ZWEITES KAPITEL.

Vom physisch-psychischen Mechanismus.

§. 6.
Vom Zusammenhang zwischen Leib und Seele überhaupt

53. Die Angriffe, welche die Annahme eines eigentümlichen Seelenwesens zu erleiden hatte, gingen nicht allein von jenen methodologischen Behauptungen aus, deren Ungrund wir nachgewiesen zu haben glauben; es liegt ihnen vielmehr auch eine Reihe metaphysischer Bedenken zu Grunde, meist aus der Verlegenheit entspringend, diese Vorstellung der Seele zur Erklärung der Erscheinungen nun auch wirklich zu verwenden. Dass hier die weniger klare Seite unserer gewöhnlichen Meinungen liegt, haben wir bereits zugegeben, und da es notwendig ist, vor aller eigentlichen Untersuchung wahre und erfüllbare Aufgaben der Wissenschaft von falschen und unmöglichen zu scheiden, so müssen wir noch einmal auf die früher schon gemachte Unterscheidung zweier Arten der Erkenntnis zurückkommen, denen unter dem gemeinsamen Namen des Wesens ihres Gegenstandes dennoch sehr Verschiedenes vorschwebt. Denn die eine verlangt lediglich seinen ideellen Gehalt aufzufassen, die andere sucht die Form seiner Existenz und seiner Beziehungen zu anderen Elementen. Wie wenig beides zusammenfällt, zeigt uns jede Vergleichung poetischer und physisch-wissenschaftlicher Auffassung der Dinge. In dem Dufte der Blume, in dem Geschmacke der Frucht glauben wir im Leben einen guten Teil des innerlichsten Wesens dieser Naturerzeugnisse in seinem vollen Wert und Gehalt zu empfinden, unbekümmert um die physiologische Form und Struktur, um die chemische Mischung der Teile auf deren Wirksamkeit die Möglichkeit dieser Eigenschaften beruht, unbekümmert selbst darum, ob denn Duft und Süßigkeit wirklich an den wahrgenommenen Substraten objektiv haftet, oder nur in unserer subjektiven Sinnlichkeit ihnen anzuhaften scheint. Jene schaffende, bewegende, erhaltende Kraft des Weltalls, welche alle einzelnen Erscheinungen trägt und durchgeistigt, meint die Poesie sowohl als der religiöse Glaube in der ganzen Tiefe ihrer heiligen Bedeutung in sich aufnehmen zu können, und beide erwarten von der Wissenschaft keine Bereicherung dessen, was sie in dieser intellektuellen Anschauung in seiner ganzen Intensität besitzen; aber beide sehen sich sofort in Schwierigkeiten verwickelt, sobald sie versuchen, zu diesem Gehalt auch die entsprechende Form zu suchen und zu entscheiden, ob dieses Göttliche als Substanz, als Person, als Eines oder als diffuse Grundlage des All, ob innerlich veränderlich oder sich selbst gleich zu fassen sei, und noch mehr, sobald sie die Form der Wechselwirkung zu bestimmen suchen, die auch zwischen einer allumfassenden Grundlage der Welt und den einzelnen aus ihr hervorgehenden Erscheinungen noch immer in mannigfaltiger Weise vorausgesetzt werden muß. Auch was wir in dem Begriffe der Seele suchen, ist uns seinem intensiven Gehalte nach völlig klar, und wir glauben nicht, dass jemals eine Psychologie uns in dieser Beziehung einen Zuwachs der Erkenntnis verschaffen könnte; unternehmen wir es dagegen, den Inhalt auch dieser intellektuellen Anschauung von dem Wesen der Seele in einen formellen Begriff zu verwandeln, der uns nun auch den Mechanismus ihres Verkehrens mit allen übrigen Bestandteilen der Welt erklärte, so fühlen wir dieselben Schwierigkeiten wiederkehren und sind zu dem Bekenntnis genötigt, dass diese Arbeit eine neue ist, die auf keine Weise durch eine noch so große Innigkeit und Lebendigkeit jener Anschauung ersetzt werden kann.

