von
M. G. Fechner, akad. Dozent zu Leipzig.
§. l. Wenn wir die Ansicht verteidigen wollen, daß die Körper ein System von Atomen oder Molekülen2) sind, die durch keine andere Kraft, als ihre wechselseitige Gravitationskraft zum Gleichgewicht oder zur Bewegung bestimmt werden3), so müssen wir zeigen, daß sich die Grunderscheinungen der Materie wirklich auf eine dem Gesetz dieser Kraft entsprechende und unter sich harmonierende Weise erklären lassen. Wir werden daher im Nachstehen und in einer späteren Abhandlung folgende Probleme zu lösen versuchen:
1) Auf welche Weise kann das Bestehen materieller Punkte (der ponderabeln Atome) in stabilen4) Entfernungen von einander gedacht werden5), wenn diese Punkte durch keine andere Kraft als die gegenseitige Gravitattionskraft sollizitiert werden?
2) Auf welche Weise läßt sich, ohne Zuziehung spezifischer abstoßender Kräfte, die Zusammenziehung und Ausdehnung der Körper und der Übergang der verschiedenen Aggregatzustände in einander durch bloße gegenseitige Gravitation ihrer Teichen erklären?
3) Welches Verhältnis muß den sogenannten Imponderabilien zu den ponderabeln Teilen beigemessen werden und wie lassen sich die gleichzeitigen Veränderungen, welche sich in Ponderabilien und Imponderabilien wechselseitig bedingen, durch bloße Wirkung des Gravitationsgesetzes erklären?
2) Am angemessensten scheint es mir zu sein, sich die Körperatome ganz nach der Analogie mit den Weltkörpern (die man auch als Atome eines größeren Körpers denken könnte) zwar nicht als absolut unteilbar, aber doch als unteilbar in Bezug zu einander vorzustellen, insofern alle Prozesse zwischen ihnen, wie zwischen Ganzen vorgehen und nichts Ponderables vom einen zum anderen übergeht. Diese hier vorläufig aufgestellte Analogie wird sich übrigens durch das Folgende noch mehr entwickeln.
3) Daß die Atome dem Gravitationsgesetze unterworfen seien, ist eigentlich eine Folgerung, die so wesentlich in der Beschaffenheit des, für jede Größe und Kleinheit materieller Massen allgemein geltenden, Gravitationsgesetzes selbst begründet liegt, daß nur ganz bestimmte, in der Erfahrung begründete, Gegenbeweise uns veranlassen dürften, dies Gesetz für bestimmte Grenzen materieller Masse zu limitieren. Dies hieße jedoch einen Widerstreit zwischen Erfahrung und Mathematik setzen, der sonst nirgends Statt findet; und wie wäre es auch möglich, bei Annahme einer solchen Limitation, doch durch Integration aus der Schwerewirkung der kleinsten Teilchen die Schwerewirkung eines ganzen Körpers zu berechnen, Allerdings steht immer noch die Möglichkeit offen, daß außer der Gravitation bei den Atomen noch andere Kräfte auftreten können, welche die Wirkung jener überbieten. Zur Annahme solcher vires occultae dürften wir jedoch nur dann berechtigt sein, wenn gar kein Weg vorhanden wäre, die Erscheinungen der Materie durch Kräfte, die ihr als solcher wesentlich sind, zu erklären, was eben hier versucht werden soll.
4) Oder solchen Entfernungen, wo die Atome nur bis zu gewissem Grade um die Lagen ihres gegenseitigen Gleichgewichts oszillieren; denn in der Tat werden wir auf solche geführt werden.
5) Nimmt man einmal Atome an, so macht in der
Tat die Zusammendrückbarkeit und Ausdehnbarkeit der Körper und
das Verhältnis der verschiedenen Aggregatszustände zu einander,
eine Annahme von veränderlichen Entfernungen (die aber für denselben
Zustand des Körpers stabil sind) unerläßlich. Die Schwierigkeit,
diese nach bloßen Anziehungskräften zu erklären, ist bis
jetzt eine der Hauptursachen für die Annahme von Abstoßungskräften
gewesen.
Begreiflich muß solchergestalt auch in jedem anderen System Bewegung der Atome erfolgen, weil sich die Anziehung höchstens für einige derselben nach entgegengesetzten Richtungen in der Mitte kompensieren kann. Keineswegs aber ist erforderlich, daß sich, bei anderer anfänglicher Disposition als einer gradlinigen, welche wir oben setzten, die Atome durch ihre gegenseitige Anziehung zur Berührung nahe kommen, vielmehr wird dieses bloß für einzelne spezielle Fälle der Fall sein können. Im Allgemeinen, wenn drei oder mehrere sich anziehende Körper vorhanden sind, wird es nicht einmal eines ablenkenden Impulses bedürfen, um diese Körper von Annäherung zur Berührung abzuhalten; denn es werden zwar immer zwei derselben sich in gerader Linie nach einander hinzubewegen streben; allein die zugleich anziehende dritte Masse sie stetig aus dieser geraden Linie ablenken und so jede Masse kontinuierlich störend für die Annäherung je zweier anderen wirken. Wenn nun nicht in irgend einer Zeit die Mittelkräfte der Anziehungen und schon erlangten Bewegungsgeschwindigkeiten sämtlicher Massen in Einem Punkte zusammentreffen, welches nur in einzelnen Fällen anfänglicher Bewegungsumstände geschehen kann, so wird eine dauernde, wiewohl veränderliche, oder, wie wir sie nennen können, bewegte Entfernung derselben bis ins Unendliche dauern können6).
