XX. Vermittlung der Tagesansicht mit der naturwissenschaftlichen
Auffassung der Natur.

    Um mit klaren Vorbegriffen in die folgenden Betrachtungen einzutreten, bestimmen wir etwas genauer als bisher, was wir, in wesentlicher Einstimmung mit dem naturwissenschaftlichen wie allgemeinen Sprach- und Begriffsgebrauche, hier unter Natur oder auch gleichbedeutend materieller Welt verstehen werden.

    Wir verstehen darunter und allgemein wird darunter verstanden das, als außer unserm Geiste existierend vorgestellte, Ursächliche der sog. äußeren Erscheinungen oder Wahrnehmungen, die von uns und von andern mit den sog. äußeren Sinnen wirklich gewonnen werden oder gewonnen werden können, d. i. des Sehens, Hörens, Riechens, Schmeckens, Fühlens (Tastens) 1); auch wird die Natur gemeinhin durch diese in uns hinein erzeugten Wirkungen charakterisiert, wennschon wissenschaftlicherseits immer mit dem Bewußtsein, daß diese Wirkungen in uns, unserm Geiste, nicht das Ursächliche davon, nicht die Natur selbst sind. Die Gründe, die uns veranlassen und berechtigen, wirklich ein Ursächliches dieser Wirkungen außer unserm Geiste zu suchen, sind im vorigen Abschnitte besprochen und hier nicht darauf zurückzukommen.

l) Die sog. Gemeingefühle, als des Hungers, Durstes, Schmerzes, bezeichnen wir auch wohl als körperliche, jedenfalls als sinnliche, Gefühle, doch verwenden wir sie nicht in derselben Weise als die Wahrnehmungen der sog. äußeren Sinne, zur Charakteristik der materiellen Außenwelt; da sie mit den entsprechenden Gefühlen andrer nicht in einem ebenso verfolgbaren gesetzlichen Zusammenhange stehen, als die äußeren Wahrnehmungen; was in die (Kap. 19) gemachte Bemerkung hineintritt, daß es eben dieser für viele bestehende Zusammenhang ist, der uns überhaupt als Kriterium einer objektiven Natur über die Einzelwahrnehmung eines jeden hinaus dient.
 
 
    Unser eigner Körper ist als das Ursächliche äußerer Erscheinungen in der Natur oder Gesamtheit der materiellen Welt teilhaft inbegriffen, sofern er äußerlich von andern, ja zu einem Teil mit eignen äußeren Sinnen von uns selbst wahrgenommen werden kann. Zwar vom Innern eines lebenden Körpers können wir nicht unmittelbar äußere Wahrnehmungen haben; doch nach den Untersuchungen des Anatomen und Physiologen eine Vorstellung fassen, wie das Innere nach Wegräumung der äußeren Hindernisse äußerlich erscheinen würde, und, sofern die äußeren Erscheinungen nach der Feinheit und Unterscheidungskraft unsrer Sinne variieren, Schlüsse machen, welche Erscheinungen wir bei möglichster Feinheit derselben und Unterstützung derselben durch möglichst vervollkommnet gedachte, äußere Hilfsmittel haben würden. Zur Charakteristik der Natur oder materiellen Welt nach ihrer äußeren Erscheinlichkeit gehört uns nun überhaupt, wenigstens in wissenschaftlicher Betrachtung, was und wie etwas unter solchen, günstigst gedachten, Bedingungen erscheinen würde, wennschon es wegen äußerer Hindernisse oder Beschränktheit unsrer Beobachtungsmittel sich unsrer wirklichen Wahrnehmung entzieht. Genug, daß es in diesem Sinne aus dem Zusammenhange des wirklich äußerlich Erscheinlichen erschlossen und in Form desselben, wenn auch nur als dessen Grenze, vorgestellt, in den von der Naturwissenschaft verfolgbaren Kausalzusammenhang des äußerlich Erscheinlichen widerspruchslos eintritt und denselben selbst ergänzen hilft 2). Dies ist für das Folgende, wenn von äußerer Erscheinlichkeit die Rede, immer im Auge zu behalten. 2) Hierdurch treten Atome und Undulationen des Lichts, zu deren Unterscheidung ein Auge und Mikroskop reicht, doch in den wissenschaftlich erfaßten Naturzusammenhang ein.
 