54. Und diese Arbeit ist vollkommen unerläßlich, sobald unsere Wissenschaft ihre wesentlichste Aufgabe, die Erläuterung des Zustandekommens jeder psychischen Erscheinung aus allen ihren einzelnen Bedingungen, wirklich erfüllen soll. Zu lange hat man namentlich in Deutschland diesen vollkommen schneidenden Unterschied zwischen einer idealen Ausdeutung des Wertes der Wirklichkeit und einer kausalen Untersuchung ihrer Bedingungen übersehen. Dem natürlichen Gefühle des Menschen liegt die erste am nächsten; stets hat daher die Erkenntnis mit Versuchen begonnen, den vernünftigen, geheimnisvollen und poetischen Sinn zu enträtseln, der den wahren lebendigen Mittelpunkt jeder einzelnen Wirklichkeit bildet, und stets hat man zugleich gestrebt, die Summe solcher Ahnungen in einen geordneten Zusammenhang zu bringen, indem man das zuerst der Erfahrung Entlehnte aus dem Schoße irgend eines höchsten absoluten und tiefsinnigen Daseins abzuleiten versuchte. So haben sich unter uns jene eigentümlichen Weltansichten immer geltend zu machen gewußt, welche uns das Weltall als eine Stufenleiter von Gliedern darstellten, deren jedes seinen Platz neben den andern vermöge seines bestimmten Wertes und vermöge des Wertes irgend eines Momentes der höchsten Idee einnimmt, dessen Darstellung es bildet, eine Reihe, in der jedes Glied ein notwendiges ist und durch den Zusammenhang des Ganzen gefordert wird, das ohne sein Dasein lückenhaft bliebe. So fehlt es uns nicht an geistvollen und tiefgeschöpften Ideen über die bedeutungsvolle Stellung, welche das geistige Leben überhaupt in der Welt einnimmt, ebenso wenig an stets wertvoll bleibenden Gedanken über die natürliche Gliederung, in welcher sich innerhalb des Geistes seine verschiedenen Tätigkeiten wiederum in eine bedeutungsvolle Reihe, der Tiefe ihres Sinnes nach, anordnen. Hätten wir jedoch auch nicht Gelegenheit, diesen Gedankenkreisen späterhin eine weitere Aufmerksamkeit zuzuwenden, so würden wir dennoch an dieser Stelle von ihnen nicht weiter sprechen können, da eine leichte Überlegung uns zeigt, wie wenig sie das betreffen, was das größte Bedürfnis unserer psychologischen Wissenschaft ist. Sie sind alle nichts als Andeutungen des idealen Wertes, der in gewissen allgemeinen Formen des Daseins und Wirkens zur Erscheinung kommt. Aber die Wirklichkeit besteht weder in diesen allgemeinen Formen, noch sehen wir die Welt beständig und unbewegt uns das Bild jener geordneten Stufenfolge darbieten: Millionen einzelner Wesen vielmehr sind es, an denen allein, als Äußerungen ihres inneren Lebens, alle jene Formen Wirklichkeit und Dasein haben; und an diesen Millionen von Wesen treten die geistigen Erscheinungen nicht in einer systematischen Reihenfolge auf, die der Stufenleiter jener idealen Deutungen entspräche, sondern sie erscheinen auf das bunteste durcheinanderklingend in einzelnen Äußerungen, wie gerade das Bedürfnis und die momentane Lage der einzelnen Wesen inmitten des allgemeinen Naturlaufs jede Äußerung nützlich oder notwendig machen. Dieses allein wirkliche Leben, der Gebrauch, der von den allgemeinen Kategorien oder Elementen des Geistigen gemacht wird, ist unser wahrer Gegenstand, und ihn zu erforschen, haben wir klare und bestimmte Begriffe über die formelle Existenz jenes idealen Inhalts nötig, dessen intensives Wesen wir allerdings nur durch eine intellektuelle Anschauung wahrnehmen können.

