Zusatz zu Th. I. S. 176. Über den Farbeneindruck der Vokale.

    Am o. a. Orte ist bemerkt worden, daß man mehrfach geneigt ist, den Eindruck gegebener Vokale dem Eindrucke gegebener Farben, Weiß und Schwarz mit eingeschlossen, entsprechend zu finden, und daß zwar verschiedene Personen in den positiven Angaben hierüber sehr von einander abweichen, daß jedoch eine Übereinstimmung in gewissen negativen Punkten nicht fehlt. Da ich gefunden, daß man sich mehreren Orts für den Vergleich der beiderlei Eindrücke interessiert hat, so habe ich, ohne ihm bei seiner großen Unbestimmtheit eine wichtige Bedeutung beizulegen, doch durch Sammlung einer größern Anzahl von Stimmen, worin ich durch einige Bekannte unterstützt wurde, zu ermitteln gesucht, was sich etwa daraus als konstant oder entschieden überwiegend finden lasse, und teile folgends die Ergebnisse davon mit. Hätte die Aufgabe ein größeres Interesse, als sie unstreitig hat, so würde die Untersuchung darüber zur Gewinnung nahehin fester Mittelzahlen freilich auf eine noch bei weitem größere Zahl von Personen auszudehnen sein, als hier geschehen ist.

    Nicht alle Personen, an die man sich mit einer Frage deshalb wendet, gehen auf den betreffenden Vergleich ein, indem gar Manche erklären, daß sie einen solchen überhaupt nicht zu ziehen wissen; doch überwiegt entschieden die Zahl derer, die darauf eingehen, worunter sich nicht wenige finden, die solchen schon vorher auf eigene Hand angestellt haben. Vielen aber auch machen nur diese oder jene Vokale einen bestimmten Farbeneindruck, indes sie den der übrigen unbestimmt finden. Manche äußern sich mit größter Bestimmtheit und Entschiedenheit über den Eindruck sei es einiger oder aller Vokale, als wenn er gar nicht anders gefunden werden könnte, andere minder entschieden und sicher. Es zeigt sich aber kaum eine größere Übereinstimmung zwischen ersteren als zwischen letzteren, und mehrfach lachen sich die ersteren bei Konfrontation ihrer Aussagen gegenseitig aus.

    Der befragten Personen, welche sich überhaupt auf den Vergleich eingelassen haben, waren einschließlich der schon in der ersten Notiz aufgeführten, (deren Angaben im Folgenden wieder mit aufgenommen werden,) im Ganzen 73, darunter 35 männliche, 38 weibliche, alle aus gebildeten Ständen, und, mit Ausnahme von 2 Schülern und 3 Schülerinnen oberer Klassen, erwachsen oder mindestens über die Schuljahre hinaus.

    Die Gesamtergebnisse sind in folgender Haupttabelle zusammengestellt, die männlichen und weiblichen Urteile unter m. und w. gesondert. Diese Tabelle enthält nämlich die Zahl der Personen, die sich in einem gegebenen Farbeneindruck bezüglich eines gegebenen Vokals vereinigten. Wo eine Person zwischen zweierlei Farbeneindrucken schwankte, ist sie bei jeder der beiden Farben mit 0,5 notiert. Von Diphthongen ist bloß ä zugezogen und nur bei einigen Personen danach gefragt worden. Personen, die sich überhaupt dem Vergleich entzogen, sind in der Tabelle nicht berücksichtigt; wo jedoch Personen ein Urteil über den Eindruck mancher Vokale abgaben, indes sie den von anderen unbestimmt ließen, sind diese unbestimmten Urteile unter der Horizontalrubrik "unbest." verzeichnet. Da nicht wenige Personen den Farbeneindruck als dunkel (d.) oder hell (h.) oder einer besondern Nuance nach näher bestimmten, so sind diese Nebenbestimmungen unter der Tabelle besonders nachgetragen. Hiernach folgt noch eine zweite Tabelle, worin die Vergleichsurteile einiger Personen, deren Spezifikation ein Interesse haben konnte, besonders zusammengestellt sind, nämlich 1) von Prof. C. Hermann, welcher sich viel mit dem ästhetischen Farbeneindruck beschäftigt bat; 2) dem Bruder des Prof. Zöllner, als Musterzeichner; 3} dem Maler Krause; 4) dem Komponisten Franz v. Holstein; 5) einer musikalisch sehr gebildeten Dame, Anna Anschütz, geb. Volkmann; endlich 4 männlichen und 6 weiblichen Personen, deren Urteile in den Registern als solche verzeichnet sind, welche mit besonderer Entschiedenheit abgegeben wurden. Außer den unzweideutigen Abkürzungen bedeutet darin, so wie in dem Verzeichnis näherer Bestimmungen, g. gelb, gn. grün, gr. grau, or. orange, h. hell, d. dunkel.

