VIII.

    Die im Eingang gestellte Frage, ob Fechner's philosophische Anschauungen aus seinen exakten Untersuchungen, oder ob umgekehrt diese aus seiner Philosophie hervorgegangen seien, ist damit, wie ich denke, beantwortet. Gewiß, von Hause aus war Fechner Naturforscher; und den exakten Arbeiten der ersten Periode seines Lebens liegt keine andere Tendenz zugrunde als die der Lösung der konkreten Probleme selbst, mit denen sie sich beschäftigen. Eine Bedeutung für seine Philosophie haben sie erst indirekt, durch die Schulung seines Geistes in naturwissenschaftlicher Methodik, gewonnen. Seine eigentümliche Weltanschauung aber, jene halb poetische, halb philosophische Lehre von der Allbelebung und Allbeseelung, von dem Stufenbau und der Entwicklung der Wesen, sie ist zunächst unabhängig von seinen naturwissenschaftlichen Arbeiten entstanden. Dies ändert sich von dem Augenblick an, wo seine Weltanschauung festere Gestalt gewonnen hat. Nun ordnet sich die exakte Arbeit ganz den philosophischen Zwecken unter. Aus dem Zendavesta ist die "Atomenlehre", sind die "Ideen zur Schöpfungs- und Entwicklungsgeschichte", und ist vor allen die "Psychophysik" hervorgegangen. Aus der Psychophysik hat sich dann noch, durch bestimmte Fragen der psychophysischen Methodik veranlaßt, die "Kollektivmaßlehre" abgezweigt, die aber außerdem von dem ebenfalls in philosophischen Anschauungen begründeten Interesse an der Nachweisung der allgemeinen Gesetzmäßigkeit der Naturerscheinungen angeregt war. Hier berühren sich die Betrachtungen dieses posthumen Werkes mit dem ersten Vortrag, den Fechner am 18. Mai 1849 in unserer Gesellschaft "über die mathematische Behandlung organischer Gestalten und Prozesse" gehalten hat. So stehen die hauptsächlichsten Arbeiten Fechner's in dieser späteren Periode direkt oder indirekt unter dem Zeichen seiner Philosophie. Die exakten Forschungen sind ihm nicht nur durch philosophische Fragen nahe gelegt, sondern die wichtigsten unter ihnen hat er nur zu dem Zweck unternommen, für seine Weltanschauung eine festere Basis und zugleich die Hilfsmittel zu gewinnen, um ihr in der Wissenschaft Eingang zu verschaffen. Es ist bezeichnend, daß, so lange bei ihm naturwissenschaftliche Forschung und philosophische Spekulation nebeneinan-der hergehen, ohne sich direkt zu berühren, er alles das, was außerhalb der exakten Arbeit liegt, philosophische und religiöse Betrachtungen so gut wie Gedichte und Humoresken, hinter dem Pseudonym des Dr. Mises verbirgt. Dieser verschwindet dagegen auch auf den populären religiösen und philosophischen Schriften von dem Augenblick an, wo er die exakte Forschung in den Dienst seiner Philosophie stellt; nur für die Humoresken und das Rätselbüchlein hat er ihn noch in den späteren Auflagen beibehalten.

    Welchen Erfolg hatte nun dieser letzte Versuch Fechner's, seiner Philosophie mit den Waffen der Wissenschaft eine gesicherte Stellung zu erobern?

