XXII. Über die Frage, wiefern die Kunst von der Natur abzuweichen habe.
Idealistische und realistische Richtung.

    Nach der, im vorigen Abschnitte behandelten, Streitfrage fassen wir eine andere, zwischen Ästhetikern sowie Kunstkennern und Künstlern viel verhandelte, an praktischer Wichtigkeit die vorige weit übertreffende, Frage ins Auge, welche wie die vorige von philosophischen Ästhetikern auf die gesamten Künste ausgedehnt wird, doch gleich der vorigen ihr Hauptinteresse in Bezug auf die bildende Kunst hat. Also soll auch folgends unter Kunst schlechthin nur die bildende Kunst, Malerei und Plastik, im Auge gehalten werden, indes wir unter Natur die Wirklichkeit gegenüber oder abgesehen von Kunst verstehen, woraus die Kunst ihre Formen entlehnt ohne sich streng daran zu halten. Die Frage nun ist: worin liegt der Gesichtspunkt ihrer Abweichungen davon und wie weit dürfen sie gehen? Von vorn herein stellen sich doch die bildenden Künste die Aufgabe, etwas von dem, was nicht Kunst ist, abzubilden, warum bilden sie es nicht getreu ab?

    Bei der Musik und Architektur kann Niemandem so leicht eine entsprechende Frage einfallen, weil es in diesen Künsten von vorn herein nicht eben so darauf abgesehen ist, etwas außerhalb der Musik und Architektur schon Vorgegebenes abzubilden; wenn schon es Ästhetiker gibt, welche zu Gunsten ihres allgemeinen Begriffes von Kunst diesen Künsten dieselbe Aufgabe als eine gleich fundamentale wie den bildenden Künsten zuerkennen möchten. Nun begegnen sich freilich Musik und Architektur mit der Natur in gewissen Beziehungen; eine lustige und traurige Musik hat etwas gemein mit dem natürlichen Ausdrucke der Lustigkeit und Traurigkeit durch die Stimme, und ein Haus muß so gut hohl sein wie eine Höhle. Aber nicht nur bilden beide Künste die rohen Elemente, die sie von der Natur empfangen, sofort ohne Anschluß an ein natürliches Vorbild um, den tierischen Laut der Empfindung endlich bis zur Symphonie; die Höhle zum Palaste, sondern die Musik tritt auch mit Melodie und Harmonie, die Architektur mit Gliederung und Verzierung so ganz und so prinzipiell aus dem Bereiche der natürlichen Vorbilder heraus, daß es in der Tat den Eindruck der Geschraubtheit macht, für diese Künste den Gesichtspunkt der Abbildlichkeit noch eben so wie für die bildenden Künste fundamental festgehalten zu finden. Hingegen beschränkt sich die bildende Kunst von vorn herein und durch ihre ganze Entwicklung der Hauptsache nach auf Wiedergabe von gegebenen Formen; in ihren höchsten Werken sieht man noch Menschen und Szenen zwischen solchen abgebildet, nur nicht ganz so wie sie in Wirklichkeit vorkommen, sie will von vorn herein und heute noch nachahmen, und hier fragt sich allerdings, warum will sie es nur bis zu gewissen Grenzen aber nicht über gewisse Grenzen hinaus, und wie bestimmen sich diese Grenzen.

    Bei der Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit, feste Grenzen in Beantwortung unserer Frage zu ziehen, kann es nicht befremden, wenn sie hin- und hergeschoben werden, bald so, daß das Hauptgewicht noch auf den Anschluß an die Natur, bald so, daß es auf die Abweichungen von der Natur fällt, wodurch man zu den mancherlei Einseitigkeiten, die aus anderen Gesichtspunkten in der Auffassung der Kunst herrschen, zwei mehr erhält. In der Tat kann man, jenachdem das Hauptgewicht auf letztere oder erstere Seite gelegt wird, zwei verschiedene Richtungen in Auffassung und folgweis Ausführung der Kunst unterscheiden, die wir kurz als idealistische und naturalistische oder realistische 1) einander gegenüberstellen, und in der freilich großen Unbestimmtheit, die ihr allgemeiner Gegensatz noch übrig läßt, zuvörderst durch die geläufigsten Ausdrücke sich aussprechen lassen wollen, ehe wir bestimmtere Anhaltspunkte der Betrachtung suchen.

1) Aus diesem oder jenem Gesichtspunkte läßt sich auch wohl ein Unterschied zwischen Naturalismus und Realismus in der Kunst machen, ohne daß die folgenden allgemeinen Erörterungen einen Anlaß enthalten, darauf einzugehen.
 
 
    Selbstverständlich, und ohne daß hierüber schon ein Streit bestände, wird man der Kunst Abweichungen von der Natur nach allen Beziehungen gestatten müssen, nach welchen sie dieselbe nicht erreichen kann. Weder der Bildhauer noch Maler vermag seinen Gestalten Fleisch und Blut zu verleihen, der Maler eine Landschaft nicht so herzustellen, daß man in dieselbe wirklich hineintreten kann, und selbst den Schein der Tiefe nur unvollständig zu erzeugen; der Bildhauer nicht allen Feinheiten der Haut und des Haares nachzukommen, und beide den Moment nicht anders als dauernd vorzustellen, u. s. w. Auch werden unerfüllbare Forderungen in dieser Hinsicht weder von Idealisten noch Realisten gestellt.

    Wenn nun die Kunst nach so vielen und wichtigen Beziehungen notwendig hinter der Natur zurückbleibt, so läßt sich von vorn herein fragen: wozu überhaupt noch Kunst der Natur gegenüber? Wirklich hat Plato aus diesem Gesichtspunkte die Kunst weit hinter die Natur zurückgestellt. So viel die Natur hinter der Idee, bleibe die Kunst hinter der Natur zurück; denn so wenig ein Naturgegenstand seine Idee, sein Musterbild, vollständig erreiche, so wenig der Künstler die Natur. Auch weist er deshalb (im Phädros) dem Dichter und dem nachbildenden Künstler eine sehr niedere, erst die sechste, Rangstufe unter den himmelentstammten Seelen an, welche Stufen nach Maßgabe der Erkenntnis des wahrhaft Seienden geordnet sind.

    Inzwischen, so sehr die heutigen Idealisten im Übrigen noch von Plato’s Ideenlehre beeinflußt werden, lassen sie doch diese Erniedrigung der Kunst gegen die Natur auf Grund ihrer Abweichungen davon nicht gelten; vielmehr; anstatt der Kunst solche zum Nachteil zu rechnen, suchen sie einen Hauptvorzug der Kunst vor der Natur darin; gebieten dem Künstler, er solle die Natur gar nicht so treu als möglich wiedergeben, sich vielmehr mit einer, nur durch höhere Rücksichten gebundenen, Freiheit über sie erheben, wahrnehmen lassen, daß es ein Kunstwerk, ein Geisteswerk. kein Naturwerk sei, was man vor sich hat. Die Durchdringung der idealen schöpferischen Tätigkeit des Künstlers mit dem von der Natur gebotenen realen Stoffe, die Beherrschung, Überwältigung desselben durch den Geist, bedinge erst den Adel, den Wert, ja den Begriff des wahren Kunstwerkes, und selbst notwendige Abweichungen der Kunst von der Natur sollen hiernach weiter getrieben werden, als sie notwendig sind, z. B. Statuen sollen nicht gemalt werden, obwohl sie gemalt werden könnten, der Schein eines täuschenden Relief in der Malerei absichtlich vermieden werden, die naturwahre Detailausführung beschränkt werden, bedeutungslose Nebenteile weggelassen werden, die Gegenstände teils enger zusammengerückt teils weiter auseinander gehalten werden, als in der Natur oder äußeren Wirklichkeit. Was habe der Mensch davon, die gemeine Wirklichkeit durch die Kunst noch einmal wiedergegeben zu sehen; vielmehr gelte es, von den Dingen der Wirklichkeit zum Ideal derselben aufzusteigen und damit das reine Wesen derselben auszuprägen, was die Natur außer der Kunst darzustellen immer verweigere. In diesem Übersteigen der Natur durch die geistige Tätigkeit des Künstlers im Sinne von höheren, allgemeineren, wertvolleren Ideen, nicht in der Wiedergabe der Naturdinge, wie sie die Welt der Zufälligkeiten uns vor Augen stellt, hiermit vielmehr in dem, was der Geist des Künstlers dem Kunstwerke gibt, als was er dazu von der Natur empfängt, liege die Aufgabe der Kunst, der Wert und die Bedeutung des Kunstwerkes. Höher sich versteigend faßt der Idealist wohl die Aufgabe des wahren Künstlers dahin; er solle als Organ der göttlichen Schöpfertätigkeit oder inspiriert durch sie, das göttliche Schöpferwerk der Natur in freieren höheren Schöpfungen fortsetzen, und damit gleichsam eine höhere Natur über die Natur bauen.

