XL. Prinzip der Äußerung von Lust und Unlust.

    Äußere Zeichen, welche den Ausdruck der Lust und Unlust bilden, können entweder angeborener Weise, instinktiv, oder durch die Erziehung, konventionell, an das Dasein der Lust und Unlust geknüpft sein; und zwar gibt es für rein sinnliche Lust und Unlust schon dem kleinsten Kinde geläufige instinktive Zeichen in Ton, Mine, Gebärden, indes für höhere Lust und Unlust, wie solche sich erst im Laufe des Lebens entwickeln können, der angewöhnte konventionelle Gebrauch der Sprache eintritt. Es bleibt aber allen diesen Ausdrucksweisen gemein, daß die Äußerung der Lust wie Unlust im Sinne der Lust, eine damit in Widerspruch stehende im Sinne der Unlust ist, die erste also die Lust steigert, den Schmerz mindert, die letzte den entgegengesetzten Erfolg hat; daher die Neigung, seine Freude wie seinen Schmerz in der natürlichen oder durch Erziehung gewohnten Form zu äußern, hingegen das Widerstreben sich lustig oder traurig zu gebärden oder überhaupt zu äußern, wenn man in der entgegengesetzten Stimmung ist.

    Jedes Kind schreit und verzieht das Gesicht ohne Weiteres, wenn es Schmerzen fühlt, und es würde die Unlust des Schmerzes nur steigern, die Lust mindern, wenn es diesen Ausdruck unter-drücken sollte. Der Erwachsene ist durch höhere Motive dahin gekommen, diesen natürlichen Aus-druck teils zu unterdrücken, teils zu beschränken; aber er spricht sich doch auch gern über seinen Schmerz und seine Freude aus, wenn die Erziehung es ihm nicht gar zur Gewohnheit hat werden lassen, den Ausdruck seiner Gefühle überhaupt zurückzuhalten, womit er aber auch den unmittelbaren Lustgewinn, der an dem Ausdrucke hängt, einbüßt.

    Der günstige Effekt der Äußerung der Lust oder Unlust unterliegt freilich nach dem Prinzip der Abstumpfung auch einer solchen, daher der endliche Nachlaß der Äußerung, der aber nach Wiederherstellung der Empfänglichkeit in eine neue Äußerung übergehen kann.

    Im Fall uns der Ausdruck der Lust oder Unlust von anderer Seite begegnet, kommt Folgendes in Rücksicht. Im Allgemeinen ist der Mensch so eingerichtet, daß die Stimmung seiner Umgebung sich durch deren Äußerung leicht auf ihn überpflanzt, wenn er sich in einem indifferenten Zustande befindet, und die Empfänglichkeit für die betreffende Stimmung ihm nicht überhaupt mangelt. Ist er aber selbst schon vorher im Sinne der Lust oder Unlust gestimmt; so kompliziert sich die Tendenz oder der Effekt der Übertragung der Stimmung von anders her mit dem der Einstimmigkeit oder des Widerstreites gegen die schon vorhandene Stimmung.

    Ist der Lustige lustig gestimmt, so wird seine Lust durch eine lustige Umgebung aus dem doppelten Gesichtspunkt gefördert, daß sich zu der, die er schon hat, ein Zuwachs durch Übertragung aus der Umgebung fügt, und daß dieser Zuwachs seine Einstimmung mit der, die er schon hat, beweist, wovon wir das Letzte als formalen, das Erste als sachlichen Effekt bezeichnen. Hingegen wird seine Lust durch eine traurige Umgebung eben so aus doppeltem Gesichtspunkte gemindert. In beiden Fällen geht der formale Effekt mit dem sachlichen in gleicher Richtung. Hingegen entsteht bei dem Traurigen beidesfalls ein Konflikt zwischen beiden Richtungen, sofern sich von einer lustigen Umgebung Lust auf ihn überzupflanzen, hiermit seine Unlust zu mindern, strebt, dies aber durch Widerspruch mit seiner schon vorhandenen Stimmung Unlust in ihm erweckt, eine traurige Umgebung aber in ihrer Einstimmigkeit mit seiner Stimmung ihm zusagt, aber ihn um so mehr in seine traurige Stimmung versenkt. Nach Umständen kann der formale oder sachliche Effekt bei ihm im Sinne der Lust oder Unlust überwiegen. Im Allgemeinen aber pflegt zuerst der formale zu überwiegen.

    Wegen des sachlichen Effektes vermeidet zwar der Mensch, der sich nicht selbst in einer traurigen Stimmung befindet, gern eine traurige Umgebung und wird leicht von den Klagen Anderer belästigt, kann aber doch Gefallen an einem Liede oder einer Musik, welche Trauer ausdrücken, finden, ohne daß sie zum Ausdrucke einer wirklich gegenwärtigen eigenen oder fremden Trauer dienen, indem er die Vorstellung einer solchen als möglich überhaupt hat. Es gefällt ihm dann ein solches Lied oder eine solche Musik vermöge des formalen Effektes der Zusammenstimmung des Ausdruckes mit der vorgespiegelten Stimmung und vermöge des musikalischen Reizes um so mehr, je wahrer und inniger ihm dadurch der Ausdruck der doch nicht gerade vorhandenen Trauer getroffen scheint, und es kann ihn ein trauriges Lied bei gleicher Kunst des Ausdruckes wegen Wegfall der Komplikation mit einem sachlichen Unlusteffekte nicht minder ansprechen, als ein heiteres. Überhaupt ordnet sich das, was schon im Th. I. über den Eindruck der Musik gesagt ist, den vorigen, nur etwas allgemeineren; Betrachtungen unter.