Es lassen sich Systeme von Massen denken, bei welchen sich Ruhe (oder nur geringe Oszillation) eines Teils dieser Massen und kontinuierliche Bewegung des anderen Teils dieser Massen wechselseitig bedingen.
Von diesem Satze aus, dessen Erörterung sogleich folgen wird, scheint sich mir die Ruhe der ponderabeln Atome in den Körpern durch eine gehörig kombinierte Bewegung der imponderabeln Atome7) in völliger Einstimmung sowohl mit der Beschaffenheit des Gravitationsgesetzes selbst, als den Erscheinungen erklären zu lassen.
Gesetzt, wir hätten zwei größere (solare oder ponderable) Atome A, B, in Taf. 111. fig. 1., um welche sich in geschlossenen Bahnen eine unbestimmte Zahl kleinerer (planetarer oder sog. imponderabler) Atome8) a, b, c..... auf solche Art bewegten, daß zu jeder Zeit eine größere Anzahl derselben im gemeinschaftlichen Umfang von A und B, als durch ihren Zwischenraum liefe9), so werden diese planetaren Atome, während A und B sich vermöge ihrer eigentümlichen Anziehungskraft zu nähern streben, dieser Näherung entgegenwirken, indem sie die Massen A und B nach sich anziehen und es würde Gleichgewicht für A und B bestehen können, wenn das Verhältnis der Massengrößen und Entfernungen sämtlicher solarer und planetarer Atome so abgemessen wäre und (durch wechselseitige Kompensation) während der Bewegung bliebe, daß die Summe der Anziehungen, welche die Massen a, b, c, d, e nach der Seite, wo sie sich befinden, auf A äußern, stets im Gleichgewicht bliebe mit der Summe der Anziehungen, welche nach entgegengesetzter Richtung von f, g, h, i, k, l, m, n und der anderen ruhenden10) Masse B geäußert werden. Nun dürfte allerdings ein solches strenges Gleichgewicht der Massen A und B während der ganzen Revolution der planetaren Massen um sie selten oder gar nicht statt finden. Sehr wahrscheinlich aber wird durch die weiteren Betrachtungen werden, daß die Bewegung der planetaren Atome um die solaren sich so anordnet, um bloß kleine Oszillationen der Annäherung und Entfernung derselben zuzulassen11), ja es scheint dies beinahe eine notwendige Folgerung des Anziehungsgesetzes zu sein. Jedoch hiervon nachher.
10) Allerdings steht die Gesamtheit der Massen a, b, c, d, e hinsichtlich der Massengröße gegen die Massen f, g, h... B im Nachtheil, hinsichtlich der Nähe aber im Vorteil und nichts hindert, sich beide Umstände kompensiert zu denken. Übrigens scheint mir die Möglichkeit, daß bei einer hinreichenden Anzahl von wechselseitig sich anziehenden Körpern zwei oder mehrere derselben sich in Ruhe oder angenäherter Ruhe befinden können, bei Bewegung der übrigen, schon dadurch zu erhellen, daß man, thoretisch genommen, jederzeit den Ausdruck für die Geschwindigkeit für eine gewisse Anzahl von Körpern null setzen und aus den sich so ergebenden Gleichungen Verhältnisse ableiten können muß, welche in die Formeln für die übrigen Körper substituiert, die Bewegungsart derselben so determinieren müssen, wie sie wirklich nötig ist, um diese Ruhe jener Körper zur Folge zu haben. Dies erfordert keineswegs, daß die Kräfte jedes der übrigen Körper für sich null seien (in welchem Fall das Problem unmöglich sein würde, da die übrigen Massen solchergestalt selbst verschwinden), denn der Differenzialausdruck für die Geschwindigkeit ist dv = jdt, wo j die auf den Körper wirkende Gesamtkraft bedeutet. Damit nun dv = 0 werde; wird bloß erfordert, daß auch j gleich 0 sei. Dieses j aber kann ebenso gut durch Entgegensetzung der einzelnen Kräfte, welche die übrigen Massen äußern, als durch das Verschwinden der einzelnen Kräfte selbst, d. h. der Massen, von denen sie geäußert werden, null werden. Die Ausführung von Berechnungen dieser Art aber möchte, so weit ich den gegenwärtigen Zustand der Analyse übersehe, bis jetzt noch unüberwindlichen Schwierigkeiten unterliegen.
11) Dieser Umstand führt auf eine überraschende
Analogie, indem sich solchergestalt der in der ganzen Natur sichtbare Puls,
der Wechsel der Expansion und Kontraktion, selbst im Atomenreich als etwas
wesentlich Begründetes wieder fände.
