des magnetisierenden Stromes vermindern.3) Beides läßt sich im Zusammenhange atomistisch leicht dadurch erklären, dass Erschütterungen sowohl die Drehung der im unmagnetischen Stabe ungeordnet durch einander liegenden Elementarmagnete in eine homologe Lage der Pole als, nach der Magnetisierung, die Drehung aus ihr weg erleichtern; dynamisch fehlt ein prinzipieller Zusammenhang zwischen der magnetisierenden und erschütternden Wirkung; er muß einfach hinzu postuliert werden. Weiter zeigt sich, dass der permanente Magnetismus der Stahlstäbe durch ihre Torsion abnimmt.4) Auch das ist atomistisch leicht erklärlich; die Achsen der Elementarmagnete werden durch die Torsion aus ihrer mit der Achse des Stabes homologen Richtung gebracht. Dynamischerseits ist ein neues Postulat nötig. Die Auffassung, dass beim Bruch des Magneten durch Hervorrufung neuer Enden neue Pole entstehen, fruchtet natürlich beidesfalls nicht; der Magnet bleibt ja nach der dynamischen Ansicht bei Erschütterung wie Torsion kontinuierlich ganz. 3) Fortsch. d. Phys. 1858. S. 486.
4) Ebendas. S. 486.
 
 
    Recht anschaulich kann man sich die Wirkung der Torsion auf den Magnetismus wie folgt erläutern: Denken wir uns eine an sich unmagnetische und unelektrische schraubenförmige Drahtspirale, an deren Drahtwindungen aber in regelmäßigen Abständen von einander kleine Magnetstäbchen oder kurze magnetische Nähnadeln so befestigt sind, dass ihre Achse parallel der Achse der Schraube und alle gleichnamigen Pole homolog gerichtet sind, so hat man darin das Bild eines Magneten im atomistischen Sinne. Tordiert man jetzt die Schraube, so nehmen mit der anderen Richtung der Drahtwindungen auch die daran befestigten Magnetstäbchen notwendig eine andere Richtung an, und indem ihre Achse jetzt nicht mehr parallel der Schraubenachse bleibt, ihre Pole sich anfangen seitlich zu wenden, nimmt die resultierende Polwirkung der Enden der ganzen Schraube ab. Dynamisch ist nicht einmal der Unterschied der Torsion des Stabes von einer bloßen Drehung klar vorstellbar, geschweige der Einfluß der Torsion auf den Magnetismus des Stabes.

    Außer den vorbetrachteten Beziehungen hat Wiedemann noch eine ganze Reihe der interessantesten anderen Wechselbeziehungen zwischen Torsion und Magnetismus aufgefunden 5), die sich allgemein dadurch erklären, dass die veränderte Stellung, welche die Elementarmagnete (oder von Strömen umkreisten Teilchen) durch die Torsion erhalten, den resultierenden Magnetismus des ganzen Stabes abändert oder selbst erst in bestimmter Richtung zum Vorschein bringt, umgekehrt die Abänderung ihrer Stellung, welche durch elektrische Ströme im Akt des Magnetisierens erzeugt wird, Torsion oder Abänderungen der Torsion zuwege bringt. Ohne Bezugnahme auf Zusammensetzung des Stahls und Eisens aus Elementarmagneten, die um ihren Schwerpunkt innerhalb des ganzen Stabes drehbar sind, oder Teilchen, die von elektrischen Strömen umkreist sind, bleibt das Alles gleich unverständlich.

5) Berlin. Berichte. 1858. S. 503. 1860. 744 oder Pogg. Ann. CIII. S. 563-CVI. 161. Auszüge daraus in Fortschr. d. Phys. 1859. S. 4. 1860. S. 521.
 
