35.

Karl Prantls Geschichte der Logik. Die Schicksale der aristotelischen Logik. Die Logik als empirische Wissenschaft höherer Ordnung. Logik und Mathematik. Die Geometrie der Griechen. Die geschichtliche und die logische Entwicklung der mathematischen Methoden. Die Mathematik als logische Disziplin. Bedeutung der Mathematik für die Zeitbildung der Logik. Die Symbolik als Hilfsmittel der Logik. Die Sprache der frühesten Form der logischen Symbolik.
 
 

In Karl Prantl’s "Geschichte der Logik im Abendlande" besitzen wir ein Werk, das, mit einer kurzen Einleitung über die Eleaten und Sophisten beginnend, an die ausführliche Schilderung der aristotelischen Logik anknüpft, um die spätere Entwicklung bis zum Beginn der Neuzeit in ihren verschiedenen Verzweigungen darzustellen. Es ist ein Werk von erstaunlicher Gelehrsamkeit, dem kein zweites von ähnlicher Bedeutung über den gleichen Gegenstand zur Seite steht, und das schwerlich jemals wiederholt oder überholt wird. Aber dieses Werk hat eine Eigenschaft, die man von einer Geschichte der Logik wohl am allerwenigsten erwarten sollte. Wenn es eine Wissenschaft gibt, die sich ausschließlich an den Intellekt wendet und wenig geeignet ist, Affekte zu erregen, so ist zweifellos die Logik eine solche. Gleichwohl kenne ich kein Werk aus dem weiten Gebiet der Geschichte der Wissenschaft, das mit gleichem im Verlauf der Darstellung sich steigerndem Affekt geschrieben wäre wie diese Geschichte der Logik. Vergegenwärtigt man sich aber den Standpunkt, von dem Prantl ausgegangen ist, so begreift sich einigermaßen diese merkwürdige Eigenschaft. Das Werk ist seiner wesentlichen Tendenz nach eine Geschichte der aristotelischen Logik und der mannigfaltigen Wandlungen, die diese im Laufe der Zeiten erfahren hat. Den Grundgedanken dieser Logik erblickt aber der Verf. in dem engen Zusammenhang, in welchem bei Aristoteles die Logik mit seiner gesamten Wissenschaftslehre und insonderheit mit seiner Metaphysik steht. Eine Logik, die sich außerhalb dieser ihrer notwendigen Zugehörigkeit zur Wissenschaft oder auch innerhalb eines von diesem Ausgangspunkte wesentlich abweichenden Systems eine Stellung gewinnen will, hat nach Prantl weder das Recht, sich auf die Autorität des Aristoteles zu berufen, noch kann sie schließlich den Anspruch erheben, eine wissenschaftliche Logik zu sein. In diesem Sinne erblickt er in der ganzen folgenden Geschichte der Logik, etwa abgesehen von den ersten Bearbeitern und Komentatoren des Aristoteles, im Grunde nichts anderes als eine Geschichte der Entartung und des Verfalls der klassischen aristotelischen Logik. Dieser Prozeß beginnt ihm eigentlich schon im Stoizismus trotz der nicht abzuleugnenden Ergänzungen des aristotelischen Systems, durch die sich die Stoiker um den Weiterbau der Logik verdient gemacht haben. Denn indem sie den Schwerpunkt der Logik nicht mehr in die in der Syllogistik kulminierende Subsumtion der wissenschaftlichen Begriffsinhalte, sondern in eine von jedem konkreten Inhalt unabhängige Stufenleiter der Begriffe verlegen, bewegen sie sich bereits auf der abschüssigen Bahn einer rein formalen Begriffstechnik. Weiter entfremdet wird dann die Logik ihrem ursprünglichen Inhalt bei ihrer Aufnahme in die christliche Metaphysik, wo nun ein Apostel Paulus und ein heiliger Augustin neben den überlieferten Zeugen des aristotelischen Organon gelegentlich als logische Autoritäten verehrt werden. Ihr schließliches Ende erreicht diese Geschichte in den logischen Begriffs- und Wortklaubereien des scholastischen Nominalismus, in welchem die einstige auf den inneren Zusammenhang der Teile des logischen Systems miteinander und mit der Wissenschaft beruhende Logik zu einer leeren, in zusammenhanglose Teile zerfallenden Verstandesübung geworden ist.

