XLVIII. Zusätze.

a) Zusatz bezüglich eines im 30. Kapitel vorgeschlagenen Versuches.

    Den im 30. Kapitel vorgeschlagenen Versuch zur Ermittelung, ob zwei gleiche und gleich stark angeschlagene Saiten bei verschiedener Spannung und mithin Tonhöhe gleich intensiv tönen, habe ich seitdem selbst angestellt; jedoch leider ohne entscheidenden Erfolg. Ich teile aber das Wesentliche davon mit, da vielleicht Andere durch den Fehlschlag dieser Versuche auf bessere Anstellungsweisen desselben geleitet werden können.

    Auf dem Monochord des hiesigen physikalischen Kabinetts, was mir Prof. Hankel, dem ich überhaupt wegen der Unterstützung bei diesen Versuchen zu besonderem Danke verpflichtet bin, zur Disposition stellte, waren 4 Stahlsaiten, je zwei von gleicher Beschaffenheit, neben einander horizontal ausgespannt. Die unverkürzt schwingende Länge derselben betrug bei allen 1,52 Meter. Zwei, mit d (dünn) zu bezeichnende, hatten nahe 0,4 Mill., die beiden anderen, mit D (dick) zu bezeichnenden, zwischen 0,7 und 0,8 Mill. Dicke. Sowohl von den Saiten d als D ward je eine um 1 Oktave höher als die andere gespannt.

    Der Anschlag der beiden zu demselben Paare gehörigen Saiten geschah bei einigen Versuchen durch besonders dazu hergerichtete gleiche messingene Hämmer, welche aus gleicher Höhe auf beide Saiten herabschlugen und beim Rückpralle mit der Hand gefangen wurden 1); in anderen, nach einem Vorschlage von Volkmann, zweckmäßiger durch Kugeln, welche aus schief gegen die Saiten gestellten Rinnen auf die Saiten herabrollten und von selbst absprangen. Der Anschlag geschah beidesfalls in einer, einige Zoll betragenden, gleichen Entfernung vom Ende beider Saiten.

1) Sie sollten noch beledert werden, indes schien nach einigen vorläufigen Versuchen die Anwendung der Kugeln überhaupt rätlicher.
 
 
    Die beiden Hämmer waren in demselben Gestelle an dem einen Ende des Monochordes, einander parallel und in gleicher Richtung mit den Saiten, angebracht, so daß sie nach deren Längsrichtung ein paar Zoll weit vom Ende des Monochordes über dieselben griffen. Die in einem Brette ausgehöhlten, einander parallelen, Rinnen waren ebenfalls nach der Längsrichtung der Saiten, schief gegen dieselben, die Längsaxen der Rinnen dem Saitenabstande entsprechend, oberhalb des Monochordes angebracht, so daß das untere Ende derselben sich nur wenig über den Saiten erhoben fand. Die Stärke des Anschlages ließ sich dann leichter als mittelst der, auf eine bestimmte Hebungshöhe eingerichteten, Hämmer durch die Schiefe der Rinnen und den Punkt, von dem aus man die Kugel rollen ließ, regulieren. Die abspringenden Kugeln wurden in einem vorgelegten Tuche aufgefangen.

    Die Tonhöhe der Saiten wurde durch Vergleich mit einer Stimmgabel bestimmt, welche das (zwischen den Notenlinien enthaltene) einmal gestrichene b gab. Von den Saiten d stimmte die tiefere bei Verkürzung auf 1/8 merklich mit der Gabel überein, war also unverkürzt 3 Oktaven tiefer; von den Saiten D stimmte die tiefere bei Verkürzung auf 1/9 bis 1/10 mit der Gabel überein.

    Es zeigte sich nun bei den unverkürzten Saiten d sowohl mit den Hämmern als Holz- und Elfenbeinkugeln bei sanfter Neigung der Rinnen gegen den Horizont die hohe Saite in starkem Übergewichte gegen die tiefere, welche verhältnismäßig klanglos dagegen erschien; auch bestand dies Übergewicht sowohl in der Nähe bei starkem Tone, als bei Entfernung und nötigenfalls partiellem Ohrenverschluß, indem der tiefe Ton nur noch schwach oder gar nicht mehr gehört wurde, wenn der hohe noch deutlich war.

