Achter Abschnitt.

Von den Schwebungen einfacher Töne.



Wir gehen jetzt über zu anderen Vorgängen beim Zusammenklänge zweier Töne, wobei allerdings die Bewegungen der Luft und der übrigen mitwirkenden elastischen Körper außerhalb und innerhalb des Ohres durchaus aufgefaßt werden können als ein ungestörtes Nebeneinanderbestehen der beiden Schwingungssysteme, welche den beiden Tönen entsprechen, wo aber die Empfindung im Ohre nicht mehr der Summe der beiden Empfindungen entspricht, welche von beiden Tönen einzeln erregt werden. Dadurch unterscheiden sich die Kombinationstöne wesentlich von den nun zu betrachtenden Schwebungen. Bei den Kombinationstönen erleidet die Addition der Schwingungen in den schwingenden elastischen Körpern entweder außerhalb oder innerhalb des Ohres Störungen, wahrend das Ohr die ihm schließlich zugeleitete Bewegung nach dem gewöhnlichen Gesetze in einfache Töne zerlegt. Bei den Schwebungen folgen im Gegenteil die objektiven Bewegungen der elastischen Körper dem einfachen Gesetze; aber die Addition der Empfindungen findet nicht ungestört statt. So lange mehrere Töne in das Ohr fallen, deren Tonhöhen hinreichend verschieden von einander sind, können die Empfindungen derselben im Ohre ganz ungestört neben einander bestehen, weil dadurch wahrscheinlich ganz verschiedene Nervenfasern affiziert werden. Aber Töne von gleicher oder nahe gleicher Höhe, welche dieselben Nervenfasern affizieren, geben nicht einfach die Summe der Empfindungen, die jeder einzelne für sich geben würde, sondern es treten hier neue und eigentümliche Erscheinungen ein, die wir mit dem Namen der Interferenz belegen, wenn sie durch zwei gleiche Töne, mit dem Namen der Schwebungen, wenn sie durch zwei nahe gleiche Töne hervorgebracht werden.

Wir wollen zuerst die Erscheinungen der Interferenz beschreiben. Man denke sich irgend einen Punkt in der Luft oder im Ohre durch eine Tonquelle in Bewegung gesetzt und die Bewegung dargestellt durch die Kurve 1, Fig. 53. Die Bewegung, welche die zweite Tonquelle hervorbringt, sei in den gleichen Zeitpunkten genau dieselbe, dargestellt durch 2, so daß die Berge von 2 auf die Berge von l, die Täler auf die Täler fallen. Wirken beide gleichzeitig, so wird die Gesamtbewegung die Summe beider sein, dargestellt durch die Kurve 3 von ähnlicher Art, aber mit doppelt so hohen Bergen und doppelt so tiefen Tälern, als jede der beiden ersten. Da die Intensität des Schalls dem Quadrate der Schwingungsweite proportional zu setzen ist, so erhalten wir dabei einen Ton nicht von der doppelten, sondern von der vierfachen Intensität.

Jetzt denke man die Schwingungen der zweiten Tonquelle um eine halbe Schwingungsdauer verschoben, so werden die zu addierenden Schwingungen wie die Kurven 4 und 5, Fig. 54 (a. f. S.), unter einander stehen, und wenn wir sie addieren, so sind die Höhen der zweiten Kurve immer gleich groß denen der ersten, aber negativ genommen; beide werden sich also gegenseitig aufheben, und ihre Summe wird Null sein, dargestellt durch die gerade Linie 6. Hier addieren sich die Berge von 4 zu den Tälern von 5, und umgekehrt; indem die Berge die Täler ausfüllen, zerstören sie sich gegenseitig. Die Intensität des Schalles wird also Null werden, und wenn eine solche Aufhebung der Bewegungen innerhalb des Ohres geschieht, so hört auch die Empfindung auf. Während jede einzelne Tonquelle für sich wirkend in unserem Ohre die gleiche Empfindung hervorruft, geben beide zusammenwirkend gar keine Empfindung. Schall hebt den scheinbar gleichen Schall in diesem Falle vollständig auf. Dies erscheint der gewöhnlichen Anschauung außerordentlich paradox, weil sich das natürliche Bewußtsein unter Schall nicht die Bewegung der Luftteilchen denkt, sondern etwas Reelles, der Empfindung des Schalles Analoges. Da nun die Empfindung eines Tones von gleicher Tonhöhe nicht Gegensätze von positiv und negativ zeigt, so erscheint es natürlich unmöglich, daß eine positive Empfindung die andere aufheben soll. Was sich aber gegenseitig aufhebt, sind in einem solchen Falle die Bewegungsanstöße, welche beide Tonquellen auf das Ohr ausüben. Wenn diese so geschehen, daß die Bewegungsanstöße der einen Tonquelle fortdauernd mit entgegengesetzten von der anderen Tonquelle zusammentreffen und sich vollständig im Gleichgewicht halten, so kann eben im Ohr keine Bewegung entstehen, und der Gehörnerv nichts empfinden.

Ich will hier einige Beispiele solcher Fälle anführen, wo Schall den Schall aufhebt.

l. Man setze zwei ganz gleich gebaute gedackte Orgelpfeifen von gleicher Stimmung auf dieselbe Windlade dicht neben einander. Jede einzelne, allein angeblasen, gibt einen kräftigen Ton; wenn man aber beide zugleich anbläst, so paßt sich die Luftbewegung beider Pfeifen so einander an, daß, während aus der einen die Luft ausströmt, sie in die andere einströmt, und sie geben deshalb für das Ohr eines entfernteren Beobachters keinen Ton, sondern lassen nur das Sausen der Luft hören. Bringt man aber ein Fäserchen einer Feder nahe den Lippen der Pfeifen, so zeigt dies dieselben Schwingungen, als wenn jede Pfeife allein angeblasen wird. Auch wenn man vom Ohre ein Rohr nach einer der Mündungen leitet, hört man den Ton dieser Pfeife so viel stärker, daß er durch den der anderen nicht mehr vollständig zerstört werden kann.

Auch jede Stimmgabel zeigt Interferenzerscheinungen, die davon herrühren, daß beide Zinken entgegengesetzte Bewegungen machen. Wenn man eine Stimmgabel anschlägt, dem Ohre nähert und sie dann um ihre Längsachse dreht, so findet man, daß es vier Stellungen der Gabel gibt, in denen man ihren Ton deutlich hört, während er in vier dazwischen liegenden Stellungen unhörbar wird. Die vier Stellungen starken Schalles sind diejenigen, wo entweder eine der beiden Zinken, oder eine der beiden Seitenflächen der Gabel dem Ohre zugekehrt ist. Die Stellen ohne Schall liegen zwischen den genannten nahehin in Ebenen, die unter 45° gegen die Flächen der Zinken durch die Achse der Gabel gehen. Stellt Figur 55 a und b die Enden der Gabel von oben gesehen dar, so sind c, d, e und f Orte starken Schalles, die punktierten Linien dagegen bezeichnen die Orte der Ruhe. Die Pfeile unter a und b bezeichnen die gleichzeitige Richtung der Bewegung beider Zinken. Während also die Zinke a der benachbarten Luftmasse bei c einen Bewegungsanstoß in der Richtung ca mitteilt, tut b das Entgegengesetzte. Beide Impulse heben sich bei c nur zum Teil auf, weil a stärker wirkt als b. Die punktierten Linien dagegen bezeichnen die Stellen, wo die entgegengesetzten Bewegungsanstöße von a und b her gleiche Stärke haben und sich daher vollständig aufheben. Bringt man das Ohr nun an eine solche Stelle, wo es nichts hört, und schiebt man entweder über die Zinke a oder über b ein enges Röhrchen mit der Vorsicht, daß es die schwingende Zinke nicht berührt, so wird der Schall sogleich lauter, indem dadurch der Einfluß der bedeckten Zinke fast ganz beseitigt wird und nun die andere Zinke ungestört allein wirken kann.