13) Es kommt uns bei diesen Schematen, wo immer
je ein, je zwei, je drei Atome gemeinschaftliche Bahnen um sich haben,
nur darauf an, das Verhältnis der Bewegung im Umfang zu der Bewegung
durch den Zwischenraum der solaren Massen anzudeuten, nicht die eigentliche
Gestalt der Bahnen, die noch weit mannigfaltigere Kurven in sich schließen
muß. Man würde übrigens, während man das im Inneren
eines Atomensystems um je ein, zwei, drei oder mehrere, ponderable Atome
sich gemeinschaftlich bewegende Imponderabile gebundne Wärme nannte,
das im gemeinschaftlichen Umkreis aller, d. h. an der Oberfläche des
Systems, laufende, natürliche Elektrizität nennen können.
Man denke sich nun dieselben solaren Atome unendlich genähert; dann wird, weil sie Eine Masse ausmachen, gar kein planetares Atom mehr ihre Zwischenlinie schneiden können, vielmehr alle sich bloß in ihrem Umfang bewegen müssen.
Hieraus nun folgt notwendig, daß wenn zwei anfangs sehr entfernte solare Atome sich allmälig durch eigene Anziehung oder durch irgend eine Ursache nähern, die planetaren Atome, welche um jedes derselben besonders laufen, allmälig ihre Bahnen in der Art ändern müssen, daß sie ihre Bewegung, wodurch sie zwischen beiden Atomen hindurchgeführt werden, in solche wandeln, wodurch sie bloß um beide Atome geführt werden, oder mit anderen Worten, die monozentrale Bewegung muß mit mehr Näherung der anziehenden Mittelpunkte für immer mehr planetare Atome in eine bizentrale übergehen, bis sie bei völliger Näherung derselben für alle bizentral geworden ist, wo jedoch die zwei Zentra zusammenfallen.
§. 7. Betrachten wir nun zwei solare oder pondorable Atome A und B, die anfangs sich in sehr großer Entfernung befinden, in einem Raume, durch den eine gewisse Quantität freies Imponderabile nach unbestimmten Richtungen strömt, und nehmen an, daß jedes dieser ponderabeln Atome aus diesem freien Imponderabile, das in seine Nähe gekommen, eine gewisse Quantität gebunden, d. h. zu geschlossenen Bewegungen um sich bestimmt habe. Unter Voraussetzung, daß alle Umstände für beide Atome anfänglich gleich waren, werden wir die Anordnung derselben mit ihren imponderabeln Atmosphären durch das Schema Fig. 4. vorstellen können.
Man sieht leicht, daß bei dieser sehr großen Entfernung, wo im Allgemeinen gleich viel imponderable Atome die Zwischenlinie von A und B als ihrem Außenraum schneiden, die eigne imponderable Atmosphäre jedes Atoms ohne Einfiuß auf dessen Bewegung sein muß, weil der Anziehung von f, g, h, i, k nach B hin das Gleichgewicht gehalten wird durch die gleich große Anziehung der planetaren Massen a, b, c, d, e nach der entgegengesetzten Seite; mithin wird A definitiv bloß durch die Anziehung von B und dessen imponderabler Atmosphäre zur Bewegung bestimmt werden, wiewohl wegen der sehr großen Entfernung mit schwacher Kraft und so umgekehrt B von A. Beide werden sich also zu nähern anfangen.
§. 8. In dem Maße nun aber, als dieses geschieht, werden sich die Bahnen der imponderabeln Atome um A und B auf die oben angezeigte Weise ändern müssen, indem das Schema der Fig. 4. sich immer mehr in das Schema der Fig. 1. umwandelt; indem nämlich imponderable Atome, die erst monozentral um A oder B allein ließen, nun sich bizentral um beide zu bewegen anfangen und solchergestalt sich, immer mehr aus dem Zwischenraum beider Atome in ihren Außenraum begeben, wobei ein Teil in unendlichen Linien fortgeht, wie wir dies in unserer früheren Abhandlung (Bd. IX. S. 268) erörtert haben und dadurch das Phänomen des bei jeder Annäherung von Körpermolekülen frei werdenden Lichts oder Wärme bedingt; während zugleich von dem etwa vorhandenen freien Imponderabile des Raums, durch den sich die ponderabeln Atome bei ihrer Annäherung hindurch bewegen, anderseits im Verhältnis ihrer Annäherung ein immer größerer Teil von beiden gemeinschaftlich, als von jedem besonders gebunden werden muß.
§. 9. Da nun solchergestalt das Verhältnis des Imponderabile's im Außenraume beider ponderabeln Atome gegen das in ihrem Zwischenraum mit ihrer Annäherung immer mehr zunimmt, so muß in entsprechendem Grade der Gegenzug, den sie nach der von einander abgekehrten Seite erfahren, immer mehr wachsen; und wiewohl auch die Anziehungskraft des Systems A zum System B mit ihrer Näherung immer zunimmt, so kann doch diese Zunahme teils durch den Verlust, den beide Systeme durch das Freiwerden eines Teils ihrer imponderabeln Masse vermöge deren Freiwerden erfahren, zum Teil kompensiert werden, teils aber, und dies ist die Hauptsache, läßt sich immer ursprünglich eine solche Anzahl von planetaren Atomen um jedes der solaren Atome voraussetzen, daß das Verhältnis der in dem Außenraum tretenden planetaren Massen bei der Näherung so groß wird, um durch seinen Gegenzug in irgend einem Augenblicke die weitere Näherung beider Systeme zu hindern; mit einem Worte, es läßt sich ganz die Anordnung hervorzurufen, welche wir §. 4. als zur Bewirkung stabiler Abstände der solaren Atome, vermöge des Gravitationsgesetzes erforderlich erklärten.
