§. 18.
Von den Formen der Reize, der Nervenprozesse und der Empfindungen überhaupt.

176. Indem wir der weiteren Betrachtung vorläufig nur jene regelmäßigen Empfindungen zu Grunde legen, welche in den Sinnesorganen aus adäquaten Reizen entstehen, wenden wir uns zu der allgemeinen Frage nach den korrespondierenden Formen der Reize, der Nervenprozesse und der Empfindungen, welche wir im Lauf des Seelenlebens beständig aneinander geknüpft finden. Wir schließen jedoch aus dieser Überlegung die der Physiologie des körperlichen Lebens allein angehörige Frage nach der Natur jenes Nervenprinzips aus, welches das Mittelglied zwischen der äußern Welt der Reize und der inneren der Empfindungen bildet. So wichtig diese Kenntnis für die Ökonomie des Lebens sein würde, so ist doch für die Zwecke der Psychologie nicht sowohl dies unerläßlich zu wissen, an welchem Substrate die empfindungserzeugenden Vorgänge haften, als vielmehr, in welcher Form des Prozesses dieses unbekannte nervöse Substrat die Einflüsse der Reize auf die Seele überträgt. Den physiologischen Untersuchungen über diesen Gegenstand entlehnen wir daher nur die äußerst wahrscheinliche Vorstellung, dass das Nervenprinzip ein imponderables Substrat ist, an die chemische Mischung und den Bau der Nervenfaser gebunden, auf irgend eine Weise durch die Ökonomie des Körpers regelmäßig erzeugt, und in größter Feinheit einer außerordentlichen Mannigfaltigkeit seiner Zustände sowohl, als der schnellsten Fortleitung der unbedeutendsten Eindrücke fähig. Unter dieser Voraussetzung wollen wir zu erraten versuchen, welches die wahrscheinliche Form des Hergangs in jenen drei Hauptabteilungen der Empfindungserzeugung sein mag.

177. Von den äußern Sinnesreizen sind uns nur die Wellenbewegungen des Äthers und die Schallschwingungen der Luft ausreichender bekannt. Wir setzen zwar voraus, dass alle äußern Einflüsse in physischen Prozessen irgend welcher Art bestehen, aber weder für Geruch noch für Geschmack läßt sich die Form der Bewegung angeben, mit der sie auf unsere Organe einwirken. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass auch sie in Schwingungen bestehen, die unter dem Einflusse chemischer Zersetzungen in den feinsten Verzweigungen der Nervenenden oder zunächst in dem sie umgebenden Parenchym entstehen. Für die mechanischen Einflüsse wenigstens, welche die sensiblen Hautnerven durch Druck oder Stoß erfahren, würde eine andere Deutung kaum möglich sein. Die Kompression der Teilchen, die hier als nächster Effekt entsteht, würde allerdings als eine plötzliche Zustandsänderung auch in den Nerven, die sich in sie verzweigen, einen rasch nach dem Gehirn fortgeleiteten Impuls erzeugen; der fortdauernde Druck jedoch, während dessen wir uns alle Teilchen in Ruhe, obgleich in einer erzwungenen Lage dächten, würde dies nicht vermögen, und er würde deshalb nur so lange Gegenstand einer Empfindung sein können, als die Bewegung fortdauert, die sein Beginn in dem Nerven erzeugt hat. Obgleich nun in der Tat ruhiger Druck bald unmerklich wird, so geschieht dies doch nicht so schnell, dass wir annehmen dürften, der durch den ersten Stoß erregte Nervenprozeß habe bis zu diesem Zeitpunkte fortgedauert, ohne durch neue Einwirkungen des ruhigen Druckes selbst unterhalten zu werden. Es scheint daher, dass wir uns gedrückte Teile nicht in Ruhe, sondern in beständigen Bewegungen denken müssen, welche sich fortdauernd auf den Nerven übertragen; selbst die Wirkung eines plötzlichen Stoßes wird aus der Summe der kleinen Erzitterungen zusammengesetzt sein, welche er den einzelnen Teilchen beibringt. Für solche fortdauernde Bewegungen aber, da sie in nichts als in Bestrebungen zur Herstellung eines verlornen Gleichgewichts bestehen können, ist die Form einer Oszillation die natürliche, und die mechanischen äußern Sinnesreize dürften daher nur dadurch wirken, dass sie sich in Oszillationen der Teilchen umformen, welche nun als innerer Sinnesreiz auf den Nerven selbst weiter wirken. Wollten wir für Geruch und Geschmack voraussetzen, dass hier die Empfindung durch den Akt der chemischen Umsetzung hervorgebracht würde, so könnte sie zwar, da bei einiger Größe der chemisch wirksamen Massen das Zustandekommen dieser Umsetzung ziemliche Zeit erfordern möchte, eine stetig dauernde Empfindung sein, die aber dennoch mit der erfolgten Beendigung des chemischen Prozesses ihre Begründung verlöre. Gerade diese Empfindungen dauern jedoch häufig sehr viel länger, als man die Dauer des chemischen Vorgangs anschlagen kann, den ihre äußern Reize in den Sinnesorganen erzeugen; auch für sie halte ich es daher für wahrscheinlich, dass sie von einem inneren Sinnesreize, d. h. von Bewegungen der Teilchen ausgehen, die durch den chemischen Prozeß nebenher bewirkt werden. Für die Temperaturempfindung haben wir eine gleiche Hypothese schon oben geltend zu machen gesucht, und sind daher zu der allerdings nicht streng beweisbaren Ansicht geneigt, dass die inneren Sinnesreize, von denen jeder Nervenprozess zunächst ausgeht, allgemein die Form von Oszillationen der kleinsten Teilchen besitzen.