Sehr bequem für die Demonstration dieser Verhältnisse ist eine Doppelsirene, die ich habe konstruieren lassen1). In Fig. 56 (a. f. S.) ist eine perspektivische Ansicht derselben gegeben. Dieselbe ist aus zwei solchen mehrstimmigen Dove'schen Sirenen zusammengesetzt, wie sie schon früher erwähnt sind; a0 und a1 sind die beiden Windkästen, c0 und c1 die Scheiben, welche auf einer gemeinsamen Achse festsitzen, die bei k eine Schraube trägt, um ein Zählwerk zu treiben, welches eingesetzt werden kann; die Einrichtung eines solchen Zählwerks ist schon oben beschrieben Seite 23. Der obere Kasten a1 kann selbst um seine Achse gedreht werden. Zu dem Ende ist er mit einem Zahnrade versehen, in welches das kleinere mit einer Kurbel d versehene Zahnrad e eingreift. Die Achse des Kastens a1, um die er sich dreht, ist eine Verlängerung des oberen Windrohres g1 Auf jeder der beiden Sirenenscheiben sind vier Löcherreihen, die einzeln oder beliebig verbunden angeblasen werden können; bei i sind die Stifte, welche die Löcherreihen vermittels eine besonderen Einrichtung2) öffnen. Die untere Scheibe hat vier Reihen von 8, 10, 12, 18 Löchern, die obere von 9, 12, 15, 16. Nennen wir also den Ton von acht Löchern c, so hat die untere Scheibe die Töne c, e, g, d1, die obere d, g, h, c1. Man kann demnach folgende Tonintervalle hervorbringen:

1. Einklang: gg auf beiden Scheiben zugleich.

2. Oktave: cc1 und dd1 auf beiden.

3. Quinten: c g und g d1 entweder auf der unteren allein oder beiden zusammen.

4. Quarten: d g und g c1 auf der oberen allein oder beiden Scheiben.

5. Große Terz: ce auf der unteren, gh auf der oberen, letztere auch auf beiden.

6. Kleine Terz: e g auf der unteren oder beiden, h d1 auf beiden.

7. Ganzer Ton: cd und c1 d1 auf beiden.

8. Halber Ton: hc1 auf der oberen.
 
 
 
 

1) Vom Mechanismus Sauerwald in Berlin.

2) Deren Beschreibung in Beilage XIII.
 
 

Werden beide Töne auf derselben Scheibe angeblasen, so sind die objektiven Kombinationstöne sehr stark, wie im vorigen Paragraphen schon bemerkt worden ist. Werden sie dagegen auf verschiedenen Scheiben angeblasen, so sind die Kombinationstöne schwach; im letzteren Falle ist es möglich, worauf es uns hier zunächst besonders ankommt, die beiden Töne mit jedem beliebigen Phasenunterschiede zusammenwirken zu lassen. Zu dem Ende hat man nur die Stellung des oberen Kastens zu ändern.

Zunächst haben wir nur die Erscheinungen an dem Einklange g g zu untersuchen. Der Erfolg der Interferenz beider Töne wird in diesem Falle dadurch komplizierter, daß die Sirenenklänge nicht einfache, sondern zusammengesetzte Töne sind und die Interferenz der einzelnen harmonischen Töne von der des Grundtones und von einander unabhängig ist. Um die harmonischen Obertöne des Sirenenklanges durch ein Ansatzrohr zu dämpfen, habe ich zylindrische Messingkästen fertigen lassen, von denen man bei h1 h1 und h0 h0 die hintere Hälfte sieht. Diese Kästen sind in je zwei Hälften zerschnitten, so daß man sie abnehmen, wieder aufsetzen und dann durch Schrauben auf dem Windkasten befestigen kann. Wenn der Sirenenton sich dem Grundtone dieser Kästen nähert, wird der Klang voll, stark und weich, wie ein schöner Hornton, während sonst die Sirene einen ziemlich scharfen Ton hat. Gleichzeitig braucht man wenig Luft, aber starken Druck. Es sind dies ganz dieselben Verhältnisse, wie bei einer Zunge, der man ein Ansatzrohr von ihrer eigenen Tonhöhe gegeben hat. In dieser Weise gebraucht, ist die Sirene namentlich zu den Interferenzversuchen sehr geeignet.

Stehen beide Kästen so, daß die Luftstöße auf beiden Seiten genau gleichzeitig erfolgen, so fallen die gleichen Phasen des Grundtones sowohl wie sämtlicher Obertöne zusammen, sie werden alle verstärkt.

Dreht man die Kurbel um einen halben rechten Winkel, was einer Drehung des Kastens um 1/6 eines rechten Winkels, oder um 1/24 der Peripherie, oder um einen halben Abstand der Löcher in der angeblasenen Reihe von 12 Löchern entspricht, so beträgt die Phasendifferenz der beiden Grundtöne 1/2 Schwingungsdauer, die Luftstöße des. einen Kastens fallen gerade in die Mitte zwischen die des anderen, und die beiden Grundtöne vernichten sich gegenseitig. Aber die Phasendifferenz ihrer höheren Oktaven beträgt unter denselben Umständen eine ganze Schwingungsdauer, d. h. diese verstärken sich gegenseitig, und so verstärken sich in der gleichen Stellung alle geradzahligen harmonischen Töne, während die ungeradzahligen sich aufheben. In der neuen Stellung wird der Ton also schwächer, weil eine Anzahl seiner Töne fortfällt; aber er hört nicht ganz auf, sondern schlägt vielmehr in seine Oktave um. Dreht man die Kurbel um einen zweiten halben Rechten, so daß die ganze Drehung einen ganzen Rechten beträgt, so fallen die Luftstöße beider Scheiben wieder genau zusammen, die Töne verstärken sich. Bei einer ganzen Umdrehung der Kurbel findet man also vier Stellungen, wo der ganze Klang der Sirene verstärkt erscheint, und vier andere dazwischen, wo der Grundton nebst allen ungeradzahligen harmonischen Tönen verschwindet und dafür schwächer die höhere Oktave mit den geradzahligen Obertönen eintritt. Achtet man auf den nächsten Oberton, die Oktave des Grundtones allein, indem man ihn durch eine passende Resonanzröhre belauscht, so findet man, daß er nach Drehung um 1/4 Rechten schwindet, nach Drehung um 1/2 Rechten wieder verstärkt wird, also bei einer ganzen Umdrehung der Kurbel acht Mal schwindet und acht Mal hervorkommt. Der dritte Ton, die Duodecime des Grundtons, schwindet in derselben Zeit 12 Mal, der vierte Ton 16 Mal etc.

Ähnlich wie bei der Sirene erscheint die Interferenz auch bei anderen zusammengesetzten Klängen, wenn man zwei Klänge derselben Art mit dem Unterschiede einer halben Schwingungsdauer zusammenwirken läßt; der Ton erlischt nicht, sondern schlägt in die Oktave um. Wenn man z. B. zwei offene Orgelpfeifen oder zwei Zungenpfeifen von gleichem Bau und gleicher Stimmung neben einander auf dieselbe Windlade setzt, so adaptieren sich ihre Schwingungen gewöhnlich ebenfalls so, daß der Luftstrom abwechselnd in die eine und die andere hineintritt; und während der Klang der gedackten Pfeifen, die nur ungerade Töne haben, dann fast ganz erlischt, tritt bei den offenen und Zungenpfeifen die höhere Oktave hervor. Es ist dies der Grund, warum man keine Verstärkung des Tones auf der Orgel oder dem Harmonium durch Kombination gleichartiger Zungen oder gleichartiger Pfeifen erhalten kann.