55. So notwendig jedoch diese Bearbeitung unserer Vorstellungen von der Seele und dem Seelenleben ist, so wenig dürfen wir anderseits einer mißverständlichen Ungenügsamkeit nachgeben, mit welcher unser gewöhnliches Denken sich durch alle möglichen Begriffsbestimmungen über diese Gegenstände für unbefriedigt zu erklären pflegt. Man verlangt zu häufig nicht nur Begriffe, sondern auch Anschauungen von dem, was seiner Natur nach doch jeder unmittelbaren Anschauung entzogen ist, und man täuscht sich dabei außerdem über den Grad der Aufklärung und der Gewißheit, welchen die sinnliche Wahrnehmung, deren Muster man überall befolgt wünscht, zu gewähren vermag. Worauf anders, als auf diesen Mißverständnissen, kann die Unersättlichkeit beruhen, mit der man stets wieder die Frage aufwirft, was denn nun eigentlich die Seele sei; worauf sonst die Klagen, dass man von ihr nicht die verständliche Rechenschaft erhalte, die man über die Materie und ihr Wesen zu besitzen glaubt? Nennen wir die Seele eine Substanz, und unterscheiden sie von andern denkbaren Substanzen dadurch, dass wir ihr die Fähigkeit zuschreiben, unter gewissen Umständen Phänomene des Vorstellens, des Fühlens und Wollens in sich zu entwickeln, so haben wir ohne Zweifel durch jenen Begriff die Form ihrer Existenz, durch die hinzugefügten Eigenschaften den wesentlichsten Zug ihrer konkreten Natur völlig bestimmt, und unbestimmt ist nur das gelassen, was eben den Gegenstand der Untersuchung bilden soll, die Reihe der Bedingungen nämlich und die ganze Form des Hergangs, nach welchem jene Phänomene unter gegebenen Umständen sich aus der Seele entwickeln. Was enthält die gemeine Vorstellung der Materie, die als Muster der Klarheit uns entgegengestellt wird, irgend mehr? Auch sie kann die Materie nicht durch irgend eine bestimmte Eigenschaft der Farbe, Dichtigkeit, Größe u.s.w. bestimmen; alle diese Merkmale kommen ihr nur veränderlich zu: die Materie der gemeinen Vorstellung ist kaum noch als Substanz, sondern nur als irgend ein Etwas von ganz unbeschreiblicher und sinnlich völlig unwahrnehmbarer Art definiert, in dessen Natur es liegt, unter Umständen Phänomene der Undurchdringlichkeit, der Färbung u.s.w. zu erzeugen. Auch hier ist die nähere Bestimmung der Bedingungen, unter denen diese Phänomene hervortreten, Gegenstand einer noch nicht abgeschlossenen Untersuchung. Wir meinen nun keineswegs, dass jene Definition der Seele auch nur für die Zwecke unserer eigenen Betrachtungen ausreichend sei; sie wird höchstens für den Inhalt dieses Kapitels genügen und für andere Untersuchungen allerdings vielfacher Erweiterungen bedürfen. Aber vollkommen unverständlich und rätselhaft ist uns jene oberflächliche Gewöhnung an die sinnlichste Anschauung, die auch nur diesen Begriff der Seele dunkler erscheinen läßt, als den der Materie. Nur die ausgedehnte Benutzbarkeit des letztern zu praktischer Erklärung kann diese Täuschung hervorbringen, und denselben Vorteil müssen wir deshalb auch dem Begriffe der Seele zu sichern suchen.

56. Die Möglichkeit einer Wechselwirkung zwischen der übersinnlichen Seele und dem materiellen Leibe ist beständig der Hauptpunkt der Zweifel gewesen, die gegen die Anwendbarkeit unserer Voraussetzungen sich erheben. Welche Aufklärung auch hierüber irgend eine philosophische Lehre zu geben versucht, stets ist die unersättliche Begierde der gewöhnlichen Meinung, alles in sinnlicher Anschaulichkeit vor sich zu sehen, auch durch die begründetsten Auseinandersetzungen unbefriedigt geblieben. Der Mittelpunkt des Irrtums ist hier überall der, dass wir von der Natur einer Wirkung von Stoff zu Stoff eine Kenntnis zu besitzen glauben, die wir nicht nur nicht besitzen, sondern die an sich unmöglich ist, und dass wir nun das Verhältnis zwischen Materie und Seele als einen exzeptionellen Fall betrachten in welchem uns ganz unvermutet die gleiche Kenntnis über die Natur dieser Wechselwirkung abgeht. Wenn wir klagen hören, dass die Bewegungen der Seele, da sie nicht Bewegungen von Massen sind, auch andere Massen nicht in Bewegung setzen können, dass es ferner unklar sei, wie die Stöße der Materie, ihr Druck, ihre chemischen Veränderungen überhaupt zum Eingreifen in die übersinnliche stofflose Seele gelangen, die ihnen wie ein leerer Raum durchdringlich und widerstandslos entgegenzustehen scheint, so liegt, abgesehn von gar vielem Andern, was wir später zu berühren haben, hierin zuerst deutlich das Vorurteil, als sei eine ähnliche Wechselwirkung zwischen zwei körperlichen Elementen aller dieser Unklarheiten ledig. Aber wir können leicht zeigen, dass dem nicht so ist, dass in der Wechselwirkung zwischen Leib und Seele kein größers Rätsel liegt, als in irgend einem andern Beispiele der Kausalität, dass endlich nur eine falsche Einbildung, bei diesen letztern Beispielen mehr zu wissen, die Verwunderung darüber erzeugt hat, dass wir hier nichts wissen.