    Im Ganzen darf man wohl sagen, daß die Auffassung der Kunst, deren hauptsächlichste Stichwörter im Vorigen wiedergegeben sein dürften, unter den philosophischen Ästhetikern, den durch sie geschulten Kunstkennern und dem von diesen beeinflußen Laienpublikum bei Weitem vorherrscht. Dagegen fällt nun freilich sehr ab, wie sich manche alte Künstler die Aufgabe der Kunst dachten und dazu stellten. Rührend war mir in dieser Beziehung, folgendes, für die realistische Auffassung charakteristische, Geschichtchen 2) zu lesen, was ich hier wörtlich wiedergebe :

    "Ein kunstfertiger Steinmetz in Speyer hatte ein schönes Bild aus Marmor sauber und rein nach Kaiser Rudolph gehauen, dessen überraschende Ähnlichkeit jeder, der es sah, eingestand. Der Künstler oder Meister war aber auch dem Könige lange nachgegangen und hatte so die Gestalt sich eingeprägt und abgenommen, daß er selbst die Runzeln des kaiserlichen Antlitzes gezählt hatte. So stand das Bild manche Jahre; als der Künstler aber vernahm, daß das Alter dem Herrn eine Runzel mehr gefurcht hatte, machte er sich auf bis ins Elsaß, um den Kaiser selber wiederzusehen, und als er die Sache richtig erfand, ging er heim wieder gen Speyer und überarbeitete sein Standbild von Neuem, dem Kaiser getreulich und ähnlich. Später setzte man dieses Bild auf des Kaisers Grab." (Ist in der Reimchronik von Ottokar besungen.)

2) Kunstbl. 1831. No. 12.
 
 
    Unstreitig nun kann man sagen: das war ein Steinmetz und kein Künstler, und sein Werk kein wahres Kunstwerk, sondern nichts mehr und besseres als eine steinerne Photographie. Aber auch Albrecht Dürer geht ganz in den Sinn dieses Steinmetzen ein, indem er erklärt: "Du sollt wissen, je genauer man dem Leben und der Natur mit Abnehmen nachkommt, je besser und künstlicher dein Werk wird", und Leonardo da Vinci gibt in seinem Traktat von der Malerei 3) Regeln wie folgt: "Ein Maler muß von der Art einer jeden Sache, die ihm in das Gesicht fällt, die allerbeste erwählen und es wie ein Spiegel machen, der so viele Farben annimmt, als die Sachen besitzen, die man ihm vorhält. Wenn er nun also mit sich umgeht, wird er gleichsam die andere Natur zu sein scheinen"; — und weiter: "die vornehmste Intention eines Malers soll darin bestehen, wie er es angreifen möge, daß die Körper auf der ebenen Oberfläche seiner Tafel erhoben und abgesondert erscheinen: und derjenige, welcher andere hierinnen übertrifft, verdient großes Lob." Nach Leonardo sollen also die Werke des besten Künstlers nichts mehr als Spiegelbilder der schönsten wirklichen Formen sein und scheint er noch nichts von der Regel, daß man das Relief in der Malerei nicht zu weit treiben dürfe, gewußt zu haben. 3) 14. Obs. 10. Thl. p. 186.
 
 
    Wie dem auch sei, so sehen wir in vorigen Beispielen die realistische Auffassung und Richtung der Kunst schlicht und naiv genug der idealistischen gegenüber vertreten. Hiernach wird überhaupt die Nachahmung der Natur durch die Kunst als Hauptgesichtspunkt derselben festgehalten. Anstatt den Gegenständen im Kunstwerke den Stempel des eigenen Geistes aufzudrücken oder einen Ausdruck göttlicher Ideen damit zu prätendieren, soll der Künstler nur darauf ausgehen, die Natur, insoweit es überhaupt ein Interesse hat sie wiederzugeben, durch möglichst objektive Darstellung so wahr, klar und eindringlich als möglich für den Beschauer herauszustellen. Insofern es aber auch einen Reiz oder Zweck haben könne, mythologische oder Glaubensgegenstände darzustellen, seien sie doch immer möglichst in den Formen und nach den Bedingungen der Wirklichkeit darzustellen.

    Es ist nicht ohne Interesse, daß wir Ausspruche von unseren zwei größten Dichtern haben, welche sich zwischen der idealistischen und realistischen Richtung teilen. Schiller sagt in seiner Abh. über das Pathetische 4) "Der letzte Zweck der Kunst ist die Darstellung des Übersinnlichen"; Goethe hingegen in den Propyläen: 5) "Die vornehmste Forderung, die an den Künstler gemacht wird, bleibt immer die, daß er sich an die Natur halten, sie studieren, sie nachbilden, etwas, das ihren Erscheinungen ähnlich ist, hervorbringen soll."

4) Taschenausg. XVII. S. 242.
5) Taschenausg. XXXVIII. S. 9.
 
 
    Nun läßt sich zwar auch das Übersinnliche, auf das Schiller die Kunst anweist, realistisch in Formen gemeiner Wirklichkeit darstellen, doch besteht nicht nur die natürliche Neigung, sondern kann man auch Recht und Pflicht entsprechend finden, mit Übersteigen der gemeinen Wirklichkeit in der Idee sie auch in den Formen zu übersteigen.

    Fragen wir nun nach der Entscheidung zwischen beiden gegensätzlichen Auffassungen der Kunst, so wird sich eine solche überhaupt nicht geben, sondern nur eine Verständigung dazwischen suchen und ein Kompromiß dazwischen finden lassen. Handelt es sich doch dabei überall nur um ein Mehr oder Weniger, wozwischen zugestandenermaßen die Grenze nicht scharf bestimmbar oder wozwischen sie nach Umständen verschiebbar ist. Auch kommen sich von vorn herein beide Ansichten bis zu gewissen, nur nicht bestimmt formulierbaren und fixierbaren, Grenzen entgegen.

    In der Tat, der besonnene Idealist verlangt ja nicht, daß der Künstler Alles aus seinem Geiste produziere, vielmehr daß er die Natur als Unterlage und Ausgangspunkt zu seinen Schöpfungen benutze. Bekannt ist, was Raphael in diesem Sinne an den Grafen Castiglione schrieb: "Ich muß viele Frauen gesehen haben, die schön sind; daraus bildet sich dann in mir das Bild einer einzigen." Also vermochte Raphael die ideale Schönheit seiner Madonnen nur auf Grund der vorgegebenen realen Schönheiten zu schaffen; und unstreitig je mehr schöne Frauen und je schönere Frauen er in der Wirklichkeit sahe, desto schönere Ideale vermochte er zu schaffen; aber das Schaffen dieser Einen, mit der keine der einzelnen übereinkam, die Vollendung dessen, was in der Natur nur angestrebt schien, blieb doch eine Tat seines eigenen Geistes.

    Von anderer Seite verlangt der besonnene Realist nicht, daß man die Natur ganz treu kopiere, und würde man das auch weder bei Albrecht Dürer noch Leonardo finden; er verlangt vielmehr, daß der Künstler doch irgendwie reinigend, zurechtlegend, auswählend sich zur Wirklichkeit verhalte; und schon der Realist Aristoteles verlangte in diesem Sinne nicht eine reine, sondern eine reinigende Nachahmung der Natur durch die Kunst. Auch erhebt sich Goethe in mehr als einem Ausspruche (z. B. Propyl. S. 21, Wahrh. und Dicht. III. 49) über die Vertretung eines rohen Realismus.

    Nun suchen Manche den Rest des Zwiespaltes und Streites zwischen beiden Ansichten durch Aussprüche wie folgt zu tilgen: das ideale und reale Element sollen sich im Gleichgewicht durchdringen, zu einer unterschiedslosen Einheit aufheben, eins ganz im anderen aufgehen, und was dergleichen Redeweisen mehr sind. Nur daß damit nicht viel geholfen ist, indem der rechte Punkt und Gesichtspunkt des Gleichgewichts danach eben so unbestimmt bleibt, als der des Übergewichts nach den Redeweisen, deren sich Idealisten und Realisten zu bedienen pflegen. Wenn aber doch Kenner und Künstler sich der einen oder anderen gern bedienen, je nachdem sie mehr da- oder dorthin neigen, so wird ihr Urteil in der Hauptsache und in jedem besonderen Falle in der Tat vielmehr anderswie bestimmt.

    Hierüber unterhielt ich mich einmal mit einem allgemein geschätzten Kunstfreunde und Kenner, und will zunächst wiedergeben, was ich als seine Ansicht aus dem Gespräche mit ihm geschöpft habe, indem man darin die faktische und praktische Ansicht der meisten Kunstfreunde und Kenner, wenn auch nicht zu gleicher Klarheit als hier erhoben, wiederfinden dürfte.

