XXXIV. Über die Frage der farbigen (polychromen) Skulptur und Architektur.

l. Skulptur.

    Die Frage der farbigen, bemalten, polychromen Statuen, d. h. die Frage nach der Statthaftigkeit von solchen, oder den Gründen ihrer Verwerfung, obwohl an sich von sehr spezialer Natur, gewinnt doch dadurch ein allgemeineres ästhetisches Interesse, daß sie eine der auffälligsten Abweichungen der Kunst von der Natur betrifft, und zur allgemeineren Erwägung der Motive solcher Abweichungen anregt.

    Von vorn herein sollte man meinen, die Bemalung der Statuen müsse als selbstverständliche Regel gelten; nirgends doch sieht man marmor- oder gipsweiße Menschen; wie konnten die Künstler darauf kommen, solche nachzubilden? Ursprünglich kamen sie auch nicht darauf, denn die nach menschlichem Bilde geformten Götterbilder roher Nationen sind wohl überall bemalt, und noch jetzt möchte Niemand einem Kinde eine unbemalte Puppe schenken noch dieses sich an einer solchen erfreuen. Jedenfalls gehört schon eine Art von Arbeitsteilung Seitens der Kunst dazu, die Farbe von der Gestalt abzuziehen, jene auf die Leinwand zu werfen, diese farbennackt hinzustellen; nicht minder unstreitig eine gewisse Gewöhnung, es sich von der Kunst gefallen zu lassen und endlich zu fordern. Die fortgeschrittene Kunst der Jetztzeit aber besteht auf dieser Teilung, und der jetzige Geschmack stellt gebieterisch diese Forderung. Um zu verlernen, daß es Farbe gibt, gehe man in ein Antikenkabinett oder eine Gipssammlung, und um die Gründe dieser Verbannung der Farbe von der Gestalt zu erfahren, schlage man unsere ästhetischen Lehrbücher oder die mancherlei Spezialabhandlungen, die diesem Gegenstande besonders gewidmet sind, auf, und man wird der Gründe so viele und vielerlei finden, daß sogar ihr Gewicht durch ihre Menge verdächtigt werden könnte.

    Im Grunde freilich erscheint das Verbot, der Gestalt die ihr natürliche Farbe zu geben, nur als die Parallele zugleich und Ergänzung des Verbotes, dem Gemälde den vollen Schein des Reliefs zu geben. Keine Kunst soll der anderen in das Handwerk pfuschen, noch vergessen, daß, um Kunst zu sein, sie nicht die Natur ganz nachahmen muß. Mag es jede nur von einer Seite tun, um die Natur selbst von dieser Seite zu überbieten, nicht die Aufmerksamkeit zu zerstreuen, nicht die Phantasie um die ihr zustehende Leistung zu verkürzen, nicht durch das Zuviel, was sie von gewisser Seite gibt, das doch fehlende Leben um so mehr vermissen zu lassen, und dadurch den Eindruck unheimlicher Starrheit zu erzeugen.

    Mit weniger Worten kann ich wohl nicht die hier und da vorgebrachten Gründe der herrschenden Ansicht zusammenfassen; eingehender wird unten darauf zurückzukommen sein.

    Nachdem nun so zu sagen durch Akklamation der Stimmen und Gründe gegen die ästhetische Zulässigkeit bemalter Statuen, mindestens naturwahr bemalter, entschieden ist, mag es in der Tat mißlich sein, noch ein Wort zu Gunsten derselben zu wagen. Doch will ich im Folgenden zu zeigen suchen, daß nach allen bisher dagegen vorgebrachten Gründen die Frage noch eine ganz offene bleibt, und sich erst durch Erfahrungen wird entscheiden lassen, die zulänglich noch gar nicht vorliegen. Meinerseits gestehe ich, daß ich, ohne selbst der Zukunft mit einer bestimmten Entscheidung vorgreifen zu können, doch nach folgender Erwägung der einschlagenden Gründe und Tatsachen mehr geneigt bin, zu glauben, daß sich die Frage dereinst zu Gunsten als Ungunsten einer Kunst bemalter Statuen entscheiden wird, und zwar, um die gewagte Äußerung von vorn herein in voller Bestimmtheit zu tun, zu Gunsten einer im Wesentlichen naturwahren Malerei der Statuen. Und um auch die Gesichtspunkte, worauf sich diese Vermutung stützt, vorweg in wenig Worten zu bezeichnen, so scheinen mir die bisherigen Gegengründe gegen die Malerei der Statuen überhaupt mehr der Voraussetzung ihrer Unzulässigkeit entnommen, als daß sie diese Unzulässigkeit bewiesen, die Entstehung jener Voraussetzung aber ihre Erklärung in Gründen, die dem Wesen der Sache äußerlich sind, wohl finden zu können. In der Tat scheint mir nicht nur möglich anzunehmen, sondern wahrscheinlich, daß für jetzt nur der Mangel hinreichend vollendeter Leistungen in solcher Kunst mit der Kunstgewöhnung an weiße Statuen und fehlenden Gewöhnung an die farbigen zusammenwirkt, die ästhetischen Nachteile der letzteren zu verschulden; auch dafür aber, daß es unsere Kunst noch nicht zu Leistungen gebracht hat, deren Eindruck für (das Unheil in unserer Frage maßgebend sein könnte, sich äußere Gründe finden zu lassen.

    Jedenfalls dürfte das Folgende insofern von Nutzen sein, als es zu einer neuen Erwägung der Frage aus den hier zur Sprache zu bringenden Gesichtspunkten anregt, deren dieselbe gewiß bedarf. Vor der spezialen Frage der naturwahren Bemalung aber wird die Frage der Bemalung überhaupt, insoweit sich’s bisher um solche gehandelt hat, in Betracht zu ziehen sein.

    Von vorn herein nun hat es einige Verlegenheit bereitet, nachdem man erst das Verbot bemalter Statuen nach den farbenbaren antiken Statuen gemacht und hiernach über die mittelalterliche Geschmacklosigkeit bemalter Statuen den Stab gebrochen, sich je länger je bestimmter haben überzeugen zu müssen, daß die antiken Statuen ursprünglich gar nicht farbenbar gewesen; sondern die Farben daran nur allmälig geschwunden sind, daß also die Bemalung der Statuen gar nicht bloß eine Sache des Kindeszustandes der Kunst ist, sondern bei der gebildetsten Nation, deren plastische Werke wir als mustergültig für alle Zeiten ansehen, in Geltung war. Warum doch bei uns nicht mehr, ja warum wehrt sich bei uns Theorie, Praxis und ausgebildeter Kunstgeschmack so mehr, je gebildeter er ist, gleichermaßen dagegen?