Bisher haben wir je zwei Töne zusammenkommen lassen, welche genau gleiche Höhe haben; untersuchen wir jetzt, was geschieht, wenn zwei Töne von etwas verschiedener Tonhöhe zusammenkommen. Um Aufschluß über diesen Fall zu geben, ist die oben beschriebene Doppelsirene wieder sehr geeignet. Wir können nämlich die Höhe des oberen Tones ein wenig verändern, wenn wir den Windkasten mittels der Kurbel langsam herumdrehen; und zwar wird der Ton tiefer, wenn der Windkasten in derselben Richtung gedreht wird, wie die Scheibe rotiert, und er wird höher, wenn der Kasten in entgegengesetzter Richtung gedreht wird. Die Schwingungsdauer des Sirenentones ist nämlich gleich der Zeit, welche ein Loch der rotierenden Scheibe gebraucht, um von einem Loche des Windkastens bis vor das nächste zu gelangen. Kommt das Loch des Kastens dem Loche der Scheibe entgegen durch eine Drehung des Kastens, so werden die beiden Löcher eher zusammenstoßen, als wenn der Kasten stillsteht; die Schwingungsdauer wird kürzer, der Ton höher. Das Umgekehrte findet bei der entgegengesetzten Drehung des Kastens statt. Man hört diese Erhöhungen und Vertiefungen des Tones sehr leicht, wenn man ein wenig schneller dreht. Gibt man nun an beiden rotierenden Scheiben die Töne von zwölf Löchern an, so sind diese in absolut genauem Einklange, so lange der obere Kasten der Sirene stillsteht. Die beiden Töne verstärken sich entweder fortdauernd, oder schwächen sich fortdauernd gegenseitig, je nach der Stellung des oberen Kastens. Setzt man aber den oberen Kasten in langsame Rotation, so verändert man dadurch, wie wir eben gesehen haben, die Tonhöhe des oberen Tones, während der untere, dessen Windkasten nicht beweglich ist, unverändert bleibt. Wir bekommen also nun den Zusammenklang zweier etwas verschiedener Töne. Wir hören dann sogenannte Schwebungen der Töne, d.h. die Intensität des Tones wird abwechselnd stark und schwach in regelmäßiger Folge. Der Grund davon wird durch die Einrichtung unserer Sirene leicht erkennbar. Nämlich durch seine Drehung kommt der obere Windkasten abwechselnd in die Stellungen, welche, wie wir vorher gesehen haben, starken und schwachen Ton geben. Wenn die Kurbel um einen rechten Winkel gedreht wird, geht der Windkasten aus einer Stellung starken Tones durch eine solche von schwachem Ton über in die nächste Stellung starken Tones. Dem entsprechend finden wir bei jeder ganzen Drehung der Kurbel vier Schwebungen, wie schnell auch die Scheiben laufen mögen, und wie hoch oder tief daher ihr Ton sein mag. Sowie wir den Kasten anhalten zur Zeit eines Maximums der Tonstärke, behalten wir dauernd die große Tonstärke, wenn wir ihn dagegen zur Zeit eines Minimums anhalten, den schwachen Ton.

Die Mechanik des Instruments gibt hierbei gleichzeitig Aufschluß über den Zusammenhang zwischen Zahl der Schwebungen und Differenz der Tonhöhe. Eine leichte Überlegung zeigt, daß die Zahl der Luftstöße in der Zeit, wo die Kurbel um einen rechten Winkel gedreht wird, um Eins vermindert wird. Jeder Drehung der Kurbel um einen rechten Winkel entspricht eine Schwebung. Die Zahl der Schwebungen in einer gegebenen Zeit findet sich also gleich der Differenz in der Anzahl der Schwingungen, welche beide Klänge in derselben Zeit ausführen. Dies ist das allgemeine Gesetz, welches die Zahl der Schwebungen bei allen Arten von Klängen bestimmt. Seine Richtigkeit ist aber bei anderen Instrumenten nur durch sehr genaue und mühsame Messungen der Schwingungszahlen zu kontrollieren, während sie bei der Sirene sich aus der Konstruktion des Instruments unmittelbar ergibt.

Graphisch dargestellt ist der Vorgang in Fig. 57. Es bezeichne cc die Reihe der Luftstöße des einen Tones, dd die des anderen. Die Strecke cc ist in 18 Teile geteilt, die gleich lange Strecke dd in 20. Bei 1,3,5 fallen die Luftstöße beider Töne zusammen, wir haben Verstärkung des Tones; bei 2 und 4 fallen sie zwischen einander und schwächen sich gegenseitig. Die Zahl der Schwebungen für die ganze Strecke ist 2, da die Differenz in der Anzahl der Teile, deren jeder eine Schwingung darstellt, gleich zwei ist.

Die Maxima der Tonintensität während der Schwebungen nennt man Schläge; diese sind getrennt durch mehr oder weniger vollständige Pausen.

Schwebungen sind mit allen Tonwerkzeugen leicht hervorzurufen, sobald man zwei wenig von einander verschiedene Töne angibt. Am schönsten treten sie heraus bei einfachen Tönen von Stimmgabeln oder gedackten Pfeifen, weil hier der Ton in den Pausen wirklich ganz verschwindet. Dabei macht sich auch eine kleine Schwankung der Höhe des schwebenden Tons bemerkbar3). Bei den zusammengesetzten Klängen anderer Instrumente treten während der Pausen des Grundtones die Obertöne hervor, und der Ton schlägt deshalb in die Oktave um, wie es schon für die Fälle von Interferenz des Schalls vorher beschrieben ist. Hat man zwei gleich gestimmte Stimmgabeln, so braucht man nur an das Ende der einen etwas Wachs zu kleben, beide anzuschlagen und entweder demselben Ohre zu nähern, oder beide auf die Holzplatte eines Tisches, eines Resonanzbodens etc. zu setzen. Um zwei gleich gestimmte gedackte Pfeifen zum Schlagen zu bringen, braucht man nur dem Munde der einen einen Finger langsam zu nähern, wodurch sie etwas tiefer wird. Die Schwebungen zusammengesetzter Klänge hört man von selbst beim Anschlag jeder Taste eines verstimmten Klaviers, wenn die Stimmung der beiden Saiten, die demselben Tone angehören, nicht mehr ganz dieselbe ist; oder wenn das Klavier gut gestimmt ist, braucht man nur an eine der Saiten, die dem angeschlagenen Tone angehören, ein Wachskügelchen von der Größe einer Erbse anzukleben. Dadurch verstimmt man sie genügend. Bei diesen zusammengesetzten Klängen muß man aber schon etwas mehr aufpassen, weil die Schwächung des Tones nicht so auffallend ist. Die Schwebung erscheint hier mehr wie eine Änderung der Tonhöhe und des Klanges. Sehr auffallend ist das an der Sirene, je nachdem man die Ansatzröhren aufsetzt oder nicht. Bei aufgesetzten Ansatzröhren ist der Grundton verhältnismäßig stark. Bringt man daher durch Drehung der Kurbel Schwebungen hervor, so ist Abnahme und Zunahme der Tonstärke sehr auffallend. Nimmt man aber die Ansatzröhren ab, so erlangen die Obertöne verhältnismäßig große Stärke, und da das Ohr in der Vergleichung der Stärke zweier Töne von verschiedener Höhe sehr unsicher ist, so ist die Veränderung der Tonstärke während der Schwebungen viel weniger auffallend, als die der Tonhöhe oder Klangfarbe.
 
 

3) Die Erklärung dieser von Herrn G. Guéroult mir mitgeteilten Erscheinung s. in Beilage XIV.