§. 10. Es werden hiernach zwei ponderable Atome, wofern sie nur eine hinreichende Anzahl planetarer Massen um sich haben, welche zur Repräsentation der Erscheinungen beliebig anzunehmen nichts hindert, sich durch wechselseitige Anziehung nicht ins Unbestimmte nähern können, sondern bei einem gewissen, durch ihre eigne Massen und die Massenverhältnisse ihrer planetaren Atmosphären bestimmten Grade der Näherung wird der Gegenzug der in ihrer gemeinschaftlichen Peripherie laufenden planetaren Atome diesem Zuge das Gleichgewicht halten und die solaren oder ponderabeln Atome werden dann nicht näher aneinander rücken. Doch wird man dann kein eigentliches fixes Stillstehen derselben annehmen können, sondern die ponderabeln Atome werden noch in Bezug auf ihren und ihrer Atmosphären gemeinschaftlichen Schwerpunkt, je nach der veränderlichen Lage der planetaren Atome (bei der jedoch stetig die Anhäufung im Außenraume überwiegend bleibt) hin und wieder in gewissen Grenzen oszillieren. Diese Oszillationen können jedoch von Erreichung jenes GIeichgewichtspunkts an nicht mehr groß werden; weil bei weiterer Näherung derselben sogleich mehr planetare Atome in den Außenraum treten und dadurch die pondorabeln Atome zurückrufen müssen, bei Entfernung derselben aber mehr Atome in den Zwischenraum und dadurch wieder Näherung der ponderabeln Atome veranlassen.
§. 11. Es leuchtet ein, daß die Grenzen, wo die ponderabeln Atome einander sich zu nähern aufhören, um so eher eintreten müssen, je mehr jedes Atom planetare Materie um sich hat; weil um so mehrere planetare Atome dann, bei Näherung der ponderabeln oder solaren Atome, sich nach der Außenseite wenden und einen um so stärkeren Gegenzug mithin äußern werden, und es ist durchaus kein Umstand, welcher verhindert, in den Fällen, wo solche bleibende Abstände sich äußern, wirklich dies einer hinreichenden Anzahl planetarer Masse beizumessen. Andrerseits könnte auch wirklich in änderen Fällen so wenig planetare Masse vorhanden sein, daß eine Grenze der Näherung niemals eintrete, indem die mit der Näherung zunehmende Anziehungskraft der ponderabeln Atome das Übergewicht über den Einfluß der veränderten Atomenverteilung erhielte. In diesem Fall würden sie sich im Allgemeinen zwar nicht bis zur Berührung nähern, weil sie von ihrer gradlinigen Anziehung doch immer mehr oder weniger durch ihre planetare Masse abgelenkt werden müßten, aber wohl um einander oder ihren gemeinschaftlichen Schwerpunkt sich bewegen; indem sie so zu sagen immer wechselseitig über einander hinausgeführt würden.
§. 12. Von dem bis jetzt Angeführten aus, läßt sich nun eine sehr einfache Erklärung von der Fortpflanzung der Bewegung durch die Körper und der Elastizität derselben geben und zeigen, wie sie nur von dem nämlichen Prinzip abhängen.
Der Umstand, daß zwei pondorable Atome, die sich gegenseitig anziehen, doch bei einem gewissen Grade der Näherung stehen bleiben, im Fall sie hinreichende planetare Atmosphären besitzen, setzt voraus, daß in diesem Fall der Einfluß, welchen die mit der Näherung bedingte andere Anordnung der planetaren Atmosphären zur Entfernung beider Atome äußert, in einem stärkeren Verhältnis zunimmt, als der Einfluß, den die Näherung der Atome selbst zur Verstärkung ihrer Anziehung äußert; mithin umgekehrt auch, daß bei Entfernung zweier ponderabeln Atome von einander durch irgend eine Ursache - der erste Einfluß in einem stärkeren Verhältnisse abnimmt, als der andre14).
Der andere Fall ist der, wo B durch einen Widerstand gehindert wird, beim Einwirken einer Kraft auf A auszuweichen. Dann wird es, so lange die Kraft anhält, in einem gezwungenen Zustande der Näherung erhalten; allein beim Nachlassen der Kraft muß nun A ans demselben Grunde in seine ursprüngliche Entfernung von B zurückschnellen (was durch eine gewisse Anzahl von Oszillationen geschieht), aus welchem sich im vorigen Fall, wo B nicht am Ausweichen verhindert war, dasselbe von A zum ursprünglichen Abstand entfernte.
Wie sich nach demselben nahmhaft gemachten Prinzip die Fortpflanzung der Bewegung und die Elastizität beim Zuge erklären läßt, wird hiernach keiner Erörterung bedürfen.
§. 13. Ein Umstand, der dazu beitragen muß, dieser Theorie Gewicht zu geben, ist, daß jede Mitteilung der Bewegung Zeit erfordert; wie denn in der Tat erhellt, daß die veränderte Atmosphärenanordnung, d. i. die Veränderung im Laufe der planetaren Massen, welche diese Atmosphären zusammensetzen, nicht in einem unteilbaren Augenblicke erfolgen kann.