    Nun hat man sich in verschiedener Weise der antiken Polychromie gegenüber zu stellen gesucht. Teils ist man geneigt gewesen, um die Mustergültigkeit des antiken Geschmacks nicht anzufechten, von der Strenge des Verbots etwas nachzulassen, und die Malerei an Statuen doch so weit und in gleichem Sinne als statthaft zuzugestehen, als sie nun eben an antiken Statuen aus guter Zeit statt gefunden, nur nicht weiter, Alles aber scheint ja daran nicht gemalt worden zu sein, — teils aber auch, um vielmehr den eigenen Geschmack zu retten, zu sagen: waren die Alten in den meisten Beziehungen des Geschmacks mustergültige Lehrer des unseren, so sind wir hingegen in manchen über sie hinausgeschritten und verwerfen richtiger die ganze Malerei an Statuen; sie mag bei ihnen traditionelle Motive gehabt haben, welche für uns nicht bestehen oder nicht maßgebend sein können. — Oder auch, da die Untersuchungen über die Polychromie der Statuen wie Architektur bei den Allen doch noch nicht abgeschlossen sind, wundert man sich vorläufig nur über den bunten Geschmack der Alten, so weit etwas davon bekannt ist, läßt ihn aber dahingestellt, und verschiebt ein endgültiges Urteil bis auf noch genauere Untersuchungen darüber. Nach Allem aber findet man keinen Anlaß, die Alten in der Malerei der Statuen nachzuahmen, und so bleibt sie, wie in der Hauptsache theoretisch, so auch faktisch und praktisch, unter uns verworfen.

    Zur Orientierung über den Sachverhalt der antiken Polychromie von Statuen mag es nützlich sein, unserer weiteren Besprechung folgende Stellen aus einer Abhandlung von 0. Jahn 1), einem der gründlichsten Kenner in diesen Dingen, vorauszuschicken, welche mit besonderer Beziehung auf eine, im J. 1863 in der sog. Villa der Cäsaren bei Rom aufgefundene, polychrome Marmorstatue des Augustus verfaßt ist. 2)

1) Grenzboten 1868. No. 3. S. 81 ff.

2) Eine Zusammenstellung der Stellen, welche in alten Schriftstellern auf Polychromie von Statuen und Architektur beziehbar sind, findet sich in: "Kugler, über die Polychromie der griechischen Architektur und Skulptur und ihre Grenzen," und hieraus in Kuglers Museum 1835. no. 9. u. 10.
 
 

    "Was die Statue auf den ersten Blick merkwürdig macht, das ist die durchgängige Anwendung der allenthalben deutlich erhaltenen Farbe. Dadurch wird sie ein besonders lehrreiches Beispiel der polychromen Skulptur, und wenn es auch, um die Tatsache zu konstatieren, keiner Belege mehr bedarf, ein sehr willkommener. Hat man der mittelalterlichen Skulptur gegenüber ihre Vielfarbigkeit zum Argument ihrer Barbarei gemacht, so muß jetzt als ausgemacht gelten, daß sie auch für die griechische Kunst zu allen Zeiten die Regel gewesen ist. Die Einwirkungen der Luft und noch mehr der Erde auf die Oberfläche des Marmors zeigen sich besonders der Farbe verderblich, so daß diese meistens ganz oder bis auf einzelne Spuren verschwunden sind. Und selbst wenn dergleichen beim Aufgraben noch deutlich erkennbar sind, so verlieren sie sich gewöhnlich bald an der frischen Luft. Wer in eine neugeöffnete etruskische Grabkammer eintritt, wird überrascht durch den bunten Farbenschmuck, in welchem die Reliefs der Sarkophage prangen; nach einigen Jahren sind in den Museen meist nur noch vereinzelte Spuren wahrzunehmen. ... Sehr häufig hinterläßt die auf den Stein aufgetragene Farbe, auch nachdem sie verschwunden ist, eine eigentümlich veränderte Oberfläche, welche für Ansicht und Gefühl den unzweifelhaften Beweis ehemaliger Färbung herstellt." ...

    "Die Tunika des Augustus ist karmoisinrot, der Mantel purpurrot, die Fransen des Harnisches gelb; an den nackten Körperteilen sind keine Farbenspuren zu bemerken, mit Ausnahme der Bezeichnung der Pupille durch gelbliche Farbe; auch das Haar läßt keine Farbe erkennen. Mit besonderer Sorgfalt sind aber die Reliefverzierungen des Harnisches, dessen Grundfläche farblos geblieben ist, coloriert."

    "Vor Allem bestätigt sie (die Statue), was sich aus übereinstimmenden Überlieferungen auch sonst entnehmen ließ, daß es bei Anwendung der Farbe keineswegs darauf abgesehen war, durch eine durchgeführte Nachahmung der wirklichen Farben die Illusion zu erhöhen, die eigentümlichen Effekte der eigentlichen Malerei mit denen der Skulptur in Konkurrenz zu setzen, sondern durch die Farbe die charakteristischen Wirkungen der Plastik zu erhöhen. Die Malerei ist daher nicht schattiert, da die Skulptur durch ihre Formen diese Wirkung hervorbringt; reine Farben in beschränkter Auswahl — hier ist Rot in verschiedenen Nuancen, Blau und Gelb angewandt — sind neben einander gesetzt, und offenbar war eine dem Auge wohltuende harmonische Wirkung solcher mit einer gewissen symmetrischen Abwechslung verteilten Farben ein Hauptaugenmerk dieser Technik. Außerdem aber sollte der Reiz, welchen die durch Farbe ausgezeichneten Teile übten, auch zu einer leichtern und präziseren Auffassung führen; bedeutende Einzelheiten wurden kräftig hervorgehoben, Merkmale der künstlerischen Anordnung bezeichnet, das Auge gewissermaßen zur Gliederung und Übersicht geleitet. .... Wie weit die Grenzen in diesem Sinne gesteckt waren, welche Normen dabei im Einzelnen befolgt wurden, hat noch nicht festgestellt werden können. Man sieht wohl, daß das besonders mit Farbe bedacht worden ist, was als mehr äußerliches Beiwerk gilt, Gewänder und Beschuhung, an den Kleidern wieder Einfassungen und Säume, Waffen und Stäbe. Auch vom menschlichen Körper sind es gewisse Teile, Haupt- und Barthaar, Augen und Lippen, die regelmäßig durch Farbe hervorgehoben werden. Bei dieser Behandlungsweise mag wohl die altüberkommene Tradition mit eingewirkt haben, die nach der Weise griechischer Kunstentwickelung nicht beseitigt, sondern umgebildet und verfeinert wurde; daß sie durchgreifend war, geht aus verwandten zusammenstimmenden Erscheinungen hervor. Auch in der Plastik in Metall tritt die Polychromie hervor."