    Als nach dem Erscheinen der "Elemente der Psychophysik" Jahre dahingegangen waren, konnte er sich der Tatsache nicht verschließen, daß, wenn das letzte Ziel dieses Werkes die Bekehrung der wissenschaftlichen Welt zu seinen philosophischen und religiösen Überzeugungen gewesen war, er dieses Ziel abermals nicht erreicht hatte. Wohl erregte die Psychophysik großes Aufsehen. Über ihre Probleme und Methoden entstanden lebhafte Diskussionen in den Kreisen der Nächstbeteiligten, der Physiologen und Psychologen. Die Verfahrungsweisen zur Prüfung der Beziehungen zwischen Reiz und Empfindung wurden sorgfältiger ausgebildet. Das Weber'sche Gesetz wurde teils auf weitere Sinnesgebiete ausgedehnt, teils in den Grenzen seiner Gültigkeit eingeschränkt. Die mathematischen Formulierungen Fechners erfuhren bald Zustimmungen bald Anfechtungen, und vor allem die Deutung des Weber'schen Gesetzes wurde heftig umstritten: Der psychophysischen Auffassung trat eine physiologische, die den Grund des Gesetzes in das Verhältnis der äußeren physischen Reizbewegung zu den zentralen psychophysischen Bewegungen verlegte, und eine psychologische, die in ihm einen allgemeinen Ausdruck der Relativität der psychischen Zustände und Vorgänge sah, gegenüber. Aber die philosophischen Grundanschauungen Fechner's, jene Anschauungen über das Verhältnis des Einzelbewußtseins zu einem unter seiner Schwelle liegenden Gesamtbewußtsein und die daraus sich ergebende Einordnung beider in einen psychophysischen Stufenbau der Welt, - dieser ganze Schlußstein seiner Lehre, zu dem das Vorangegangene nur Vorbereitung und Begründung hatte sein sollen, wurde mit Stillschweigen übergangen. Es schien zweifelhaft, ob selbst diejenigen, die bei der Mitarbeit an den Fragen der äußeren Psychophysik eifrig beteiligt waren, die Kapitel über die "innere Psychophysik" auch nur gelesen hatten.

    Diese Sachlage mag sich auf den ersten Blick befremdlich ausnehmen; bei näherem Zusehen ist sie begreiflich genug. So überzeugend für Fechner selbst durch die Tatsache der Schwelle die Einordnung des Bewußtseins in jenen Stufenbau der Welt sein mochte, einen guten Teil ihrer überzeugenden Kraft empfing, doch diese psychophysische Begründung für ihn eben dadurch, daß die Weltanschauung, auf die sie hinauslief, unabhängig von aller Psychophysik feste Wurzel in ihm gefaßt hatte. Wer jener Begründung objektiver gegenüberstand und die Annahmen, die sie einschloß, unabhängig von ihrem metaphysischen Zusammenhang betrachtete, der konnte sich aber hier berechtigten Bedenken nicht verschließen. Daß eine psychophysische Bewegung als solche ins Unbegrenzte fortdauere, um nach langer Zwischenzeit wieder einmal über die Schwelle des Bewußtseins zu treten, dafür bot das Fechner'sche Bild von der Fortdauer sich durchkreuzender Wellen, namentlich im Hinblick auf die allgemeinen Erscheinungen der Transformation der Energie, keinen zureichenden Halt. Vollends aber die Unterordnung der verschiedensten Bewußtseinsvorgänge, wie des Wechsels von Schlaf und Wachen, des Gehens und Kommens der Erinnerungsbilder, der Schwankungen der Aufmerksamkeit, unter die gleiche Vorstellung des Auf- und Niedersteigens einer nie erlöschenden psychophysischen Wellenbewegung mußte, je tiefer die psychologische Analyse in die Natur der Vorgänge einzudringen suchte, um so mehr als eine äußerliche Analogie erscheinen, die den wahren Charakter der Prozesse mehr zu verhüllen als zu erleuchten geeignet sei. Ob man sich über alle diese Bedenken, welche die in der Psychophysik eingeschlossene Psychologie erregen konnte, bei der dem Erscheinen des Werkes folgenden Diskussion deutliche Rechenschaft gab, darf allerdings bezweifelt werden, da sie nirgends zum entschiedenen Ausdruck kamen. Gerade aber, wenn solche Bedenken gegen das Wellenschema mehr instinktiv als mit klarem kritischem Bewußtsein sich regten, so führten sie um so leichter zu dem Ergebnis, daß die ganze "innere Psychophysik" mit allen an sie geknüpften Folgerungen außerhalb der Diskussion blieb. Der Schöpfer der neuen Wissenschaft sah sich dadurch in die Lage versetzt, sein Werk fortwährend in den äußeren Befestigungen, die es umgaben, verteidigen zu müssen, während das Zentrum seiner Stellung, um dessen willen er eigentlich nur seine Außenwerke errichtet hatte, für die Gegner nicht zu existieren schien. Dieser Umstand hat den später zur Verteidigung seines psychophysischen Standpunktes geschriebenen Arbeiten Fechner's ihren Charakter aufgeprägt. Die Energie und Ausdauer, mit der er seine Auffassung des Weber'schen Gesetzes als eines die geistige und körperliche Welt verbindenden Fundamentalprinzips verteidigte, wird begreiflich, wenn man bedenkt, daß mit jener psychophysischen Auffassung der ganze Wert, den für ihn die Psychophysik als exakte Grundlegung seiner philosophischen Weltanschauung besaß, stehen oder fallen mußte. Ja im Hinblick auf diese enge Verbindung seiner Auffassung mit seinen tiefsten philosophischen Überzeugungen wird man nicht umhin können, die Selbstüberwindung zu bewundern, mit der er abweichende Meinungen vollkommen vorurteilslos erörterte und ihnen von ihren eigenen Voraussetzungen aus gerecht zu werden suchte.