 
    Näher zugesehen finden wir die Empfindungen, Anschauungen, Erinnerungen, Willensbestimmungen usw., die in der Einheit unsres Bewußtseins verknüpft sind, ohne zugleich Sache eines fremden Bewußtseins zu sein, und die wir deshalb als Erscheinungen, Bestimmungen unsres geistigen oder Seelenwesens ansehen, durch ein Verhältnis der Bedingtheit mit den Bestimmungen der äußeren Erscheinlichkeit unsres Körpers zusammenhängend, nach üblichem Ausdruck daran gebunden, davon getragen, welches teils durch direkte Beobachtung, teils durch Erfahrungsschlüsse erkannt und verfolgt werden kann. Über den Grund dieser Bedingtheit, wie über das ganze Verhältnis von Leib und zugehöriger Seele kann man streiten; hier aber gilt es zunächst bloß das Faktum der Bedingtheit im Auge zu halten, wonach zu gegebenen Bestimmtheiten der Seele gesetzlich zugehörige Bestimmtheiten des in obigem Sinne äußerlich erscheinlichen Körpers stattfinden.

    Diese Vorbegriffe können für das Folgende genügen. Ohne nun denselben zu widersprechen, geht doch die streng naturwissenschaftliche Betrachtung und Behandlung der Natur nur in einer gewissen Beschränkung auf die danach zur Natur zu rechnenden Bestimmungen ein, hält nämlich von der ganzen äußerlich sinnlichen Erscheinungswelt nur das Zählbare oder infinitesimal Summierbare, nach Zeit- und Raummaß Bestimmbare, sagen wir kurz das quantitativ Bestimmbare, fest, abstrahiert aber von aller qualitativen Bestimmtheit, wie solche unsern sinnlichen Erscheinungen als Lichtempfindung, Tonempfindung usw. zukommt 3). So bleibt für sie nur die Vorstellung räumlicher und zeitlicher Ausdehnung, die Vorstellung eines in diesem Raume enthaltenen, sei es mit ausgedehnten oder in diskrete Atome gespaltenen, jedenfalls qualitativ unbestimmt gelassenen oder gleichgültig gedachten, etwas, was sie Materie nennt, und die Vorstellung von Lagen und Lagenveränderungen (Bewegungen) der Teile der Materie im Raume übrig. Sie legt der Materie Kräfte bei, die aber für naturwissenschaftlichen Standpunkt und naturwissenschaftliche Verwendung faktisch durch nichts andres charakterisierbar sind, als dadurch, daß aus gegebenen quantitativ bestimmbaren zeitlichräumlichen Verhältnissen der Materie gesetzlich andre folgen, was sie als Wirkung der der Materie inwohnenden Kräfte bezeichnet. Sie tut so, mag auch der Philosoph mit dem Begriffe der Kräfte umspringen wie er will, und ihn dadurch für die Naturwissenschaft so unfaßlich und unbrauchbar als möglich machen (vgl. Absch. XVII). All dem aber haftet für die streng naturwissenschaftliche Betrachtung nichts mehr von den Empfindungsqualitäten des Gesichts, Gehörs usw. an, womit kompliziert es doch in die äußere Wahrnehmung eintritt; und wenn sie noch etwa die Möglichkeit statuiert, das den beiden Elektrizitäten verschiedene Arten von Materie unterliegen, ist es nur infofern, als etwa quantitativ verschiedene Bewegungserfolge davon abhängen, ohne daß sie dabei an jene Empfindungsqualitäten der äußeren Wahrnehmbarkeit denkt.

3) Die Intensität einer Licht- und Tonempfindung reduziert sich für die exakte Naturwissenschaft auf lebendige Kraft (Produkt aus Masse in das Quadrat von Geschwindigkeit) schwingender Teilchen. Die Materie selbst wird atomistisch als etwas Zählbares, nicht atomistisch als etwas infinitesimal Summierbares gefaßt. Die Masse der Materie wird nach Bewegungsgrößen beurteilt. Die Dichtigkeit kommt auf verhältnismäßige Zahl oder Summe von Teilchen gegebener Masse in gegebenem Raume zurück. Die verschiedene chemische Grundkonstitution der Körper kann auf verschiedene Gestalt und Masse letzter Teilchen, oder verschiedene Zahl und Anordnung einfacher Teilchen in den kleinen Gruppen (Molekülen), in welche sich die Materie vor ihrer letzten Spaltung geteilt denken läßt, zurückgeführt werden. Die Gestalt und Anordnung materieller Teile selbst führen sich auf lineare und Winkelgrößen, von gegebenen Punkten aus gerechnet, zurück.
 