Nun hat der Standpunkt, den Prantl’s Geschichte der Logik einnimmt, indem sie im wesentlichen eine Geschichte der aristotelischen Logik und ihres allmählichen Verfalls ist, seine innere Berechtigung darin, daß, abgesehen von den metaphysischen Gesichtspunkten, die Aristoteles schon seinem System der Logik entgegenbringt, dieses System im wesentlichen nichts anderes ist als eine wissenschaftliche Bearbeitung der in der Sprache zum Ausdruck kommenden logischen Denkgesetze. Die allgemeine Forderung, daß die Logik als Lehre von den Normen des Denkens niemals ein für sich bestehendes Ganzes, sondern stets an einen konkreten und demzufolge empirischen Inhalt gebunden ist, findet sich daher in der aristotelischen Logik und zwar in ihr in der allgemeingültigsten Weise bereits verwirklicht. Denn dieses empirische Substrat ist eben in ihr die Sprache. Aus ihr hat Aristoteles zunächst die allgemeinen Begriffsformen oder Kategorien als Grundbestandteile des logischen Denkens, dann aus diesen die Formen der Urteile abstrahiert, um daraus endlich seine die ganze Folgezeit beherrschende Syllogistik aufzubauen. Ist so die aristotelische Logik auf der einen Seite noch heute die ursprüngliche Form einer Logik, so ist sie aber auf der andern deren bleibende Form überall da, wo sich noch nicht für ein bestimmtes Wissenschaftssystem eine spezifische Symbolik, die die sprachlichen Formen ersetzt, ausgebildet hat.

Dies ist der Gesichtspunkt, welcher nunmehr in der späteren Entwicklung der Logik der Mathematik ihre spezifische Eigenart als einer im eminenten Sinne logischen Wissenschaft verliehen hat, insofern sie in fortschreitendem Maße darauf ausgegangen ist, die ursprünglichen auch in ihr durch sprachliche Formen ausgedrückten Begriffe durch Symbole zu ersetzen, die den rein logischen Wert der Begriffe, absehend von ihrer sinnlichen Bedeutung, ausdrücken. Diesen logischen Vorzug verdankt die Mathematik dem Umstande, daß das Substrat ihrer Betrachtungen entweder unmittelbar dem Begriffsgebiet der reinen Anschauungsformen angehört oder leicht in dieses sich übertragen läßt. Nicht als ob die Mathematik von Anfang an eine solche aus Begriffssymbolen aufgebaute Wissenschaft gewesen wäre. Vielmehr hat sie ihr letztes Substrat in den zwei rein technischen Gebieten des Handelsverkehrs und der Feldmeßkunst, die heute noch in ihren Hauptteilen, der Arithmetik und der Geometrie nachwirken. Darum liegt nun aber auch der Anfang eben dieser beiden einander ergänzend zur Seite stehenden mathematischen Disziplinen nicht in jenen letzten technischen Substraten des mathematischen Denkens, sondern ihre Geburtsstunde ist einerseits der Begriff der abstrakten Zahl, wie er sich aus der empirischen Rechenkunst, und andererseits der Begriff des reinen Raumes, wie er sich aus der empirischen Meßkunst entwickelt hat. Wie nun diese beiden technischen Künste keiner Kultur ganz fehlen, so hat sich auch nirgends in der Welt die Mathematik bloß in der Form der Geometrie oder in der anderen der Arithmetik entwickelt. Wohl aber ist es augenfällig, daß das Übergewicht der mathematischen Begabung entweder auf der einen oder auf der andern seite liegen kann, und dafür ist es dann sichtlich zugleich die ursprüngliche geistige Anlage der Völker, bei der wiederum die allgemeine Richtung der Kultur von entscheidendem Einfluß ist. So ist von den Griechen die Mathematik hauptsächlich in der Form der Geometrie, von den Indern in der Form der Arithmetik ausgebildet worden, ohne daß aber dabei von einer Ausschließlichkeit die Rede sein könnte. Wenn daher behauptet worden ist, die antike und die moderne Mathematik seien überhaupt verschiedene Wissenschaften, so beruht dies auf einer Verwechselung des ursprünglichen Stoffs mit der ausgebildeten Form des mathematischen Denkens. Die Griechen haben vermöge der auf die Anschauung gerichteten Form ihres Denkens die Mathematik vorwiegend als Geometrie entwickelt, und sie haben daher auch ihren arithmetischen Sätzen mit Vorliebe eine geometrische Form gegeben, indem sie sich z. B. die Zahleinheiten als Punkte, die Quadratzahl als ebene Fläche dachten. Dies schließt aber eine Umwandlung der geometrischen in die arithmetische Form, wie sie in der hellenistischen Zeit tatsächlich eingetreten ist, keineswegs aus, und ebenso weist der Einfluß, den fortan die antike Geometrie auf die moderne Analysis ausgeübt hat, auf diesen Zusammenhang der beiden Hauptgebiete der Mathematik hin. Wie Zählen und Messen an sich verschiedene, aber überall ineinander übergehende und sich verbindende geistige Funktionen sind, so sind eben auch Arithmetik und Geometrie von Anfang an unlösbar verbundene mathematische Richtungen, die niemals einander völlig verdrängen können, sondern sich vielmehr fortan wechselseitig befruchten und dadurch im Laufe der Zeiten neue Grundformen des mathematischen Denkens hervorbringen.