    Die Natur und Kunst sind jedes ein Reich für sich, das man aus sich selbst kennen lernen und nach seinen eigenen Regeln beurteilen muß, da die Kunst doch eben nur durch ihre Abweichungen von der Natur zur Kunst wird, wozu die Regeln nur aus der Kunst selbst zu schöpfen sind. Demnach werden die Abweichungen der Kunst von der Natur recht sein, welche man in den besten Werken der besten Meister findet, und welche den besten Eindruck auf die machen, die mit der besten allgemeinen Bildung sich in die Welt der Kunst am meisten eingelebt haben, d. i. auf die wahren Kenner oder echten Freunde der Kunst, denen es um die Kunst als Kunst und nicht darum zu tun ist, das, was man in der Natur schon hat, in der Kunst noch einmal zu haben, woraus sich überhaupt keine Abweichungen der Kunst von der Natur erklären lassen würden. Nur an jenen Kennern kann der Kunst wahrhaft gelegen sein, weil nur solchen wahrhaft an der Kunst gelegen ist. Aus dem, was solchen gefällt, mag man die der Kunst wesentlichen Abweichungen von der Natur abstrahieren, und die Frage, warum sie bestehen, eben nur damit beantworten, daß das eigentümliche höhere Wohlgefallen, was die Kunst über alle Leistungen der Natur hinaus zu erwecken vermag, nicht anders zu erzeugen ist; in wem es aber erzeugt werden kann, der wird damit selbst einen der Charaktere haben, die zum rechten Kenner gehören. Bleibt nach all’ dem noch eine Unbestimmtheit, was man für die besten Meister und Muster und wen man für die besten Kenner zu halten hat, so ist ein bestimmteres Prinzip, als sich auf solche zu berufen, doch überhaupt nicht zu haben, nie zu haben gewesen und wird nie zu haben sein. Bis zu gewissen Grenzen ist man doch darüber einig, was man dafür anzuerkennen hat; in so weit es der Fall ist, wird man sich auch über das, was danach in der Kunst erlaubt und nicht erlaubt, geboten und nicht geboten ist, einigen können; und in so weit es nicht der Fall ist, gibt es kein Prinzip, sich zu einigen. Überall macht es sich so, daß die, welche in der Kunst heimisch geworden sind, sich zusammenfinden, sich der Übereinstimmung ihres Gefühles und Urteiles nach Hauptsachen erfreuen, in der Nichtübereinstimmung über Einzelnes auf gemeinsamer Grundlage aber eine wechselseitige Anregung finden. So bilden sie, wenn man will, eine Kaste für sich, den Laien gegenüber, die von der Natur her zur Kunst kommen, ohne in ihr eigentümliches Wesen eingedrungen zu sein. Wird die Berechtigung des Urteiles und Gefühles solcher Kenner und Freunde der Kunst von den Laien nicht anerkannt, so müssen sie es sich gefallen lassen; sie behalten doch vor diesen einen Genuß voraus, den diese missen, ein Feld geistiger Anregung, auf welchem diese Fremdlinge bleiben, und spüren keinen Nachteil davon an ihrer allgemeinen und höheren Bildung, finden vielmehr diese selbst dadurch gefördert. Ein feines Gefühl für die Schönheit der Kunst, aus dem Umgange mit ihr selbst erworben, wird auch von selbst Früchte für die Schönheit der Lebensführung tragen.

    Zuletzt ist jedes Kunstwerk eine freie Geistestat: jeder andere Künstler wird nach seiner anderen Individualität die Natur in anderer Weise verlassen und verlassen dürfen; man kann ihn und die Kunst überhaupt nicht in Regeln einzwängen wollen, welche gleich Naturgesetzen binden. Die Schönheit ist etwas Mystisches, und die Kunst, indem sie die Schönheit darzustellen hat, teilt diese Mystik. Sie mit dem Verstande aus ihr wegbringen wollen, heißt ihr Wesen aus ihr wegbringen; diese Mystik anerkennen, ist ein Teil des Verständnisses, sich dieser Mystik hingeben, ein Teil des Genusses der Kunst.

    Waren dies nicht genau die Worte, so war es doch der Sinn der Ansicht meines Kunstfreundes; und läge nicht viel Richtiges darin, so würden nicht so Viele sich faktisch und praktisch dazu bekennen. Aber sollten wir wirklich in unserer Frage bloß auf Autorität und Mystik verwiesen und gar keine Gesichtspunkte angebbar sein, welche hinter die Autorität zurückgehen, auf die sich jede weitgreifende Verirrung des Geschmacks berufen kann? Suchen wir doch bestimmtere Anhaltspunkte in Sachen unserer Frage zu gewinnen, wobei sich Gelegenheit finden wird, auch das Recht der vorigen Betrachtungsweise, so weit solches besteht, anzuerkennen und selbst hervorzuheben.

    Vor Allem nun ist festzuhalten, daß jede Abweichung der Kunst von der Natur noch eines anderen Motivs bedarf, als daß die Kunst überhaupt von der Natur abzuweichen, das Kunstwerk den Stempel des schaffenden Künstlergeistes aufzuweisen habe, um sich als Kunstwerk zu beweisen, da sonst jede Phantasterei in der Kunst gerechtfertigt wäre. Jede Abweichung der Kunst von der Naturwahrheit hat gewisse Nachteile, die nur zu dulden sind, wenn sie durch größere oder höhere Vorteile überwogen werden, wonach es gilt, sich Nachteile und Vorteile klar zu machen. Wird nun auch die letzte praktische Abwägung beider immer Sache des Künstler- und Kennergefühles bleiben, so wird es doch Sache klarer Einsicht sein, die dazu gehörigen Gewichte besonders vor Augen zu haben. Denn so schwer es sein mag, eine Waage sicher zu gebrauchen, ist sie doch gar nicht zu gebrauchen, wenn man nicht einmal die zur Abwägung dienenden Gewichte kennt. Sprechen wir zuerst von den Nachteilen.

    Indem alle Werke der bildenden Kunst etwas über ihre sinnliche Erscheinung hinaus bedeuten und ihren Hauptinhalt in dieser Bedeutung haben (Th. I., Abschn. IX. S. 116), besteht ein Teil der Abweichungen der Kunst von der Natur darin, daß sie uns die natürlichen Mittel zur Anknüpfung gegebener Bedeutungen unvollständig, verkürzt, abgeschwächt wiedergibt, so, wenn die Plastik bei den Statuen die Farbe, die Malerei von den Gestalten das Relief wegläßt, beide von einer ganzen Handlung nur einen Moment geben. Ein anderer Teil der Abweichungen besteht darin, daß uns die Kunst Erscheinungen mit anderer Bedeutung oder andere Erscheinungen für gegebene Bedeutungen bietet, als wir durch die Wirklichkeit außerhalb der Kunst an einander zu knüpfen gelernt haben, so, wenn eine würdige Menschengestalt Gott, eine Taube den heiligen Geist, ein stilisiertes Pferd ein Pferd bedeuten soll.

    Die Nachtheile der Abweichungen erster Art liegen darin, daß danach mit dem sinnlichen Eindrucke zugleich die Anknüpfungspunkte für die Bedeutung dieses Eindruckes abgeschwächt, verkürzt wiedergegeben werden, womit die Kraft und Vollständigkeit des Eindruckes von zwei Seiten zugleich leidet.

    Wenn ich ein Gesicht in Wirklichkeit vor mir sehe, so verraten mir nicht nur die bleibenden sondern auch die wechselnden Züge desselben das Leben der Seele dahinter; das gemalte hat bloß bleibende dafür; und indes der Charakterausdruck einer Gestalt vollständig nur in dem Verhältnis hervortritt, in welchem ihre Teile gegen einander vorspringen und zurücktreten, gibt uns das gemalte Bild hiervon nur einen abflachenden Schein. Die Statue anderseits läßt die Farbe weg, in der doch so viel von Charakteristik und Schönheit der lebendigen Gestalt liegt.

    Die Nachtheile der Abweichungen zweiter Art sind diese. Wir kommen vom natürlichen Leben zur Kunst; aus jenem sind uns die Bedeutungen der Dinge geläufig geworden, nicht aus dieser. Indem nun die Kunst von der natürlichen Ausdrucksweise der Bedeutungen oder natürlichen Bedeutung der Erscheinungen abweicht, empfinden wir entweder einen Widerspruch zwischen der gewollten Bedeutung und dem Ausdruck, der wie jeder Vorstellungswiderspruch mißfällt, oder es entsteht eine Schwäche oder Unsicherheit des Eindruckes, oder wir knüpfen gar eine andere als die vom Künstler gewollte Bedeutung an. Kurz wir sind über die Bedeutung der Erscheinungen durch das natürliche Leben, die Wirklichkeit orientiert, finden uns durch jede Abweichung davon mehr oder weniger desorientiert und unterliegen den davon abhängigen Nachteilen.

    Zu diesen Nachteilen negativer Natur tritt noch der Verlust positiver Vorteile, die unter Umständen durch die treue Wiedergabe zu erreichen wären.

    An wie viele Gegenstande der Wirklichkeit knüpft sich doch für uns ein lebendiges Interesse der Art, daß wir uns gern sei es genau erinnern möchten, wie wir sie gesehen, oder sie genau so zu sagen von Angesicht kennen lernen möchten, wenn wir sie nicht gesehen; und der Kunst vermögen wir diesen Vorteil zu verdanken, wenn sie sich diesen Dank nur verdienen will; aber jede Abweichung derselben von der Natur über das Unvermeidliche hinaus verkürzt den Anlaß zu diesem Danke. Das Beispiel des, durch den alten Meister gefertigten, Kaiserbildnisses legt uns diesen Gesichtspunkt nahe. Selbst Vertreter der idealistischen Richtung möchte es mehr interessieren, dieses getreuliche Konterfei zu sehen, was den Kaiser so menschlich als er war, dargestellt, als ein idealisiertes Schemen desselben, worin der Künstlergeist die Gestalt des Kaisers im Sinne seiner höheren Idee von demselben auszuprägen gesucht, und jedes Fältchen, was nicht zu diesem idealen Kaiser zu passen schien, wegließ. Nun mag man darauf zurückkommen, solche treue Nachbildungen seien vielmehr Sache der Photographie als der Kunst, und man wird in gewissem Sinne Recht haben, nur damit den Vorzug, den die Photographie in gewisser, ich sage damit nicht in aller, Beziehung vor der Kunst vorausbehält, nicht wegbringen. Wirklich ziehen wir deshalb oft die Photographie, bei der wir wissen, woran wir sind, dem Bilde, bei dem wir das nie recht wissen können, vor und möchte es wünschenswert sein, zum besten Bilde von einer uns interessierenden Persönlichkeit noch eine gute Photographie derselben zu haben, stimmt dies schon nicht zu der oft gehörten Äußerung, daß jedes gute Bild uns mehr von dem uns interessierenden Wesen der dargestellten Persönlichkeit gibt, als die beste Photographie. Was aber von diesem Ausspruche richtig ist, hängt nicht sowohl an Abweichungen des Bildes von der Natur, als daran, daß der Künstler einen besonders charakteristischen und glücklichen Moment der Natur, sei es nach der Wirklichkeit selbst oder den Bedingungen der Wirklichkeit, die wir bei Besprechung unserer Frage überall mit zur Natur rechnen, besser wählen, als der Photograph zufällig treffen kann; ja das Sitzen einer Person vor dem photographischen Apparate ist wohl eine der ungünstigsten Bedingungen, den günstigsten Moment treffen zu lassen.