    Auch bei den unverkürzten Saiten D fand das Übergewicht der hohen Saite in der Nähe und Ferne noch statt, wenn derselbe mäßige Anschlag als bei den Versuchen mit der Saite d angewendet wurde. Aber der Unterschied war nach meinem eigenen wie dem Urteile aller Mitbeobachter entschieden geringer, so daß sich wohl denken ließ, er werde bei einer noch passendem Dicke der Saiten ganz verschwinden. Es bedurfte aber hierzu keiner Abänderung der Dicke. Denn als die Rinnen steiler gestellt wurden, so daß die Kugel mit größerer Kraft vom obersten Ende auf die Saiten rollte, wurde der Unterschied der Stärke zwischen der hohen und tiefen Saite zweideutig. Auch hierin stimmte das Urteil Anderer mit dem meinigen überein.

    Es wurde nun, während bei den vorigen Versuchen der Anschlag der hohen und tiefen Saite gleich war, der Anschlag beider Saiten D so verschieden gemacht, daß der Ton gleich intensiv oder vielmehr der Unterschied zweideutig erschien. Ich stellte mich hinter ein Hindernis so gegen den Apparat, daß ich denselben nicht sehen konnte, der Ton aber stark gehört wurde, und ein Mitbeobachter änderte die Höhe, aus der er die Kugeln herabrollen ließ, so lange für beide Saiten ab, bis ich durch meinen Zuruf den Unterschied der Intensität für zweideutig erklärte. Hierbei bestätigte sich das vorige Resultat. Bei sanfter Neigung der Rinnen, mithin mäßig starkem Anschlage, mußte die Elfenbeinkugel längs der ganzen Länge der Rinne nach der tiefgestimmten Saite herablaufen, indes sie nach der hochgestimmten nur ungefähr längs der halben herablief, um den Intensitätsunterschied zweideutig zu finden. Bei viel steilerer Stellung der Rinnen ward der Unterschied zweideutig, wenn die Kugel nach beiden Saiten längs der ganzen Länge der Rinnen herablief; ja es schien selbst die tiefere Saite nun eines etwas kürzeren Weges zu bedürfen. Sowohl bei der sanften als steilen Neigung wurde der Versuch zweimal mit entsprechendem Resultate wiederholt. Wurden aber bei der steilen Neigung die Kugeln von einem sehr niederen, für beide Saiten gleichen Punkte der Rinnen herabrollen gelassen, so gewann die Intensität der hohen Saite wieder ganz entschieden das Übergewicht. Die Neigungen der Rinnen sind dabei zu messen versäumt worden; ihre Angabe könnte aber auch nichts nützen, da absolute Bestimmungen aus diesen Versuchen überhaupt nicht hervorgehen.

    Ein Mitbeobachter stellte mit mir zugleich diesen Versuch an. Dabei zeigte sich das Merkwürdige, daß er ganz konstant den hohen Ton verhältnismäßig intensiver als ich schätzte, indem er bei einem Punkte, wo ich den Intensitätsunterschied zwischen hohem und tiefem Tone zweideutig fand, ausnahmslos den hohen Ton noch für intensiver erklärte, und selbst, wenn ich schon den tiefen Ton ein wenig intensiver fand, den hohen für noch etwas überwiegend erklärte. Auch fand sich dieser Unterschied der Auffassung noch in einigen anderen gelegentlichen Versuchen wieder. Im Übrigen fand er den Unterschied des Erfolges zwischen den Saiten D und d und den Unterschied zwischen der sanften und steilen Neigung der Rinnen in demselben Sinne als ich und als die anderen Beobachter.

    Daß nun bei stärkerem absoluten Anschlage die tiefe Saite relativ intensiver zu tönen beginnt, könnte als ein Beweis für die Übertragbarkeit des im Gebiete der Lichtempfindung erwiesenen Helmholtz’schen Satzes (T. II, Kap. 30) auf Töne angesehen werden. Allein dann hätte durch Abschwächung des Tones mittelst Entfernung und Ohrverschluß der hohe Ton wieder überwiegend werden müssen, was durchaus nicht konstatiert werden konnte. Eben so spricht gegen diese Auffassung folgender Umstand.

    Da mit wachsender Stärke des Anschlages Seitens der Elfenbeinkugel das Übergewicht des hohen Tones abnahm und selbst zweideutig wurde, so hätte man meinen sollen, daß bei Vertauschung der Elfenbeinkugel mit einem hohlen Gummiballe, zumal bei Herabrollen von einem niederen Punkte, vermöge des schwachen Anschlages, der hierbei entsteht, der hohe Ton um so mehr ins Übergewicht hätte kommen müssen. Aber im Gegenteil trat hierbei unerwartet der tiefe Ton in entschiedenes Übergewicht, nach meinem eigenen und aller Mitbeobachter Urteile.