57. Wenn man sich unbefangen prüft, wird man zugeben müssen, dass wir die Gründlichkeit unsers Wissens von einem Gegenstande sehr gewöhnlich nach der Anzahl des Details abschätzen, das wir in seiner Untersuchung kennen gelernt haben, und je mehr innerliche Maschinerie, je mehr Zusammensetzung wir in einem Gegenstande finden und durch Analyse zergliedern, um so vollständiger glauben wir Wesen und Wirkungsweise desselben ergründet zu haben. Es pflegt uns hierbei ganz zu entgehen, dass diese Mannigfaltigkeit zusammenhängender Glieder, die wir sehen, eigentlich doch nur die Summe desjenigen vermehrt, was nun eben noch zu erklären wäre; und dass jede Nachweisung von Mittelgliedern zwischen erster Ursache und Enderfolg das Rätsel, wie nun überhaupt Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Elementen möglich sind, nicht löst, sondern vervielfältigt. Dem Ungebildeten muß die Fähigkeit eines Maschinenrades zur Hervorbringung des letzten Erfolges, der den Zweck der Maschine bildet, völlig unbegreiflich sein; sie wird ihm in dem Maße weniger befremdlich, als wir ihm das Innere der Maschine aufdecken und ihm zeigen, welche Mithilfe jenes Rad an den andern Bestandstücken des Getriebes findet, in die es eingreift, und auf die es seine eigenen Bewegungen in abgemessenen Richtungen überträgt. Haben wir dies begriffen, so glauben wir das Wesen dieser Maschine zu kennen, und dennoch haben wir nicht im Geringsten eine Kenntnis der Art erlangt oder des inneren Vorgangs, durch welchen hier die wirkenden Kräfte ihre Erfolge hervorbringen, wir haben vielmehr nur das große und unanschauliche Rätsel der ganzen Maschine bis auf jene einfachen Elemente der Naturwirkungen zerlegt, in Betreff deren wir uns einmal entschieden haben, sie als klar vorauszusetzen, obgleich sie näher betrachtet das Unklarste von der Welt sind. Diese beiden Elemente sind in unserm Beispiele die Mitteilung der Bewegung und die Cohäsion der materiellen Teilchen. Auf ihnen beruht jede Maschinenwirkung, und setzen wir beide einmal als bekannte Dinge voraus, so kann es allerdings nicht schwer fallen, aus der Verwendung und Kombination beider Elemente jede komplizierte Wirkung der Maschine zu erklären: Sie selbst aber, diese Elemente, in wieweit verstehen wir sie, die doch gerade die Punkte sind, in denen das Rätsel der Kausalität sich ereignet? Was ist der Stoß und wie wird er beigebracht? Was geht bei der Mitteilung der Bewegung vor und wie fängt es der bewegte Körper an, einen Teil seiner Geschwindigkeit auf der andern überzutragen? Und worin besteht die Cohäsion? In der Wirkung anziehender Kräfte vielleicht. Aber wie fängt der Körper es an, diese Kräfte auszuüben, und wenn dies etwa noch klar wäre, wie fangen besonders diese Kräfte es an, nicht bloß dazusein, sondern über einen andern Körper diese eigentümliche Macht auszuüben, dass er ihrer Anziehung folgt? Gewiß sind in diesen Fällen der Wechselwirkung keine geringeren Schwierigkeiten als in der zwischen Leib und Seele, und wir dürfen nur der Häkchen gedenken, mit denen die Atome aneinander haften sollen, oder der Vorstellung, nach welcher die Bewegung gleich einem Dämon von dem stoßenden Körper auf den gestoßenen überspringt, um zu zeigen, in welche Ungereimtheiten man sich leicht verirrt, wenn man auch nur in diesen einfachsten Fällen der Wirkung von Stoff zu Stoff den eigentlichen Akt des Wirkens zu beschreiben oder anschaulich zu machen versucht.