 
    Nach Abstraktion aber von allen diesen Empfindungsqualitäten erkennt die naturwissenschaftliche Betrachtung doch an, daß je nach den verschiedenen Verhältnissen der, von ihr in voriger Weise ins Auge gefaßten, materiellen Welt zu dem Teile, den unser Körper davon für sie bildet, und nach dessen eignen inneren Verhältnissen, qualitativ bestimmte Empfindungen verschiedener Art in der Seele entstehen können, die an unsern Körper gebunden ist, nach Gesetzen, die sie bis zu gewissen Grenzen in Physik und Physiologie selbst verfolgt, des weiteren und genaueren der Psychophysik zu verfolgen überläßt. Und umgekehrt schließt sie von solchen Empfindungen in uns auf das Dasein quantitativ bestimmter Verhältnisse in der Außenwelt, von Lichtempfindung in uns auf rasche Ätherschwingungen, von Tonempfindung in uns auf langsamere Luftschwingungen in der Außenwelt, ohne daß an diesen selbst für die naturwissenschaftliche Betrachtung etwas von der Qualität dieser Empfindungen haftet.

    Kurz, die naturwissenschaftliche Betrachtung objektiviert bloß quantitativ auffaßbare Bestimmungen unsrer äußeren Wahrnehmungen als der Natur außer uns zukommend, oder zur wesentlichen Charakteristik derselben gehörig, und abstrahiert von den qualitativen 4). Nun ist es doch eine eigne Sache, wenn der Materialist, und nicht bloß dieser, sondern im Grunde die ganze heutige, von der Nachtansicht infizierte, wissenschaftliche Welt der Natur über uns hinaus deshalb keine qualitative Bestimmtheit zukommend hält, weit der Naturforscher von ihr abstrahiert. Er hält es eben nur für seine Aufgabe, sich mit der quantitativen zu beschäftigen, indes doch diese in untrennbarem Zusammenhange mit der qualitativen in seine Wahrnehmung eintritt. Soll die Welt über uns hinaus, indem sie qualitative Empfindungen in uns hineinerzeugt, selbst qualitativ leer, unbestimmt sein? Oder soll sie Qualitäten haben, die mit den von unsrer Seele faßbaren unvergleichbar sind, von denen sich also nicht sprechen läßt, die man einfach dahin stellen muß. Aber das trifft doch faktisch nicht für den Teil der Natur, der die äußerliche Erscheinung eines lebendigen Körpers gibt, sofern sich daran nach direkter innerer Erfahrung die Empfindungsqualitäten des Sehens, Hörens usw. knüpfen. Hier haben wir einen direkten Anknüpfungspunkt in der Erfahrung für die Annahme bestimmter Qualitäten zu den quantitativen Bestimmtheiten der Natur über uns hinaus, den es nur zu verfolgen und auszubeuten gilt. Wir schließen nach Analogien, Induktionen, Kausalbetrachtungen von dem, was in uns gesetzlich zusammengehört, auf das, was davon über uns hinaus zusammengehört. Mag nun auch die Ausführung dieses Schlusses ins einzelne schwierig sein und ins Unsichere geraten, so ist jedenfalls ein Prinzip und Anknüpfungspunkt des Schlusses mit Vorigem gegeben, und die Schwierigkeit und Unsicherheit trifft nicht sowohl das Allgemeine als eben nur das Einzelne und Besondere der Folgerungen.

4) Obwohl Zahl räumliche und zeitliche Extension sämtlich quantitativer Bestimmtheit unterliegen, ist doch ihre Unterschiedenheit voneinander nicht auf eine quantitative zurückführbar; und so könnte man sagen: Zahl, Raum, Zeit seien von vornherein qualitativ unterschieden, und somit würden sogar ganz fundamentale Qualitäten von der Naturwissenschaft in sich aufgenommen. Nur stimmt diese weite Fassung der Dualität nicht mit dem allgemeinen Begriffsgebrauche, wonach vielmehr jeder den reinen Zahl-, Zeit-; Raumbegriff für qualitätslos erklären wird; aber wer will der Willkür der Definitionen wehren. Sei es also, so sind doch diese fundamentalen Qualitäten nicht mit den Qualitäten der Lichtempfindung, Tonempfindung usw. zusammenzuwerfen, um die sich's hier ausdrücklich handelt, und möchten überhaupt besser als verschiedene formale Bestimmtheiten der sinnlichen Erscheinungswelt, welche gemeinsam dem Quantitätsbegriffe unterliegen, bezeichnet werden.
 