    So hat es denn auch die Stimmung seiner letzten Lebensjahre anscheinend nicht im geringsten verbittert, ja kaum getrübt, als er sich endlich der Erkenntnis doch nicht mehr verschließen konnte, daß er mit seiner Auffassung des psychophysischen Gesetzes nahezu allein stand, und daß also, wenn er gemeint hatte, seiner Philosophie mit Hilfe der Psychophysik in der Wissenschaft Eingang zu verschaffen, diese Hoffnung gescheitert war. Er trug dies mit der heiteren Ruhe des Weisen, der nicht daran zweifelt, daß die Wahrheit schließlich über den Irrtum obsiegen werde, ob nun seine eigene Überzeugung Wahrheit oder Irrtum gewesen sein möge. Ein Ton der Resignation geht aber doch durch manche Äußerungen seiner letzten Jahre. Wie sich die Zukunft der Psychophysik gestalte, meint er am Schlusse einer im Jahre 1882 für die "Allgemeine Zeitung" geschriebenen populären Auseinandersetzung, werde hauptsächlich von zwei Fragen abhängen: Erstens davon, welche der verschiedenen Ansichten über die Bedeutung des psychophysischen Gesetzes dereinst obsiegen, und zweitens davon, ob sich die "innere Psychophysik" haltbar erweisen werde. Je nach Entscheidung dieser Fragen werde die Psychophysik "entweder fortgehends nur eine bescheidene Nebenrolle neben Psychologie und Physik als Verbindungsglied beider spielen oder großen und neuen Aussichten in das Gesamtgebiet der Existenz Anhalt und Unterlage bieten".

    Sicherlich ist in diesem Urteil der Urheber der Psychophysik ungerecht gegen sich selbst gewesen. Es ist ihm hier ergangen wie so manchmal schöpferischen Geistern, die, wenn sich ihre Ideale nicht verwirklichen wollen, nun auch die wertvollen Schätze gering achten, die sie auf dem Wege zu ihren vergeblich erstrebten Zielen gewonnen haben. Als Kepler in seiner "Harmonice mundi" das dritte seiner drei großen Gesetze aufstellte, welches die Verhältnisse der Umlaufszeiten der Planeten zu ihren mittleren Entfernungen von der Sonne bestimmt, da waren es phantastische Ideen über die mystische Bedeutung der regulären Vielecke und der harmonischen Tonintervalle für den Kosmos, die seine Spekulationen geleitet hatten, und in jenem Gesetz selbst sah er nur einen der Bausteine, aus denen sich der wunderbare Bau seiner mystischen Weltharmonie zusammensetzte. Kepler's Weltharmonie ist längst verschollen. Aber das dritte seiner Gesetze ist zur Grundlage der Theorie geworden, in welcher der Gedanke jener Weltharmonie in wissenschaftlich geläuterter Gestalt wiedererstand, der allgemeinen Gravitationstheorie. So mögen sich vielleicht auch die metaphysischen Spekulationen, die Fechner auf seiner "inneren Psychophysik" aufgebaut hat, als Trugbilder erweisen und mit der Zeit vergessen werden. Was unvergessen bleiben wird, ist dies, daß er als der Erste exakte Methoden, exakte Prinzipien der Messung und der experimentellen Beobachtung in die Erforschung des geistigen Lebens eingeführt, und daß er damit eine wissenschaftliche Seelenlehre im strengen Sinne des Wortes überhaupt erst möglich gemacht hat. Schon Herbart hatte dies als Ziel vorgeschwebt, aber er hatte gänzlich den Weg verfehlt, der zu ihm führen konnte. Die Physiologen, die seit Johannes Müller mannigfach auf den Grenzgebieten des Physischen und Psychischen tätig waren, hatten im einzelnen vorgearbeitet, aber ohne ein klares Bewußtsein der allgemeinen Aufgabe, und ohne an die Ausbildung strenger Methoden zu denken. Erst Fechner hat mit seinen "psychophysischen Maßmethoden", die, zunächst für ein spezielles Problem bestimmt, leicht auf weitere Gebiete auszudehnen waren, zur exakten Erforschung des geistigen