    So gut sich nun ausnehmen mag, was Jahn als Motivierung der antiken Polychromie der Statuen vorbringt — und ähnlich äußern sich Andere darüber — gestehe ich doch, dem Tatbestand gerade ins Auge sehend, mir keine Vorstellung machen zu können, wie eine Statue, an welcher Haare, Lippen, Augen, Gewänder, Waffen u. s. w. bemalt, die nackten Fleischteile aber unbemalt gelassen wurden, einen irgendwie erträglichen Eindruck zu machen vermag und je zu machen vermocht hat; — man denke nur: ein marmorweißes Gesicht mit bemalten Lippen und Augen; ferner wie es zu reimen ist, daß die sonst als allgemein gültig angesehene Regel, die Nebensachen nicht vor den Hauptsachen hervorzuheben, Kleider, Säume, Haare vor den nackten Hauptteilen des Körpers, hier geradezu soll auf den Kopf gestellt worden sein. Nun ließe sich wohl fragen, wenn die Alten einmal so weit in Bemalung von Statuen gingen, als zugestanden ist, ohne daß feststeht, wie weit überhaupt: ob sie nicht bis zur vollen Bemalung gegangen sind, und die Farben zur Bemalung des Nackten nur die leichtest verlöschlichen waren. In der Tat sind Manche geneigt, zu glauben, — ob nach positiven Anzeichen weiß ich nicht, — daß die Alten auch dem Fleische einen gewissen Farbenton gaben, doch nur etwa um das grelle Weiß des Marmors wohltätig abzutönen, nicht aber um die Naturfarbe des Fleisches nachzuahmen. Kurz man gibt die Bemalung so weit zu, als man sie nicht glaubt ableugnen zu können, und wehrt sich nur standhaft und endgültig dagegen, daß es um Naturnachahmung dabei zu tun gewesen 3), wonach sich natürlich fragt, um was dann. Was Jahn darüber sagt, trifft jedenfalls die Hauptschwierigkeit nicht; denn war einmal das Gewand mit Haar, Auge, Mund farbig gehalten, so konnte ein nach irgendwelchen anderen Prinzip als der Natürlichkeit gefärbtes Fleisch damit nur entweder ein widerliches Farbengemenge oder eine Farbenzusammenstellung geben, wie sie sich wohl für einen Teppich, aber nicht für ein Bild des Lebendigen ziemt; doch scheint Jahn (wie Semper) das Prinzip eines solchen Farbenkunststücks als Hauptprinzip im Auge gehalten zu haben.

3) So u. a. auch Semper (in Stil I. 518), welcher annimmt, daß die nackten Teile der Marmorstatuen bei den Griechen mit einem allgemeinen Farbenton überzogen gewesen sind, um sie mit den Farben der Beiwerke und der besonders gefärbten nackten Teile "in Einklang" zu bringen, ohne daß man ein "naturalistisches Nachäffen" bei den Griechen vorauszusetzen habe.
 
 
    Haben sich nun doch die Griechen eine Polychromie, wie man sie ihnen so oder so zuschreibt, gefallen lassen, was wir schließlich glauben müssen, wenn die sachliche Untersuchung endgültige Beweise dafür beizubringen vermag, so könnte es meines Erachtens nur vermöge einer irgendwie vermittelten Kunstgewöhnung sein, worin sie nachzuahmen wir in der Tat keinen Anlaß haben dürften, und von der zwar vielleicht einigermaßen zu verstehen ist, wie sie aus rohsten Anfängen religiöser Kunst hervorgehen und sich bis zu gewissen Grenzen durch Tradition forterhalten, kaum aber wie sie auch durch die Zeiten des geläutertsten Geschmacks hindurch fortbestehen konnte.

    Nach Allem sieht man wohl, daß die Frage über die Zulässigkeit bemalter Statuen durch Berufung auf die Alten überhaupt nicht zu entscheiden ist und vielmehr dadurch verwirrt zu werden droht, als erläutert oder gar erledigt werden kann, einmal, weil wir noch nicht genau wissen, wie weit sie in der Malerei gingen und welches Prinzip dabei für sie maßgebend war; zweitens, wenn wir es wüßten, noch die Frage bliebe, ob wir ihrer Autorität darin zu folgen haben. Also sehen wir ferner ab von dieser Berufung. So viel scheint mir zweifellos, daß eine in sich konsequente, in der Hauptsache auf Naturwahrheit zielende, nur stilistischen Nebenrücksichten dabei Rechnung tragende, volle Bemalung der Statuen eine größere Berechtigung haben müßte, als die halbe oder eines haltbaren Prinzips entbehrende, die man geneigt ist, bei den Alten vorauszusetzen oder zu finden; aber allerdings nicht eben so zweifellos, ob nicht eine ganz weggelassene Bemalung der auf Naturwahrheit zielenden vollen wie halben zu-gleich vorzuziehen, und um diese, ästhetisch wie praktisch jedenfalls wichtige, Frage soll es sich im Folgenden handeln.

    Der Maler Ed. Magnus bezeichnet in s. Schriftchen "Die Polychromie vom künstlerischen Standpunkte. Bonn 1872," die naturwahre Polychromie der Statuen wiederholt als gänzlich zu verwerfende "Barbarei", vermag aber keinen anderen Grund dafür geltend zu machen (S. 12. 42), als den landläufigen unten zu betrachtenden, daß die Statue, je näher man mit der Bemalung der Natur komme, so mehr den zurückschreckenden Eindruck der Wachsfigur mache, überhaupt ein Zuviel für die Kunst sei, der es auf vollkommene Täuschung nicht ankommen dürfe. Inzwischen widerstrebt ihm die monotone Weiße des Gipses und Marmors, und er glaubt, daß sich auf künstlichem Wege eine Art Patina müsse darstellen und kunstvoll in "harmonischen Gegensätzen" verteilen lassen, welche diesen Mangel in vorteilhafterer Weise, als die durch Zufall entstandene natürliche Patina abzuhelfen vermöge, gesteht aber (S. 28 s. Schr.), daß ein eigener in dieser Richtung angestellter Versuch ihn noch zu keinem befriedigenden Resultat geführt habe.

    Es ist instruktiv diesen Versuch zu lesen, indem man daraus sieht, wie die verschiedenen Teile des Körpers ihr Recht besonderer Färbung beim Künstler geltend gemacht haben, ohne daß er ein zulängliches Prinzip der ihnen zuzuweisenden Färbung zu finden weiß, natürlich, weil er das einzige, was möglich ist, wenn den Statuen einmal Farbe gegeben werden soll, für barbarisch hält. Er sagt:

    "Weit entfernt, naturähnliche Bemalung zu versuchen habe ich mich begnügt, gleich, als ob das Werk aus zwei- oder dreierlei Material zusammengesetzt wäre, das Fleisch gelblich, und das Gewand blau oder rot zu tönen. Aber! siehe da ! alsbald stellte sich ein Gefühl der Leere ein; ich empfand, daß es nicht angehen werde, dabei stehen zu bleiben. Das Haupt, der Kopf der menschlichen Erscheinung sah verlassen aus! Haar, Lippen, besonders aber das Auge, sie verlangten mahnend ihr Recht, sie sahen neidisch nach der Farbe, ja sogar nach dem geringsten Goldornament sahen sie verlassen mahnend hin. Sie wollten nicht nur nicht vergessen — sie wollten die Ersten sein in der Auszeichnung, und zwar aus zwiefachen Gründen: einmal, weil sie, weil Auge, Mund und Haar von der Natur selbst durch entschieden dunkleren Farbenton ausgezeichnet sind vor dem ganzen übrigen Körper, zweitens: weil Auge und Mund — Leben strahlend und atmend, auch zunächst und zumeist den Blick des Beschauenden auf sich hinziehen. Sobald nur an irgend einer Stelle der monotonen Skulptur ein zweiter Farbenton angeschlagen wird, so verlangen Haar, Augen, Mund etc. ihr Recht. Daher erklärt sich jene gewisse unausfüllbare Leere, die man allemal bei Skulpturen aus zweierlei Material empfindet, deren aus dem späteren Altertum so viele noch erhalten sind."