 
    Denn freilich ist unser Körper äußerlich erscheinlich anders eingerichtet als die übrige materielle Welt, und die Bewegungen darin gestalten, verwickeln sich anders als draußen, aber sind darum nicht nach den, von der Naturwissenschaft ins Auge gefaßten, quantitativen Bestimmungen unvergleichbar damit; warum soll die Vergleichbarkeit nach Seiten der qualitativen Bestimmtheit aufhören, wenn sie nach Seiten der quantitativen fortbesteht. Schwingungen z. B. gibt es draußen wie drinnen; jedes Bewegungssystem überhaupt aber kann, wie mathematischen Physikern hinreichend bekannt ist, als ein Komplex einfachster Schwingungen nur von verschiedener Amplitude und Periode vorgestellt und darein auflösbar gedacht werden, das der äußeren Natur nicht minder als unser eignes inneres Bewegungssystem; und wenn höhere geistige Phänomene in uns an bestimmte Verhältnisse des Zusammentreffens von Schwingungen oder Bewegungen, die in solche auflösbar gedacht werden können, geknüpft sein mögen, so kann man z. B. bei einem Konzert ähnliche Verhältnisse des Zusammentreffens auch draußen wiederfinden; wenn es aber außerdem auch unähnliche gibt, so werden sich eben nur unähnliche aber nicht unvergleichbare oder keine geistigen Phänomene daran knüpfen.

    Es ist wahr, im äußerlich erscheinlichen Bewegungsgebiete, wie es vom Physiker gefaßt wird, kann die einfache Bewegung eines Handgriffes durch Übertragung auf eine zusammengesetzte Maschine sukzessive sehr mannigfache und komplizierte Bewegungen darin auslösen, indes die unmittelbare Übertragung nur in einer entsprechend einfachen Bewegung, sei es in Richtung der Hanbgriffsbewegung oder einer, durch Zerlegung derselben nach andrer Richtung besteht. Es steht nun frei, die Auslösung einer Bewegung welche Empfindung mitführt, in unserm komplizierten Gehirn durch einen relativ einfachen Reiz hiermit zu vergleichen. Hiermit erläutert sich aber nur die Entstehung einer irgendwie zusammengesetzten materiellen Bewegung in uns durch den äußeren Reiz, nicht das Hervorbrechen einer Empfindungsqualität in dieser Zusammensetzung; der Übergang dazu bleibt ein kausaler Sprung, mag man ihn bei der einfachsten oder kompliziertesten Bewegung tun, und kann nur vermieden werden, wenn ebenso die auslösenden als ausgelösten Bewegungen mit einer Empfindungsqualität behaftet gedacht werden 5). Und wozu der Sprung, da die Naturwissenschaft selbst ihn nur deshalb schließlich zu machen genötigt ist, weil sie zuvor von der qualitativen Bestimmtheit der äußeren Wahrnehmungen abstrahiert; man restituiere ihnen diese Bestimmtheit und es ist von vornherein gar kein Anlaß mehr zum Sprunge. Doch macht der Materialismus und die ganze Nachtansicht den Sprung mit, als wenn in der eigentümlichen Komplikation der Gehirnbewegungen etwas läge, was aus Bewegung auf einmal Empfindung herauszaubern könnte 6).

5) Sehr lesenswert und überzeugend sind in dieser Beziehung die von Zöllner in S. Kometenbuche l. Aufl. S. 230 oder wiss. Abh. I. 338 ff. angestellten Betrachtungen, wennschon ich die damit in Beziehung gesetzte Ansicht über die psychophysische Begründung der Lust und Unlust nach den Bemerkungen S. 139 und Abschn. XVIII nicht zu teilen vermöchte. Auf Grund andrer Betrachtungen wurde auch schon im 40. Abschn. m. Elemente d. Psych. die psychische Tragkraft für die materielle Bewegung überhaupt in Anspruch genommen.

6) Das die große Komplikation des Gehirns der höheren Tiere und des Menschen vielmehr nur zur Entwicklung des über ihr Sinnesleben gebauten höheren Seelenlebens als zur Auslösung der sinnlichen Empfindung selbst nötig ist, beweist sich schon damit, daß die aus gleichartiger organischer Substanz bestehenden nervenlosen Polypen sehr lebhafte Zeichen von Empfindungserregung durch äußere Reize geben.
 