178. Wer dieser Vermutung beitreten wollte, für den würde das, was wir nun ferner über die Umwandlung des innern Sinnesreizes in den Nervenprozeß bemerkten, einen Teil seiner Notwendigkeit verlieren. Denn nun würden ja schon diese inneren Veränderungen, von denen die Nervenprozesse ausgehn, unter eine allgemeine Form zusammengefaßt sein und nur in geringerem Grade jene zweite Transformation erfordern, die uns nötig schien, weil wir den Nervenprozeß als einen überall wesentlich gleichen ansehen zu müssen glaubten, der nicht gleich große qualitative Verschiedenheiten besitzen konnte, wie die äußern Reize, die ihn erregen. Auch unabhängig jedoch von unserer Darstellungsweise ist schon früher von mehreren Seiten der Gedanke gefaßt worden, dass auch die Nerventätigkeit, entsprechend der bekannten Form des Licht- und Schallreizes, überall in Oszillationen eines imponderablen Medium bestehe, und dass die einzelnen Nervenprozesse nur in der Frequenz ihrer Schwingungen abweichen. So wie die Lichteindrücke durch die Billionen der Vibrationen des Äthers sich von den Tausenden der Luft unterscheiden, welche der Schall in gleicher Zeit vollbringt, so steche auch der optische Prozeß des Sehnerven nur durch die ungemeine Häufigkeit seiner Schwingungen von dem akustischen des Hörnerven ab und ähnliche obgleich nicht ebenso nachweisbare Differenzen seien der Grund der Verschiedenheit der übrigen Empfindungen. Da übrigens Licht, Schall und mutmaßlich Wärme nicht allein in der Zahl, sondern auch in der Richtung ihrer Vibrationen in Bezug auf die Achse ihres Fortschreitens abweichen, so blieben auch für die Nervenprozesse neben den Unterschieden der Frequenz die der longitudinalen, der transversalen und mancher andern Schwingungsarten in Bezug auf die Richtung des Faserverlaufes übrig. Diese Vermutungen, obgleich noch weit entfernt, in der Analyse der Einzelheiten der Empfindungen positive Bestätigungen zu finden, haben doch im Allgemeinen, auch nur als Vermutungen geäußert, etwas Einnehmendes; ich glaube jedoch, dass man zu ihren Gunsten, obgleich nur nach einer gewissen allgemeinen Umdeutung ihres Sinnes, noch einige psychologische Betrachtungen hinzufügen kann.