    Ich habe sagen hören, daß man dem Landschafter, der eine wirkliche Gegend zum Motiv seiner gemalten nimmt, selbst mit Rücksicht auf das Interesse, was jemand an der wirklichen nehmen mag, doch Abweichungen davon in so weit gestatten könne, als in der nie ganz scharfen Erinnerung die Abweichungen nicht spürbar werden. Aber im Gegenteil verkürzt er gerade dadurch den Vorteil, den das treue Gemälde bieten könnte, das in der Erinnerung undeutlich Gewordene deutlich herzustellen und aufzubewahren. Ich sage nicht, daß Landschaften in jenem Sinne nicht gemalt werden sollen, insofern Kunstlandschaften überhaupt mehr bestimmt sind, uns schöne Gegenden zu schenken, als an wirkliche zu erinnern; insofern sie aber den Anspruch machen, Letzteres zu tun, haben sie zum Zweck auch das Mittel zu wollen.

    Muß man nicht auch im sprachlichen Gebiete zugeben, daß uns der Inhalt einer Geschichte noch einmal so sehr interessiert, wenn wir wissen, so ist sie geschehen, als wenn wir wissen, so ist sie nicht geschehen; daß bei dem Lesen eines historischen Romanes ein störendes Gefühl der Ungewissheit mitgeht, wie viel wahr und wie viel nicht wahr sei; wohl manchen Roman, der sich den Anschein gab, eine wahre Geschichte zu sein, haben wir aus der Hand gelegt, so wie wir merkten oder erfuhren, er wolle uns nur täuschen. Dieses Interesse an der Wiedergabe der Wirklichkeit steigert sich nach Maßgabe als sie uns näher selbst betraf. Nun kann ein Kunstwerk, wenn schon nicht allein auf dies Interesse spekulieren, soll es den Namen eines Kunstwerkes verdienen, doch unter Umständen einen Teil seiner Wirkung ihm verdanken, hierauf allerdings mit spekulieren.

    Kurz, die Aufbehaltung, Vergegenwärtigung, Wiedergabe dessen, was ins menschliche Leben an irgend einem Punkte bedeutungsvoll eingriff, die Befriedigung des Verlangens, das was uns durch seine Wirklichkeit interessierte, auch für die Erinnerung so wie es wirklich war, treu aufbehalten zu sehen, ist zwar nicht die alleinige, nicht allein zu berücksichtigende, noch höchste, aber in sofern mitzählende Aufgabe der Kunst, als die Wirkung vieler Leistungen der Kunst durch Mitbefriedigung dieses Interesses zur Höhe auch an Stärke gewinnen kann.

    Ganz abgesehen aber von dem so zu sagen stofflichen oder persönlichen Interesse, was jemand an dem Gegenstande einer Kunstdarstellung nehmen mag, macht es dem Menschen an sich ein eigentümliches Vergnügen, die Natur durch freie Tätigkeit des Menschen treu wiedergespiegelt zu sehen, so daß das dadurch gewonnene Spiegelbild ein Interesse haben kann, wenn der Gegenstand selbst keins hat. Über die Natur dieses Vergnügens kann man freilich in Zweifel sein, und an Mehrerlei dabei denken.

    Liegt der Grund in der Freude an der überwundenen Schwierigkeit der treuen Wiederga-be? Und eine Schwierigkeit der treuen Wiedergabe besteht doch. Gewiß ist, daß überhaupt jede Überwindung einer Schwierigkeit durch Wissen, Kraft oder Geschick des Menschen uns ein Gefühl der Bewunderung und hiermit des Gefallens abgewinnt. Zwar läßt sich dagegen einwenden, daß uns ein Kunstwerk gerade am besten gefällt, wenn wir einer überwundenen Schwierigkeit darin gar nicht gewahr werden, es sich vielmehr leicht und wie von selbst gemacht zu haben scheint. Inzwischen wissen wir doch recht wohl, daß das Kunstwerk sich nicht von selbst gemacht hat und hat machen können; und jedenfalls der Kenner findet darin, daß es doch in gewissem Sinne diesen Eindruck macht, den besten und einzigen Beweis, daß die Schwierigkeit wirklich vollständig überwunden ist; auch beim Laien aber könnte ein Gefühl davon unbewußt die Freude an dem Werke mitbestimmen.

    Oder liegt der Grund vielmehr in der Befriedigung eines eingebornen Nachahmungstriebes, der bei Kindern und Wilden noch deutlich genug zu Tage tritt — denn manche sind ja wahre Affen — der zwar später in der Hauptsache von Erziehungseinflüssen und höheren Rücksichten überwogen wird, doch sich noch unwillkürlich bei fehlenden Gegenmotiven geltend macht, wie wenn wir bei Schilderung einer Bewegung sie unwillkürlich gestikulierend nachahmen, der Kegelschieber ein Stück hinter der Kugel herläuft u. s. w., auch wohl noch in der Macht der Mode erkennbar ist, und überhaupt beiträgt, Gemeinsamkeiten in der Menschheit zu erzeugen? Könnte nun nicht der eingeborene instinktive Trieb zur Nachahmung mit einem eben so instinktiven Gefallen daran in Beziehung stehen, was wenn auch von vorn herein weniger rege und leichter von Gegenmotiven überwuchert als der Trieb, doch bei recht vollkommener Nachahmung zum Durchbruch käme.

    Ich erinnere mich noch aus meiner Studentenzeit, wo ich ein Kollegium der Physik bei Prof. Gilbert hörte, wie derselbe, mit der Kreide vor der schwarzen Tafel stehend und sich auf einem Beine hin- und herwiegend, jede Bewegung, von der er sprach, aufwärts, abwärts, horizontal, geradlinig, krummlinig, schwingend, schnell, langsam mit einem entsprechenden Kreidestrich auf der Tafel begleitete, so daß nach manchen Stunden die ganze Tafel mit einem kunterbunten Gemisch solcher Kreidestriche durchsetzt war.

    Oder endlich: liegt der Grund in dem nicht minder eingeborenen Gefallen an Wahrheit, Widerspruchslosigkeit, drohendem Widerspruch gegenüber? Von einer Seite besteht die Voraussetzung, daß das Bild seinem Gegenstande gleiche; und je nachdem dieser Voraussetzung durch die Vorstellung, die das wirkliche Bild erweckt, widersprochen oder entsprochen wird, kann nach dem, im VII. Abschnitte besprochenen, Prinzip Unlust oder Lust entstehen.

    Vielleicht tragen alle diese Gründe zum Gefallen an der gelungenen Nachahmung bei; gewiß jedenfalls der letztere. Und da mit der Schwierigkeit genauer Nachahmung die Gefahr des Widerspruches wächst, so wird natürlicherweise auch das Gefallen an der Überwindung der Gefahr damit wachsen, also der erste Grund mit dem letzten in Eins zusammengehen. Doch überlassen wir der Psychologie, genauer auszuklügeln, was das Hauptbestimmende bei dem Gefallen an gelungener Nachahmung ist, und halten uns hier einfach an die Tatsache.

    Schon Hogarth weist auf dieselbe und ihre Gründe hin, indem er sagt (Zergliederung der Schönheit, S. 4): "Es steckt wirklich in unserer Natur von Kindheit an eine Liebe zur Nachahmung, und das Auge wird oft durch Nachäffung vergnügt sowohl als auch in Erstaunen gesetzt, und ergötzet sich an der Genauigkeit der Kopien."

    In der Tat erscheint es uns das Lustigste, was es gibt, die Stimme und Gebärden eines Menschen durch einen Anderen genau nachgeahmt zu sehen, so lange wir nicht unser moralisches Gefühl durch die Absicht des Spottes dabei verletzt finden; ja das so zu sagen instinktive Gefühl der Lust an der gelungenen Nachahmung kann selbst die moralische Unlust an dem Zwecke derselben so überbieten, daß wir sie uns gefallen lassen, wenn der Spott nicht gar zu bösartig ist. Warum aber sollte das Gefallen an gelungener Nachahmung, was sich außerhalb der Kunst geltend macht, nicht auch in der Kunst sich geltend machen? Und wozu die Frage! Fraglos macht es sich geltend.

    Denn wer möchte in Abrede stellen, gibt er sich anders klare und unbefangene Rechenschaft von den Gründen seines Eindruckes, daß die Lust, einen Schauspieler zu sehen, der seine Rolle ganz aus dem Leben greift, das Gefallen an einem niederländischen Genrebilde, was eine Schenkenszene getreu nach den Bedingungen der Wirklichkeit auf der Leinewand wiederspiegelt, an einer Landschaft, in welcher der Natur ihre feinsten Tinten abgelauscht sind, wesentlich mit — ich hüte mich wohl zu sagen, allein auf der Freude an der gelungenen Nachahmung der Natur beruht, nicht bloß darauf beruht, daß eine interessierende Szene uns vorgeführt wird, da uns vielmehr die Szene in der Natur selbst oft wenig interessieren würde, auch nicht bloß auf der stilvollen Behandlung derselben, da sich vielmehr der Stil sehr zu hüten hat, nicht Abänderungen zu treffen, wodurch diese Freude zu sehr verkürzt wird. Wenn es aber Bilder gibt, worin sie doch sehr verkürzt ist, so müssen sie es, um noch zu gefallen und Gefallen zu verdienen, durch andere Vorzüge vergüten, wie umgekehrt der Mangel anderer Vorzüge teilweise durch den hier betrachteten vergütet werden kann. Alles darauf zu geben, fällt uns ja nicht ein.