Achtet man bei schlagenden zusammengesetzten Klängen auf die Obertöne, so hört man auch diese schlagen, und zwar kommen auf jede Schwebung des Grundtones zwei Schwebungen des zweiten Partialtones, drei des dritten etc. Bei starken Obertönen kann man dadurch leicht irre werden, wenn man die Schläge zählen will, namentlich wenn die Schläge des Grundtones sehr langsam sind, so daß ihre Pausen ein oder zwei Sekunden betragen. Man muß dann auf die Tonhöhe der gehörten Schläge wohl achten, nötigenfalls einen Resonator zu Hilfe nehmen.

Man kann Schwebungen dem Auge sichtbar machen, wenn man einen passenden elastischen Körper durch sie in Mitschwingen versetzt. Natürlich können Schwebungen in diesem Falle nur zu Stande kommen, wenn die beiden erregenden Töne dem Grundtone des mitschwingenden Körpers nahe genug liegen, daß derselbe von beiden Tönen in merkliches Mitschwingen versetzt wird. Am leichtesten ist dies mit einer dünnen Saite zu erreichen, die auf einem Resonanzboden ausgespannt ist, auf dem man zwei ihr selbst und unter einander nahe gleich gestimmte Stimmgabeln aufsetzt. Wenn man die Schwingungen der Saite durch ein Mikroskop beobachtet, oder ein Fäserchen einer Gänsefederfahne an sie anklebt, welches ihre Schwingungen in verstärktem Maße mitmacht, so sieht man deutlich, wie die Saite abwechselnd in großen und kleinen Exkursionen mitschwingt, je nachdem der Ton der beiden Gabeln im Maximum oder Minimum seiner Stärke sich befindet.

Das Gleiche läßt sich erreichen beim Mitschwingen einer gespannten Membran. Fig. 58 ist die Kopie einer Zeichnung, welche mittels einer solchen schwingenden Membran, der des Phonautographen der Herren Scott und König zu Paris, ausgeführt ist. Die trommelfellähnliche Membran dieses Instruments trägt ein kleines steifes Stielchen, welches auf einem rotierenden Zylinder die Schwingungen der Membran aufzeichnet. Die Membran war in dem hier vorliegenden Falle durch zwei Orgelpfeifen, welche Schwebungen geben, in Bewegung gesetzt. Man sieht an der Wellenlinie, von der hier nur ein kleines Stück dargestellt ist, wie Zeiten starker Schwingung gewechselt haben mit Zeiten, wo fast Ruhe eintrat. Also auch hier sind die Schwebungen von der Membran selbst mitgemacht worden. Ähnliche Zeichnungen endlich sind von Herrn Dr. Politzer ausgeführt worden, indem das schreibende Stielchen direkt an das Gehörknöchelchen (die Columella) einer Ente angesetzt und dann ein schwebender Ton durch zwei Orgelpfeifen hervorgebracht wurde, wodurch also nachgewiesen ist, daß auch die Gehörknöchelchen den Schwebungen zweier Töne nachfolgen 4).

4) Sehr deutlich lassen sich die Schwebungen zweier Töne auch mittels einer vibrierenden Flamme, wie sie in Beilage II. beschrieben ist, sichtbar machen. Die Flamme muß mit einem Resonator verbunden sein, dessen Tonhöhe derjenigen der beiden erregenden Töne hinreichend nahe kommt. Selbst ohne den rotierenden Spiegel zur Betrachtung der Flamme zu gebrauchen, erkennt man die mit den hörbaren Schlägen isochronen Gestaltveränderungen der Flamme.

Überhaupt muß dies immer geschehen, wenn die Tonhöhe der beiden angegebenen Töne von einander und von dem eigenen Tone des mitschwingenden Körpers so wenig abweicht, daß letzterer durch beide Töne zugleich in merkliches Mitschwingen versetzt werden kann. Mitschwingende Körper von geringer Dämpfung, wie Stimmgabeln, werden also zwei außerordentlich nahe erregende Töne fordern, um sichtbare Schwebungen zeigen zu können, und diese werden deshalb sehr langsam sein müssen; bei stärker gedämpften Körpern, Membranen, Saiten etc., wird die Differenz der erregenden Töne größer sein dürfen, und deshalb werden auch die Schwebungen selbst schneller erfolgen können.

Das Gleiche gilt nun auch für die elastischen Endgebilde der Gehörnervenfasern. Ebenso wie wir gesehen haben, daß sichtbare Schwebungen der Gehörknöchelchen eintreten können, werden auch die Corti'schen Bögen in Schwebungen geraten müssen, so oft zwei Töne angegeben werden, die einander hinreichend nahe liegen, um gleichzeitig dieselben Corti'schen Bögen in Mitschwingung zu versetzen. Wenn nun, wie wir früher vorausgesetzt haben, die Intensität der Empfindung in den dazu gehörigen Nervenfasern mit der Intensität der elastischen Schwingungen wächst und abnimmt, so wird die Stärke der Empfindung in demselben Maße zunehmen und abnehmen müssen, wie es die Schwingungen der betreffenden elastischen Anhänge des Nerven tun. Auch in diesem Falle wäre die Bewegung der Corti'schen Bögen noch zu betrachten als zusammengesetzt aus denjenigen Bewegungen, welche beide Töne einzeln in ihnen hervorgebracht hätten. Je nachdem diese Bewegungen gleichgerichtet oder entgegengesetzt gerichtet sind, müssen sie sich verstärken oder schwächen, indem sie sich addieren. Erst wenn diese Schwingungen Empfindungen in den Nerven erregen, tritt die Abweichung von dem Gesetze ein, daß je zwei Töne und je zwei Tonempfindungen ungestört neben einander bestehen.

Wir kommen nun zu einem Teile dieser Untersuchung, der für die Theorie der musikalischen Konsonanz sehr wichtig ist, und leider bisher von den Akustikern sehr wenig berücksichtigt worden ist. Es handelt sich nämlich um die Frage, was aus den Schwebungen wird, wenn man sie schneller und schneller werden läßt, und wie weit ihre Anzahl wachsen darf, ohne daß das Ohr unfähig wird sie wahrzunehmen. Die meisten Akustiker waren bisher wohl geneigt, sich der Annahme von Thomas Young anzuschließen, daß, wenn die Schwebungen sehr schnell würden, sie allmählich in einen Kombinationston (ersten Differenzton) übergehen sollten. Young stellte sich vor, daß die Tonstöße, welche während der Schwebungen erfolgen, dieselbe Wirkung auf das Ohr haben möchten, wie elementare Luftstöße, der Sirene zum Beispiel; und wie 30 Luftstöße aus der Sirene, wenn sie während einer Sekunde erfolgen, die Empfindung eines tiefen Tones hervorbringen, so sollten 30 Schwebungen je zweier beliebiger höherer Töne dieselbe Empfindung eines tiefen Tones hervorbringen können. Allerdings paßt zu dieser Ansicht der Umstand gut, daß die Schwingungszahl des ersten und stärksten Kombinationstons in der Tat so groß ist, wie die Zahl der Schwebungen, welche die beiden Töne hervorbringen müßten. Von großer Bedeutung aber ist es hier, daß es andere Kombinationtöne gibt, namentlich die von mir sogenannten Summationstöne, welche sich dieser Ansicht durchaus nicht fügen, dagegen leicht abzuleiten sind aus der von mir aufgestellten Theorie der Kombinationstöne. Es ist ferner gegen Young's Ansicht einzuwenden, daß in vielen Fällen die Kombinationstöne schon außerhalb des Ohres entstehen und passend gestimmte Membranen oder Resonanzkugeln in Mitschwingung versetzen können, was durchaus nicht der Fall sein könnte, wenn die Kombinationstöne nichts wären, als die Reihe der Schwebungen mit ungestörter Superposition der beiden Tonwellenzüge. Denn die mechanische Theorie des Mitschwingens läßt erkennen, daß eine Luftbewegung, welche aus zwei einfachen Schwingungen von verschiedener Periode zusammengesetzt ist, auch immer zunächst nur wieder solche Körper in Mitschwingung versetzen kann, deren eigener Ton einem jener beiden angegebenen Töne entspricht, so lange nicht solche Bedingungen eintreten, durch welche die einfache Superposition beider Tonwellensysteme gestört wird. Die Art dieser Bedingungen hatten wir im vorigen Abschnitte auseinandergesetzt. Wir dürfen demnach die Kombinationstöne als eine accessorische Erscheinung betrachten, durch welche aber der Ablauf der beiden primären Tonwellensysteme und ihrer Schwebungen nicht wesentlich gestört wird.