179. Wir wollen einen Augenblick überlegen, welcherlei Reize eigentlich überhaupt mit Vorteil an die Seele gelangen und in sie zur Erzeugung verschiedener Empfindungsklassen übergehen können. Natürlich ist zuerst der lokale Ursprung der Reize an sich ganz gleichgültig; die Seele kann nicht einen Nervenprozeß, weil er aus dem Sehnerven kommt, als Farbe, einen andern, der aus dem Ohre kommt, deswegen als Ton empfinden; diese Richtungen des Herkommens zu beurteilen, besitzt sie ja durchaus keine ursprünglichen Mittel, sondern verdankt solche nur der Erfahrung, der unzählige Empfindungen schon vorangegangen sein müssen. Man wird daher den Grund der spezifischen Empfindung stets nur in der qualitativen Eigenheit des Nervenprozesses suchen, durch die er sich, abgesehn von seinem Ursprung, von jedem andern unterscheidet. Worin aber soll diese Qualität selbst bestehen? Sie kann nicht ähnlich sein der spätern Empfindung selbst, so dass der Nervenprozeß unverändert in die Seele überginge; er kann sich vielmehr nur als Reiz verhalten, der die Seele erregt, aus sich selbst heraus die Empfindung zu erzeugen und zu gestalten. Nicht also darf man dem Nerven zuschreiben, in ihm werde Rot und Grün, Ton und Geruch gebildet, um fertig dem Bewußtsein zugeführt zu werden. So wenig Geschwindigkeit und Richtung anders, denn als Zustände der Bewegung, so wenig ist Grün und Süß anders denkbar, denn als eine Art des Empfindens; Niemand würde wissen, was sie wären, ehe sie empfunden sind. Möchten selbst die einzelnen Atome des Nerven in ihrem Inneren auch diese Empfindungen erzeugen: der Nervenprozeß als Ganzes, als Ereignis, an dem unzählige Elemente sich beteiligen, und das von einem zum andern fortgeleitet wird, kann nur in irgend einer Art der Bewegung bestehen. Man wird nun meinen, dass auch Bewegungen noch qualitativer Unterschiede fähig sind, und dass jeder Empfindungsklasse eine solche qualitativ besondere Form des physischen Vorgangs entspreche. Indessen würde sich ausweisen, dass doch diese Unterschiede weniger qualitativ als formell zu heißen verdienen; sie sind sämtlich nur Differenzen in Bezug auf Richtung, Geschwindigkeit, Größe, Dauer und Rhythmus der Bewegung.

180. Allein auch einmal zugestanden, man könnte sich physische Prozesse wirklich so unvergleichbar verschieden denken, wie die Empfindungen der Farbe und der Töne, so würden wir doch zweifeln, ob an ihrer Einflußfähigkeit auf die Seele diese spezifischen Unterschiede teilnehmen. Ihre Wirksamkeit könnten sie vielmehr leicht nur jenen allgemeineren Bestimmungen verdanken, die wir eben erwähnten, und die an ihnen, trotz ihrer Verschiedenheit, doch immer noch vorkommen müssen, so lange sie überhaupt nicht aufhören, Prozesse zu sein, die sich von einem Punkt zum andern fortpflanzen, also Richtung, Geschwindigkeit, Dauer und Rhythmus notwendig haben müssen. Bei jedem Falle der Wechselwirkung nämlich kommt es auf zweierlei an. Zuerst ist nicht sowohl das vorzugsweise von Bedeutung, welche Form oder Qualität irgend ein wirksames Substrat an sich hat, sondern darauf kommt es an, was und wieviel von dieser Natur sich übertragbar und wirksam von ihm ablösen kann. Zweitens aber handelt es sich darum, zu welchem Leiden das andere Subjekt fähig ist, denn hieraus geht hervor, welche formellen Züge des Reizes in dieses Subjekt wirksam eintreten, welche andere für es verloren gehen müssen.

181. Wir wollen diese Fragen nur in Bezug auf unseren Gegenstand beantworten. Gesetzt ein Nervenmolekül befinde sich in irgend einem unsagbaren qualitativen Erregungszustande, oder es habe in sich eine Empfindung erzeugt: auf welche Weise wird dieser innere Zustand nutzbar, um eine Erregung in seinem nächsten Nachbar hervorzubringen? Nach gewöhnlicher Ansicht wird man antworten: nur dadurch, dass dieser innere Zustand zunächst einen äußern Bewegungszustand desselben Teilchens bedingt, der nun auf das zweite wirkend, auch diesem sich mitteilt, und in ihm folgweis wiederum jene innere Erregung hervorruft, die von Neuem eine äußere Bewegung des zweiten Teilchens erzeugt. So geht der Prozeß fort, und das letzte Nervenatom, das unmittelbar mit der Seele in Wechselwirkung steht, würde doch auf diese nicht mit dem Schatze seiner inneren qualitativen Erregungen einwirken, sondern nur mit den äußern physischen Bewegungszuständen, welche ihm durch jene selbst erwachsen. So würde also nach gewöhnlicher Ansicht von der Gesamttätigkeit des Nerven, worin sie auch bestehen mag, doch nur eine physische Bewegung als ablösbarer und übertragbarer Teil erscheinen. Wenden wir uns nun zu der Seele und fragen, wie viel selbst von diesem mitteilbaren Einflusse für sie nutzbar werden kann, so finden wir uns noch auf Wenigeres beschränkt. Die Seele, als ein immaterielles Wesen, kann von einer räumlichen Form des Reizes und von seinen Richtungsverschiedenheiten nichts gewinnen; eine transversale Schwingung würde ihr, selbst wenn sie ein materielles Atom wäre, wohl eine andere Bahn ihrer Bewegung vorschreiben, als eine longitudinale; aber da sie diese Richtung selbst an Nichts messen, an keinem Hintergrund beurteilen könnte, so würde sie doch durch beide verschiedene Reize nicht verschiedene innere Zustände, mithin auch nicht verschiedene Empfindungen erlangen. Unter allen Eigenschaften des Einflusses werden doch einen Eindruck auf sie nur seine Stärke, die Geschwindigkeit seines Anwachsens oder Abnehmens, seine Dauer und der Rhythmus seiner Wiederkehr machen können; denn diese allein lassen sich, ebensowohl als Modifikationen eines unräumlichen intensiven Vorgangs, wie als Bestimmungen einer räumlichen Bewegung fassen. Alle übrigen Eigentümlichkeiten des physischen Nervenprozesses, worin sie auch sonst bestehen möchten, würden für die Seele verloren gehn, oder doch nur mittelbar für sie von Gewicht sein, sofern sie nämlich irgend einen sekundären Einfluß auf jene Stärke, Frequenz und Geschwindigkeit der Impulse ausübten.