    Mag man nun auch diesem Vergnügen an sich selbst, so wie es sich außerhalb der Kunst beweist, keine hohe Bedeutung beilegen, und der Kunst nicht zumuten, es nackt für sich zu erzeugen, so ist es mit diesem wie mit anderen Elementen oder Bedingungen des Gefallens, deren sich die Kunst zur Hervorbringung einer gefallenden Totalwirkung bedient, die auch für sich kein Kunstwerk geben, und doch nach dem Hilfsprinzipe im Zusammenwirken mit anderen und Eingehen in höhere Bedingungen des Gefallens mächtig zur Steigerung desselben im Ganzen beitragen. So auch, indem die gelungene Naturnachahmung sich mit anderen Elementen des Gefallens verbindet, etwa beiträgt, eine, wenn selbst an sich nur wenig wertvolle oder interessierende Idee anschaulich auszuprägen, vermag sie das Gefallen zugleich durch ihren eigenen Lustwert zu erhöhen und zwar mehr zu erhöhen, als nach ihrem Lustwert für sich vorauszusetzen.

    Auch würde es unrecht sein, zu sagen, daß man das Gefallen an der gelungenen Nachahmung der Natur erst absondern müsse, um die reine Kunstfreude zu haben; es gehört vielmehr ganz eigentlich dazu; und jeder Kenner wie Laie wird bei seiner Schätzung eines Kunstwerkes dadurch mitbestimmt, ja oft hauptsächlich dadurch bestimmt.

    Natürlich kann uns die Natur selbst das betreffende Vergnügen nicht machen, weil eben erst die Nachahmung der Natur es macht; und hierin liegt ein Vorteil der nachahmenden Kunst vor der dadurch nachgeahmten Natur selbst, den ich als solchen nicht nur von den Idealisten ganz verkannt, sondern überhaupt fast niemals recht gewürdigt finde, indem auch die Realisten, welche das Wesen der Kunst hauptsächlich in Nachahmung der Natur suchen, den Wert der Nachahmung vielmehr nur im Werte der abgespiegelten Natur als in dem Werte der Abspiegelung suchen, oder beides wenigstens nicht klar als unterscheidbare Momente vor Augen haben. 6) Sagt doch Herbart (Ges. W. II. 111), um der Nachahmung der Natur durch die Kunst den ästhetischen Wert abzusprechen: "Die Nachahmung ist höchstens eben so schön als das Urbild." Im Gegenteil kann vielmehr ein Schauspieler die Rolle eines Bösewichts oder Narren sehr schön geben; man muß nur berücksichtigen, daß die Schönheit einer künstlerischen Darstellung sich nicht bloß nach der Beschaffenheit und den eigenen Verhältnissen ihres Gegenstandes, sondern auch nach dem Verhältnisse der Darstellung zum Gegenstande richtet, und sie nicht nach einem doktrinären Begriffe von ihrem Wesen, sondern dem im Leben gültigen von ihrer Leistung beurteilen.

6) Nur bei Burke (Vom Schönen und Erhabenen S. 71) erinnere ich mich, einer klaren Unterscheidung und richtigen Würdigung in dieser Beziehung begegnet zu sein, indem er sagt: "Wenn der im Gedicht oder im Gemälde vorgestellte Gegenstand so beschaffen ist, daß wir keine Begierde haben würden ihn zu sehen, wenn er wirklich wäre: dann rührt seine Kraft im Gemälde oder dem Gedicht lediglich von der Kraft der Nachahmung her und von keiner in dem Dinge selbst wirkenden Ursache. So verhält es sich mit den meisten solchen Stücken, die die Maler die stille Natur nennen. In diesen ist eine Hütte, ein Misthaufen, sind die niedrigsten und gemeinsten Küchengeräte vermögend, uns Vergnügen zu machen."
 
 
    Durch welches Motiv immer die Kunst veranlaßt werden kann, von der Naturwahrheit abzuweichen, so trägt deren Verletzung an sich selbst überhaupt nirgends etwas zum Gefallen bei; vielmehr befriedigt jedes Kunstwerk um so mehr, je mehr die treue Nachahmung der Natur noch mit den durch die Kunst bezweckten höheren Vorteilen vereinbar ist, nur daß diese Vereinbarung nicht über gewisse Grenzen hinaus reicht.

    Und was ist es nun, was die aufgezählten mannigfachen Nachteile der Abweichung der Kunst von der Natur so weit zu kompensieren und selbst zu überbieten vermag, daß eine Kunst gegenüber der Natur nicht nur bestehen, sondern nach gewissen Beziehungen sie zu ergänzen, nach anderen zu übertreffen vermag?

    Mit einer einfachen Phrase aus den Begriffen der Kunst und Schönheit heraus wird sich die Antwort wieder nicht geben lassen; sondern wie die Nachteile werden die gegenüberstehenden Vorteile in Betracht zu ziehen sein, da sie zum Teil gar nicht auf einander zurückführbar sind, und die Konflikte derselben mit den Nachteilen sich nicht verstehen und klären lassen, wenn man nicht auf jene in entsprechender Weise als auf diese im Besonderen eingeht. Vor Allem aber ist einer wichtigen Selbsthilfe der Kunst jenen Nachteilen gegenüber zu gedenken.

    Die Nachteile, welche davon abhängen, daß wir von vorn herein nur im natürlichen Leben, nicht im Kunstleben heimisch und orientiert sind, lassen sich, wenn nicht ganz aufheben doch dadurch mindern, daß wir uns im Kunstleben heimisch machen, wodurch eine neue Orientierung entsteht, welche die natürliche Orientierung bis zu gewissen Grenzen ersetzen kann. In dieser Hinsicht wie noch nach anderen Hinsichten haben die Kenner allerdings ganz Recht, daß der Mensch durch Kunst zum Genusse der Kunst, zum Urteil über Kunst, erzogen werden müsse. Das Leben in der Kunst muß in der Wirkung der Kunst notwendig in Rechnung gebracht werden, sonst vernachlässigt oder unterschätzt man einen Hauptfaktor dieser Wirkung.

    In der Tat, durch das Leben in der Kunst lernen wir Bedeutungen, welche die Kunst gewissen Formen geradezu oktroiert, fast eben so geläufig daran knüpfen, als an die Formen der Natur, und lassen uns selbst die größten Naturwidrigkeiten, wie Centauren, Minotauren, Sirenen, Sphinxe, Satyrn mit Bocksfüssen, Gestalten über den Wolken, Engel mit Flügeln, marmor- und gipsweiße Statuen, gefallen, ohne dadurch gestört zu werden. Gehören sie nicht in die natürliche Welt, so gehören sie eben in die Kunstwelt, und haben darin ihre Leistungen so gut als die natürlichen Geschöpfe in der natürlichen Welt; Leistungen, ohne welche die Kunst manche ihrer höheren Aufgaben gar nicht erfüllen könnte. Aber nur in der Kunst selbst lernt man sich damit befreunden, indem man ihre Bedeutung darin verstehen lernt oder einfach, sich an gegebene Bedeutungen derselben gewöhnt. Und eben so kommt man bald dahin, der Kunst Alles zu erlassen und nichts zu vermissen, was ihr zu leisten unmöglich oder nur zu schwer fällt; anderseits Freude an der Überwindung von Schwierigkeiten zu finden, welche der in die Kunst Uneingeweihte nicht kennt, so wie an dem historischen Fortschritte in dieser Überwindung, den er eben so wenig kennt. Aus all’ dem aber erwächst dem Kunst-Freunde und Kenner ein wesentlich anderer Maßstab der Schätzung eines Kunstwerkes, als nach dem bloßen Grade seiner Übereinstimmung mit einem Naturwerk, der zusammen mit dem stofflichen Interesse den alleinigen oder Hauptmaßstab für den in die Kunst Uneingeweihten bildet.

    Jedoch besteht nicht darin die rechte Bildung durch die Kunst für die Kunst, noch die rechte Gewöhnung, sich überhaupt irgendwelche Naturwidrigkeiten von ihr gefallen zu lassen, da vielmehr die Gewöhnung eben so gut eine schlechte als eine rechte sein kann, sondern erstens sich die notwendigen gefallen zu lassen, zweitens die nicht notwendigen gefallen zu lassen, welche wesentliche Vorteile einbringen; sonst würden trotz der Gewöhnung Nachteile aus folgenden Gesichtspunkten bleiben.

    Erstens: Bedeutungen, welche die Kunst uns oktroiert, stehen im Konflikt mit solchen, welche wir aus dem natürlichen Leben schöpfen, notwendig an Kraft gegen diese zurück, da wir in der Natur in der Regel, in der Kunst nur ausnahmsweise leben, und erfahren selbst im Zusammenhange der Kunstbetrachtung eine stille Gegenwirkung von denselben. Zweitens: die Gewöhnung, uns gewisse Abweichungen von der Natur gefallen zu lassen, kann zwar das Mißbehagen heben oder mindern, was aus Verletzung der Naturwahrheit erwächst, aber uns für den Verlust des Vergnügens, was uns die treue Wiedergabe der Natur macht, nicht entschädigen. Drittens: Abweichungen der Kunst von der Natur, die auf keinen haltbaren Motiven beruhen, d. h. keine Vorteile einbringen, welche die Nachteile vergüten, können zwar in einer gewissen Schule, einem gewissen Volke, durch eine gewisse Zeit geduldet, geläufig und genehm werden, aber können sich nicht allgemein und auf die Dauer in der Kunst halten, weil ein Prinzip der Gemeinsamkeit und Haltbarkeit fehlt. Ein darauf eingerichteter Geschmack behält also statt objektiver Berechtigung nur subjektive Gültigkeit und die Schätzung der Kunstwerke, die demselben huldigen, ist vergänglich.