Lebens die Bahn eröffnet. Für Fechner selbst ist diese Aufgabe ganz und gar aus metaphysischen Ideen heraus erwachsen, und da er sie nur als das Hilfsmittel zur Geltendmachung dieser Ideen betrachtete, so hat er ihre Bedeutung und Tragweite unterschätzt. Er meinte, wenn jener metaphysische Zweck hinwegfalle, so werde die psychophysische Methodik nur als eine bescheidene Zugabe zur Psychologie zurückbleiben. Heute werden wir ihren Wert nicht zum wenigsten gerade darin erblicken dürfen, daß sie von wandelbaren philosophischen Anschauungen nicht berührt wird und dadurch wesentlich mitgeholfen hat, der Psychologie selbst den Charakter einer von dem Streit metaphysischer Systeme unabhängigen positiven Wissenschaft zu sichern.

    Wie steht es nun aber, so wird man nach allem dem fragen, mit Fechner's philosophischer Weltanschauung? Hat sie etwa, außer jenem von ihrem Urheber kaum gesuchten Ergebnis, an sich selbst keinen Wert? Oder kommt, wie zweifelhaft es mit ihrer psychophysischen und psychologischen Begründung aussehen möge, gleichwohl auch ihr eine bleibende Bedeutung zu? Bei der Beantwortung dieser Frage darf man wohl an das Fechner'sche Wort erinnern, daß eine Philosophie kein mathematischer Lehrsatz sei, der entweder wahr oder falsch sein müsse. Überhaupt ist ja Philosophie kein eindeutiger Begriff. In der Geschichte der philosophischen Weltanschauungen scheiden sich deutlich zwei Arten von Gedankensystemen. Die einen suchen die Wissenschaft ihrer Zeit, oft in einseitiger Richtung, aber im wesentlichen doch unter dem mitwirkenden Einfluß aller Hauptfaktoren, zu dem Ganzen einer Weltanschauung zusammenzufassen. Diesen Charakter besitzt allen anderen voran die aristotelische Philosophie, die als der vollendetste Ausdruck der Wissenschaft des Altertums auf Jahrhunderte hinaus das wissenschaftliche Denken beherrscht hat. Im 17. Jahrhundert hat Descartes ähnliches erstrebt und zum Teil erreicht, und am Ende des 18. dürfen wir wohl der Lehre Kants die Stellung einer in diesem engeren Sinne "wissenschaftlichen Philosophie" zuerkennen. Daneben gibt es aber noch eine zweite Art von Philosophie. Sie will kein streng wissenschaftliches System sein, sondern, unbefriedigt von den Ergebnissen des begrifflichen Denkens, möchte sie mit Hilfe der Phantasie ein Weltbild gestalten, das den Bedürfnissen des Gemüts Befriedigung schafft und dem Erkenntnistrieb über die Schranken hinweghilft, die der behutsam vordringenden wissenschaftlichen Forschung gesetzt sind. Diese Philosophie ist es, die sich, um die Rätsel des Daseins nach eigenem Wunsche zu lösen, mit der Dichtung vermählt. Sie ist eine Dichtung in Begriffen, die nötigenfalls, wo die Hilfsmittel der Begriffssprache versagen, ihre Gedanken in lebendigen Anschauungen verwirklicht sieht und so die Philosophie wieder zu ihrer ursprünglichen Quelle, zum Mythus, zurückführt. Könnte es für das Daseinsrecht dieser dichterischen Form der Philosophie ein sprechenderes Zeugnis geben als die Tatsache, daß der Denker, mit dem die wissenschaftliche Philosophie der abendländischen Menschheit begon-nen hat, und der wohl heute noch tiefer als irgend einer der nach ihm gekommenen in Wissenschaft, Religion und Leben unter uns nachwirkt, daß Plato, wo immer sich ihm die Hilfe des strengen begrifflichen Denkens versagte, zum Mythus, zur philosophischen Dichtung seine Zuflucht nahm? Und wenn wir uns fragen, welche der beiden Seiten in diesem größten der Philosophen die wirkungsvollste gewesen ist, so mögen wir wohl zweifeln, ob nicht dem philosophischen Dichter doch noch vor dem Dialektiker die Palme gebührt.