    "Geht man nun aber an dieses Geschäft, will man die Farben-Verschiedenheit des Kopfes charakterisieren, so begibt man sich auf eine Bahn ohne Gesetz und Schranke, auf der nicht mehr Halt zu machen ist. Man betritt eine Klippe, die man besser täte, so weit wie möglich zu umschiffen."

    "Wer es jemals unternommen hat, mit der Farbe an die Skulptur heranzutreten, der wird mir gewiß Recht geben: Es ist entweder etwas Leichtes, oder es ist ein Unternehmen von unübersteiglicher Schwierigkeit! Dekorative, namentlich kleinere Gegenstände, gewissermaßen spielend mit Farbe zu schmücken, dazu bedarf es in der Tat nur einiger Kenntnis und guten Geschmacks. Ein fertiges lebensgroßes vollrundes Kunstwerk aber zu färben — das ist ein Geschäft, bei dem es viel schwerer ist, nichts zu verderben, als etwas gut zu machen."

    Durchlaufen wir jetzt die Gründe, nach welchen bisher allgemein gegen die Malerei der Statuen teils überhaupt, teils und namentlich gegen die naturwahre entschieden worden ist, um zu sehen, ob sie wirklich entscheidend sind.

    Der sehr allgemeine Grund, daß die bildende Kunst sich überhaupt vor zu weit gehender Nachahmung der Natur zu hüten habe, mithin das natürliche Colorit "zu viel" sei (wie sich Magnus ausdrückt), würde nur dann etwas bedeuten können, wenn zugleich ein Gesichtspunkt, warum es zu viel ist, geltend gemacht würde, kann sich also erst auf die folgenden Gründe stützen; da Abweichungen der bildenden Kunst von der Natur sich nicht schlechthin dadurch rechtfertigen können, daß überhaupt abgewichen werden solle. (Vergl. Abschn. XXII.) Weicht doch selbst die naturwahr bemalte Statue noch genug von der Natur durch ihre Starrheit ab; daß dazu auch die Farbe zu viel sei, muß erst begründet werden. Und so gilt es jetzt, nach diesen Gründen zu sehen.

    Man hat gesagt 4), es widerspreche von vorn herein dem Begriffe und Wesen der, auf Darstellung der Gestalt bezüglichen, Plastik, auch Farbe zu geben. Jede Kunst habe sich in ihren Grenzen zu halten. — Nun ist die Befolgung dieser Regel gewissermaßen selbstverständlich, denn auch an einer bemalten Statue hat die Plastik nur so weit Anteil, als sie Gestalt, wie die Malerei, insoweit sie Farbe gibt, jede bleibt damit in ihren Grenzen; aber kann das beide Künste hindern, sich zu einer gemeinsamen Leistung zu verbinden, wenn nur ihre Verbindung auch Vorteile gewährt. Daß das aber nicht der Fall sein könne, läßt sich nicht aus der Verschiedenheit ihres beiderseitigen Begriffes beweisen. Aus gleichem Grunde könnte man sonst, die Verbindung von Musik und Poesie im Gesange, von Musik und rhythmischer Körperbewegung im Tanz, und selbst die Ausmalung von Zeichnungen verbieten. Um so weniger aber kann die Verbindung, welche die Plastik mit Malerei in bemalten Statuen eingeht, a priori nach dem Begriffe beider Künste verworfen werden, als beide Künste für sich ja eigentlich nur Abstrakta dessen geben, was in der Natur zu einem lebendigen Ganzen einheitlichst verbunden ist. Diese Abstraktion scheint viel eher der Rechtfertigung zu bedürfen, als die Verbindung.

        4) Z. B. Schaslers Dioskuren 1866. 211. Eggers Kunstbl, 1853. no, 48.420.

    Man hat gesagt 5), die Kunst habe überhaupt, statt auf Naturwahrheit zu gehen, "die spirituelle Wesenhaftigkeit und die charakteristische Eigentümlichkeit der Dinge herauszuheben und zu gestalten"; die Farbe aber sei in dieser Beziehung gegenüber der Gestalt als unwesentlich und zufällig anzusehen, also beschränke man sich in der Skulptur auf die Gestalt.

        5) Eggers Kunstbl. 1853. no. 48.

    Aber im Gegenteile: die Farbe ergänzt die Gestalt nicht nur durch einen natürlichen Schmuck, den man der Gestalt wohl gönnen kann, sondern auch durch Charakteristik in Bestimmungen, wozu die Gestalt selbst nicht reicht. Die Röte oder Blässe einer Wange, das mehr weißliche oder bräunliche Colorit der Haut, die Einförmigkeit oder Abwechslung der Tinten in ihr, das blonde oder brünette Wesen überhaupt, die Farben der Bekleidung und Nebendinge, alle sagen uns etwas, was die bloße Gestalt nicht sagen kann, und was in Zusammenhang mit der Gestalt wesentlich zur Charakterzeichnung einer Person beitragen kann. Der Maler malt den Pan brauner als den Apoll, das Christkind lichter als den Johannes und verschwendet allen Reiz des Colorits, dessen er und die Natur mächtig ist, an die Göttin der Schönheit und die Dienerinnen ihres Reizes; nun wüßte ich nicht, warum an den plastischen Gestalten solche Unterschiede weniger zur lebendigen Charakteristik beitragen sollten, als an den gezeichneten, vielmehr für zufälliger, unwesentlicher anzusehen wären.

    Man hat gesagt, bei der Verbindung von Farbe und Gestalt teile sich die Aufmerksamkeit und keins mache noch seinen vollen Eindruck. — Mag man dies in gewisser Weise zugeben, so kann das Produkt beider abgeschwächten Faktoren des Eindruckes doch größer und bedeutungsvoller sein, als wenn man jeden Faktor für sich hätte; auch jeden für sich aber wird es immer möglich sein, auf sich wirken zu lassen, indem man Farbe oder Gestalt absichtlich für sich ins Auge faßt und verfolgt. Hierzu hat ja der Mensch ein Abstraktionsvermögen. Auch würden durch farbige Statuen farblose ja nicht ausgeschlossen sein, wie durch Gemälde Zeichnungen nicht ausgeschlossen sind, nur soll auch der umgekehrte Ausschluß nicht gelten.