 

    Der Dualist im hergebrachten Sinne sagt nun freilich: daß der Lichtreiz von draußen, an dem noch nichts von Empfindungsqualität haftet, doch solche in der, an unsern Körper geknüpften, Seele auslösen kann, hängt daran, daß eben an unsern Körper, aber nicht an die Natur darüber hinaus eine Seele geknüpft ist. Wohl, aber wie kommt er zu dieser Ansicht? Durch nichts andres, als daß er den Sprung an eine andre Stelle verlegt. Die Körper zweier Menschen sind Teile der allgemeinen Körperwelt, zwischen beiden soll sie unbeseelt sein; im Übergange zu ihnen springt sie zur Beseelung über. Die Möglichkeit einer dualistischen Auffassung zugegeben, wird der Dualismus den Sprung doch nur dadurch vermeiden können, daß er zur Natur oder Körperwelt über unsre Körper hinaus so gut als zu unsern Körpern, kurz daß er zur materiellen Existenz überhaupt, ein geistiges Wesen gehörig denkt.

    Wollte man dennoch von den qualitativen Bestimmtheiten der äußeren Wahrnehmungen, als das Objektive außer uns nichts angehend, nur in uns fallend, abstrahieren, so wäre Kant wenigstens konsequenter, sofern er von der quantitativen Bestimmtheit als objektiver Bestimmtheit einer Welt über uns hinaus ebenso abstrahiert wissen will, als von der qualitativen. Haben wir aber doch theoretische und praktische Gründe, unsrer inneren Welt der äußeren Wahrnehmungen überhaupt zwar nicht das indentisch Gleiche, aber etwas durch Gesichtspunkte der Gleichheit damit Verwandtes außer uns entsprechend zu halten, was eine Wirkungsbeziehung zwischen beiden möglich erscheinen läßt, so wird dies auch nicht minder betreffs der qualitativen als quantitativen Seite der Existenz gelten müssen, anderseits die objektive quantitative Seite der äußeren Existenz ebensowenig mit der spezialen subjektiven Erscheinung derselben für jeden von uns zu verwechseln oder für identisch gleich damit anzusehen sein, als die qualitative. Auch begeht die naturwissenschaftliche Betrachtung selbst eine solche Verwechslung nicht, hält aber doch die Vergleichbarkeit nach quantitativer Seite fest, und die Tagesansicht tritt nur darin ergänzend hinzu, daß sie dasselbe auch betreffs der qualitativen Seite der Existenz tut.

    Aber, kann man fragen, welchen Grund hat die naturwissenschaftliche Betrachtung überhaupt, in vollem Widerspruch mit der natürlichen von der ganzen qualitativen Seite der Naturerscheinung zu abstrahieren, um bloß die quantitative mit ihrem Endeingriffe in unsre Seele in Betracht zu ziehen. Dieser Grund liegt in ihrem Zwecke, aus gegebenen Verhältnissen der äußeren Erscheinungswelt nicht gegebene mit möglichster Schärfe abzuleiten, oder den Erfolg abgeänderter Verhältnisse des äußeren Erscheinungszusammenhanges möglichst sicher vorauszubestimmen. Das kann sie nicht anders, als nach Gesetzen, die aus Kombination äußerer Wahrnehmungen geschöpft sind, durch Zuziehung von Maß und Rechnung. Aber nur die quantitative, nicht qualitative Seite der Naturerscheinung ist dem Maße und der Rechnung unmittelbar zugänglich 7). Und der Beweis, daß dies wirklich der Gesichtspunkt ist, aus welchem die naturwissenschaftliche Abstraktion von der Empfindungsqualität des äußerlich Wahrgenommenen geschieht, liegt darin, daß, wo jener Zweck wegfällt, auch jene Abstraktion wegfällt, d. i. in der Naturbeschreibung, wo in der Tat die qualitative Seite der Naturerscheinung mit der quantitativen gleich berücksichtigt wird. Man beschreibt z. B. ein Tier nach seiner Hautfarbe, dem Laut seiner Stimme, dem Geruch, den es verbreitet, der Rauhigkeit seiner Haut; nicht minder charakterisiert man ein Mineral durch Empfindungsqualitäten. Hiergegen besteht die Abstraktion für Physik, Chemie, Astronomie, Physiologie (insoweit solche nicht in innere Psychophysik umschlägt) und findet sich in der sie gemeinsam beherrschenden und durchdringenden Mechanik sozusagen in höchster Reinheit sanktioniert. Wirklich sind es nur diese Teile der allgemeinen Naturwissenschaft, wenn man doch die Naturbeschreibung zur allgemeinen mit zu rechnen hat, deren Bedürfnis zu jener Abstraktion geführt hat. Bei wirklicher Vornahme von Rechnungen abstrahiert sogar die Naturwissenschaft noch weiter, operiert bloß noch mit Zahlen, und bei allgemeinsten Rechnungen sogar bloß noch mit Buchstaben als Vertretern ganz abstrakter Quantitäten, ohne damit zu behaupten, daß mit solcher Abstraktion die Wirklichkeit gedeckt sei.