    Welcher dieser beiden Arten philosophischer Weltanschauungen Fechner's Gedankensy-stem angehört, kann nicht zweifelhaft sein. Es gehört in die Reihe der philosophischen Dichtungen, und im Grunde wollte er es selbst nicht anders betrachtet wissen. Die Philosophie galt ihm als eine Sache des Glaubens, nicht des Wissens. Aber wie die philosophische Dichtung überhaupt in der Entwicklung der philosophischen Systeme ihr gutes Recht besitzt, so darf Fechner's Philosophie das Recht für sich geltend machen, daß sie in der Reihe verwandter Gedankensysteme eine geschichtlich wohl begründete und, wie ich meine, eine bedeutsamere Stellung einnimmt als die, die ihr in der Gegenwart in der Regel zugestanden wird. Ihrem allgemeinen Charakter nach ist diese Philosophie - das kann nicht zweifelhaft sein - zunächst der Naturphilosophie Schelling's und seiner Schule verwandt. Aber die Ideen dieser Naturphilosophie kehren in ihr in einer gereiften, abgeklärten, den Ansprüchen der Wissenschaft entgegenkommenden Weise wieder. Darum, wenn in künftigen Zeiten der Historiker der Philosophie die Gedankenentwicklungen des 19. Jahrhunderts in jener die Ereignisse näher zusammenrückenden Perspektive, welche die größere Ferne gewährt, überblicken wird, so mag er wohl sagen: Im Anfang dieses Jahrhunderts, wo die verstandesmäßige Betrachtung der Welt durch eine lebendigere Naturanschauung abgelöst wurde, wie sie vor allem in Goethe ihren dichterischen Ausdruck fand, und wo gleichzeitig in der Naturwissenschaft neue Entdeckungen auf allen Gebieten, auf dem des Galvanismus, der chemischen Vorgänge, der Lebenserscheinungen, das allgemeine Interesse fesselten, da erhob sich unter dem zusammenwirkenden Einfluß dieser Motive eine phantastische, auf die Abwege bodenloser Spekulationen geratende Naturphilosophie, die mit der Wissenschaft notwendig in Widerspruch geraten mußte, weil ihre Vertreter der strengen Methode des wissenschaftlichen Denkens entbehrten, und weil die Zeit zu einer philosophischen Verwertung der neuen Ergebnisse noch nicht reif war. Dies war die Naturphilosophie Schelling's und seiner Schule. Dann aber, ein halbes Jahrhundert später, kam ein Mann, der das Unternehmen dieser romantischen Naturphilosophie mit besseren Mitteln zu Ende führte. Gründlich geschult in der indessen reifer gewordenen Naturforschung seiner Zeit, hat er ein Weltbild entworfen, das freilich eine philosophische Dichtung blieb, in dem aber die verworrenen Ideen jener Naturphilosophie in einer abgeklärten, wissenschaftlicheren Gestalt wiederkehrten, während ihr Urheber zugleich bei der Ausführung seiner Lebensaufgabe den positiven Wissenschaften eine Fülle neuer Anschauungen und Anregungen zuführte. Dieser Mann war Gustav Theodor Fechner, der Erneuerer und Vollender der romantischen Naturphilosophie des neunzehnten Jahrhunderts.