    Gewiß ist, daß uns die schönste Mädchengestalt darum nur um so schöner scheint, daß sie Rosen auf den Wangen, Purpur auf den Lippen und Lilien auf der Haut hat. Warum soll bei Statuen nicht derselbe Vorteil gelten. Und klagt man beim Anblick des schönen Mädchens nicht über Zerstreuung der Aufmerksamkeit durch die Farbe, warum beim Anblick einer schönen Statue.

    Man hat gesagt 6), — und schon früher (Th. I.) ist dieses Einwandes gedacht worden, — daß die Malerei an Statuen der Phantasie keine ergänzende Beschäftigung übrig lasse. Ich glaube aber auch früher genug dagegen gesagt zu haben. Je weniger man der Phantasie zumutet, ihre Kraft in Vervollständigung der sinnlichen Unterlage zu verschwenden, einen um so freieren und höheren Flug wird sie von der vollständig dargebotenen Unterlage aus nehmen können. Ja bei manchen Statuen möchte sich eher von einem Zuviel als Zuwenig der Phantasieanregung durch die Malerei fürchten lassen.

        6) Lazarus in Eggers Kunstbl. 1854. no. 30, und Carrière in s. Lehrb. d. Aesth. I 478.

    Nach Kirchmann (Lehrb. d. Aesth. II. 237. 258) soll der Umstand, daß der Künstler bei der Statue "auf die reine Farbe ohne Schattierung beschränkt ist", hindern, das Inkarnat der Haut darzustellen. Die Schattierung entstehe nämlich durch die Körperlichkeit der Statue vermöge der natürlichen Beleuchtung von selbst. — Aber warum wird die Erscheinung des Inkarnats nicht beim natürlichen Gesichte durch denselben Umstand verhindert. Niemand anders als das natürliche Licht malt doch in solches die Schattierung hinein.

    Wohl als der gewichtigste, daher fast überall wiederkehrende Einwand gilt der, daß man, wenn zur Gestalt die Farbe gegeben ist, um so mehr die Bewegung vermisse, und durch das starre Entgegentreten der, das Leben nach zwei Seiten nachäffenden, damit aber doch nicht zum Leben erweckten, Gestalt einen unheimlichen grauenhaften Eindruck empfange; was nicht der Fall sei, wenn bloß die abstrakte Gestalt gegeben werde; diese lasse den Anspruch, das volle Leben zu sehen, gar nicht aufkommen, indem sie sich unmittelbar nur als Wiedergabe einer Seite desselben darstelle. Bei Geltendmachung dieses Einwurfes bezieht man sich so regelmäßig auf den Eindruck, den die Figuren in Wachsfigurenkabinetten machen, daß jemand diese Figuren gelegentlich die "unglücklichen" genannt hat, weil sie überall dazu herhalten müssen, das Verbot der naturwahren Malerei an Statuen zu stützen.

    Nun ist aber gewiß, daß schon die volle Gestalt ohne Farbe uns genug an den vollen Menschen erinnert, um das Übrige außer der Gestalt vermissen zu lassen, wenn wir nicht durch eine Gewohnheit dagegen abgestumpft würden, die, wenn sie für die farbigen Statuen eben so statt fände, ihnen eben so zu Statten kommen würde. Ja, wenn wir nicht gewohnt wären, weiße Statuen zu sehen, würden sie uns als gespensterhafte Wesen vielleicht noch mehr 7), und selbst gemalte Porträts ohne Gewöhnung fast eben so sehr als bemalte Wachsfiguren erschrecken; wie ich mich denn erinnere gelesen zu haben, daß ein Wilder, dessen Kopf von einem Maler porträtiert wurde, sich es ruhig gefallen ließ, bis die Farbe dazu kam; da lief er erschrocken davon. Wir sind so zu sagen noch solche Wilde in Bezug auf bemalte Statuen. Nachdem wir uns aber unserseits an das lebenswahr gemalte Porträt schon von Kindesbeinen an gewöhnt haben , bedürfte es vielleicht nicht einmal für eine recht lebenswahr bemalte Statue erst einer neuen Gewöhnung. In der Tat ist mir erzählt worden, daß man vor mehreren Jahren in Wien einen in Silber getriebenen alten Porträtkopf Philipps II. aufgefunden habe, der; selbst ein Kunstwerk, auch von einem vorzüglichen Künstler mit aller natürlichen Abstufung von Tinten gemalt gewesen, und der gar nicht den widerlichen Eindruck der Wachsfiguren gemacht, daher auch großes Aufsehen erregt habe. Wonach es also nur nötig wäre, die Annäherung an die Naturwahrheit, der man den erschreckenden Eindruck beimißt, noch weiter zu treiben, um ihre abstoßende Wirkung verschwinden zu machen. Ich möchte nur auf dies Beispiel nicht zu viel geben, weil es dazu einer genaueren Konstatierung desselben als durch den mir gewordenen mündlichen Bericht bedürfen würde. Sollte sich nicht in irgend einer Kunstnotiz etwas darüber finden?

7) Hierzu ein Geschichtchen, was Herodot und Pausanias von einer Kriegslist erzählen, deren sich die Phocier einst im Kriege gegen die Thessalier bedienten, um sie zu schrecken. Fünfhundert ihrer tapfersten Männer bestrichen sich samt ihren Rüstungen ganz und gar mit weissem Gips und rückten zur Nachtzeit — es war gerade Vollmond — gegen das Lager der Thessalier an; diese glaubten Gespenster zu sehen, und wagten nicht, die Waffen zu ergreifen, so daß ein großes Blutbad unter ihnen angerichtet ward. (Kugler Museum. 1835. S. 79.)
 
 
    Hätte es seine Richtigkeit mit vorigem Beispiele, so würde jedenfalls die Ansicht, daß der unheimliche Eindruck der Wachsfiguren von ihrer naturwahren Polychromie abhänge, eine direkte Widerlegung darin finden; aber sei es auch nicht, so kann ich absolut keinen Grund finden, welcher der Kunstgewöhnung eine Macht, die sie sonst in so weiten Grenzen beweist, Nachteile zu Gunsten größerer Vorteile zum Verschwinden zu bringen, hier versagen sollte. Es besteht nur eben keine Kunstgewöhnung in Bezug auf bemalte Statuen, weil die Werke dazu fehlen.

    Zwar fehlen solche nicht ganz, dann fehlt aber auch die Gewöhnung daran nicht. Niemand wird von den gemalten Porzellanfigürchen, die man in jedem Nippschranke findet, und den unzählig oft in Kirchen vorkommenden geschnitzten Altarwerken mit Madonnenstatuen, Abendmahlsdarstellungen u. s. w., sämtlich bemalt, einen unheimlichen Eindruck erhalten. Die Mehrzahl davon macht freilich keinen sehr vorteilhaften Eindruck; aber man denke sich die Farbe daran weg, ob sie gewinnen würden. Ich möchte nur deshalb kein zu großes Gewicht auf diese Beispiele legen, weil man sagen könnte, bei den Porzellanfigürchen gestatte ihre Kleinheit, bei größeren Altarwerken die Unvollkommenheit ihrer Plastik eher eine Ergänzung durch die Farbe als in vollendeten Statuen statthaft sei; sofern jene Werke damit noch der Naturnachahmung fern genug blieben, um die natürliche Bewegung nicht zu vermissen.