Bilden hiernach Geometrie und Arithmetik nicht grundsätzlich verschiedene Formen, sondern durch ihre in beiden Fällen der reinen Anschauung angehörende Entwicklungen innerlich zusammengehörige und durch mancherlei Zwischenformen verbundene Gebiete des mathematischen Denkens, so ist es nun weiterhin dieser übereinstimmende Charakter beider, der der Mathematik ihre Eigenart gegenüber allen andern aus dem Zusammenwirken eines empirischen Substrats mit den logischen Denkgesetzen hervorgehenden Wissenschaften verleiht. Zugleich repräsentiert in dieser Beziehung die Mathematik den Endpunkt einer Entwicklung, die in der aristotelischen Logik mit der Sprache als einem unmittelbar dem natürlichen Denken entnommenen Substrate beginnt und in den abstrakten mathematischen Begriffssymbolen als einem völlig in den Dienst der Logik getretenen Substrat endet. Dies führt schließlich auf denjenigen Begriff zurück, der den empirischen Stoff an die ihn den logischen Normen unterwerfenden Formen bindet, auf den Begriff des Symbols. Die Worte der Sprache, deren sich die aristotelische Logik zum Ausdruck der Gedankenbeziehungen bedient, sind gleichzeitig Ausdrucksformen sinnlicher Inhalte und logischer Symbole. Als sinnliche Inhalte sind sie der Stoff des logischen Denkens, als logische Symbole bezeichnen sie die Gedankenbeziehungen, in die diese sinnlichen Inhalte durch das logische Denken gebracht werden. Die Eigenart des mathematischen Denkens besteht aber darin, daß bei ihm der sinnliche Inhalt völlig eliminiert wird und das logische Symbol als abstrakte Form allein übrig bleibt. In diesem Sinne ist die Mathematik eine rein logische Wissenschaft, die darum, wenn sie auf empirische Aufgaben angewandt werden soll, eine Rückverwand-lung der abstrakten logischen Symbole in empirische Begriffe fordert, um dann im Anschluß an weitere empirische Aufgaben wiederum neue symbolische Hilfsbegriffe und im Anschlusse an sie neue Methoden des mathematisch-logischen Denkens hervorzubringen.