Tabelle über den Farbeneindruck der Vokale.


 

 

a
e
i
o
u
ä

 

m. w. m. w. m. w. m. w. m. w. m. w.
weiß 11 15 3 4,5 3 3 0 0 0 0
schwarz 0 1 0 0 0 0 1 6 10 14
rot 7 8 1 1 4 5,5 8 8 0 1
orange 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0
gelb 0 10 11 13 14,5 0 2 0 0
grün 0 1 7 6 5 7 2 3 1 2 1 1
blau 2 8 1 8,5 1 1 5 6 6 2
lila 0 0 0 2 0 0 0 0 0 2 1 0
violet 0 0 0 0 0 0 2 1 0,5 6 0 1
grau 0 0 3 1 0 1 1 3 1 0 3 5
braun 0 0 0 1 0 0 3 2 5,5 8 1 0
glänzend 0 0 0 0 4 1 0 0 0 0 0 0
durchsicht. 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0
unbest. 14 4 10 2 7 4 10 5 11 4

Einzelne nähere Bestimmungen.

           a. männl. d. bl., nicht d. bl. — weibl. etwas d. r., carmoisinr. nicht d. r., königsr., h. bl.

e. männl. fahlg., citrong., d. g., nicht sicher gn., zieml. Sicher gn. — weibl. rosa, h. bl. 3 mal, d. bl., h. holzbr.

i. männl. h. citrong., undeutl. r., und. gn. 2 mal, außerdem ist unter glänzend bei i aufgeführt: metallisch, stechender Glanz, stechendes gelb, feuerg., wovon die beiden gelb auch unter gelb mit zählen.

o. männl. purpur, d. gn., d. bl., satt bl., blaugrau, schw. — weibl. purpur, d. r., golden, d. bl. 2 mal, königsbl.

u. männl. düster grünbraun, d. br., sepiaschw. — weibl. d. gn., d. lila 2 mal, d. br. 4 mal, sepiabr.

          ä. männl. schwefelg., zimmtfarben, gelbgr., wasserbl. — weibl. gelblichgr.

Speziale Urteile.


 

 

a
e
i
o
u
ä
C. Hermann, Farben-Ästhetiker
w.
bl.
g.
r.
gn.
gr.
Zöllner, Musterzeichner
r.
w.
metall.
d. bl.
schw.
Krause, Maler
r.
or.
w.
bl.
schw.
v. Holstein, Musiker
w.
gn.
g.
purp.
br.
wass. bl.
A. Anschütz, musikal.
w.
durchsicht.
feuerfarb.
schw.
viol.
gr.
Sehr Entschiedene.
Prof. Emil Kuntze
r.
gn.
g.
bl.
bl.
Hr. Platzmann
w.
g.
r.
sattbl.
schw.
Otto Moser
w.
gn.
g.
r.
schw.
Karl Volkmann, Stud.
w.
gn.
g.
r.
br.
gr.
Fr. Lisb. Volkmann
schw.
w.
hellbl.
viol.
br.
gr.
Frl. Isid. Grimmer
bl.
w.
hochr.
br.
schw.
gr.
Frl. E. Mayer
r.
w. od. h.bl.
gn.
br.
schw.
Frl. Kühn
r.
bl.
gn.
gr.
schw.
Frl. v. Plalzmann
w.
h.bl.
or.
d. r.
viol.
Fr. Dr. Schütz
r.
bl.
g.
gn.
schw.