    Jedenfalls abgemacht ist die Frage nicht, so lange man den Einfluß der Kunstgewöhnung, diesen Hauptfaktor in der Kunstwirkung, nicht erforderlich berücksichtigt hat. Bisher aber hat man ihn, so viel ich sehe, gar nicht bei unserer Frage berücksichtigt, indes die Wichtigkeit dieser Berücksichtigung aus den Abschn. XXII. angestellten Erörterungen erhellen dürfte.

    Nun könnte man aus einem sehr allgemeinen Gesichtspunkte für wahrscheinlich halten, daß, wenn ein wahrer Vorteil vom Anmalen der Statuen zu erhalten wäre, derselbe sich aufdringlicher geltend gemacht haben und auch bei unvollkommenen Werken so weit herausgestellt haben würde, um zu vollkommnerer Ausbildung der Doppelkunst zu reizen. Wer kann es noch zweifelhaft finden, daß Musik und Poesie eine vorteilhafte Verbindung im Gesange eingehen können, sie hat sich zu sehr von selbst aufgedrungen und ist von selbst durchgedrungen; warum nicht eben so die polychromische Plastik, und warum halte man sie wieder fallen lassen, nachdem sie doch schon dagewesen, wenn sie gegen eine höhere Kunstbildung bestehen könnte.

    Auf letztere Frage läßt sich freilich eine leichte Antwort geben, womit sich die erste so ziemlich mit beantwortet. Als man die antiken Kunstwerke wieder anfing schätzen zu lernen, fand man die Farben an den Statuen verloschen, machte sie also auch farblos nach, gewöhnte sich hieran als an etwas Mustergültiges und fand dann natürlich auch Gründe für diese Mustergültigkeit. Wären die Farben nicht verloschen gewesen, so hätte man von vorn herein vielmehr die farbigen Statuen als mustergültig nachgemacht, sich daran gewöhnt und Niemanden waren Gründe für ihre Verwerfung eingefallen. Nach einmal statt gefundener und durch Theorie gestützter Gewöhnung konnte es aber zu recht ernsthaften und zur Entscheidung durchschlagenden Versuchen mit der Polychromie gar nicht so leicht kommen. Und sollte es doch einmal dazu kommen, und selbst das Vortrefflichste damit geleistet werden, so würde der Geltung davon vielleicht als erste größte Schwierigkeit die vorhandene Gewöhnung entgegenstehen; wie selbst die an sich geschmackvollste Kleidermode eine Schwierigkeit findet, sich einzubürgern und Gefallen zu wecken, wenn der Geschmack durch eine lange vorher bestandene geschmacklose verwöhnt worden ist.

    Neuere schüchterne Versuche, Farben bei Statuen anzuwenden, sind zwar wohl hier und da gemacht worden, doch nicht so, daß etwas Entscheidendes darin zu finden 8). Dazu müßte erst mindestens ein nach Seiten der Skulptur und Malerei gleich vollendetes Werk vorliegen, wie es in jenem Kopfe Philipps II. vorgelegen haben soll, und der etwaige Widerstand der Gewöhnung dagegen in Rechnung gezogen werden. Denn das freilich liegt auf der Hand, daß, wenn uns eine in der Form vollendete Statue mit Farben angestrichen entgegenträte oder das Colorit hinter der Vollendung der Form nur zurückbliebe, wir die Farbe vielmehr störend als hebend empfinden müßten, und nur denselben Eindruck davon erhalten könnten, als wenn wir eine schöne Zeichnung durch schlechte Colorierung verdorben fänden.

8) Namentlich ist einiger wenig befriedigend ausgefallener Versuche in Egger.s Kunstbl. 1853. no. 48 gedacht.
 
 
    Hier aber liegt die große Schwierigkeit, überhaupt zulängliche Proben zu machen. Um es zu einer gleichen Meisterschaft in der Colorierung von Statuen als in der Formung zu bringen, würde es unstreitig einer sehr ausgebildeten Technik und Übung bedürfen. Aber wo ist sie zu finden? Auch könnten technische Schwierigkeiten auftreten, welche das Gelingen solcher Versuche erschweren und möglicherweise wirklich das volle Gelingen hindern. Nicht so leicht wie in der Zeit der ersten Renaissance vereinigen sich jetzt Maler und Bildhauer in derselben Person; und sollten auch beiderlei Künstler zu demselben Werke zusammentreten, so würde es nicht hinreichen, in jeder Kunst für sich ein Meister zu sein, um etwas Vollendetes zu liefern, sondern sie müßten sich auch auf die Verbindung beider Künste gegenseitig eingerichtet haben. Nun könnte man zwar für den ersten Anblick meinen, wenn ein Maler eine menschliche Figur auf der Leinwand gut zu malen weiß, müßte er es um so leichter finden, eine Statue gut zu bemalen, weil er dazu die Schattierung, welche durch die Beleuchtung der Statue von selbst entsteht und die Erscheinung des Reliefs, sowie Modellierung des Colorits daran bewirkt, einfach wegzulassen hatte, indes er sie am Gemälde auf der Leinwand künstlich nachahmen muß. Aber eben in dem Weglassen mag eine Schwierigkeit liegen. Denn während er sich bei der Schattierung im Gemälde an die natürliche Erscheinung halten kann, gilt es bei der Statue sich das Vorbild jeder natürlichen Beschattung entkleidet vorzustellen, um die davon abstrakte Farbe auf der Statue richtig für die zutretende Beleuchtung darzustellen. Dazu Folgendes: Will der Künstler durchsichtige Farben auf die Statue anwenden, so scheint die Textur und respektive Färbung des Marmors, Gipses, Erzes, Holzes durch; will er dickere Deckfarben anwenden, so litte die Feinheit der plastischen Ausführung dadurch eben so wie durch jeden Anstrich überhaupt; und er müßte streng genommen gleich bei Ausarbeitung der Gestalt selbst eine korrigierende Rücksicht darauf nehmen, wie er aber auch sonst solcher Rücksichten nicht ungewohnt ist, indem er z. B. die Züge einer Büste oder Statue aus dunklem Erz tiefer ausarbeitet, als einer solchen aus weißem Marmor, weil die minder scharf hervortretende Schattierung auf ersterer die Züge an sich verhältnismäßig weniger tief ausgearbeitet erscheinen läßt.

    Wie weit diese Schwierigkeilen in Anschlag kommen können, und ob sich ihnen nicht vielleicht noch andere technischerseits zugesellen, vermag ich freilich nicht zu beurteilen; es müßte das der Erörterung eines Fachkünstlers unterliegen.