Insofern die Entwicklung der mathematischen Methoden ein geistiger Vorgang ist, der sich, wie jede andere wissenschaftliche Entwicklung, im Laufe vieler Jahrhunderte nach den ihm immanenten logischen Gesetzen vollzogen hat, bietet so die Geschichte der Mathematik einen empirischen Stoff, der sich von dem Inhalt anderer Erfahrungswissenschaften nur dadurch unterscheidet, daß die Mathematik den empirischen Begriffen Symbole logischer Begriffe substituiert, die den Begriffsinhalt auf den in ihn enthaltenen rein logischen Wert zurückführen. In diesem Sinne kann daher die Logik von ihrem Beginn in der aristotelischen Logik der Sprachsymbole bis zur mathematischen Logik der Zahl- und Raumsymbole als eine empirische Wissenschaft im weitesten Sinne des Wortes bezeichnet werden. Sie ist in dieser Weiterbildung zur mathematischen Logik freilich eine empirische Wissenschaft höherer Ordnung, insofern sie die Entwicklungsgeschichte der logischen Symbolik selbst zu ihrem Substrate hat. Der Charakter eines empirischen Substrats bleibt ihr aber darin erhalten, daß Beobachtung und Experiment, diese letzten Grundlagen alles empirischen Wissens, auch die Entwicklung des mathematischen Denkens in allen seinen Stadien begleiten. Spielen doch Erfindung und Entdeckung auf mathematischem Gebiet keine geringere Rolle als auf irgendeinem anderen Felde empirischer Wissenschaft. So gehört es denn auch zu den gröblichsten Täuschungen wissenschaftlichen Aberglaubens, wenn man der Logik ein von der Erfahrung in dieser weitesten Bedeutung unabhängiges, in einer allezeit unveränderlichen apriorischen Gedankenwelt bestehendes Dasein zuschreibt, wie das zuerst der scholastische Nominalismus getan hat, indem er die aristotelische Logik der Sprache zertrümmerte, um eine dissolute Dialektik der Wörter zurückzubehalten. Damit verwandelt eben der scholastische Nominalismus älterer wie neuerer Zeit die wissenschaftliche Logik, deren Wesen, wie das jeder andern Wissenschaft, im Zusammenhang des logischen Denkens besteht, in eine wertlose Wortkunst, die höchstens die Bedeutung einer formalen Verstandesübung beanspruchen kann.

Bereits in der ersten nach dem in Zürich entstandenen Entwurf ausgearbeiteten Auflage meiner Logik (1880—83) habe ich die Logik der Mathematik in dem hier in allgemeinen Umrissen angedeuteten Sinne darzustellen versucht, indem ich als den Stoff derselben nicht mit den englischen Logikern und ihren deutschen Nachfolgern die sinnlichen Substrate der Zahlen und der Raumformen, sondern die abstrakten Zahl- und Raumbegriffe selbst betrachtete, die in Wahrheit die Grundlagen des mathematischen Denkens von Anfang an gebildet haben, um dann von ihnen aus die weitere Entwicklung dieser in der Geschichte der mathematischen Methodik niedergelegten logischen Gedankenentwicklung zu verfolgen. Jedem, der mit der Geschichte der Mathematik einigermaßen vertraut ist, muß einleuchten, daß hier, genau so wie bei allen anderen Wissenschaften, die Geschichte der Wissenschaft selbst und die Entwicklungsgeschichte ihrer Logik zwei verschiedene Dinge sind. Man vergleiche z. B. für die ältere Zeit Moritz Cantors Geschichte der Mathematik mit der im zweiten Kapitel meiner Logik der Mathematik beginnenden Darstellung der logischen Entwicklungsgeschichte der mathematischen Methoden. Für die ältere, vielfach an den Namen Descartes, geknüpfte Periode der neueren Analysis bietet hier allerdings dieser hervorragende Mathematiker einen glücklichen Anhaltspunkt für eine solche in vielen Punkten von der wirklichen Geschichte abweichende logische Entwicklungsgeschichte, indem er, wie in seiner Philosophie, so auch in seinem mathematischen Hauptwerk über die Geometrie alles was Vorgänger und Zeitgenossen geleistet haben, als sein eigenes Werk darstellt. Man kann daher von ihm sagen, er habe für sein eigenes Zeitalter zu einem guten Teil bereits diese Umwandlung der wirklichen Geschichte in eine Entwicklungsgeschichte des logisch-mathematischen Denkens vollzogen. Aber für die spätere, in der Ausbildung der modernen Analysis sich betätigende Periode, in der mindestens ein Leibniz und Newton neben manchen anderen Zeitgenossen, wie Fermeet, Huygens und die Brüder Bernouilli, zum Teil verschiedene Wege einschlagen, gilt dies doch keineswegs mehr, sondern hier stellt sich der Gesamtverlauf der logischen Entwicklungsgeschichte als eine Art Resultante aus einer Reihe nebeneinander verlaufender historischer Entwicklungen dar, und es ergibt sich so mehr und mehr als die Aufgabe einer Logik der Mathematik, nicht als eine Wiedergabe ihrer wirklichen Geschichte, sondern vielmehr als die einer logischen Entwicklung, welche die verschiedenen Quellen, die in der Geschichte teils einander wechselseitig ergänzen teils unabhängig nebeneinander hergehen, zu einer idealen Einheit sammelt. Das ist eben die notwendige Folge davon, daß es schließlich die gleichen Gesetze des logischen Denkens sind, die alle diese Verzweigungen des mathematischen Denkens beherrschen. Um so klarer erhellt aus der Vergleichung dieser logischen Kontinuität der Entwicklung mit ihrer geschichtlichen Grundlage, daß auch in diesem Fall das Verhältnis zu den allgemeinen logischen Motiven kein anderes ist als in der Wissenschaft überhaupt, nur daß die empirischen Substrate alles logischen Denkens hier bereits selbst den Charakter logischer Symbole besitzen, soweit nicht abkürzend und ergänzend zugleich noch die Hilfsmittel der sprachlichen Symbolik herbeigezogen werden. Auch die Mathematik ist eben im allgemeinsten Sinne des Wortes in der tatsächlichen Aufeinanderfolge ihrer Inhalte eine apriorische Wissenschaft, nicht weil sie, wie die psychologistische Logik annimmt, in sinnlichen Objekten, sondern weil sie in einer glänzenden Reihe von Entdeckungen und Erfindungen abstrakter Symbole ihr letztes Substrat hat.