 
    3. Ein weicher Eisenstab, als Klangstab aufgehangen und von einer Kupferspirale in einiger Entfernung umgeben, wird durch Einleiten eines elektrischen Stroms in die Spirale plötzlich magnetisch; bei Unterbrechung des Stroms verliert er eben so plötzlich wieder den größten Teil des Magnetismus. Dynamisch sind beides Zustandswechsel, welche den Magneten im Ganzen betreffen und die wägbaren Teile desselben nicht aus ihrer Lage bringen. Atomistisch sind beides schnelle Drehungen der Teilchen in eine homologe Lage der Pole und aus ihr weg, welche nicht stattfinden können, ohne Schwingungen nachzuziehen. Wie wird man zwischen beiden Vorstellungen entscheiden? Dadurch, dass man zusieht, was aus jeder folgt und was wirklich erfolgt. Ist die erste richtig, so kann durch den magnetischen Zustandswechsel im Stabe keine Bewegung in der umgebenden Luft hervorgerufen werden oder es wäre dazu wieder ein ganz neues Postulat nötig; ist die zweite richtig, so ist zu erwarten, ja zu fordern, dass die rasche Schwingung der wägbaren Teilchen des Magneten sich nicht minder auf die umgebende Luft fortpflanze, als die rasche Schwingung der Teilchen eines tönenden Körpers; mithin, dass auch ein Ton bei der Magnetisierung wie Entmagnetisierung gehört werde. Entsteht er oder nicht? es ist ein Ja oder Nein für die eine oder andere Ansicht. Er entsteht; der Longitudinalton des Stabes, der auch durch Längsreibung erzeugt werden kann, wird gehört. Hiermit ist die atomistische Ansicht als Knotenpunkt zugleich für Magnetismus, Elektrizität, Schall und Torsion bejaht.

    Was hat der Dynamiker für diesen Knotenpunkt zu bieten?

    4. Man kann einen Stahlstab herstellen, der folgende seltsame Eigenschaften zeigt. In welchem Wege man ihn auch prüfen mag, er verhält sich schlechthin unmagnetisch. Jetzt aber durchschneide man ihn der Länge nach in zwei, mit dem ganzen Stabe gleich lange, Stäbe, indem man den Schnitt durch seine Achse, gleichviel durch welche Schnittlinie der Oberfläche und mithin in welcher Richtung durch die Achse man ihn führt; und jede beider Hälften wird sich als ein vollständiger Magnet mit einer eigentümlichen, unten zu bezeichnenden, Verteilung des Magnetismus verhalten. Ich sage, es ist ganz unmöglich, vorstellig zu machen, wodurch sich der ganze unmagnetisch erscheinende Stab von einem wirklich unmagnetischen unterscheidet, wenn man nicht auf eine verschiedene Lage der Elementarmagnete in beiden rekurriert, d. h. wenn man sich den Unterschied nicht atomistisch vorstellt.

    Man erhält jenen eigentümlichen Zustand unseres Stahlstabes, indem man ihn (bei senkrechter Lage gegen den magnetischen Meridian, damit die Erde nicht magnetisierend wirke) zur Schließung einer galvanischen Kette verwendet. Nach dem philosophisch unbestimmten Begriffe der Polarität und einem eben so unbestimmten Begriffe von der Beziehung zwischen Elektrizität und Magnetismus, wie er ehedem philosophischerseits vertreten war, konnte man sich nun wohl denken, dass magnetische Pole an den entgegengesetzten Enden des Stabes entständen; welche mit den ihnen zugewandten Polen der galvanischen Kette in Beziehung der Gleichheit oder des Gegensatzes standen. Es zeigt sich aber nichts davon; man mag den aus der Kette genommenen Stab nach allen Seiten prüfen; nirgends eine Spur von Polarität; er verhält sich einem unmagnetischen Stabe vollkommen gleich, obwohl es an Enden und Flächen, wo sich die Polarität geltend machen könnte, nicht fehlt; durchschneidet man ihn aber in angegebener Weise, so zeigt sich jeder beider Teilstäbe nicht longitudinal magnetisch, wie es die gewöhnliehen Magnetstäbe sind, sondern transversal, d. h. kehrt (frei aufgehangen) seine Längsseiten statt seine Enden nach Nord und Süd, und alles das ist leicht nach der Voraussetzung von elementaren Magneten oder Kreisströmen, die durch den Längssstrom der Kette gerichtet werden, im Sinne der bekannten Gesetze dieser Richtung und daraus resultierenden Wirkung ohne neue Postulate und Hilfsvorstellungen erklärlich.