Gegen die ältere Meinung können wir uns auf die sinnliche Beobachtung berufen, welche lehrt, daß eine viel größere Anzahl von Schwebungen noch bestimmt gehört werden kann, als 30 in der Sekunde. Um zu diesem Resultate zu gelangen, muß man nur allmählich von langsameren zu schnelleren Schwebungen vorschreiten, und dabei beachten, daß die beiden Töne, welche die Schwebungen hervorbringen sollen, nicht zu weit in der Skala auseinander liegen dürfen, weil hörbare Schwebungen nur dann eintreten, wenn die Töne in der Skala einander so nahe sind, daß beide dieselben elastischen Nervenanhänge in Mitschwingung versetzen können. Man kann aber die Zahl der Schwebungen vermehren, ohne das Intervall beider Töne zu vergrößern, wenn man beide Töne in höheren Oktaven wählt.

Am besten beginnt man die Beobachtungen, indem man zwei einlache Töne von gleicher Höhe, etwa aus der eingestrichenen Oktave, durch Stimmgabeln oder gedackte Orgelpfeifen neben einander hervorbringt und langsam die Stimmung des einen verändert. Zu dem Ende braucht man nur an die Enden der einen Stimmgabel nach und nach mehr und mehr Wachs zu kleben; von den Orgelpfeifen kann man die eine langsam tiefer machen, wenn man ihre Mündung mehr und mehr deckt; übrigens sind die meisten gedackten Pfeifen, um ihre Stimmung zu regeln, auch an ihrem verschlossenen Ende mit einem beweglichen Stopfen oder Deckel vergehen, den man tiefer hineintreiben kann, wodurch man die Pfeife höher macht, oder herausziehen, wobei sie tiefer wird.

Wenn man in solcher Weise zuerst eine kleine Differenz der Töne hervorbringt, so hört man die Schwebungen wie lang hinziehende Tonwellen abwechselnd fallen und wieder sich heben. Dergleichen langsame Schwebungen machen auf das Ohr durchaus keinen unangenehmen Eindruck; sie können sogar bei der Ausführung einer in langgetragenen Akkorden hinziehenden Musik etwas sehr Feierliches haben, oder auch einen etwas bewegteren, gleichsam zitternden oder erschütterten Ausdruck geben. Daher findet man wohl an neueren Orgeln oder Harmoniums ein Register mit je zwei Zungen oder Pfeifen, welche Schwebungen geben. Man ahmt dadurch das Tremulieren der menschlichen Stimme und der Geigen nach, welches, passend in einzelnen Stellen gebraucht, allerdings sehr ausdrucksvoll und wirksam sein kann, aber freilich eine ebenso abscheuliche Unart ist, wenn es fortdauernd angewendet wird, wie es leider oft genug geschieht.

Diesen langsamen Schwebungen, wenn nicht mehr als 4 bis 6 auf die Sekunde kommen, folgt das Ohr leicht. Der Hörer hat Zeit, alle ihre einzelnen Phasen aufzufassen und sich einzeln zum Bewußtsein zu bringen; er kann die Schwebungen ohne Schwierigkeit zählen. Wenn aber die Differenz der beiden Töne wächst, etwa bis zu einem Halbton, so wächst die Zahl der Schwebungen bis 20 oder 30 in der Sekunde, und es ist natürlich dann nicht mehr möglich, ihnen einzeln mit dem Ohre so zu folgen, daß man sie noch zählen könnte. Aber wenn man anfangs die langsamen Tonstöße gehört hat, sie dann immer schneller und schneller auf einander folgen hört, so erkennt man doch, daß der sinnliche Eindruck auf das Ohr durchaus derselbe bleibt, nämlich der einer Reihe von getrennten Tonstößen, auch dann, wenn deren Zahl so groß geworden ist, daß man nicht mehr Zeit hat, jeden einzelnen Stoß, während man ihn hört, im Bewußtsein zu fixieren und ihm eine Zahl beizulegen.

Während der Hörer aber in einem solchen Falle noch sehr wohl unterscheiden kann, daß sein Ohr jetzt 30 Tonstöße von derselben Art hört, wie es vorher 4 oder 6 in der Sekunde gehört hat, so wird doch der Charakter des Gesamteindrucks eines so schnell schwebenden Klanges ein anderer. Erstens nämlich wird die Tonmasse wirr, was ich mehr auf den psychologischen Eindruck beziehen möchte. Wir hören eben eine Reihe von Tonstößen, können erkennen, daß eine solche da ist, können ihnen aber doch einzeln nicht mehr folgen, sie nicht mehr einzeln von einander sondern. Außer diesem mehr psychologischen Momente wird aber auch der direkte sinnliche Eindruck unangenehm. Ein solcher schnell schwebender Zusammenklang ist knarrend und rauh. Warum er knarrend erscheint, erklärt sich auch leicht; denn das Eigentümliche knarrender Töne ist, daß sie intermittierend sind. Denken wir an den Buchstaben R als charakteristisches Beispiel eines knarrenden Tones. Er wird bekanntlich dadurch hervorgebracht, daß wir entweder das Gaumensegel oder den vorderen dünnen Teil der Zunge dem Luftstrom so in den Weg stellen, daß letzterer nur in einzelnen Stößen sich Bahn brechen kann und deshalb der mit ihm verbundene Stimmton bald frei hervorbricht, bald abgeschnitten wird.

Auch mittels der oben beschriebenen Doppelsirene habe ich intermittierende Töne hervorgebracht, indem ich statt des Windrohres des oberen Kastens eine kleine Zungenpfeife einsetzte und durch diese die Luft eintrieb. Ihr Ton wird nach außen hin nur hörbar, so oft bei der Umdrehung der Scheibe deren Löcher vor die Löcher des Kastens treten und der Luft den Ausweg eröffnen. Wenn man die Scheibe umlaufen läßt, während man Luft durch die Pfeife treibt, so erhält man daher einen intermittierenden Ton, der genau so klingt, wie ein schwebender Zusammenklang, obgleich seine Intermittenzen in rein mechanischer Weise erzeugt sind. Noch in anderer Weise gelingt es mittels derselben Sirene. Zu dem Ende entferne ich den unteren Windkasten und lasse nur seinen durchlöcherten Deckel stehen, über dem die rotierende Scheibe läuft. Von unten her wird das Ende eines Kautschukrohres an eine der Öffnungen des Deckels angesetzt, dessen anderes Ende mittels eines passenden Röhrchens in das Ohr des Beobachters geleitet ist. Durch die umlaufende Scheibe wird die Öffnung, an welche das Kautschukrohr angesetzt ist, abwechselnd geöffnet und geschlossen. Bringt man in ihrer Nähe oberhalb der rotierenden Scheibe eine Stimmgabel oder ein anderes passendes Tonwerkzeug, so hört man den Ton intermittierend, und dadurch, daß man die Scheibe der Sirene schneller oder langsamer umlaufen läßt, kann man die Zahl der Intermissionen beliebig regulieren.