    Die hohlen Gummibälle würden sich, da sie den reinsten Ton geben, überhaupt am meisten zu diesen Versuchen empfohlen haben, wenn sie ohne hohe Naht zu erhalten wären. Diese aber macht, daß das Herabrollen in einzelnen Versuchen nicht recht vergleichbar ausfällt, wenn schon der allgemeine Erfolg im eben angegebenen Sinne völlig entscheidend war.

    Es trat also je nach der Dicke der Saiten, der Stärke des Anschlags, dem Material des anschlagenden Körpers bald der hohe, bald der tiefe Ton ins Übergewicht, so sehr, daß nicht einmal der Vermutung eine bestimmte Richtung über das gesuchte Resultat blieb. Der Wechsel des Übergewichtes schien hauptsächlich darauf zu beruhen, daß, je nachdem die Verhältnisse der Saite und des Anschlags besser oder schlechter zu einander stimmen, ein geringerer oder größerer Teil von der lebendigen Kraft des Anschlags zur Hervorrufung eines den Ton begleitenden Geräusches verwendet wird.

    Ich habe nur die, mit den unverkürzten Saiten angestellten, Versuche angeführt, welche am meisten vervielfältigt wurden; doch wurden auch verschiedene Versuche mit, durch Untersetzung eines gemeinsamen Steges verkürzten, Saiten angestellt, die aber eben so je nach Wechsel der Umstände variable Resultate gaben. Nun glaube ich zwar, daß man mit noch sorgfältiger ausgeführten Apparaten das Geräusch noch mehr beseitigen kann, aber es dürfte schwer sein, ein ganz reines Resultat zu erzielen.

    Ich dachte daran, statt des Anschlags an Saiten das Anblasen einer mittelst eines Stempels zu verkürzenden Pfeife mittelst eines Luftstromes von konstanter Stärke zu versuchen. Aber da bei Verkürzung über eine gewisse Grenze hinaus die Pfeife gar nicht mehr anspricht, so schien mir, daß auch hier eine entsprechende Schwierigkeit als bei den Saiten, nur in anderer Form, zu erwarten sein würde.

b) Zusatz über einige in die Psychophysik einschlagende neuere Untersuchungen
von Helmholtz.

    Die im zweiten Hefte der physiologischen Optik von Helmholtz jüngst erschienenen Untersuchungen, mir zugekommen, als der 22. Bogen dieses Bandes im Drucke war, begegnen sich mehrseitig mit dem Inhalte dieser Schrift, teils übereinstimmend, teils abweichend; namentlich in Bezug: 1) des Maßes der Lichtempfindung; 2) der Auffassung des Hebungsphänomens bei dem Kontraste; 3) einer wichtigen optischen Hypothese. Indes die mit Recht so große Autorität Helmholtz’s mich Gewicht auf die Punkte der Übereinstimmung legen läßt, veranlaßt sie mich zugleich, auf die scheinbaren oder wirklichen Punkte der Abweichung etwas näher einzugehen.

    Den ersten Punkt anlangend, so müßen natürlich die Grenzen des Weber’schen Gesetzes bei sehr geringen und sehr hohen Helligkeitsgraden, auf die ich im ersten Teile hingewiesen, auch einen Einfluß auf mittlere Grade erstrecken; oder genauer ausgedrückt, wenn das Gesetz an den Grenzen ganz ungenau ist, so kann es in den mittleren Graden nicht ganz genau sein. So lange jedoch in den Grenzen des gewöhnlichen Augengebrauches die Abweichung nicht spürbar war, war auch kein dringender Anlaß, Korrektionen oder Abänderungen deshalb in die auf jenes Gesetz gegründeten Formeln für den gewöhnlichen Gebrauch aufzunehmen, sondern man konnte sich bei der Approximation, die sie jedenfalls gewähren, begnügen, wie dies auch in den von Steinheil und Pogson bei den Sterngrößenschätzungen angewendeten Formeln geschehen ist, deren Beziehung zum Weber’schen Gesetze ich in den, T. I, S. 139, angeführten zwei Abhandlungen näher dargelegt habe. In der Tat aber hat sich bei den bisherigen Beobachtungen von Bouguer, Arago, Masson, Steinheil, Volkmann, meinen eigenen, und bei den Sterngrößenschätzungen eine Abweichung vom Weber’schen Gesetze bei mittleren Helligkeitsgraden nicht als spürbar herausgestellt, was die Sicherheit gewährt, daß hier wirklich ein für mittlere Helligkeitsgrade approximativ gültiges Gesetz vorliegt. Indessen habe ich doch selbst schon in meiner ersten Abhandlung S. 513 f. sowie in dieser Schrift T. I, S.162 eine Erfahrung von Herschel als zu einer genaueren Untersuchung auffordernd angeführt, welche zu beweisen schien, daß für sehr geübte Augen unter günstigen Umständen Abweichungen auch wohl spürbar werden könnten, die unter anderen Umständen nicht spürbar werden; und dasselbe geht jetzt mit größerer Bestimmtheit aus Helmholtz’s neuen Untersuchungen im zweiten Hefte seiner physiologischen Optik S. 309 ff. hervor, welche, wie es im Sinne des Einflusses ist, den die Grenzen des Gesetzes auf die Mitte äußern müssen, statt einer konstanten relativen Empfindlichkeit, welche das Weber’sche Gesetz verlangt, für eine gewisse Intensität ein Maximum der relativen Empfindlichkeit gewähren; indes das Weber’sche Gesetz "als eine erste Annäherung an die Wahrheit stehen bleibt," wie sich Helmholtz selbst ausdrückt.