7) Die Psychophysik geht auch auf das Maß der Intensität von Empfindungsqualitäten ein, setzt aber dabei das Maßsystem der qualitätslos vorgestellten Natur voraus und macht ihr Maß davon abhängig.
 
 
    Damit ist nun nicht gesagt, daß überhaupt bloß Schlüsse vom Hier aufs Dort, vom Heute aufs Morgen mittelst der naturwissenschaftlichen Abstraktion von qualitativer Bestimmtheit auf Grund rein quantitativer Bestimmtheiten möglich sind. Ohne solche Abstraktion schließen wir nach Analogien, Induktionen, Kausalbetrachtungen mit mehr oder weniger Sicherheit, daß die Sonne, die uns heute geschienen hat, auch morgen scheinen wird, daß andre Menschen als wir ähnliche Empfindungen haben als wir, daß es einen Gott im Himmel gibt; aber der Verfolg nach Seite der quantitativen Bestimmbarkeit wird nicht nur an sich zur scharfen und genauen Auffassung der Existenzverhältnisse nötig sein, sondern auch nötig, um scharfe Schlüsse darauf zu bauen; natürlich aber kann der Verfolg nach quantitativer Seite nicht unmittelbar und an sich selbst mit Einmischung von qualitativen Bestimmtheiten, sondern nur in seinem eignen Zusammenhange geschehen; daher solange von qualitativen Bestimmtheiten abstrahiert wird, als es nun eben jenen Verfolg gilt, um schließlich zu dem quantitativen Erfolge in uns den qualitativen als eine Bestimmtheit unsres Geistes zu fügen. Das aber schließt nicht aus, und wird nur von der Naturwissenschaft in ihren Schluß- und Rechnungswegen nicht berücksichtigt, daß sich der quantitativen Ursache über uns hinaus nicht minder eine qualitative Bestimmtheit zufügt, als es mit der quantitativen Folge in uns der Fall ist. Und das ist's, womit unsre Tagesansicht die naturwissenschaftliche Ansicht zugleich überschreitet und ergänzt, ohne ihre exakte Gestaltung selbst im mindesten anzufechten.

    Zuletzt bleibt noch die Frage übrig, ob man der materiellen Welt als dem Ursächlichen äußerer Erscheinungen, die in unserm Geiste entstehen, eine Existenz außer dem geistigen Gebiete überhaupt beizulegen habe. So gut alle äußeren Erscheinungen, von denen wir sprechen können, etwas in unserm Geiste sind, könnte das, was wir als Kausalgrund derselben über uns hinaus anzunehmen gedrungen sind, auch nur etwas in einem allgemeinen Geiste sein, der den unsrigen mit einschließt; und in der Tat weder ein direkter Erfahrungsgrund noch ein begrifflicher oder Kausalgrund scheint mir dazu zu nötigen, sozusagen noch etwas hinter dem allgemeinen und unserm Geiste anzunehmen, wovon das gesamte Geistige erst wieder abhängt, da vielmehr alle Kausalität im Geistigen selbst verfolgbar gedacht werden kann, wenn wir berücksichtigen, daß die Materie selbst nur durch Bestimmungen, die in unsern Geist fallen, für uns erfaßbar ist. An etwas überhaupt denken, was nicht in unsern oder damit vergleichbar einen andern oder allgemeineren Geist falle, oder fallen könne, oder daraus abstrahierbar sei, heißt an nichts denken. In der Tat bekenne ich mich in letzter Instanz zu einem objektiven Idealismus; was nicht hindert, vielmehr die Nötigung bestehen läßt, eine körperliche Außenwelt und geistige Innenwelt insofern zu unterscheiden, als die erste durch den gesetzlichen Zusammenhang von Wahrnehmungen, die in eine Mehrheit von Einzelwesen fallen oder fallen können, letztere durch den Zusammenhang geistiger Bestimmungen, die schon in jedes Individuum für sich, respektiv den allgemeinen Geist fallen, charakterisierbar ist. Im folgenden Abschnitt ist auf die hierher gehörigen Fragen zurückzukommen.