§. 14. Um nicht die Grenzen des Umfangs einer für diese Zeitschrift passenden, Abhandlung zu überschreiten, übergehe ich die weitere Anwendung des, wie ich hoffe jetzt klar vorliegenden, Prinzips auf andere Erscheinungen der Materie, um noch einige Einwürfe, die man von verschiedenen Umständen gegen die Statthaftigkeit desselben entnehmen kann, zu berücksichtigen. In einer folgenden Abhandlung denke ich auf diese Anwendungen, namentlich in Bezug zur Wärmelehre, den chemischen Erscheinungen und den Aggregatzuständen, zurückzukommen; hier genügt es mir, die Fruchtbarkeit des Prinzips für den vorliegenden Zweck im Allgemeinen gezeigt zu haben.
§. 15. Unsere ganze Theorie setzt voraus, daß die sogenannten Imponderabilien mit Anziehungskraft begabte Materie gleich aller ponderabeln Materie selbst sind, bloß durch die verhältnismäßige Größe ihrer Atome davon verschieden, welche macht, daß die ponderabeln Atome sie zur Bewegung um sich bestimmen und nicht umgekehrt. Nur scheint die Erfahrung einer Schwere der Imponderabilien überhaupt zu widersprechen, da einerseits eine Zunahme oder Abnahme derselben in einem ponderabeln Körper mit keiner bemerklichen Gewichtsveränderung begleitet ist, andrerseits das Licht durch die Anziehung der Erde in keine beschleunigte Bewegung versetzt zu werden scheint, wie doch unter Voraussetzung seiner Schwere der Fall sein müßte. Bedenkt man jedoch, daß es schon empfindliche Waagen erfordert, die Zunahme und Abnahme der Luft in einem festen Körper zu messen, daß aber die freien Imponderabilien im Verhältnis zur Luft unstreitig noch weit dünner sind, als die Luft zu den festen Körpern, so wird man leicht die Unzugänglichkeit unserer mechanischen Hilfsmittel zu Messungen dieser Art überhaupt anerkennen; um so mehr, da wahrscheinlich bei jedem Entweichen von Licht oder Wärme das Entweichende nur einen kleinen Bruchteil des zurückbleibenden Imponderabile's beträgt, wie auch die Masse der Kometen bei ihrer Annäherung zur Sonne durch das Entweichen der Schweifteilchen nicht beträchtlich vermindert zu werden scheint. Was aber den Umstand anlangt, daß das Licht keine beschleunigte Bewegung, keine Fallbewegung zur Erde zeige, so würde das Wahrnehmen einer solchen, wiewohl sie in aller Strenge Statt fände, doch bei der ungeheuren Anfangsgeschwindigkeit, die man bei dem Lichte vorauszusetzen genötigt ist, zu den strickten Unmöglichkeiten gehören, wie ich dies in meiner Abhandlung über das Licht (XII. a 2 ff. dies. Arch.) durch Rechnung gezeigt habe.
§. 16. Wir kommen jetzt auf einen anderen Einwand, der sich nur durch eine, dem ersten Anblick nach paradoxe, Annahme heben läßt, welche aber, bei genauerer Betrachtung durch eine sich dabei darbietende auffallende Analogie, unserer Theorie vielmehr zur Stütze dienen kann, da sie diese Analogie eben zu ihrem Bestehen fordert.
Soll unsere Theorie überhaupt Statt finden können, so müssen, wie wir sofort zeigen werden, die ponderabeln Atome eine viele milliardenmale größere Dichtigkeit besitzen und in dem entsprechenden Entfernungen sich miteinander befinden, als die ponderabeln Körper, deren Grundlage sie ausmachen, oder die Dichtigkeit eines Atoms wird sich zur Dichtigkeit des Körpers worin es eingeht, ungefähr eben so erhalten müssen, wie die Dichtigkeit der Sonne oder eines Planets zur Dichtigkeit des Systems von tausend und mehr Sonnensystemen, worein es eingeht, so daß solchergestalt die Atome im Kleinen die Verhältnisse der Weltkörper im Großen, mit denen sie ohnehin durch gleiche Kräfte belebt werden, nachahmen, und jeder Körper sich gleichsam als ein System von unzähligen kleinen, in verhältnismäßig großen Entfernungen von einander schwebenden Sonnen, die je einzeln oder mehrere gemeinschaftlich von planetaren Atomen umkreist werden, ansehen läßt. Es bedarf keiner Erörterung, daß diese Ansicht viel Schönes, ja Poetisches hat, indem sie das Leben bis in das scheinbar Starrste herabzuführen scheint und indem sie das Bestehen aller Körper durch die feinste Abwägung des Gleichgewichts allwaltender Kräfte ermittelt. Der Naturphilosoph, der sich dieser Ansicht bemächtigt, wird durch sie einen großen Schritt vorwärts dringen können und ihre Möglichkeit vielleicht schon durch die Schönheit der damit anziehenden Folgerungen und durch die sich von allen Seiten anschließenden Analogien gerechtfertigt glauben; der Physiker abstrahiert jedoch billig von solchen Gründen.