58. Dieselbe Unklarheit, die uns hier verfolgt, begegnet uns nun allerdings auch bei der Vorstellung einer Wechselwirkung zwischen Körper und Seele wieder; aber dies ist nicht nur keine Unvollkommenheit unsers Erkennens, die in diesem Falle sichtbarer wäre als anderswo, sondern es ist überhaupt keine Unfähigkeit des Wissens, da der Gegenstand, den diese Sucht nach Anschaulichkeit eigentlich sehen möchte, gar nicht existiert. Unsere Wissenschaft, unsere Erklärungen der Ereignisse bestehen meist nur in einer Auflösung verwickelter Fälle in ihre einzelnen vermittelnden Glieder; sind wir auf diese Elemente gekommen, so kann von dieser zerlegenden und konstruierenden, ebendeswegen anschaulichen Erkenntnis nicht weiter mehr die Rede sein, sondern wir müssen uns begnügen, das, was als Einfaches allem Zusammengesetzten zu Grunde liegt, auch in seiner Einfachheit zu lassen und es lediglich anzuerkennen. Diese notwendige Schranke für ihr Fortschreiten vergißt aber gemeiniglich die Virtuosität des erklärenden Verstandes; nachdem sie so oft durch Zergliederung Triumphe gefeiert, meint sie, begriffen sei nur das, was analysiert ist; sie bemerkt nicht, dass diese unendliche Teilbarkeit ungereimt ist, und dass es irgendwo feste Elemente geben muß, die nicht selbst schon zusammengesetzt sind. So kommt es, dass unserm Nachdenken in seiner Gewöhnung an die Betrachtung mittelbarer Wirkungen, die einfachen Wirkungen, auf denen diese alle beruhen, nicht nur immer dunkler, sondern selbst widerwärtig werden; dass wir ferner überall zwischen je zwei Glieder, die auf einander Einfluß haben sollen, ins Unendliche immer neue Zwischenmaschinerien einzuschalten suchen, um uns die Ausübung desselben anschaulicher zu machen, und dass wir nicht bedenken, wie die Gestalt eines solchen Mechanismus zwar Richtung und Weg eines vorhandenen Einflusses modifizieren, einen nicht vorhandenen aber auf keine Weise begründen kann. Der Akt des Wirkens irgend einer Substanz auf die andere ist nie Gegenstand einer Anschauung, er ist stets übersinnlicher Gegenstand eines Begriffes; nie werden wir nachweisen können, wie ein Atom der Materie seine Kräfte gleich Armen aus sich herausstreckt, um die Dinge durch Attraktion sich anzunähern, und ebenso wenig brauchen wir zu fragen, wie die Seele sich zu einem stoßenden Instrument verwandelt, welches die Massen bewegt, oder zu einem widerstehenden Mittel, das den Druck und Stoß der Massen in sich aufzunehmen fähig ist.

59. Wenn man uns indessen auch zugibt, dass der Akt des Wirkens uns in allen Fällen unbekannt ist, wenn man selbst zugesteht, dass jene Maschinerie, die wir in ihm suchen, und durch deren Nachweis wir uns befriedigt fühlen würden, weder existiert, noch, wenn sie da wäre, irgend etwas Wesentliches erklären würde, so müssen wir doch besorgen, aus der völligen Verschiedenheit des materiellen und des geistigen Wesens einen neuen Vorwand für die Unbegreiflichkeit ihrer Wechselwirkung hergeleitet zu sehen. Man wird verlangen, dass die Wirksamkeit stets von Gleichartigem zu Gleichartigem gehen müsse: wechselseitige Einflüsse zwischen Materie und Immateriellem dagegen seien auch abgesehen von jener fälschlich gesuchten Anschaulichkeit unbegreiflich. Was hierüber metaphysisch zu sagen wäre, wollen wir dahingestellt lassen; dieser Einwurf übersieht sehr nahe liegende Dinge. Indem er Gleichartigkeit, nicht Gleichheit der Glieder verlangt, gibt er zwar selbst schon eine gewisse Breite der Verschiedenheit zu, welche die Möglichkeit gegenseitigen Einflusses nicht ausschließt. Aber schon die Naturwissenschaften machen von dieser Erlaubnis einen sehr reichlichen Gebrauch. Indem sie von Wechselwirkungen des Ponderablen und des Imponderablen sprechen, verknüpfen sie in gemeinschaftlicher Kausalität zwei Reiche von Substraten, deren Gleichartigkeit fast in nichts Anderm als in dem räumlichen Dasein und in der Fähigkeit, bewegende Kräfte überhaupt auszuüben, besteht. Körper und Seele nun sind auch nach ihrer gewöhnlichen Auffassung nicht disparat; sie sind koordinierte verschiedene Arten des Begriffs der Substanz. So weit als die Züge, welche in diesem Begriffe der Substanz liegen, überhaupt eine Wechselwirkung zwischen irgend welchen einzelnen Substanzen gestatten, erlauben sie dieselbe auch zwischen materiellen und übersinnlichen Wesen, und die Ungleichartigkeit der spezifischen Eigenschaften, durch welche sich beide Gattungen der Substanzen unterscheiden, kann dieses gemeinsame Band der Substantialität, das sie verknüpft, nicht vernichten.