    Demnach wird die Kunst zwar mit darauf fußen können, ja müssen, daß das Leben in der Kunst die Nachteile ihrer Abweichungen von der Natur bis zu gewissen Grenzen zum Verschwinden bringt; aber unversöhnte Nachteile würden bleiben, wenn sie nicht dieselben mit positiven Vorteilen überböte.

    Am wenigsten aber entgehen diesen Nachteilen Künstler, welche entweder kein Bewußtsein derselben haben oder keine Nachteile darin sehen; und zum Beweise, daß es nicht an solchen fehlt, will ich von genug zu Gebote stehenden Beispielen nur ein von gewisser Seite eben so niedliches als von der andern krasses anführen. 7)

7) Dioscuren 1861. S. 158.
 
 
    Der bekannte Landschaftsmaler Ed. Hildebrandt hatte in seinem großen Landschaftsbilde, benannt "Am Weiher" einigen am Wasser stehenden Störchen widernatürlich dicke Beine gegeben. Als man ihn darauf aufmerksam machte, und es "unnatürlich" fand, erwiderte er: "Ich weiß sehr wohl, daß die Störche in der Wirklichkeit dünnere und auch längere Beine haben, aber was kann ich dafür, daß die Natur dies getan? Man kann von mir nicht verlangen, daß ich ihre Fehler nachmache."

    Wie man nun auch sonst Schönheit definieren mag, jedenfalls soll ein möglichst reines Wohlgefallen dadurch erzeugt werden. Jeder aber wird zugeben, daß die Unlust aus dem Widerspruche zwischen der Erscheinung der Beine und der Bedeutung als Storchbeine oder aus der Unsicherheit über die Bedeutung ob Storch oder nicht Storch, hier jeden Lustvorteil überbieten mußte, den man etwa durch eine an sich schönere Form des Storchs, sollte auch eine solche durch Verdickung seiner Beine erzielbar sein, erlangen konnte.

    Indem wir uns nun zu den positiven Vorteilen, welche durch den Nachlaß von der vollen Naturwahrheit erreichbar sind, wenden, steigen wir dabei von mehr äußerlichen und niederen zu mehr innerlichen und höheren auf.

    Die Natur bietet uns wegen der Unmöglichkeit oder Schwierigkeit, einen Gegenstand oder ein Ereignis aus einem Raum, einer Zeit in die andere zu versetzen, der Anschauung unzählige Schwierigkeiten dar, welche sich durch die Kunst bis zu gewissen Grenzen überwinden lassen, indem sie den Gegenständen leicht transportable, aus beliebiger Nähe zu beschauende, leicht zu vervielfältigende, Abbilder substituiert, und von den in der Wirklichkeit flüchtig vorübergehenden Ereignissen den interessantesten oder wertvollsten Moment festhält. Das Alles aber kann nur geschehen, indem sie von der Naturwirklichkeit die eine oder andere Seite Preis gibt, Großes ins Kleine zieht, die Tiefe auf die Fläche projiziert, die Bewegung auf den Moment reduziert, das pulsierende Leben auf die tote Leinewand oder in den starren Stein bannt. So kann man eine wirkliche Landschaft nicht ins Zimmer hängen, die entfernte nicht herbeizaubern, den günstigsten Standpunkt dazu nicht so leicht finden, dem Moment schönster Beleuchtung keine Dauer verleihen; die gemalte Landschaft gewährt uns mit Allem, worin sie gegen die natürliche zurücksteht, diese großen Vorteile vor derselben; und von welcher Masse interessanter Szenen sieht man die interessantesten Momente in den Räumen eines Museum für immer aufbehalten.

    Das sind in der Tat nur äußere aber immerhin sehr wichtige Vorteile der Kunst, die allein schon hinreichen würden, sie mit allen ihren notwendigen Unvollkommenheiten zu rechtfertigen, und wodurch wirklich viele möglichst getreue Nachahmungen der Kunst gerechtfertigt werden, bei denen die Kunst eben nichts von Naturwahrheit Preis gibt, als was sie wegen Unzulänglichkeit ihrer Mittel nicht erreichen kann oder wegen verhältnismäßig zu großer Kosten an Zeit, Raum, Mühe, Mitteln zu erreichen verzichtet. Zu solchen möglichst getreuen Naturnachahmungen gehören nicht nur die Illustrationen von naturgeschichtlichen und ethnographischen Werken, sondern auch Veduten von Gegenden und Portraits von Personen, bei denen es uns mehr interessiert, möglichst genau zu wissen, wie sie sind als wie sie ein Künstler aus höheren Schönheitsrücksichten hat darstellen wollen. Gehört nun auch all’ das noch nicht ins höhere Kunstgebiet oder Kunstgebiet in dem engern Sinne, von dem man sprechen kann, so gehen doch die meisten vorigen Vorteile beim Eintritt in dasselbe nicht verloren, sondern treten mit hinein, verdienen also auch im engeren Kunstgebiete keinesfalls unterschätzt zu werden. Fragt man aber endlich nach den höheren Vorteilen, die durch freiere Abweichungen erreichbar sind, so werden wir nicht nur nichts Falsches sagen, sondern es auch mit ziemlich hergebrachten Ausdrücken sagen, wenn wir antworten:

    Die Kunst kann uns dadurch, daß sie den sklavischen Anschluß an die Natur aufgibt, in eine höhere, reinere, klarere Welt erheben, als die gemeine Wirklichkeit, in eine Welt, worin das Wesen, die Idee, die reine Natur der Dinge, die in der Wirklichkeit nur getrübt, gestört, verworren, unvollkommen oder gar nicht sichtbar ausgeprägt erscheint und Seitens der Wissenschaft nur der verstandesmäßigen Einsicht unterliegt, uns unmittelbar anschaulich entgegenleuchtet, in einer Form entgegenleuchtet, welche den Geist leicht anspricht, zu wohltuender Betätigung anregt und unmittelbar mit Lust erfüllt. Damit gewinnen wir auf Kosten der Naturwahrheit, was man höhere Wahrheit nennen kann und nennt. Nur bedarf eine solche Zusammenfassung der ganzen höheren Leistung der Kunst in wenig Worte noch einer genaueren Auslegung und Ausbreitung des Allgemeinen in das darunter befaßte Besondere. Beschränken wir uns auf die Hauptpunkte in dieser Hinsicht.

    Die Natur bietet uns Vieles, was durch ursächliche, teleologische, ethische, gemütliche, begriffliche, kurz ideelle Beziehungen irgend welcher Art verknüpft ist, so in Zeit und Raum auseinanderliegend oder so durch andere Gegenstände verdeckt oder durch Zufälligkeiten und Nebendinge gestört dar, daß diese Beziehungen sich in der Anschauung nicht leicht noch rein, wenn überhaupt geltend machen können. Insofern es aber ein Interesse oder einen Wert für die Menschen haben kann, sich dieser Beziehungen der Wirklichkeit geistig zu bemächtigen, kann die Kunst dadurch, daß sie die Gegenstände der Wirklichkeit in dem gemäß abgeänderter Weise zusammenstellt, zusammenzieht, von Hindernissen der Anschauung, störenden Zufälligkeiten, unwesentlichen Nebendingen und unwichtigen Details frei darbietet, jenem Bedürfnisse entgegenkommen.

    Die Kunst kann ferner dadurch, daß sie Dinge der Wirklichkeit vielmehr so darstellt, wie wir wünschen möchten, daß sie wären oder wie sie sein sollten, als wie sie wirklich sind, uns Musterbilder vor Augen stellen, deren Betrachtung uns teils an sich Genuß gewährt, teils unsern Sinn veredelt und unser Streben in gutem Sinne richtet; von anderer Seite dadurch, daß sie das Böse der Gerechtigkeit anheimfallend, unverschuldetes Leid sich versöhnend darstellt, unserer Ansicht von einer guten und gerechten Weltordnung dienen.

    Die Kunst kann endlich dadurch, daß sie Gegenstände, die zwar nicht in der Welt der äußeren Wirklichkeit wohl aber in der des religiösen Glaubens oder auch nur des Mythos oder Märchens existieren, veranschaulicht, dem öffentlichen Kultus und der Privatandacht Hilfe bieten, die Schönheitsforderung durch Formen, die in der gemeinen Wirklichkeit nicht zu finden, befriedigen, die Phantasie ernst oder anmutig beschäftigen, und kann selbst die trockene und langweilige Darstellung allgemeiner Begriffe und Ideen in Worten durch Bilder ersetzen.

    In Besprechung dieser Verhältnisse spielen drei Begriffe eine Hauptrolle, indem sie die Hauptabweichungen der Kunst von der Natur, wodurch die Kunst ihre höheren Vorteile erreicht, aus verschiedenen, sich ergänzenden Gesichtspunkten bezeichnen und dadurch zu Angelpunkten werden, um welche sich die ganze höhere Kunstbetrachtung dreht, die Begriffe des Stilisierens, Idealisierens und Symbolisierens, Begriffe, welche weder in der Betrachtung der Natur noch der sog. nützlichen Künste Anwendung finden. Hierauf näher einzugehen, wird einigen späteren Abschnitten vorbehalten sein. Vorläufig nur einiges ganz Allgemeine.