§. 17. Betrachten wir den Umstand selbst, welcher uns zu der aufgestellten Annahme einer so ungeheuren Dichtigkeit der Atome im Verhältnis zu den aus ihnen bestehenden Körpern nötigt.
Es ist gewiß nach dem Gravitationsgesetz, daß sich alle Körper anziehen, zwei Steine auf unserer Erde mithin an sich eben so gut, als sie selbst von der Erde; nur daß der Größe nach die Anziehung der Steine unter einander gegen die der Erde verschwindet, wegen des Massenübergewichts der letzteren. Wenn nun, wird man schließen müssen, dieser Umstand schon bei zwei verhältnismäßig noch großen Steinen macht, daß ihre wechselseitige Anziehung als null betrachtet werden kann, wie viel mehr wird dies bei den fast unendlich kleinen Atomen der Fall sein müssen, und wenn ein Stein den anderen, der neben ihm von einer Höhe herabfällt, eben wegen dieses Umstands nicht zur Bewegung bestimmen kann, wie viel weniger wird ein Atom das andere zur Bewegung bestimmen können, da ihre wechselseitige Anziehung so unendlich von der gemeinschaftlichen Anziehung zum Erdkörper überwogen werden muß. Nun zeigt uns aber die Erfahrung, daß die Cohäsion, welche wir von Anziehung der Atome nach dem Gravitationsgesetz abhängig machten, eine Kraft ist, welche die Schwere sogar beträchtlich überwiegt, indem sonst z. B. jeder Körper, den wir an seinem oberen Ende anfassen, mit seinem unteren Ende in Trümmern herabfallen müßte. Mithin scheint die Cohäsion (und eben so die chemische Anziehung) durch das Gravitationsgesetz überhaupt nicht erklärbar.
Mehrere Physiker haben sich daher auch bewogen gefunden, für die Cohäsion eine, nach einem höheren als dem quadratischen Verhältnisse der Nähe zunehmende Kraft anzunehmen. Uns scheint jedoch dies nicht unumgänglich nötig zu sein, wenn wir Folgendes berücksichtigen.
In das Gravitationsgesetz gehen zwei Elemente ein, die Masse, aber auch die Nähe der angezogenen Körper. Nun kann bei verhältnismäßig größerer Nähe zweier Körper allerdings ihre anziehende Wirkung auf einander fast verschwinden, wenn ein dritter, wiewohl entfernterer anziehender Mittelpunkt ein unverhältnismäßiges Massenübergewicht über beide besitzt, wie im obigen Falle zweier Steine und bei den Erscheinungen der Planetenanziehung gegen die Sonne. Allein so wie hier das Element der Masse das Übergewicht über das Element der Nähe hat und dadurch die Anziehung bestimmt, so lassen sich auch umgekehrt Fälle denken, wo das Element der Nähe in einem solchen Grade das Element der Masse überwiegt, daß die Anziehung eines Körpers (der Erde oder des Erdmittelpunkts) wiewohl von größerer Masse doch gegen die wechselseitige Anziehung zweier Körper von kleinerer Masse (Atome), die sich aber unverhältnismäßig näher, als an diesem Körper (dem Erdmittelpunkte) sind, verschwindet. So ziehen sich schon zwei Kugeln an der Erdoberfläche, die jede nur den millionsten Teil der Erdmasse besitzen, einander stärker an, als sie vom Erdmittelpunkte angezogen werden, wofern ihre Mittelpunkte einander näher als um den tausendsten Teil des Erdradius sind.
Wir sehen, daß auf solche Weise ein Weg sich offenbart, das Bestehen der Cohäsion, ungeachtet der gegen die Erde so unverhältnismäßigen Kleinheit der Atome mit dem Gravitationsgesetz zu vereinbaren, indem wir nämlich die Nähe der Atome in Verhältnis zu ihrer Masse, zur Masse der Erde und zur Entfernung vom Erdmittelpunkt, worin die Erdmasse vereinigt gedacht werden muß, so annehmen, daß der Einfluß dieser Nähe den Einfluß der Masse der Erde in einem solchen Grade überbietet, als es die Erscheinungen der Cohäsion notwendig machen. - An sich kann es nichts Unwahrscheinliches haben, und manche Philosophie würde es vielleicht a priori schließen, daß die Natur von zwei Fällen, die beide in der Formel eines ihrer Gesetze als möglicherweise realisierbar liegen, nicht bloß den einen realisiert haben werde, und daß daher, während sie in den Erscheinungen der Schwere und den Bewegungen der Planeten den Einen Fall verwirklicht hat, wo die Masse den Ausschlag für die Anziehung gibt, auch noch ein anderes Reich Statt finden werde, wo dieser von der Nähe abhängt.