    Nach Allem wird es sich darum handeln, folgende Fragen zu entscheiden.

    Hängt es an psychologischen Gesetzen, daß ein ästhetischer Vorteil selbst mit vollendetster naturwahrer Colorierung von Statuen überhaupt nicht zu erzielen ist, und welches sind diese Gesetze? — Meinerseits vermag ich solche Gesetze nicht zu finden.

    Oder liegen technische Schwierigkeiten der Verbindung von Form und Farbe vor, welche es zu vollendeten Leistungen darin gar nicht kommen lassen, und die Forterhaltung einer Trennung beider rätlich erscheinen lassen. — Das ist möglich und bedarf sowohl noch weiterer Erörterung als Versuche; doch würde ich glauben, die Schwierigkeiten müßten wenigstens so weit zu überwinden sein, daß das, was sie noch zu wünschen übrig lassen, vollends durch die Kunstgewöhnung, die so Vieles überwinden läßt, überwunden werden könnte, halte also nicht für wahrscheinlich, daß diese Frage wesentlich zu bejahen.

    Oder endlich ist nicht eine Kunst bemalter Statuen, und zwar (abgesehen von untergeordneten stilistischen Rücksichten) naturwahr bemalter Statuen als wirklich zu Recht bestehend anzusehen, und eine befriedigende Verwirklichung derselben von der Zukunft noch zu erwarten. — Dies halte ich für wahrscheinlich, da sich Gründe für die bisherige Verwerfung leichter finden, als die bisher aufgestellten rechtfertigen lassen; eine sichere Entscheidung aber wird doch bloß in Erfahrungen der Zukunft gesucht werden können.

    Selbst gestehe ich offen, daß, wenn ich eine klassische Marmor- oder Gipsstatue in ihrer reinen ungebrochenen Weiße vor mir sehe, ich mir nicht einmal vorstellig machen kann, daß sie durch irgend eine, sei es der Natur abgelauschte, sei es kunstvoll komponierte Weise der Bemalung gewinnen könne, daß sie nicht vielmehr durch die zugefügte Buntheit ihren so zu sagen keuschen Reiz verlieren, und die Farbe nicht wirklich den Eindruck des reinen Zuges der Gestalt stören würde. Wiegt nicht aber diese direkte Aussage des Gefühls stärker, als alle hiergegen vorgebrachten Verstandesgründe? Vielleicht; und eben wegen dieses Gefühls mag ich keine sichere Entscheidung fällen. Dennoch glaube ich, daß wenig auf dasselbe zu geben. Denn nach der Weise, wie ich sonst solche Gefühle entstehen sehe, könnte es die einfache natürliche Folge davon sein, daß ich bisher nur in sich vollendete weiße Statuen und nur sehr unvollkommne bemalte gesehen habe; wäre das Umgekehrte der Fall gewesen, so möchte sich auch der Erfolg umgekehrt haben. Vermag ich doch vom Menschen selbst; den ich immer nur farbig gesehen, die Farbe selbst in der Vorstellung nicht abzuziehen, und finde mich bei seiner Betrachtung durch die Farbe nicht gestört.

2) Architektur.

    Bekanntlich besteht in Betreff der polychromen Architektur nicht minder eine Kontroverse als in Betreff der polychromen Skulptur; doch will ich mich über jene nicht so weit verbreiten, als es über diese geschehen ist. Auch in der Farbigkeit der Architektur ist die antike Welt weiter gegangen, als man lange geglaubt, daß sich aus Geschmacksrücksichten gehen lasse, bis entscheidende Tatsachen den Beweis für die farbenreiche Architektur der Alten geliefert und dadurch die Frage angeregt haben, ob ihre Verwerfung unsrerseits berechtigt sei. Hiernach ist die Frage mehrfach diskutiert worden, kann aber jedenfalls durch bloße Berufung auf die antike Architektur eben so wenig sicher entschieden werden, als in Bezug auf die Skulptur, und zwar aus entsprechenden Gründen. Ohne nun in die Diskussion der ganzen Sachlage der Frage, sei es nach historischer oder anderer Beziehung eintreten zu wollen, wozu mir hinreichende Vorstudien fehlen, bezwecken die folgenden Bemerkungen nur, einem persönlichen Eindruck mit einigen sich daran knüpfenden prinzipiellen Gesichtspunkten Ausdruck zu geben.

    Im Genuesischen und längs der Riviera di levante sieht man viele äußerlich mit einer Mehrheit von Farben, zum Teil bunt genug getünchte, Häuser. Sie haben mir meist den Eindruck der Geschmacklosigkeit gemacht; doch interessierten in gewisser Weise durch den heitern Anstrich, den ihnen die Farbe verlieh, sowie die Mannigfaltigkeit, die sich zwischen den verschiedenen Häusern ausprägte; und es schien mir, daß wenn ein, nur sehr unvollkommen dabei zur Geltung gebrachtes, Prinzip, was sich doch von vorn herein als das natürlichste und fast selbstverständliche aufdringt, methodisch entwickelt und durchgebildet würde, auch eine Kunst der Häuserbemalung entstehen könnte, welche ästhetischen Gewinn bringt. Das Prinzip nämlich, daß die Verschiedenheit der Färbung oder Schattierung in Zusammenhang mit der Verschiedenheit der architektonischen Teile zu halten, wonach z. B. Pfeiler, Pilaster, Säulen, Pfosten anders zu colorieren oder zu schattieren, als Simse, Architrave, beide anders als die Wandfläche, Gebälk anders als Füllungen, das Kapitell von Säulen und Pilastern anders als der Stamm, der Unterbau des Gebäudes anders als der Oberbau, Verzierungen anders als die verzierten Teile; wobei übrigens in der Spezialisierung und Abstufung der Färbung mehr oder weniger weit, zum Teil selbst bloß auf Unterschiede von Heller und Dunkler gegangen werden könnte. Jedenfalls scheint dies Prinzip insofern die günstigsten ästhetischen Bedingungen zu vereinigen, als dadurch zugleich der Organismus der Baulichkeit in erfreulicher Klarheit sich ausprägt, und eine anmutende Mannigfaltigkeit in einheitlicher Verknüpfung durch den Plan des Gebäudes entsteht. Die Monotonie und unterschiedslose hiermit charakterlose äußere Behandlung der ganzen Außenseite der Gebäude ist es ja hauptsächlich, was man unserer Architektur vorwerfen kann; und diesen Mangeln wäre in vorigem Wege abzuhelfen.