Auf beide Weisen erhält man also intermittierende Töne. Im ersten Falle ist der Ton des Pfeifchens im äußeren Luftraume unterbrochen, weil er nur zeitweise hervorbrechen kann, der intermittierende Ton kann hier von einer beliebigen Anzahl von Hörern vernommen werden. Im zweiten Falle ist der Ton im äußeren Luftraume kontinuierlich, aber gelangt unterbrochen zum Ohre des Beobachters, der durch die Sirenenscheibe hört. Er kann dann allerdings nur von einem Beobachter gehört werden, aber man kann leicht alle Arten von Klängen von der verschiedensten Höhe und Klangfarbe zum Versuche benutzen. Alle bekommen dadurch, daß man sie intermittierend macht, genau dieselbe Art von Rauhigkeit, welche zwei in schnellen Schwebungen zusammenklingende Töne darbieten. Man erkennt auf diese Weise sehr deutlich, wie Schwebungen und Intermittenzen sowohl unter sich gleich sind, als auch beide bei einer gewissen Anzahl die Art des Geräusches hervorbringen, welche wir Knarren nennen.

Schwebungen bringen intermittierende Erregung gewisser Hörnervenfasern hervor. Warum eine solche intermittierende Erregung so viel unangenehmer wirkt, als eine gleich starke oder selbst stärkere kontinuierliche, läßt sich aus der Analogie anderer Nerven des menschlichen Körpers erkennen. Jede kräftige Erregung eines Nerven bringt nämlich zugleich eine Abstumpfung seiner Erregbarkeit hervor, so daß er in Folge dessen für neue Einwirkungen von Reizen unempfindlicher wird als vorher. Sobald dagegen die Erregung aufhört und der Nerv sich selbst überlassen wird, so stellt sich im lebenden Körper unter dem Einflusse des arteriellen Blutes die Reizbarkeit bald wieder her. Ermüdung und Erholung treten, wie es scheint, in verschiedenen Organen des Körpers mit verschiedener Schnelligkeit ein; wir finden sie aber überall, wo Muskeln und Nerven ihre Wirkungen zu äußern haben. Zu den Organen, wo beide verhältnismäßig schnell zu Stande kommen, gehört das Auge, welches auch sonst die größten Analogien mit dem Ohre darbietet. Wir brauchen nur einen unmerklich kurzen Augenblick nach der Sonne geblickt zu haben, so finden wir schon, daß diejenige Stelle der Nervenhaut oder Netzhaut des Auges, die vom Lichte getroffen war, unempfindlicher gegen anderes Licht geworden ist. Wir sehen nämlich unmittelbar danach einen dunkeln Fleck von der Größe des Sonnenkörpers, wenn wir nach einer gleichmäßig hellen Fläche, z. B. dem Himmelsgewölbe, blicken, oder auch mehrere solche Flecke und Linien dazwischen, wenn wir das Auge nicht fest nach dem Sonnenkörper hingerichtet hatten, sondern mit dem Blicke hin - und herschwankten. Ein Augenblick genügt, um diese Wirkung hervorzubringen, ja selbst ein elektrischer Funke, der eine unmeßbar kurze Zeit dauert, bringt eine solche Art der Ermüdung hervor.

Wenn wir nun dauernd nach einer hellen Fläche hinsehen mit unermüdetem Auge, so ist im ersten Momente der Eindruck am stärksten, aber gleichzeitig stumpft der Eindruck auch die Empfindlichkeit des Auges ab und wird dadurch immer schwächer und schwächer, je länger wir ihn auf das Auge wirken lassen. Wer aus dem Dunkel in das volle Tageslicht tritt, ist geblendet; nach wenigen Minuten dagegen, wenn die Empfindlichkeit seines Auges abgestumpft ist durch den Lichtreiz, oder wie wir auch sagen, sobald sein Auge an den Lichtreiz gewöhnt ist, findet er diesen Grad von Helligkeit sehr angenehm. Umgekehrt, wer aus vollem Tageslicht in ein dunkles Gewölbe tritt, ist unempfindlich gegen das schwache Licht, welches dort herrscht, und kann seinen Weg nicht finden, während er nach wenigen Minuten, wenn sein Auge von dem starken Lichte sich ausgeruht hat, anfängt, in dem dunklen Raume sehr bequem zu sehen.

Im Auge lassen sich die hierher gehörigen Erscheinungen so bequem studieren, weil man einzelne Stellen des Augengrundes ermüden kann, andere ausruhen, und die Empfindungen in beiden nachher vergleichen. Man lege ein Stückchen schwarzes Papier auf ein massig hell beleuchtetes weißes Blatt, fixiere kurze Zeit einen bestimmten Punkt auf oder in der Nähe des schwarzen Papiers, und ziehe dieses plötzlich weg; man wird dann ein sogenanntes Nachbild des Schwarzen auf dem weißen Blatte sehen, indem die ganze Stelle, wo das Schwarz gelegen hat, jetzt in hellerem Weiß erscheint, als der Rest des weißen Papiers. Die Stelle des Auges nämlich, auf welcher das Schwarz abgebildet war, ist ausgeruht im Vergleich mit denjenigen Stellen, welche vorher von dem Bilde des Weiß getroffen wurden, und mit der ausgeruhten Stelle sehen wir deshalb das Weiß in seinem ersten frischen Glanze, während es denjenigen Stellen der Netzhaut, die schon eine Weile durch seine Einwirkung ermüdet sind, merklich grau erscheint.

Bei fortdauernd gleichmäßiger Einwirkung des Lichtreizes fuhrt also dieser Reiz selbst eine Abstumpfung der Empfindlichkeit herbei, wodurch das Organ vor einer zu anhaltenden und heftigen Erregung geschützt wird.

Anders verhält es sich dagegen, wenn wir intermittierendes Licht auf das Auge wirken lassen, Lichtblitze mit zwischenliegenden Pausen. Während der Pausen stellt sich die Empfindlichkeit einigermaßen wieder her, und der neue Reiz wirkt also viel intensiver, als wenn er in derselben Stärke dauernd eingewirkt hätte. Jedermann weiß, wie äußerst unangenehm und quälend eine flimmernde Beleuchtung ist, selbst wenn sie an sich verhältnismäßig sehr schwach ist, z. B. von einer kleinen flackernder Kerze herrührt.

Auch mit den Tastnerven verhält es sich ähnlich. Reiben mit dem Nagel ist für die Haut viel empfindlicher, als dauernde Berührung einer Stelle mit demselben Nagel bei demselben Drucke. Das Unangenehme des Kratzens, Reibens, Kitzelns beruht darauf, daß sie alle eine intermittierende Reizung der Tastnerven hervorbringen.

Ein knarrender, intermittierender Ton ist für die Gehörnerven dasselbe, wie flackerndes Licht für die Gesichtsnerven und Kratzen für die Haut. Es wird dadurch eine viel intensivere und unangenehmere Reizung des Organs hervorgebracht, als durch einen gleichmäßig andauernden Ton. Dies zeigt sich namentlich auch, wenn wir sehr schwache intermittierende Klänge vernehmen. Wenn man eine angeschlagene Stimmgabel so weit vom Ohre entfernt, daß man aufhört, ihren Ton zu vernehmen so tritt er sogleich wieder ein, wenn man den Stiel der Gabel einige Mal zwischen den Fingern herumdreht. Dabei kommt die Gabel nämlich abwechselnd in solche Lägen, wo sie dem Ohre ihren Schall zusendet, und solche, wo sie dies nicht tut; und dieser Wechsel der Tonstärke wird dem Ohre sogleich vernehmbar. Eben deshalb besteht eines der feinsten Mittel, das Dasein eines sehr schwachen Tones wahrzunehmen, darin, daß man einen zweiten Ton von ungefähr gleicher Stärke hinzubringt, der mit dem ersten zwei bis vier Schwebungen in der Sekunde macht. Dann wechselt die Tonstärke zwischen Null und dem Vierfachen der Stärke des einfachen Tones, und sowohl diese Verstärkung als der Wechsel tragen dazu bei, sie dem Ohre vernehmbar zu machen.