    Folgendes die allgemeineren Bestimmungen, die man etwa aus vorigen Tabellen ziehen kann.

    Im Ganzen erscheinen a, e, i, als heller, o, u als dunkler. Den entschiedensten Eindruck unter den Vokalen machen i als gelb, a als weiß, u als schwarz; wofür die Zahlen nahe gleich stehen. Aber auch e hat, nur mit geringerem Übergewicht als i, gelb als Hauptcharakter, indes o mit dem Hauptcharakter rot erscheint, beides doch wahrscheinlich nur, weil e im Worte gelb, o im Worte Rot vorkommt, indes für i eine solche Assoziation nicht geltend gemacht werden kann. Sieht man von Weiß und Schwarz, als welches keine eigentlichen Farben sind, ab, so würde rot auf a, braun und demnächst blau auf u fallen; aber auch o hat, nächst dem wahrscheinlich nur assoziativen Rot, Anspruch auf Blau. Wenn einige Personen, insbesondere Damen, o schwarz gefunden haben, so könnte nach einer Bemerkung von Dr. Grabau (einem meiner Mitsammler von Stimmen) dazu beitragen, daß o nicht selten als Schmerzenslaut gebraucht wird. In Betreff des Grün machen sich e und i eben so in zweiter Ordnung, wie in Betreff des Gelb in erster Ordnung, Konkurrenz, worauf bei i wahrscheinlich Einfluß hat, daß i dem im Worte Grün vorkommenden ü verwandt ist. Bezeichnungen, welche auf Glanz deuten, kommen bloß bei i vor.

    Niemals ist a gelb, e und i schwarz, o und u weiß, u gelb gefunden worden; a nur einmal schwarz, u nur einmal rot. Die, durch Assoziation wohl erklärliche, Ausnahme a = schwarz fällt der, in der 2. Tabelle aufgeführten Frau Lisb. V. zu, welche zugleich den außerdem nur noch einmal vorkommenden, Vergleich i = blau hat, dennoch ihr Urteil mit großer Entschiedenheit fällte. Die Ausnahme u = rot kommt der Frau oder dem Fräulein Luise Fischer zu, welche außerdem a grün, e deutl. gelb, i deutl. weiß fand, und auch von den Konsonanten k und w einen Eindruck respektiv als braun und grau hatte.

    Obwohl der assoziative Einfluß des Vokals, der in die Wortbezeichnung einer Farbe eingeht, nach Vorigem hier und da nicht wohl zu verkennen ist, ist er doch viel weniger auffällig, als ich vermutet hatte, und spielt offenbar nur eine Nebenrolle; sonst müßten die Resultate namentlich für a, i und u ganz anders ausgefallen sein.

    Sehr charakteristische Unterschiede zwischen den männlichen und weiblichen Vergleichsurteilen sind im Ganzen nicht zu finden; und jedenfalls müßte die Zahl der beiderseitigen Urteile viel größer sein, um eine Entscheidung darüber zu gewinnen. Auffällig bleibt doch das verhältnismäßig starke Überwiegen des Eindrucks von blau bei a und e, und von schwarz bei o auf weiblicher Seite gegenüber der männlichen.

    Außer mit Farben läßt der Eindruck der Vokale auch wohl noch manchen anderen Vergleich zu. Prof. C. Hermann erwähnte gegen mich eines Vergleiches mit den Temperamenten. Während a ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Temperamenten repräsentiere, entspreche e dem phlegmatischen, i dem sanguinischen, o dem cholerischen, u dem melancholischen Temperamente. In der Tat möchte nicht nur ich selbst diesem Vergleiche zustimmen, sondern auch Andere, die ich deshalb befragte, taten es; nur daß Einer e zu lebhaft für das Phlegma fand. — Frau Anna A., die in der zweiten Tabelle mit aufgeführt ist, fand a, e, i dem musikalischen Dur, o und u dem Moll entsprechend.