60. Der Einwurf, gegen den wir uns eben verteidigen, läßt uns nebenbei eines häufigen Mißverständnisses gedenken, dessen Beseitigung wir für alle folgenden Untersuchungen lebhaft wünschen müssen. Schon in der Physiologie des körperlichen Lebens sind wir oft einer Meinung begegnet, welche die Zustände und Veränderungen des Leibes durch den unmittelbaren Einfluß gewisser Ideen und Typen beherrscht und geleitet glaubte. Wir haben damals zu zeigen versucht, wie wenig ein ideelles Element solcher Art, ein Musterbild, ein Plan der Organisation, ein Gedanke überhaupt, die erforderliche mechanische Kraft besitzen könne, das Wirkliche und besonders die materiellen Bestandteile des Körpers zu bewegen oder umzugestalten. Der Masse gegenüber waren alle diese idealen Tendenzen unwirkliche, machtlose Schatten; was in ihnen vorgebildet lag, kam zur Ausführung erst dann, wenn wirklich vorhandene materielle Elemente sich in günstigen Lagen zusammenfanden, um durch ihre physischen Kräfte den noch unwirklichen Typus zu realisieren. Mit jenen machtlosen Gedanken, die ohne irgend Jemandes Gedanken zu sein, nur als Ideen überhaupt über der Welt schweben, darf man das Wesen der Seele nicht verwechseln, obgleich man nicht Unrecht haben mag, auch seinen Inhalt im Gegensatz zu dem Materiellen, als einen ideellen zu bezeichnen. Die Doppelsinnigkeit dieses Namens darf uns nicht täuschen; jene Typen und Pläne der Organisation sind ideal in Bezug auf die Form ihres Daseins und im Gegensatz zu der Welt des Realen, in der sie, als unwirkliche, nur gedachte oder denkbare Bestimmungen, nicht mitzählen, und auf die sie deshalb unmittelbar kein bewegendes Moment ausüben; die Seele, ist ideal in Bezug auf die Natur ihres Inhalts und im Gegensatz zu dem Materialen, dessen Eigenschaften sie nicht an sich trägt; aber gleich diesem ist sie eine wirklich vorhandene Substanz und genießt in nicht geringerem Grade jene Realität des selbständigen Daseins, auf welcher die Fähigkeit beruht, etwas in der Welt in Bewegung zu setzen. Und jeder Gedanke ferner, jede Idee oder Vorstellung, die an sich der Wirklichkeit machtlos gegenüber steht, kann bewegenden Einfluß auf sie gewinnen, sofern sie als ein Zustand, als Tätigkeit oder Leiden dieser substantiellen Seele mit der wirklichen reellen Welt in Verbindung gesetzt wird. Ohne daher zurückzunehmen, was wir in der Physiologie des körperlichen Lehens über die Unmöglichkeit behaupteten, unsubstantielle Ideen als bewegende Kräfte des Lebens zu betrachten, können wir hier die andere Behauptung hinzufügen, dass substantiellen Geistern eine volle Wechselwirkung mit den materiellen Elementen der Welt zukommt. Dieser Annahme wird nur jene unbegreifliche Gewöhnung an die Sinnlichkeit entgegenstehen, welche überhaupt substantielles Dasein mit Materialität verwechselt und für den Begriff eines übersinnlichen Wesens unheilbar unzugänglich ist.

61. Gesetzt nun, wir blieben bei dieser Vorstellungsweise stehen, und dächten uns Körper und Seele als zwei verschiedene Gattungen des Wirklichen, deren innere Gemeinsamkeit und damit die Möglichkeit der Wechselwirkung nur auf dem Begriffe der Substantialität beruhte, so würde ein neuer Einwurf gegen die Annahme eines physisch-psychischen Mechanismus noch immer in der Unvergleichbarkeit physischer und psychischer Wirkungen bestehen. Die Möglichkeit eines Eindruckmachens überhaupt wäre wohl erreicht, aber nicht die Möglichkeit, aus der Natur des geschehenden Eindrucks die Gestalt der Folge zu erraten. In dem größten Teile der naturwissenschaftlichen Untersuchungen haben wir es allerdings nur mit untereinander vergleichbaren Bewegungen zu tun, die von einem Substrat auf das andere übergehn, und alle Zustände, auch die der Ruhe und ruhender Spannung lassen sich analytisch, ohne irgend ein anderes Mittelglied disparater Art vorauszusetzen, aus der Natur der gegebenen Bedingungen eines Prozesses konstruieren. Hier dagegen würden wir die Aufgabe haben, aus Bewegungszuständen der Materie die mit ihnen unvergleichbaren inneren Zustände der Seele und rückwärts aus diesen jene zu erklären. Dass dies uns unmöglich fallen müsse, haben wir schon damals zugegeben, als wir eben auf diese Unvergleichbarkeit beider Ereignisse das Recht zur Annahme eines eigentümlichen Seelenwesens zu gründen suchten. Allein die Unmöglichkeit einer wissenschaftlichen Erklärung hebt die Existenz des unerklärlichen Zusammenhangs nicht auf. Zudem befinden wir uns in gleicher Lage nicht selten auch schon in der Untersuchung physischer Ereignisse. Wie sehr auch eine