    Dies Prinzip reicht nun freilich für sich nicht aus, denn es fragt sich noch, nach welchem Prinzip die Wahl der Farben zu treffen. Hierbei werden meines Erachtens verschiedene Gesichtspunkte an die Spitze treten und hiernach verschiedene Systeme der Colorierung möglich sein, die sich vielmehr ergänzen, als ausschließen und nach dem Charakter der Gebäude und anderen Umständen modifizieren, wie denn z. B. für nördliche Klimate minder entschiedene Farben und leisere Unterschiede derselben passend sein werden, als den auch in der Natur farbenreichem und so zu sagen farbendurstigern Süden. Manche Regeln mögen dabei doch als allgemeingültig durchgreifen, z. B. daß nicht dunklere Farben in größeren Maßen über hellem lagern, daß Teile, die sich in Bedeutung und Richtung verwandt sind, diese Verwandtschaft eben so wie ihren Gegensatz gegen die nicht verwandten aussprechen, daß untergeordnete Teile sich vielmehr durch Nuanzierung als scharfen Abstich von den Hauptteilen unterscheiden, (wovon doch Verzierungen, die vielmehr Nebenteile als untergeordnete Teile sind, auszunehmen) daß eine ins Kleinliche gebende Zersplitterung der Farben oder grelle Buntheit überall vermieden werde; vielmehr eine Hauptfarbe das Ganze dominiere, von welcher sich alle Farben oder Nuancen in größeren Maßen nur als Ausweichungen darstellen, indes Verzierungen mit starkem Kontrasten hineinspielen dürfen. So wenigstens denke ich es mir.

    Dabei kann allerdings auch ein Prinzip mit zugezogen werden, was aber meines Erachtens mehrfach mit viel zu großem oder einseitigen Gewicht, teils bei dieser teils bei anderer Gelegenheit in Anschlag gebracht wird, betreffend die Einhaltung der natürlichen Farbe des Materials 9).

9) So sagt Magnus (die Polychromie S. 61): "Für die äußere Erscheinung eines Baues wird überall als vernunftgemäß festzuhalten sein, daß alle Teile die Farbe desjenigen Materials tragen, aus dem sie geschaffen sind, daß sie wenigstens sich nicht mit Farben schmücken, die in dem Bereich der von der Natur uns als Baumaterial gegebenen Stoffe gar nie und nimmer zum Vorschein kommen."
 
 
    Es ist in der Tat ein neuerdings (namentlich Seitens der Vertreter der Gotik) mit Vorliebe geltend gemachtes Prinzip, bei Bauwerken und Gegenständen der Kunstindustrie die Beschaffenheit des Materials anstatt zu verstecken, vielmehr möglichst in die Erscheinung treten zu lassen, wozu auch möglichste Wahrung der natürlichen Farbe des Materials gehört. Ich sage "möglichste", denn ohne Beschränkung läßt sich das Prinzip wegen Konflikten mit Zweckmäßigkeit und direkter Wohlgefälligkeit überhaupt, nicht durchführen, und versucht man es auch gar nicht. Selten überhaupt, außer bei kostbarem oder für die Erscheinung an sich vorteilhaften, Material läßt man demselben in der Architektur und Kunstindustrie die reine Naturfarbe, sondern begnügt sich, selbst, bei möglichster Wahrung des Prinzips, das natürliche Gefüge des Holzes in Fenstereinfassungen und Türen durch eine Beize von fremder Farbe durchscheinen zu lassen, (indes man häufig auch beide weiß streicht), hält den Mauerbewurf in den Grenzen der überhaupt vorkommenden Steinfarben, vermeidet also namentlich entschiedenes Grün und Blau, ohne übrigens die wirkliche Farbe des Materials zu beachten, und läßt große Werkstücke im Unterbau in ihrer natürlichen Größe ohne Überzug paradieren. In vielen Werken der Kunstindustrie aber kümmert man sich überhaupt wenig um die Regel, die natürliche Farbe des Materials festzuhalten; Tassen, Kaffeebreter, Büchereinbände kommen in allen Farben vor, der japanische Lack überzieht gleichgültig Holz und Blech, und ich wüßte nicht, woher der Regel eine so despotische Kraft käme, es zu wehren. Meinerseits scheint mir in Betreff derselben überhaupt Folgendes zu gelten:

    Es gefällt uns allerdings allgemein gesprochen, einer Sache gleich anzusehen, woraus sie gemacht ist, gehört aus gewissem Gesichtspunkte zur Charakteristik derselben; auch kann man das Interesse daran auf das der Wahrheit und Klarheit zurückführen. Aber dies Interesse ist in Bezug auf das Material bei Werken der Architektur und Kunstindustrie kein so fundamentales und anderen Interessen gegenüber, die sich auch geltend machen können, überall durchschlagendes, daß es nicht in Konflikt damit auch nachgeben könnte, und oft genug nachgeben müßte; ja die Tatsache selbst, daß es so oft geschieht, geschehen muß, sollte abhalten, so viel Wesens von der normgebenden Kraft des Prinzips zu machen, als hier und da geschieht. Bei vielen Gegenständen ist es uns in der Tat sehr gleichgültig, woraus, mindestens aus weicher besonderen Art des Metalles, Holzes, Steins sie gemacht sind, und hat es also auch kein Interesse, es ihnen anzusehen; genug, wenn sich ihnen nur nicht ansehen läßt, daß sie aus etwas geradezu Zweckwidrigem gemacht sind. Also wird man auch, wenn von einer Polychromie in der Architektur die Rede sein soll, meines Erachtens dem Prinzip nicht in übergeordneter Weise, wie z. B. . Magnus in s. Schrift "Die Polychromie", sondern in mehr untergeordneter Weise Rechnung zu tragen haben, und z. B. Säulenstamm und Kapitell, wenn schon aus demselben Stoffe gearbeitet, nicht mit derselben Farbe zu bekleiden haben. Magnus will, der Baumeister soll so viel als möglich das Baumaterial selbst von so verschiedenfarbigem Stoffe wählen, daß daraus eine wohlgefällige Mannigfaltigkeit der Erscheinung am Bauwerke hervorgehe 10). Eine Zumutung, die unstreitig praktisch nicht weit durchführbar und jedenfalls nicht so durchführbar ist, daß die architektonische Gliederung hinreichend zum Ausdruck kommt, da die Verschiedenheit des Materials sich damit gar nicht parallel halten läßt. Eine Charakteristik aus jenem Gesichtspunkte aber erscheint nicht nur an sich mindestens eben so wichtig als aus diesem, sondern gewinnt auch dadurch den entschiedenen Vorteil, daß den Bedingungen direkter Wohlgefälligkeit damit besser genügt werden kann. Also wird man nur sagen können, daß, insoweit sich der Vorteil der Charakteristik durch die natürliche Erscheinung des Materials mit dem Vorteile der Erscheinung der Gliederung des Bauwerkes und direkten Wohlgefälligkeitsrücksichten verträgt, jener Charakteristik Folge zu geben sein möchte.

10) Sonderbar, die natürliche Färbung der menschlichen Gestalt in der bildenden Kunst soll barbarisch, hiergegen die natürliche Erscheinung des Baumaterials in der Baukunst gefordert sein, während die bildende Kunst von vorn herein darauf ausgeht, die Natur nachzuahmen, die Baukunst, solche nach Zwecken umzuändern. Hierin scheint mir etwas von verkehrter Welt zu liegen.