§. 18. Diese allgemeine Betrachtung scheint indes doch bei näheren Eingehen in die dabei zu berücksichtigenden Umstände auf Widersprüche zu führen. Man findet nämlich, daß, wenn zwei kleine Atome sich bei Berührung oder naher Berührung ihrer Oberflächen (wobei ihre anziehenden Mittelpunkte, auf welche die Entfernung beim Gravitationsgesetz zu beziehen ist, jedenfalls noch um die Summe ihrer Halbmesser von einander entfernt bleiben) stärker anziehen sollen, als sie von der überwiegenden Erdmasse angezogen werden, ihre Dichtigkeit schon viele milliardenmale größer sein müsse, als die der Erde15), mithin natürlich noch viel größer, wenn sie sich stärker und aus Entfernungen, welche jedenfalls tatsächlich für die Atome Statt finden, anziehen sollen. Wenn wir aber annehmen wollten, die Körper beständen wirklich aus so dichten Atomen und nun berechneten, in welchen Entfernungen sich diese Atome befinden müßten, damit die mittlere Dichtigkeit der aus ihnen zusammengesetzten Körper, wie wir solche beobachten, herauskäme, so würden wir wieder sehen, daß diese Entfernungen so groß würden, daß die Anziehungen der Atome nur ein sehr geringer Bruchteil von der Anziehung, die sie durch die Erde erfahren, werden könnten, und so scheint uns die Annahme sehr dichter Atome, die wir doch erst zur Erklärung der Cohäsion einführten, wieder zu nichts zu führen, indem sie, uns zugleich nötigt, um nicht mit dem beobachteten mittleren Dichtigkeitsgrade der Körper in Widerspruch zu kommen, durch Vergrößerung der Abstände den Gewinn wieder zu verlieren, den wir den Atomen durch Vergrößerung ihrer Dichtigkeit zu erwerben suchten; oder mit Einem Worte: Unsre Annahme, indem sie die Eine Erscheinung erklären will, scheint dadurch in unausweichlichen Widerspruch mit einer anderen zu verfallen.
1) Können wir dann, ohne für das ganze System der Atome eine ungeheure Dichtigkeit zu erhalten, die Dichtigkeit aller einzelnen sowohl solarer als planetaren Atome sehr groß setzen, weil dann die Dichtigkeit der Masse bloß in der Umgebung jedes einzelnen solaren Atoms ungeheuer sein muß, diese selbst aber entsprechend entfernt sein können.
2) Läßt sich einsehen, wie die Schwere keine Störung in den Bewegungen der planetaren Atome um die solaren hervorbringen kann, wenn die gegenseitige Anziehung derselben in ihrer Nähe wirklich sehr viel stärker, als die der Erde ist; weil dann die planetaren Massen von den solaren Atomen eine solche Geschwindigkeit mitgeteilt erhalten müssen, daß auch, wenn sie in größere Entfernungen von ihren solaren Atomen kommen, die Anziehung der Erde ihre Richtung nicht merklich verändern kann (wie wir am Licht ein solches Beispiel sehen).
§. 20. Als einen direkten Beweis für die ungeheure Anziehungsstärke der Atome in ihrer Nähe läßt sich übrigens der Umstand anführen, daß das Licht, welches von der Gesamtmasse der Erde in Betracht seiner Geschwindigkeit nicht merklich aus seiner gradlinigen Bahn abgelenkt zu werden vermag, doch wenn es nahe an den Massen der so viel kleineren Atome hingeht, eine namhafte Ablenkung nach diesen Atomen zu erfährt.
§. 21. Wir sind also jetzt dahin geführt, die Körper, als Systeme von einerseits relativ fixen größeren, andererseits sich um diese bewegenden kleineren Atomen zu betrachten, welche Atome sämtlich eine ungeheure Dichtigkeit besitzen und die Anordnung haben, daß die fixen Mittelpunkte sich in verhältnismäßig sehr weiten Abständen von einander befinden, die beweglichen Atome aber sich am meisten in der Nähe dieser fixen Mittelpunkte zusammen drängen.
Es wird nicht unzweckmäßig sein, die sich so von selbst darbietende Analogie mit der Anordnung der Himmelskörper von der anderen Seite aus etwas zu verfolgen, nicht als ob wir etwas daraus folgern wollten, sondern weil wir einige interessante Vergleichungen hierbei anstellen können.
Betrachten wir also die Weltkörper als eben so viel Atome eines großeren Systems oder Riesenkörpers (oder mehrerer solcher) und sehen zu, welches Verhältnis die Dichtigkeit eines solchen einzelnen Weltatoms zur mittlern Dichtigkeit des Systems hat, in dem es enthalten ist, etwa die Dichtigkeit der Sonne oder Erde zur Dichtigkeit eines Systems einer beliebigen Menge von Sonnensystemen (die Masse der einzelnen Sonnensysteme auf den Raum, den ihr Gesamtsystem einnimmt, verteilt gedacht16). Um dies genau leisten zu können, müßten wir freilich eigentlich die gegenseitigen Entfernungen der Sonnensysteme und die Masse, die ein jedes derselben enthält, kennen, was nicht der Fall ist; allein zu unserem Zweck reicht es hin, die Masse unseres Sonnensystems und die Entfernung desselben vom nächsten Fixstern als etwas Allgemeines zum Grunde zu legen. Nun kennen wir freilich auch nicht einmal die Entfernung des nächsten Fixsterns von uns, wissen aber, daß sie ungeheuer ist. Nach ihrer Lichtstärke berechnet würden die Sterne erster Größe, im Fall sie mit unserer Sonne gleicher Beschaffenheit wären, 320000mal so weit von uns entfernt sein, als die Erde von der Sonne; und dies Verhältnis wollen wir als ein mindestens wahrscheinliches annehmen; ohnehin kommt es hierbei, wo bloß die Größe der Zahlen im Allgemeinen gezeigt werden soll, auf Tausende, ja Millionen mehr oder weniger nicht an.