    Die Anordnung der Elementarmagnete hat man sich atomistisch so zu denken: In allen auf die Achse des Stabes senkrechten Durchschnitten desselben liegen die Elementarmagnete, nicht radial gegen den Achsenpunkt, sondern senkrecht auf die radiale Richtung in konzentrischen Kreisen (zylindrische Gestalt des ganzen Stabes vorausgesetzt) mit nach einander gekehrten, doch nicht an einander liegenden entgegengesetzten Polen. Diese Stellung folgt aus den bekannten allgemeinen Gesetzen der Magnetisierung durch den elektrischen Strom. Für so geordnete Elementarmagnete kann man dann elektrische Molekularströme substituieren, deren Ebenen senkrecht auf die Achsen der Elementarmagnete sind, die durch sie vertreten werden, mithin parallel der Achse des Stabes, wogegen sie in den gewöhnlichen Magneten senkrecht auf die Achse des Stabes sind.

    Gewöhnlich werden die vorigen eigentümlich magnetischen Verhältnisse an einer durchbohrten Stahlscheibe erläutert, durch deren Zentrum ein galvanischer Schließungsdraht zur Erweckung des sog. Zirkularmagnetismus in der Scheibe geführt wird; dass man aber auch den magnetisierenden Strom durch einen stählernen Längsleiter selbst führen und daran die obigen Phänomene erhalten kann, beweist folgender einfache Versuch, den ich früher, ich weiß nicht mehr wo, beschrieben habe. Man lege von einer stählernen Uhrfeder zwei gleiche Stücke über einander, binde sie fest zusammen, so dass sie einen einzigen Streifen von doppelter Dicke der einfachen Feder bilden, und wende diesen Streifen zur Schließung einer starken galvanischen Kette an. Nach dem Herausnehmen aus der Kette zeigt sich der zusammengebundene Streifen unmagnetisch; trennt man aber die Streifen, so zeigen sich beide transversal magnetisch. Nur läßt sich hier nicht so wie an der Scheibe zeigen, dass jeder durch die Achse geführte Trennungschnitt gleichen Erfolg hat.

    Sollte ich mir denken, welches Wort etwa der Dynamiker ersinnen möchte, um jenen scheinbar unmagnetischen Zustand des ganzen Stabes ohne atomistische Hilfe zu repräsentieren, denn mehr als ein Wort wäre es doch nicht, so möchte es etwa der Ausdruck sein: eine latente Kreispolarität. Nur gibt er mit dem Ausdrucke latent für eine klare Vorstellung eine dunkle 6), und hebt mit dem Begriffe der Kreispolarität den Urbegriff der Polarität selbst auf, da alle Punkte des Kreises gleichgültig in Lage und von da aus zu nehmenden Richtungen sind. Es müssen vom Dynamiker, um im Zusammenhang mit den Tatsachen zu bleiben, entgegengesetzte Pole + und – an jedem Punkte des Stabes zugleich angenommen werden, da an jedem durch Trennung solche hervortreten, das gibt aber Null an jedem Punkte eben so wie im unmagnetischen Stabe; und wie kann nun der mechanische Schnitt diese Null in + und – beim einen Stabe trennen, bei dem anderen nicht?

6) Den Ausdruck latente Wärme, dessen sich die Physiker bedienen, trifft nicht derselbe Vorwurf, weil sie damit eine klare, mit der Vorstellung von der freien Wärme in angebbarer Weise zusammenhängen Vorstellung zu verbinden wissen, statt wie hier den Mangel einer solchen mit dem Ausdrucke latent zu decken.