    Wenn ich nicht irre, liegt der Grund, daß Helmholz eine Abweichung vom Gesetze zwischen Grenzen erkannt hat, wo sie von einer Mehrzahl früherer Beobachter von gutem Namen nicht erkannt worden ist, darin, daß er überhaupt die kleinsten Lichtunterschiede erkannt hat, die bis jetzt erkannt worden sind, denn der kleinste erkennbare Unterschied variiert bei ihm zwischen 1/117 und 1/165 der Intensität; während die bisherigen Beobachtungen bei der Prüfung des Gesetzes nur 1/64 bis 1/100 ergeben haben, und die höchste Angabe, die überhaupt stattfindet, nach Arago 1/131 ist (vgl. T. I, S. 172). Es ist aber eine, wenn schon nicht an sich notwendige, doch natürliche Voraussetzung, daß, wo die kleinsten Lichtunterschiede noch erkennbar sind, auch die kleinsten Unterschiede zwischen Lichtunterschieden noch wahrgenommen werden; und daher leicht denkbar, daß, wo das Auge oder Verfahren weniger empfindlich ist, als bei Helmholtz, die Approximation des Gesetzes noch zulänglich erscheint, die bei ihm nicht mehr zulänglich erschienen ist.

    Prinzipiell jedoch würde hier bloß die Frage wichtig sein, ob durch die Helmholtz’sche Untersuchung die fundamentale Gültigkeit des Weber’schen Gesetzes in der Art angegriffen ist, daß die Abweichungen an oberer und unterer Grenze, anstatt auf die von mir angegebenen Gründe geschoben werden zu können, in der Beziehung der Empfindung zur Bewegung selbst gesucht werden müssen. Dies ist durchaus nicht der Fall; vielmehr läßt sie in dieser Beziehung den von mir dargelegten Stand der Sache vollkommen bestehen. Die von mir T. I, S. 163,165 angegebenen Gründe der Abweichung an der oberen und unteren Grenze sind keine bloß hypothetischen, sondern nicht minder faktische, als die Abweichungen selbst; auch würde es an sich höchst unwahrscheinlich sein, daß die komplizierte Form eines Gesetzes, die von Helmholtz mit vollem Rechte in einer Formel substituiert worden ist; welche die Abweichungen mit aufzunehmen bestimmt ist, als Grundgesetz bestehen sollte.

    Indem ich nun hinsichtlich des experimentalen Teiles der Helmholtz’schen Untersuchung auf seine eigene Schrift verweise, begnüge ich mich hier, die Formeln mitzuteilen, welche er zur Aufnahme der Abweichungen vom Weber’schen Gesetze denen substituiert, die auf das reine Weber’sche Gesetz zu stützen sind; wobei ich die Buchstabenbezeichnung in die übersetze, die in dieser Schrift gewöhnlich gebraucht ist.

    Unsere auf das reine Weber’sche Gesetz gestützte Fundamentalformel ist

wo g die Empfindung, b der Reiz, K eine von b unabhängige Konstante ist. Zur Berücksichtigung der Abweichung nach unten substituiert Helmholtz (wie dies übrigens auch schon von mir im 35. und 31. Kapitel geschehen) für b den um eine Konstante b0 vermehrten Wert des Lichtreizes, und zur Berücksichtigung der Abweichung nach Oben setzt er die Konstante K von b abhängig, indem er  annimmt, wo B als sehr groß vorzustellen. Dies gibt als Fundamentalformel mit Rücksicht auf die Grenzen statt der obigen: 

woraus durch Integration hervorgeht:

und hiernach ein Maximumwert der Empfindlichkeit für  folgt.