§. 23. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß auch die Sonnen gleich unseren Atomen sich zu verschiedenen Aggregatzuständen anzuordnen vermögen; von welchen wir jedoch bloß Eine Art beobachten können. Die Vereinzelung, in der wir unsere Sonne erblicken, scheint auf eine dem Gaszustand analoge Konstitution des Körpers, dem sie angehört, zu deuten, was ich bloß erwähne, um dem Einwand zu begegnen, den man von der eben durchgeführten Analogie hernehmen könnte, daß Anordnungen, wie wir sie zur Repräsentation der Cohäsion aufgestellt haben, am Himmel nicht (andeutungsweise jedoch vielleicht in den Doppelsternen) erblickt werden.
§. 24. Wir glauben endlich noch einen unendlich oft wiederholten Einwand, den eine philosophische Schule der Möglichkeit, daß in der Materie bloße illimitierte Anziehungskräfte statt finden, gemacht hat, berücksichtigen zu müssen. Kant sagt: Wollte man solche ohne eine limitierende Abstoßungskraft annehmen, so müßten sich alle Teilchen der Materie bis ins Unendliche nähern und in Einen Punkt zusammenfließen; es könnten also keine wirklichen begrenzten Körper statt finden, wie sie uns die Erfahrung zeigt.
Kant's Beweis wäre ganz richtig, wenn man sich in der durch den Weltraum anfangs verteilt gedachten Materie18) alle Anziehung beständig und alleinig gegen einen bestimmten Punkt gerichtet denken dürfte; denn da der Bewegung sämtlicher Teilchen nach dieser Richtung dann nichts entgegenwirkte, so könnten sämtliche Teilchen in der Tat erst in diesem Mittelpunkt zur Ruhe kommen. Allein wie konnte wohl Kant übersehen, 1) daß im unendlichen Weltraum an sich kein Punkt als Mittelpunkt gesetzt werden kann, mithin in keinem Punkte vorzugsweise ein solches Zusammenfließen erfolgen könne; 2) was die Hauptsache ist, daß die Limitation, welche Kant verlangt, damit kein Zusammenfließen in Einem Punkte statt finde, schon darin liegt, daß die nach demselben zuströmenden Körper sich auch wechselseitig anziehen, mithin stetig mit ihren Richtungen zu diesem Punkt ablenken und zu Bewegungen um einander bestimmen müssen, wie wir solche tatsächlich an den Himmelskörpern wahrnehmen.
Diese Ablehnung der Willkür scheint mir in der Tat ganz gut gegeben werden zu können, indem man sagen kann, es wäre vielmehr Willkür, bei schlechthin gesetzter allgemeiner Anziehungs- und Abstoßungskraft überall das nemliche Verhältnis derselben an sämtlichen Stellen setzen zu wollen, da in ihrem Begriff die Möglichkeit aller Verhältnisse liegt und da alle im Raum Platz finden können. Allein derselbe Umstand würde eben so wohl der Annahme einer alleinigen Anziehungskraft zu statten kommen, indem man sich hier, anstatt eine anfängliche gleichförmige Verteilung der anziehenden Kraft oder der Materie (die Philosophie wird zwischen beiden keinen Unterschied machen) durch den ganzen Raum vorzustellen, vielmehr die allerallgemeinste Vorstellung von ihrer Verteilung machen könnte, was dann von selbst Anordnungen der Art, wie wir sie wirklich beobachten, hervorrufen müßte. Es müssen dann nämlich die stärker anziehenden Teile das von schwächerer Anziehung um sich zur Bewegung bestimmen und das so entstandene System entweder selbst wieder um eine Masse von noch stärkerer Anziehung sich bewegen oder nach den erörterten Sätzen, gegen gewisse Massen, vermöge der bei ihrer Näherung eintretenden eigentümlichen Anordnung der sich um sie bewegenden Massen in relativer Ruhe gehalten werden, worauf das Entstehen der festen Körper beruht. Im Allgemeinen aber müßten hiernach in der Unendlichkeit des Weltraums alle nach dem allgemeinen Anziehungsgesetz mögliche Fälle der Bewegung vorkommen, weil die Materie ex hypothesi zu Anfangs sich in allen möglich denkbaren Verhältnissen und Anordnungen zu einander befand, wovon die Art ihrer Bewegung abhängt, welches sehr gut mit der Vorstellung übereinstimmt, daß die unendliche Welt die erschöpfende oder sich zu erschöpfen strebende Verwirklichung eines Begriffs oder einer Idee sei, welche selbst an sich unendliche Dinge sind.
Nehmen wir letztere Vorstellung an, so würde sich die Sache auch folgendermaßen darstellen lassen: Der allgemeine Begriff der Materie, als eines mit Anziehung begabten Raums, involviert in seiner Allgemeinheit zugleich alle verschiedene Grade der Anziehungskraft und alle verschiedene Teile des Raums. Die Verwirklichung dieses Begriffs in der Welt führt daher die unendliche Verschiedenheit und verschiedene Verteilung der erscheinenden Materie von selbst mit sich19).