    So groß die Vorteile sind, welche die Kunst nach den genannten Beziehungen über die reine Naturnachahmung hinaus zu erreichen vermag, darf man doch nicht vergessen, daß ein Konflikt mit den Nachteilen der Abweichung stets bestehen bleibt. Mag also die Kunst stilisierend, idealisierend, symbolisierend von der Natur abweichen, wird es doch nur so weit geschehen dürfen, als es zur Erlangung der Vorteile notwendig ist und als diese in Übergewicht gegen die Nachteile bleiben; ja die Abweichung von der Natur wird so viel als möglich im Sinne der Natur selbst geschehen müssen. Die Kunst mag geflügelte Engel darstellen, weil sie sonst die himmlische Herrlichkeit und Botschaften Gottes an die Menschen nicht darzustellen vermöchte; aber sie wird die Flügel, das Schweben und Fliegen so natürlich als möglich darstellen müssen. Sie wird einem Jupiter, einer Venus eine Gesichtsbildung und Züge geben dürfen, wie sie nirgends in der Wirklichkeit gefunden worden sind noch zu finden erwartet werden können, aber doch nur solche, welchen die Natur um so näher kommt, je erhabenere und schönere Persönlichkeiten sie darstellt, und die auch, kämen sie wirklich in der Natur vor, den Eindruck der erhabensten und schönsten Persönlichkeiten machen würden. Sie wird in der Detailausführung eines Gemäldes von der Naturwahrheit nachlassen dürfen; aber nur so, daß der naturwahre Gesamteindruck dadurch vielmehr gewinnt als verliert. Sie wird von einer Szene jede Zufälligkeit absondern dürfen, welche die Auffassung des Gehaltes der Szene, um den es uns zu tun ist, stört, alle Gestalten so stellen und gruppieren dürfen, daß wir uns des Sinnes der ganzen Szene leichter als in der Wirklichkeit bemächtigen können, aber es doch nicht anders dürfen, als es die Wirklichkeit selbst tut, wenn sie uns einmal etwas recht klar und deutlich vor Augen stellt; nur daß die Kunst das, was die Natur bloß ausnahmsweise bald bloß nach dieser, bald nach jener Seite tut, als Regel nach allen Seiten zugleich tut und doch nicht weiter tut, als es die Natur im günstigsten Falle auch vermöchte.

    Mit all’ dem freilich wird die Kunst, wenn sie Gott oder als göttlich gedachte Persönlichkeiten u. s. w. darstellen will, weit hinter der Idee zurückbleiben und dadurch in relativen Nachteil Kunstwerken gegenüber geraten, welche einer an sich niedrigeren Idee vollständiger mit naturwahrer Darstellung gerecht zu werden vermögen. Gewiß ist, daß der Eindruck des eigentümlichen Genügens, welchen die besten realistischen Darstellungen von Gegenständen und Szenen, die noch ganz ins Gebiet der Wirklichkeit gehören, in dieser Hinsicht machen, von idealistischen Darstellungen, welche sich mit überwirklichen Gegenständen befassen, nicht erreicht werden kann. Wogegen realistische Darstellungen von menschlich noch so sehr interessierenden Szenen mit ihrem Anschlusse an die Naturwahrheit die Tragweite und Höhe des Eindruckes nicht erreichen können welchen die besten idealistischen machen, und keiner gleichen Durchbildung der Schönheit im Einzelnen Raum geben; was nicht hindert, daß manches kleine Genrebild einem großen religiös-historischen Gemälde aus obigem Gesichtspunkte in der Schätzung den Rang abläuft. Ja könnten die Gegenstände religiöser Andacht adäquat dargestellt werden, wer möchte ein Genrebild dagegen hoch schätzen; aber der ungeheure Nachteil in dem das religiöse Bild in Betreff der Möglichkeit wahrer Darstellung seines Gegenstandes gegen das Genrebild steht, kompensiert in gewissem Sinne den ungeheuren Vorteil, in dem es gegen dasselbe durch den Wert der dargestellten Idee steht. Da nun die Kunst in derselben Richtung nicht alle Vorteile zu vereinigen vermag, muß man ihr gestatten, sie in der Gesamtheit der Richtungen zu erreichen; und wenn beide Richtungen einander scheele Blicke zuzuwerfen pflegen, verdienen es beide eigentlich nur dadurch, daß sie es tun.

    Eine der einfachsten und allgemeinsten Regeln, die man dem Künstler in Sachen unserer Frage geben kann, ist die, daß er die Wirklichkeit mit seinen Formen nur in so weit überschreite, als er sie mit einer zur Darstellung berechtigten Idee überschreitet, daß er aber auch jenes tue, sofern er dieses tut. So selbstverständlich diese Regel scheint, indem es nur die Regel ist, Darstellungs-Stoff und Form einander angemessen zu halten, gibt es doch kaum eine Regel, die häufiger verletzt wird, namentlich von erster Seite. Denn nach dem mißverstandenen Prinzip, daß die Kunst Darstellung des Schönen sein solle, meinen viele Künstler, die unschöne Natur verschönert wiedergeben zu müssen, ohne zu bedenken, daß sie damit einen Widerspruch mit der Wahrheit heraufbeschwören, der, rücksichtslos auf Schönheit oder Unschönheit des Gegenstandes, der Schönheit seiner Darstellung Abbruch tut. Nicht minder, nur von anderer Seite her, wird aber die Wahrheit verletzt, wenn überwirkliche Gegenstände in Formen gemeiner Wirklichkeit dargestellt werden. Im Sinne des ersten Fehlers sahen wir Hildebrandt die Storchbeine verdicken und verkürzen, und sehen wir in den meisten Bildern sog. großen ja oft selbst kleinen Stils gemeines Volk in schönen neuen Kleidern, mit idealen Gesichtstypen und in möglichst anmutigen Stellungen dargestellt. Man nennt das wohl auch höhere Wahrheit, was vielmehr höhere Unwahrheit ist. Den zweiten Fehler doch meist mehr aus Ungeschicklichkeit als Prinzip begangen, bieten manche ältere Bilder dar, sofern Gott Vater, die Madonna, das Christkind darin mit gemeinen, ja häßlichen Zügen erscheinen.

    In erster Beziehung ist freilich ein Konflikt zu berücksichtigen. Die Lust aus direkter Anschauung von Schönheit und Anmut dessen, was wir vor uns sehen, kann die Unlust aus dem Widerspruche, der in Verletzung der Wahrheitsforderung liegt, überbieten, zumal, wenn die Kunstgewöhnung solchen nicht mehr fühlbar macht; und in der Tat hat Kunstgewöhnung uns in dieser Hinsicht viel vertragen gelehrt, fraglich ob nicht zu viel, und ob nicht eine künftige Kunstgewöhnung die jetzige in dieser Hinsicht rektifizieren wird. Man traue doch der jetzigen nicht gar zu sehr, und sollte überhaupt mehr als es geschieht, überlegen, ob nicht Manches, was man für Sache der Kunstberechtigung hält, nur Sache einer Kunstgewöhnung ist, die besser durch eine andere vertreten würde. Es frommt der allgemeinen Geistesbildung nicht, den an sich berechtigten höheren Reiz, der in anschaulicher Erfüllung der Wahrheitsforderung liegt, dem Reize an sich schöner aber unwahrer Formgebung nachzusetzen; wer sich daran gewöhnt, büßt dadurch an Empfänglichkeit selbst für jenen Reiz ein, und verliert im Ganzen mehr und Besseres als er durch die falsche Gewöhnung von anderer Seite gewinnt. Mit all dem aber bleibt folgender Gegenrücksicht Raum.

    Die Wahrheitsforderung ist der Kunst mit der Wissenschaft gemein, aber für beide von verschiedenem Gewicht. In der Wissenschaft ist ihre Erfüllung wesentlicher Zweck und um jeden Preis von ihr anzustreben, mag sie gefallen oder nicht gefallen; der Kunst ist sie nur ein Hauptmittel zum Zweck, was nie anders als nach untergeordneten Beziehungen anderen Mitteln weichen sollte, doch wirklich nach solchen einer Übermacht anderer weichen darf. Zuzugestehen ist, daß eine bestimmte Grenze in dieser Beziehung nicht festzustellen ist; man kann eben nur im Allgemeinen sagen, es muß dann geschehen, wenn Vorteile der Verletzung ihre Nachteile überwiegen. Das kann sich für verschiedenen Geschmack verschieden stellen, und gehört zu den Fällen, wo es nicht leicht oder möglich ist, über die größere oder geringere Berechtigung des einen oder anderen Geschmackes zu entscheiden. (Vgl. Th. 1. S. 258.); indes man sich doch immer der dabei abzuwägenden Gründe bewußt werden kann. Wiederholt werden wir bei unseren künftigen Betrachtungen hieran erinnert werden; aber betrachten wir zunächst nur ein Beispiel.