182. Allein so wie angeführt, verhält sich die Sache nur nach gewöhnlicher Ansicht. Aber dieser entgegen haben wir früher behauptet, dass die wahren Wechselwirkungen der Dinge nicht in Mitteilung äußerer Bewegungen bestehen, sondern dass primitiv ein innerer Zustand des einen auf die innere Natur des andern wirke, die Änderungen der Lage und Bewegung dagegen nur Konsequenzen und Erscheinungsweisen dieses inneren Verkehres sind. Das letzte Nervenelement würde mithin auch auf die Seele vermöge dieser inneren Zustände wirken, und obgleich die Bewegungsform, die es erleidet, als solche nicht nutzbar auf die Seele zu übertragen wäre, so könnte doch wohl die volle Eigentümlichkeit des inneren Zustandes, von welchem jene Bewegung nur der äußere Ausdruck ist, von dem Molekül wirksam der Seele mitgeteilt werden. So würde also immer noch jede Empfindung an einen qualitativ ganz besondern Zustand des Nerven geknüpft sein. Das, was wir Nervenprozeß zu nennen pflegen, und was wir allein einer naturwissenschaftlichen Untersuchung unterziehen können, wird allerdings auch nach dieser Ansicht immer in einer physischen Bewegung bestehen, welche sich von Teilchen zu Teilchen überträgt. Aber diese Bewegung würde nicht das Mittel des Wirkens sein, sondern nur ein beobachtbares äußerliches Symptom eines nicht zu beobachtenden innerlichen Nervenprozesses, der allein die wahrhaft wirksame Kraft der Erregung für die Seele besitzt, und in welchem wir qualitative Verschiedenheiten nicht für unmöglich halten dürfen, obgleich sie sich für unsere naturwissenschaftliche Auflassung äußerlich nur in formell verschiedenen, qualitativ aber gleichartigen Bewegungszuständen ausdrücken. Hierin würde jene Umdeutung bestehen, der wir die Ansicht von der gleichartigen Form aller empfindungserzeugenden Nervenprozesse vorerst unterwerfen zu müssen glaubten.