gewisse Richtung der Naturforschung alle inneren Zustände der Substrate zu umgehen und alle Ereignisse auf eine bloße neue Verteilung der Bewegungen in der Welt zurückzuführen sucht, so sehen wir uns doch häufig genötigt, auch hier von einer analytischen Herleitung, also von einer vollständigen Konstruktion der Folge aus ihren Bedingungen abzustehen, obgleich wir die tatsächliche Existenz eines Kausalnexus zwischen beiden nicht in Frage stellen dürfen. Die chemischen Eigentümlichkeiten der Stoffe, so wie manche der Eigenschaften, durch welche sie ankommenden Bewegungsimpulsen sich nicht als bloße überall homogene Massen, sondern als spezifische Elemente darbieten, die diese Reize auf eine besondere Weise in sich aufnehmen, können nicht lediglich auf verschiedene Form, Lage, Zahl und ursprüngliche Bewegungszustände an sich gleichartiger Atome zurückgeführt werden. Denn alle diese äußerlichen Verhältnisse würden einer beständigen Umgestaltung offen stehen und die Permanenz, mit welcher im Laufe unzähliger chemischer Verbindungen und Zersetzungen dieselben Elemente sich stets erhalten, würde unter solcher Voraussetzung kaum möglich sein. Wir müssen sie daher von inneren feststehenden Qualitäten der Substrate ableiten, welche ohne selbst Bewegungen zu sein, dennoch auf Erregung und Verteilung von Bewegungen Einfluß ausüben, und durch Empfang anderer Reize zu bestimmten Formen der Wirkung aufgeregt werden. Ebenso müssen wir auch in unserm Falle in der Natur der Seele wie in der der Materie innere Eigentümlichkeiten voraussetzen, welche die räumlich zeitlichen Bewegungsimpulse der letztern zu intensiven Zuständen der ersten ausschlagen lassen.

62. Dass wir diese Vermittlungen nicht kennen, geben wir zu; ja wir halten es sogar für unsere Pflicht, diese Unkenntnis auf das Allerbestimmteste hervorzuheben, weil nur ein deutliches Bewußtsein derselben uns den richtigen Weg wissenschaftlicher Behandlung zeigen kann, während jede Hoffnung, solche Mittelglieder anschaulich zu machen, uns nur auf unmögliche Erklärungsversuche führen könnte. Die mangelnde Kenntnis aller dieser Vermittlungsglieder nämlich hebt nicht überhaupt die Möglichkeit jeder wissenschaftlichen Forschung auf, sondern sie verbietet uns nur, in Bezug auf die ersten Elemente der Psychologie die konstruierende Form der Wissenschaft zu versuchen; sie nötigt uns eine occasionalistische Ansicht formell zu Grunde zu legen, und erst in den weiteren Kombinationen dieser an sich unerklärbaren Elemente zu jener ableitenden und aus Einzelnem das Ganze aufbauenden Art der Untersuchung zurückzukehren. Wir können also nicht angeben, wie es ein materieller Bewegungsreiz, der unsern Körper trifft, anfangen mag, um einen psychischen Zustand zu erzeugen, wohl aber können wir eine Beantwortung der Frage hoffen, welche äußern einfachen Reize tatsächlich mit welchen einfachen inneren Zuständen allgemein und gesetzlich verkettet sind, und wie aus der weiteren Zusammensetzung dieser Paare von inneren und äußern Ereignissen das Ganze der Wechselwirkung zwischen Leib und Seele, d. h. das physiologische Seelenleben entstehe. Indem wir aus der Erfahrung die Tatsache entlehnen, dass mit einem durch äußere Reize erzeugten Körperzustand a stets und allgemein ein Seelenzustand a sich verknüpfe, oder dass aus einem Seelenzustand b stets konsekutiv ein Körperzustand b folge, sehen wir a und b als Veranlassungen an, an welche der Naturlauf beständig und allgemein die Wirklichkeit von a und b gebunden hat. Wir versagen uns aber, das innere Band der Wirksamkeit zergliedern zu wollen, welches wir hier voraussetzen müssen, und indem wir den vorurteilslosen und weitschichtigen Namen der Veranlassung beibehalten, erkennen wir eine Schranke der Erkenntnis an, gleich sehr, weil wir das Geständnis der Unwissenheit einem willkührlichen Traume vorziehn, als weil wir diese Frage einem spätern möglichen Fortschritte der Erkenntnis offen zu halten wünschen. Diesen Sinn allein hat die occasionalistische Theorie des physisch-psychischen Mechanismus, die ich früher bereits aufgestellt, und das Ziel vielfältiger Angriffe werden gesehn habe; man mißversteht sie durchaus, wenn man sie als eine positive Theorie über die Natur des Gegenstandes faßt; sie negiert vielmehr dessen Kenntnis, und ist lediglich eine methodologische Theorie darüber, wie man trotz dieser Unkenntnis seine Grundbegriffe auszubilden habe, um eine Untersuchung wenigstens über die Zusammensetzung der Elemente möglich zu machen, die man an sich und einzeln unverstanden hinnehmen muß.