Ebenso wie hier bei den allerschwächsten Klängen der Wechsel der Tonstärke dazu dienen kann, ihren Eindruck auf das Ohr zu verstärken so, dürfen wir schließen, muß dasselbe Moment dazu dienen, auch den Eindruck stärkerer Töne viel eindringlicher und heftiger zu machen, als er hei gleichmäßig anhaltender Tonstärke ist.

Wir haben bisher die Erscheinungen beschrieben, wie sie sich darbieten bei solchen Schwebungen, welche die Zahl von 20 bis 30 in der Sekunde nicht überschreiten. Wir haben gesehen, daß die Schwebungen in mittlerer Gegend der Skala noch vollkommen deutlich bleiben und eine Reihe von einander gesonderter Tonstöße bilden. Damit ist aber die Grenze ihrer Zahl noch nicht erreicht.

Das Intervall h' c" gab uns 33 Schwebungen in der Sekunde, welche den Zusammenklang scharf schwirrend machen. Das Intervall eines ganzen Tones b' c" gibt nähe die doppelte Anzahl, diese sind aber viel weniger scharf als die des ersten engeren Intervalls. Endlich sollte uns das Intervall der kleinen Terz a' c" der Rechnung nach 88 Schwebungen in der Sekunde geben; in der Tat läßt aber das letztere Intervall kaum noch etwas von der Rauhigkeit hören, welche die Schwebungen der engeren Intervalle hervorbringen. Man könnte nun vermuten, daß es die wachsende Zahl der Schwebungen sei, welche ihren Eindruck verwische und sie unhörbar mache. Wir würden für diese Vermutung die Analogie des Auges haben, welches ebenfalls nicht mehr im Stande ist, eine Reihe schnell auf einander folgender Lichteindrücke von einander zu sondern, wenn deren Anzahl zu groß wird. Man denke an eine im Kreise umgeschwungene glühende Kohle. Wenn diese etwa 10 bis 15 Mal in der Sekunde ihre Kreisbahn zurücklegt, glaubt das Auge einen kontinuierlichen feurigen Kreis zu sehen. Ebenso auf den Farbenscheiben, deren Anblick den meisten meiner Leser bekannt sein wird. Wenn eine solche Scheibe mehr als 10 Mal in der Sekunde umläuft, vermischen sich die verschiedenen auf sie aufgetragenen Farben zu einem ganz ruhigen Eindrucke ihrer Mischfarbe. Nur bei sehr intensivem Licht muß der Wechsel der verschiedenfarbigen Felder schneller, 20 bis 30 Mal in der Sekunde, geschehen. Es tritt also beim Auge eine ganz ähnliche Erscheinung wie beim Ohre ein. Wenn der Wechsel zwischen Reizung und Ruhe zu schnell geschieht, so verwischt sich der Wechsel in der Empfindung, die letztere wird kontinuierlich und anhaltend.

Indessen können wir uns beim Ohre zunächst davon überzeugen, daß die Steigerung der Zahl der Schwebungen nicht die alleinige Ursache davon ist, daß sie in der Empfindung sich verwischen. Indem wir nämlich von dem Intervall eines halben Tones h'c" zu dem einer kleinen Terz a' c" übergingen, haben wir nicht bloß die Zahl der Schwebungen, sondern auch die Breite des Intervalls vergrößert. Wir können aber auch die Zahl der Schwebungen vergrößern, ohne das Intervall zu verändern, indem wir dasselbe Intervall in eine höhere Gegend der Skala verlegen. Nehmen wir statt h' c" die beiden Töne eine Oktave höher, h" c'", so erhalten wir 66 Schwebungen, in der Lage h'" c"" sogar 132 Schwebungen, und diese sind wirklich hörbar in derselben Weise, wie die 33 Schwebungen von h' c", wenn sie auch allerdings in den ganz hohen Lagen schwächer werden. Doch sind z. B. die 66 Schwebungen des Intervalls h" c'" viel schärfer und eindringlicher, als die gleiche Anzahl derer des Ganztones b' c", und die 88 des Intervalls e'" f '" noch sehr deutlich, während die der kleinen Terz a' c" so gut wie unhörbar sind. Diese meine Behauptung, daß bis zu 132 Schwebungen in der Sekunde sollen gehört werden können, wird den Akustikern vielleicht fremdartig und unglaublich vorkommen. Aber der Versuch ist leicht auszuführen, und wenn mau auf einem Instrument, welches aushaltende Töne gibt, z. B. Orgel oder Harmonium, eine Reihe von Halbtonintervallen anschlägt, in der Tiefe anfangend und sie allmählich höher und höher nimmt, so hört man in der Tiefe ganz langsame Schwebungen (H-1 C gibt 41/8, Hc gibt 81/4, hc' 161/2). Je höher man in der Skala steigt, desto größer wird ihre Zahl, während der Charakter der Empfindung durchaus unverändert bleibt. Und so kann man stufenweise von 4 zu 132 Schwebungen in der Sekunde übergehen und sich überzeugen, daß zwar die Fähigkeit, sie zu zählen, aufhört, aber nicht ihr Charakter als einer Reihe von Tonstößen, welche eine intermittierende Empfindung hervorbringen, verloren geht. Allerdings muß aber dabei bemerkt werden, daß die Stöße auch in den hohen Regionen der Skala viel schärfer und deutlicher werden, wenn man ihre Zahl vermindert, indem man Intervalle von Vierteltönen oder noch kleinere nimmt. Die eindringlichste Rauhigkeit entsteht auch in den oberen Teilen der Skala durch eine Zahl von 30 bis 40 Schwebungen. Hohe Töne sind deshalb beim Zusammenklang viel empfindlicher gegen Verstimmung um einen Bruchteil eines halben Tones, als tiefe. Während zwei c', welche um den zehnten Teil eines Halbtones von einander abweichen, nur etwa eine Schwebung in der Sekunde geben, was nur bei aufmerksamer Beobachtung bemerkt wird und wenigstens keine Rauhigkeit gibt, bringen zwei c" bei derselben Verstimmung 4, zwei c"' 8 Schwebungen hervor, was sehr unangenehm auffällt. Auch der Charakter der Rauhigkeit ist nach der Zahl der Schwebungen verschieden. Langsamere Schwebungen geben gleichsam eine gröbere Art von Rauhigkeit, die man als Knattern oder Knarren bezeichnen könnte; schnellere geben eine feinere und schärfere Rauhigkeit.

Die große Zahl der Schwebungen ist es also nicht, oder wenigstens nicht allein, wodurch sie unhörbar werden, sondern auch die Größe des Intervalls hat Einfluß, und deshalb kann man mit hohen Tönen schnellere wahrnehmbare Schwebungen erzeugen, als mit tiefen Tönen.

Die Beobachtungen lehren also einerseits, daß gleich große Intervalle keineswegs in allen Gegenden der Skala gleich deutliche Schwebungen geben. In der Höhe werden vielmehr die Schwebungen wegen wachsender Anzahl undeutlicher. Die Schwebungen eines halben Tones erhalten sich bis zur oberen Grenze der viergestrichenen Oktave deutlich; dies ist auch ungefähr die Grenze der zu Harmonieverbindungen brauchbaren musikalischen Töne. Die Schwebungen eines ganzen Tones, welche in tiefer Lage sehr deutlich und kräftig sind, sind an der oberen Grenze der dreigestrichenen Oktave kaum noch hörbar. Die große und kleine Terz dagegen, welche in der Mitte der Skala als Konsonanzen betrachtet werden dürfen und bei reiner Stimmung kaum etwas von Rauhigkeit erkennen lassen, klingen in den tieferen Oktaven sehr rauh und geben deutliche Schwebungen.