183. Über diesen Punkt hinaus wollen wir nun noch kurz eines Versuches gedenken, den man allenfalls machen könnte, um auch diese Bedeutung der innerlichen Vorgänge in dem Nerven noch zu eliminieren. Man könnte sich nämlich vorstellen, dass der nächste psychische Effekt der Reize nicht darin bestehe, dass sie die Seele sofort zur Erzeugung qualitativ charakterisierter Empfindungen erregten; vielmehr entstehe zuerst in der Seele nur eine gewisse überall gleichartige Impression, die sich für verschiedene Reize ebenfalls nur durch Modifikationen der Stärke, Dauer und Periodizität ihrer unendlich kleinen Abwechselungen unterscheide. Wenn also in dem Nerven eine physische Oszillation mit räumlichen Wellenlängen verlaufe, so entspreche ihr in der Seele zunächst eine psychische Oszillation, d. h. ein intensiver, unräumlicher Erregungszustand, der ebenso viele in der Zeit aufeinander folgende Abwechselungen zwischen Maximum und Minimum eines intensiven Leidens enthalte, wie die physische Wellenbewegung Abwechselungen zwischen größter und geringster räumlicher Exkursion der schwingenden Teilchen. In aller Weise würde diese psychische Oszillation das ins Intensive übersetzte Gegenbild der extensiven physischen Schwingung bilden. Eine Vermutung dieser Art würde nicht ganz ohne Motiv sein. Denn man kann es als eine metaphysische Frage ansehn, ob überhaupt der Natur eines Wesens unendlich verschiedene Arten des Leidens möglich sind, und ob nicht vielmehr jedes durch alle denkbaren Einflüsse, ähnlich den. spezifischen Energien der Nerven, immer nur in eine einzige Form der inneren Erregung versetzbar ist, die nur durch die formellen Verschiedenheiten ihres Eintretens in eine unendliche Mannigfaltigkeit von Vorgängen übergeht. Gesetzt, die Natur der Seele ließe sich durch die denkbar größte qualitative Verschiedenheit äußerer Anstöße doch nie zu gleich verschiedenen Zuständen nötigen, sondern geriete stets nur in jene eine innere Veränderung, welche eben die spezifische Form ihres Leidens ausmachte, so ist klar, dass alle ihre verschieden erscheinenden Tätigkeiten in Wahrheit nur auf solchen abweichenden Oszillationsformen ihrer innern Erschütterung beruhen konnten. Um solche Zustände aber in ihr hervorzubringen, da zu würden auch Nervenprozesse genügen, die ebenfalls nur in diesen Hinsichten bestimmt sind. Was der Nervenprozeß sonst noch an Geheimnissen innerer Zustände der Teilchen enthielte, würde ohne Bedeutung sein und er selbst nur durch die formellen Eigentümlichkeiten seiner Schwingungsweise in Betracht kommen.

184. Noch bliebe die Frage, wie nun diese psychischen Oszillationen sich zu den qualitativ bestimmten Empfindungen verhalten. Es würde nicht nötig sein, sie nur als unbewußte Anlässe zu betrachten, auf welche die Seele noch einmal durch die nun erst erfolgende Erzeugung der Empfindung antwortete. Bisher haben wir freilich jene Zustände nur rücksichtlich der formellen Bestimmtheiten betrachtet, durch die sie uns als Analoga der Oszillationen erschienen; aber sie können natürlich nicht bloße Erschütterungen sein, sondern sind Erschütterungen des qualitativen Wesens der Seele. Wenn daher aus der bloßen mathematischen Form jener Erregungen allerdings kein Grund ihres Empfundenwerdens als Ton oder Farbe hervorginge, so könnte ein solcher doch in der Natur der Seele liegen, die in diese Zustände der Erregung gerät. Aber ein Anderes bleibt dunkel, nämlich die vollkommene Unvergleichbarkeit der verschiedenen Empfindungen selbst. Beständen alle unsere Sinneswahrnehmungen nur in Tönen, so begriffe man, wie die Seele, deren Natur es dann eben sein würde, im Zustande der Erregung zu hören, die verschiedenen Grade und Formen ihrer Erregung durch verschiedene Töne perzipierte, die in ihrer qualitativen Gleichartigkeit eben nur formelle Modifikationen desselben Empfindungselementes sind. Dagegen würde es uns ganz unmöglich sein, die Wärme, die Farben, die Töne, die Gerüche und Geschmäcke als vergleichbare Glieder einer und derselben Empfindungsreihe zusammenzuordnen, oder Mittelglieder zu ersinnen, durch welche sie sich einander näherten; Töne z. B. von der Art, die den Farben, Farben, die den Wärmeempfindungen, oder Gerüche, die den Tönen sich näherten, und dadurch erlaubten, auch die Tätigkeiten der Seele nur als formelle Modifikationen eines gleichartigen Tuns zu fassen. Diese Schwierigkeit, die freilich von dem gewöhnlichen Standpunkte der Physiologie nur als eine selbsterzeugte erscheinen kann, hindert die weitere Verfolgung dieser Gedanken und läßt uns bei der mäßigeren Hypothese anhalten, dass die Nervenprozesse nur durch jene oft genannten mathematischen Eigenschaften der Schwingungsfrequenz und andere für die Seele als Signale dienen, bald diese, bald jene Empfindungsklasse zu erzeugen, ohne dass der Zusammenhang, auf dem Verständnis und Wirkung dieser Signale beruht, sich noch weiter aufklären ließe.