63. Nun werden wir zwar im Folgenden Gelegenheit genug haben zu zeigen, wie in dieser Form der Auffassung durchaus kein erhebliches Hindernis für das Gelingen derjenigen Untersuchungen liegt, denen wir hauptsächlich guten Fortgang wünschen müssen. Dennoch wollen wir noch eine Andeutung unserer positiven Ansicht über die eigentliche Natur der Wechselwirkung zwischen Körper und Seele hinzufügen, obgleich sie praktisch keine weitere Benutzung gestattet. Unsere occasionalistische Auffassung entsprang aus der Ungleichartigkeit des Materiellen und der Seele, welche keine Konstruktion psychischer Zustände aus Bewegungen, sondern nur eine tatsächliche und proportionale Aneinanderkettung beider erlaubte. Wir haben jedoch früher schon dieser gewöhnlichen Anschauungsweise der Sache die andere entgegengestellt, nach welcher die Materie, der Seele gegenüber, keineswegs die ihr zugeschriebene selbständige und ursprüngliche Realität besitzt. Wir betrachteten Materialität als eine Form der Erscheinung, welche ein übersinnliches Reales, das dem Wesen der Seele an sich gleichartig ist, unter gewissen Umständen für unsere Auffassung annimmt. Ist dies so, so steht der Körper nicht mehr als eine anders geartete Substanz der Seele gegenüber, und jene Kluft verschwindet, welche die Möglichkeit direkter Wechselwirkung auszuschließen schien. Denn der Weg dieser Wechselwirkung ist nun nicht mehr der, dass die Seele auf die Materie, sofern sie Materie ist, Einfluß äußert; sie wirkt vielmehr als übersinnliches Wesen zunächst auf jenes andere übersinnliche Reale, welches außerdem, dass es der Seele homogen ist, noch um anderer Bedingungen willen für uns den Schein des materiellen Daseins gibt. Umgekehrt greift die Materie nicht mit den Bewegungskräften, die sie als solche für unsere Auffassung zu besitzen scheint, in die Seele über, sondern vermöge jener inneren Wirksamkeiten, die ihr als Realem angehören, und die nur, wo sie zwischen Stoff und Stoff wirken, für unsere Auffassung wiederum die Form räumlich bewegender Kräfte annehmen. Die Materie, so wie wir sie wahrzunehmen glauben, können wir nur für einen Schatten halten; ein übersinnliches Reales ist auch in ihr der substantielle Kern, welcher den Schatten wirft. Nun wäre es allerdings ein unlösbares Problem, zu zeigen, wie der Schatten eines Körpers unmittelbar eine bewegende Kraft auf einen andern Körper ausüben könnte, oder wie der letztere an jenem Schatten Widerstand genug finden sollte, um umgekehrt ihn in Bewegung zu setzen. Nichts aber ist einfacher, als dass ein Körper, außerdem dass er Schatten wirft, auch noch einen andern Körper bewege, oder dass er, indem er den andern bewegt, auch den Schalten verändert, den jener warf. Gehen daher psychische Ereignisse aus physischen hervor, so entspringen sie doch nicht aus diesen selbst, sondern aus den innerlichen Veränderungen des Realen, deren Schattenphase jene physischen Vorgänge sind; ändern umgekehrt psychische Einflüsse den Lauf der physischen Begebenheiten ab, so wirkten sie doch nicht unmittelbar auf die physischen Kräfte und Zustände, sondern auf die Zustände des Realen, deren erscheinender Ausfluß jene sind. So kommen wir auf einen physisch-psychischen Mechanismus zurück, in welchem in der Tat alle Wechselwirkung zwischen gleichartigen Gliedern stattfindet, freilich nicht, indem wir materialistisch die Seele zu einem Stoffe, sondern umgekehrt, indem wir spiritualistisch den Stoff zur Seele oder einer ihr wesentlich homogenen Substanz werden lassen.