Andererseits hängt aber die Deutlichkeit der Schwebungen und die Rauhigkeit des Zusammenklanges, wie wir gesehen haben, auch nicht allein von der Zahl der Schwebungen ab. Denn wenn wir von der Größe des Intervalls absehen dürften, müßten gleiche Rauhigkeit haben folgende Intervalle, welche der Rechnung nach die gleiche Anzahl von 33 Schwebungen geben sollten:

der Halbton h' c"
die Ganztöne c' d' und d' e'
" kleine Terz e g
" große Terz c e
" Quarte G c
" Quinte C G
während wir vielmehr finden, daß diese tieferen Intervalle immer mehr und mehr von Rauhigkeit frei werden.

Die Rauhigkeit des Zusammenklanges hängt also in einer zusammengesetzten Weise von der Größe des Intervalls und von der Zahl der Schwebungen ab. Wenn wir nun die Gründe dieser Abhängigkeit aufsuchen, so haben wir oben schon hervorgehoben, daß Schwebungen im Ohre nur bestehen können, wenn zwei Töne angegeben werden, welche in der Skala einander nahe genug sind, um dieselben elastischen Nervenanhängsel gleichzeitig in Mitschwingen zu versetzen. Wenn sich die beiden angegebenen Töne zu weit von einander entfernen, werden die Schwingungen der von ihnen gemeinsam erregten Corti'schen Organe zu schwach, als daß deren Schwebungen noch merklich empfunden werden könnten, vorausgesetzt, daß sich keine Obertöne und Kombinationstöne einmischen. Nach den Annahmen, die wir über den Grad der Dämpfung der Corti'schen Organe im vorigen Abschnitte schätzungsweise gemacht haben, würde sich z. B. ergeben, daß bei der Differenz beider Töne um einen ganzen Ton cd die Corti'schen Fasern, deren Eigenton cis ist, durch jeden der beiden Töne mit 1/10 seiner eigenen Intensität erregt werden; sie werden also schwanken zwischen der Intensität 0 und 4/10. Geben wir dagegen die einfachen Töne c und cis an, so folgt aus der dort gegebenen Tabelle, daß die der Mitte zwischen c und cis entsprechenden Corti'schen Fasern zwischen der Intensität 0 und 12/10 wechseln werden. Umgekehrt würde dieselbe Intensität der Schwebungen für eine kleine Terz nur noch 0,194 betragen, für eine große Terz 0,108, also neben den beiden primären Tönen von der Intensität l fast unmerklich werden müssen. Die Figur 59, welche wir dort gebraucht haben, um die Stärke des Mitschwingens der Corti'schen Fasern bei wachsender Tondifferenz auszudrücken, kann auch hier dienen, um die Stärke der Schwebungen darzustellen, welche zwei Töne im Ohre erregen bei verschiedenem Abstande in der Skala. Nur müssen wir die auf der Grundlinie abgemessenen Teile so nehmen, daß 5 der Distanz eines ganzen Tones entspricht, nicht wie oben der eines halben Tones. In unserem Falle ist nämlich die Entfernung beider Töne von einander doppelt so groß, als die der mitten zwischen liegenden Corti'schen Organe von jedem einzelnen.

Wäre die Dämpfung der Corti'schen Organe in allen Teilen der Skala gleich groß, und hätte die Zahl der Schwebungen keinen Einfluß auf die Rauhigkeit der Empfindung, so würden gleiche Intervalle in allen Teilen der Skala gleich rauh zusammenklingen müssen. Da dies nun nicht der Fall ist, sondern nach der Höhe hin dieselben Intervalle minder rauh, nach der Tiefe rauher werden, so würde man entweder annehmen müssen, daß die Dämpfung der höher klingenden Corti'schen Organe geringer sei, als der tieferen, oder wir müssen annehmen, daß die Unterscheidung schneller Schwebungen in der Empfindung auf Schwierigkeiten stoße.

Ich sehe noch keinen Weg, zwischen diesen beiden Annahmen zu entscheiden; doch dürfen wir wohl die erstere für die unwahrscheinlichere erklären, weil es wenigstens bei allen unseren künstlichen musikalischen Instrumenten desto schwerer wird, einen schwingenden Körper gegen die Abgabe seiner Schwingungen an seine Umgebung zu isolieren, je höher sein Ton ist. Ganz kurze, hoch klingende Saiten, kleine Metallzungen oder Platten etc. geben außerordentlich kurz abklingende hohe Töne, während man tiefere Töne mit entsprechenden größeren Körpern leicht lang ausklingend machen kann. Für die zweite Annahme spricht dagegen die Analogie der anderen Nervenapparate des menschlichen Körpers, namentlich des Auges. Ich habe schon angeführt, daß eine Reihe schnell und regelmäßig auf einander folgender Lichteindrücke im Auge eine gleichmäßig anhaltende Lichtempfindung erregt. Wenn die Lichtreize sehr schnell auf einander folgen, dauert der Eindruck eines jeden einzelnen im Nerven ungeschwächt fort, bis der nächste eintritt, und so werden die Pausen in der Empfindung nicht mehr unterschieden. Beim Auge kann die Zahl der einzelnen Erregungen nicht über 40 in der Sekunde steigen, ohne daß sie vollkommen in einen zusammenhängenden Eindruck verschmelzen. Hierin wird das Auge vom Ohre bei weitem übertroffen, indem bis zu 132 Intermissionen in der Sekunde unterschieden werden können, und wahrscheinlich haben wir damit die obere Grenze noch nicht erreicht. Viel höhere und hinreichend starke Töne würden vielleicht noch mehr hören lassen. Es liegt in der Natur der Sache, daß die verschiedenen Sinnesapparate in dieser Beziehung einen verschiedenen Grad von Beweglichkeit zeigen, da es nicht bloß auf die Beweglichkeit der Nervenmolekeln ankommt, sondern auch auf die Beweglichkeit derjenigen Hilfsapparate, mittels deren die Erregung der Nerven zu Stande kommt, oder sich äußert. Die Muskeln sind viel träger als das Auge; zehn elektrische Entladungen durch den Nerven während einer Sekunde genügen im Allgemeinen, die Muskeln der willkürlich bewegten Teile des Körpers in dauernde Kontraktion zu bringen. Für die Muskeln der unwillkürlich bewegten Teile des Darms, der Gefäße etc. können die Pausen zwischen den Reizungen auf eine ganze oder selbst mehrere ganze Sekunden steigen, ohne daß die Kontinuität der Zusammenziehung aufhört.

Das Ohr zeigt den übrigen Nervenapparaten gegenüber eine große Überlegenheit in dieser Beziehung, es ist in eminentem Grade das Organ für kleine Zeitunterschiede, und wurde als solches von den Astronomen längst benutzt. Es ist bekannt, daß wenn zwei Pendel neben einander schlagen, durch das Ohr bis auf ungefähr 1/100 Sekunde unterschieden werden kann, ob ihre Schläge zusammentreffen oder nicht. Das Auge würde schon bei 1/24 Sekunde, oder selbst noch bei viel größeren Bruchteilen einer Sekunde, scheitern, wenn es entscheiden sollte, ob zwei Lichtblitze zusammentreffen oder nicht.

Wenn aber auch das Ohr in dieser Beziehung seine Überlegenheit über andere Organe des Körpers erweist, so dürfen wir doch wohl nicht zögern vorauszusetzen, daß es in derselben Weise wie die anderen Nervenapparate eine Grenze der Schnelligkeit für sein Auffassungsvermögen haben wird, und wir dürfen wohl annehmen, daß wir uns dieser Grenze nähern, wenn wir 132 Schwebungen in der Sekunde nur schwach unterscheiden können.