    Die Setzung von  gründet sieh auf die unstreitig formell berechtigte, wenn schon nach der Natur der oberen Grenze vielleicht sächlich nicht ganz zutreffende, Annahme der einfachsten Funktionsform von b, bei der man natürlich stehen zu bleiben hat, so lange die Erscheinungen keinen bestimmten Widerspruch erheben. Meinerseits ließe sich nur noch hinzufügen, daß die Helmholtz’sche Formel, um vom Maße der Lichtempfindung auf das Maß der Empfindung von Lichtunterschieden übertragbar zu werden, eben so wie die Formeln von Steinheil und Pogson noch der Einführung der Unterschiedsschwelle in der, im 24. Kap. angegebenen, Weise bedürfen würde.

    Aufrichtig erkenne ich in der Untersuchung von Helmholtz einen Fortschritt an, den die Psychophysik im Gebiete der Lichtlehre durch diesen ausgezeichneten Forscher erfahren hat, und kann nichts mehr wünschen, als daß sie durch weitere derartige Fortschritte an Bestimmtheit und Entwickelung mehr und mehr gewinne. Wenn aber noch vor Erscheinen seiner Untersuchung das Gerücht zu mir gelangt war, daß Helmholtz die mathematische Grundlage meiner Psychophysik darin angegriffen habe, so kann hierin wohl nur ein Mißverstand liegen, dem ich mit Vorigem und dem, was ich mit Absicht deshalb im Vorworte hervorgehoben, auch für die Zukunft zu begegnen wünschte; wenigstens kann ich selbst in seiner eigenen Darstellung nichts der Art finden. Nur dann würde dies der Fall sein, wenn die prinzipielle Gültigkeit des Weber’schen Gesetzes oder das noch allgemeinere Maßprinzip, worauf sich diese Schrift in letzter Instanz stützt, dadurch in Frage gestellt wäre; statt dessen sehe ich in Helmholtz’s Untersuchung die erste faktische Anerkennung eines auf dies Prinzip gestützten Empfindungsmaßes; denn, wenn schon darauf bezügliche Formeln früher bestanden, hat man ihnen doch nicht diese Bedeutung beigelegt.

    Der zweite Punkt bezieht sich auf die, für die Empfindungslehre überhaupt und die mathematische Behandlung der Empfindung von Unterschieden insbesondere wichtige Frage, ob die Hebung der Eindrücke durch den Kontrast bloß auf einem Akte des Urteiles oder auch auf einer Abänderung der Empfindlichkeit beruhe. Ich habe mich in diesem Teile (Kap. 24) für die zweite Alternative erklärt; finde aber, daß sich Helmholtz in seiner neuen Untersuchung (S. 392, 406, 414) bezüglich der Hebungsphänomene beim simultanen Kontrast für die erste erklärt. Die Gründe für meine Auffassung, welche mir auch jetzt noch im Übergewichte scheinen, findet man in meiner, im Vorworte angezeigten, Abhandlung über Kontrastempfindung angeführt, worauf ich mich begnüge, hier zu verweisen, mit der Bemerkung, daß durch die Versuche und Erörterungen von Helmholtz doch die wesentliche Mitwirkung eines Urteilsaktes sicherer und in weiterem Umfange als seither erwiesen ist.

    Dieser Abweichung bezüglich des zweiten Punktes gegenüber war mir um so willkommener das Zusammentreffen mit Helmholtz bezüglich des dritten. Die Hypothese, daß objektiv einfache Farbestrahlen doch im Auge ein subjektives Farbengemisch hervorrufen (T. II, S. 301), hatte ich, so notwendig sie mir aus verschiedenen Gesichtspunkten erschien, doch nicht ohne Zögern aufzustellen gewagt; dieselbe Hypothese finde ich aus, zum Teil mit den meinigen zusammenstimmenden, Gesichtspunkten durch Helmholtz vertreten, und die Unabhängigkeit der beiderseitigen Aufstellung dürfte beitragen, sie zu unterstützen. Die Form, unter welcher Helmholtz dieselbe (mit Rückgang auf Young’s Hypothese von drei Arten Nervenfasern, welche respektiv drei Grundfarben empfinden) aufgestellt hat, weicht allerdings wesentlich von derjenigen ab, in welcher ich dieselbe vorgetragen habe; aber die Abweichung hält sich in einem Gebiete, in welchem die Vermutung den Schluß ergänzen muß, so daß ein Streit darüber fast müßig, weil vor der Hand kaum zu entscheiden sein würde. Doch wird man leicht aus dem Zusammenhange erkennen, was mich auf die von mir bevorzugte Form geführt hat und noch daran festhalten läßt; wobei ich aber weit entfernt bin, in diesem Zusammenhange einen Beweis zu sehen.