Wie bereits die Mathematik neben der spezifischen Symbolik der mathematischen Begriffe die Symbolik der Sprache zu Hilfe nimmt und darin auf der aristotelischen Logik weiter baut, so geschieht nun das gleiche in dem ganzen Umkreis der in der Regel nach dieser Eigenschaft sogenannten Erfahrungswissenschaften. Nur nehmen hier die konkreten Inhalte des Denkens einen immer weiteren Raum ein. In diesem Sinne suchen sich die exakten Wissenschaften, allen voran die Physik, die mathematische Symbolik zu eigen zu machen und sich so schließlich selbst in eine angewandte Mathematik umzuwandeln. In weiterer Entfernung folgen dann diesem Beispiel diejenigen Gebiete, in denen sich ebenfalls eine spezifische Symbolik der Begriffe ausgebildet hat, die dann wieder den besonderen Bedürfnissen der einzelnen Wissenschaften angepaßt ist. Ein hervorragendes Beispiel solcher Art bietet zunächst die Chemie mit ihrer künstlichen Symbolik der chemischen Verbindungen und ihrer Wechselbeziehungen, ein weiteres die internationale Terminologie innerhalb der verschiedenen systematischen Naturwissenschaften, die heute noch auf der eminenten Erfindungsgabe eines Linné und seiner Nachfolger aufgebaut ist, endlich aber nicht minder die ebenfalls zu einer weltbeherrschenden Symbolik gewordenen Begriffe der verschiedenen Geisteswissenschaften, unter denen durch ihre reichen den beiden klassischen Sprachen, dem Griechischen und Lateinischen, entnommenen Begriffssysteme vor anderen die Theologie auf der einen und die Rechtswissenschaft auf der anderen Seite sich auszeichnen. So fließt hier in den Traditionen des christlichen Mittelalters, in denen die Universalität der gelehrten Weltsprache heute noch nachwirkt, eine Quelle der allen Kulturvölkern gemeinsamen Formen logischer Symbolik, die bei aller Zersplitterung der konkreten Inhalte des Denkens für die bleibende Einheit der Wissenschaften ein lebendiges Zeugnis ablegt. Indem die heutige Logik in der Weiterbildung zu einer allgemeinen Methodik des wissenschaftlichen Denkens ihre Hauptaufgabe sehen muß, dokumentiert sie sich aber dadurch erst selbst als eine wirkliche systematische Wissenschaft, die in der idealen Rekonstruktion der Hauptgebiete des wissenschaftlichen Denkens ihre wesentliche Aufgabe hat. So ist die Logik im Laufe ihrer Entwicklung zu einer Wissenschaft der Wissenschaften im eigentlichen Sinne des Wortes geworden. Ihr Material bildet die Geschichte der Wissenschaften; aus ihm hat sie die logischen Gesetze zu entwickeln, die in dem Aufbau der Wissenschaften und in der Erkenntnis ihrer Zusammenhänge wirksam sind. Die gemeinsame Wurzel, auf die sie in allen ihren so entstandenen Verzweigungen zurückgeht, und die sie überall, wo ihre besonderen Hilfsmittel versagen, immer wieder als ihre letzte Grundlage zu Hilfe nimmt, bleibt aber stets das in der Sprache lebende Denken, das in der aristotelischen Logik seinen ersten wissenschaftlichen Ausdruck gefunden hat.