    In der Pieta von Michel Angelo hält eine sitzende Madonna den Christus-Leichnam auf dem Schoße liegend. In der Pieta von Rietschel hat eine kniende Madonna den Christusleichnam gerade vor sich liegen. Beide Werke lassen sich im Leipziger Museum gut vergleichen, indem sie sich an den entgegengesetzten Enden des Saales gegenüberstehen. Beides sind Werke von großer Schönheit, jedes nur in anderem Sinne, worauf hier nicht ausführlich einzugehen, um nur folgenden Punkt ins Auge zu fassen. Trotz dem, daß das Verhältnis des Christus zur Madonna in der Pieta von R. naturwahrer als in der von M. A. ist, wird man es doch in letzterem Werke entschieden schöner als in ersterem finden, indem der Vorteil der Naturwahrheit dort durch andere Vorzüge hier überwogen wird. In der Pieta von R. ist der Christus-Leichnam der eines voll ausgewachsenen Mannes, welcher sein natürliches Größenverhältnis zur Madonna hat. In der Pieta von M. A. aber ist der Leichnam der eines nicht recht vollwüchsigen Mannes, welcher gegen die Größe der Madonna etwas zurücksteht, was naturwidrig ist. Aber mit dieser Naturwidrigkeit erkaufte sich M. A. den Vorteil, den Leichnam auf den Schoß der Madonna legen zu können, die Madonna dadurch in das innigste Verhältnis zu ihm setzen zu können, was an ihr erstes mütterliches Verhältnis zu ihm erinnert und gegenteils dem Leichnam über den Knien eine bewegte Lage geben zu können, wogegen die starre Ausstreckung des Christus-Leichnams vor der R.’sehen Pieta sehr in Nachteil steht. Es ist wie Fluß gegen Eis. Man findet in der Tat das Verhältnis in der Pieta von M. A. so schön, daß man über die dabei unterlaufende Naturwidrigkeit wegsieht, ohne dadurch gestört zu werden, wozu freilich zweies mit gehört, erstens, daß die Verjüngung des Christus sehr maßvoll gehalten ist, zweitens, daß man in dieser idealen Sphäre überall gewöhnt ist, von den Forderungen an strenge Naturwahrheit nachzulassen. Weder aber hätte der Christus-Leichnam sehr viel kleiner sein dürfen, wenn sich nicht die Störung entschieden geltend machen sollte, noch die verhältnismäßige Größe des Christus-Leichnams der R.’schen Pieta haben dürfen, um nicht der Madonna eine zu schwere Last aufzubürden und das Nehmen des Leichnams auf den Schoß selbst widernatürlich erscheinen zu lassen. Die Pieta von M. A. möchte ich überhaupt reicher an Schönheit und diese Schönheit romantischer nennen, als die der Rietschel’schen Pieta, indes in dieser die Schönheit so zu sagen in eine einfache Natürlichkeit, Würde und Tiefe gekleidet ist, die auch ihren Wert hat. Wer aber kann solche Werke überhaupt mit ein paar Worten erschöpfen wollen.

    Schließlich noch folgende Bemerkung. Es kann sein, daß die allgemein geläufige Vorstellung derer, auf die ein Kunstwerk zu wirken hat, von der wissenschaftlichen, objektiv richtigeren, aber auch nur in wissenschaftlichem Zusammenhange, auf Grund wissenschaftlicher Studien zur Geltung kommenden, Vorstellung des dargestellten Gegenstandes abweicht. In sofern es nun der Künstler nicht für seine Aufgabe hält, noch als Künstler dafür zu halten hat, die wissenschaftliche Vorstellung zu stützen, die gemeine zu berichtigen, wird er seines Zweckes verfehlen, wenn er sich in seiner Darstellung vielmehr an die wissenschaftliche als geläufige Vorstellung hält, indem der Vorstellungswiderspruch, den er vermeiden soll, vielmehr dadurch entsteht. In der Tat kommen Konflikte der Art vor, und es wird Gelegenheit sein hierauf zurückzukommen.

    Als der vorstehende Abschnitt schon zum Druck gegeben war, kam mir erst das kürzlich erschienene Schriftchen von Konrad Fiedler "Über die Beurteilung von Werken der bildenden Kunst, Lpz. Hirzel 1876", zur Hand, was mir dadurch ein eigentümliches Interesse erweckt hat, daß es so zu sagen in jedem Punkte den, in diesem und so manchen früheren Abschnitten aufgestellten, Ansichten widerspricht. Nun rührt das Schriftchen von einem, nicht nur privatim in Kunstkreisen sehr geschätzten und selbst die Kunst fördernden, Kunstfreunde und Kenner her, sondern ist auch, wie mir bekannt, von anderen Kennern wie Künstlern in günstigster Weise aufgenommen worden, und hat eine uneingeschränkt rühmende Besprechung in der Augsb. allg. Zeit. 1876. Beil. No. 68 erfahren, ja wird darin als von fundamentaler Bedeutung für die Kunstbetrachtung erklärt; begegnet sich auch wesentlichst mit den Ansichten jenes anderen Kunstfreundes, deren ich oben gedachte; und gibt mit all’ dem einen nicht uninteressanten Beitrag zur Charakteristik der jetzt herrschenden Kunstansichten. Also mögen wenigstens einige Vergleichspunkte mit unseren eigenen Ansichten, worin sich der Gegensatz besonders geltend macht, einfach aus dem Schriftchen hervorgehoben werden, da sich eine vollständige Analyse desselben hier nicht geben läßt.

    Auch nach dem Verf. lassen sich die Abweichungen der Kunst von der Natur nur aus der Kunst selbst verstehen und beurteilen: "Die Kunst ist auf keinem anderen Wege zu finden, als auf ihrem eigenen" (S. 27). Regeln, wonach die Leistungen der Künstler zu beurteilen, sind überhaupt zum Voraus gar nicht zu geben. "Das Verständnis kann den Leistungen des Künstlers immer nur nach- niemals vorauseilen, und weiß nicht welche Aufgabe ihm die künstlerische Tätigkeit der Menschen in Zukunft noch stellen wird." Hiernach fällt die ganze Auseinandersetzung von Vorteilen und Nachteilen der Abweichungen der Kunst von der Natur auf die oben eingegangen ist, eben so wie nach der Ansicht des obigen Kunstfreundes, von selbst weg; und wenn man nicht wird leugnen können, daß solche faktisch bestehen, und sich aus den angegebenen Gesichtspunkten verstehen lassen, so würde doch im Sinne des Verf. eine Rücksichtsnahme darauf den Künstler wie Beschauer und Beurteiler vom rechten Wege der Leistung und Betrachtung nur abführen. Der Künstler soll vielmehr rücksichtslos auf alle ihm zum Voraus zu gebenden Regeln im Drange einer inneren Nötigung (S. 47—51) aus einer, ihn vor den Kunstlaien auszeichnenden, Anschauungsweise heraus produzieren (S. 42. 50. 56), und der Kunstgenießende nur in sofern den rechten Kunstgenuß haben, als er die Tätigkeit des Künstlers in sich zu reproduzieren vermag (S. 64). Das Eigentümliche des Bewußtseins oder der Anschauung aber, aus welcher der Künstler produziert, bestehe darin, daß er, wie von der Anschauung ausgehe, so auch dabei verharre, weder wie die wissenschaftliche Betrachtung von da zum Begriffe aufsteige [was unstreitig keinen Widerspruch leidet], noch sich von der ästhetischen Empfindung befangen lasse, nicht Reinheit, Reichtum, Fülle der Anschauung dadurch beschränken, noch Besonnenheit, Klarheit stören lasse (S. 5 ff. 29 ff.). Während ich selbst in der von aller Bedeutung entkleideten menschlichen Gestalt nach ihrer rein anschaulichen Seite so zu sagen nur einen symmetrischen Krakel zu erblicken vermag, will der Verf. überhaupt von einer, über die reine Anschauung hinausgehenden, Bedeutung der Dinge in der bildenden Kunst abstrahiert haben (S. 50. 51);. Dieselbe Anschauungsweise, die das Kind hat, ehe sie bei ihm durch Gewöhnung an begriffliche Betrachtungen verkümmert ist, findet sich nach dem Verf. im Künstler nur gesteigert, ausgedehnt, zu größerer Klarheit entwickelt. Damit ignoriert oder verwirft der Verf. faktisch, wie jetzt in Kunstkreisen allgemein üblich, das von uns für so wichtig gehaltene Assoziationsprinzip, und die ganze (nichts weniger als begriffliche) Entwicklung, welche das Bewußtsein des Künstlers mittelst desselben über das Kind hinaus zu nehmen hat, um dem im gleichen Sinne entwickelten Erwachsenen noch etwas bieten zu können. Die ästhetische Empfindung, wie sie sonst gewöhnlich zum Genusse des Schönen gerechnet und verlangt wird, schließt der Verf. ausdrücklich von den richtig leitenden Momenten beim Schaffen des Künstlers und der Beurteilung der Kunstwerke, wie vom Wesen des eigentlichen Kunstgenusses aus, [was doch wohl Vielen zu stark sein dürfte,] kennt hiergegen (S. 28) "eine Lust, eine Freude an dem lebendigen Sein der Dinge, die über Unterschieden, wie dem von schön und häßlich steht, es ist ein Erfassen nicht einzelner, der Empfindung sich enthüllender, Eigenschaften, sondern der Natur selbst, die sich erst nachher als die Trägerin jener Eigenschaften beweist"; was mir etwas mystisch erschienen ist; aber etwas Mystik ist ja überhaupt den herrschenden Kunstansichten nicht fremd (vgl. S. 43). Ohne auf den Streit der Formästhetiker und Gehaltsästhetiker einzugehen, erklärt sich der Verf. doch entschieden im Sinne der ersteren.

    Es ist mit einem Worte eine Vertretung der herrschenden Kunstansichten mit einem in weiten Kreisen willkommen erschienenen Versuche einer Vertiefung derselben, der aber mit dem, in vorliegender Schrift von uns gemachten Versuche, den Absichten und Mitteln der Kunstleistung und Kunstwirkung auf den Grund zu gehen, kaum irgendwo zusammenstimmt.