Formeln und Folgerungen des psychischen Maßes.
XIV. Allgemeine Vorerinnerung. Die wichtigsten Eigenschaften der Logarithmen.
Indem ich daran gehe, die Formeln zu entwickeln, mittelst deren das psychische Maß vollziehbar ist, habe ich im Allgemeinen vorzubemerken, daß hierbei (abgesehen von einem Kapitel, worin beispielsweise eine andere Voraussetzung unterliegt) überall die Gültigkeit des Weber’schen Gesetzes und die Tatsache der Schwelle vorausgesetzt wird. Insofern erstere Voraussetzung nicht überall oder nur innerhalb gewisser Grenzen oder nur mit gewisser Annäherung im Sinnesgebiete zutrifft, wird dies natürlich auch von den darauf gegründeten Formeln gelten; inzwischen ist in Betreff der beschränkten Anwendbarkeit, welche diesen Formeln hiernach nur zuzusprechen ist, an Folgendes rück- und vorzuerinnern.
1) Die Hauptverhältnisse, welche es im Gebiete der Sinnesempfindung beim gewöhnlichen Gebrauche der Sinne zu betrachten gilt, werden immer unter der Herrschaft der genauen oder angenäherten Gültigkeit des Weber’schen Gesetzes stehen, und von Abweichungen kleiner Ordnung oder unter exzeptionellen Fällen des Gebrauches der Sinne Anfangs, wo es eben nur gilt, die Hauptverhältnisse zu übersehen, abstrahiert werden können, wie dies schon Th. I. S. 66 f. geltend gemacht ward.
2) Die Abweichungen vom Weber’schen Gesetze an dessen unterer Grenze, welche vom Dasein innerer Ursachen der Empfindung abhängen, und manche andere Abweichungen machen die auf das Gesetz gegründeten Formeln nicht ungültig, sondern lassen sich in solcher Weise in dieselben mit einführen, daß sie selbst ihrem Effekte auf die Empfindung nach durch diese Formeln repräsentiert werden können; was weiter zu erörtern in der Folge Gelegenheit sein wird.
3) Wo die auf das Weber’sche Gesetz gegründeten Formeln für die äußere Psychophysik gültig zu sein aufhören, verlieren sie doch nicht ihre Bedeutung für die innere, insofern die Gültigkeit des Weber’schen Gesetzes für die psychophysischen Tätigkeiten unstreitig weiter reicht, als für die Reize, von welchen dieselben ausgelöst werden, wie Th. l. S. 67 f. besprochen worden, und künftig Gegenstand weiterer Besprechung werden wird.
4) Auch wohin das Weber’sche Gesetz nicht reicht, vielmehr eine andere Beziehung zwischen konstanten Empfindungszuwüchsen und variabeln Reizzuwüchsen im Aufsteigen von Empfindung und Reiz besteht, als welche durch das Weber’sche Gesetz ausgedrückt ist, reicht doch das, im 7. Kapitel des ersten Teiles erörterte, Prinzip, nach dem sich eben so gut auf jede andere Beziehung zwischen jenen Zuwüchsen Formeln des Maßes gründen lassen würden; die folgenden Formeln aber können nun jedenfalls als das wichtigste Beispiel der Anwendung dieses allgemeinen Prinzips gelten; wie schon Th. I. S. 65 besprochen ist.
Da wir im Folgenden beständig mit Logarithmen zu tun haben, und hierbei manche Verhältnisse in Rücksicht und Anwendung kommen werden, die beim gewöhnlichen Gebrauche der Logarithmen nicht vorkommen, so dürfte Manchem, dem diese Verhältnisse nicht mehr geläufig sind, eine kurze Rekapitulation derselben willkommen sein.
Wenn man eine ein- für allemal festgesetzte Zahl, welche die Grundzahl des logarithmischen Systems heißt, sukzessiv zu verschiedenen Potenzen erhebt, so entstehen daraus verschiedene Zahlen. Die Potenz, auf welche die Grundzahl erhoben werden muß, um eine gegebene Zahl zu erhalten, heißt der Logarithmus dieser Zahl.
Im Systeme der gemeinen oder sog. Briggi’schen Logarithmen, für welches die gewöhnlichen Tafeln eingerichtet sind, ist 10 die Grundzahl und hiernach z. B. 1 der Logarithmus von 10; 2 der Logarithmus von 100; 3 der Logarithmus von 1000 u. s. f.
Je nach der Wahl anderer Grundzahlen erhält man andere logarithmische Systeme; und während man zum praktischen Gebrauche beim Systeme der gemeinen Logarithmen stehen bleibt, ist in der mathematischen Analyse vielfach nötig und wird sich auch im Folgenden vielfach nötig machen, auf ein davon verschiedenes, das sog. natürliche, logarithmische System Bezug zu nehmen, dessen Grundzahl die, folgends stets mit e zu bezeichnende, Irrazionalzahl
Ungeachtet die Logarithmen im gemeinen
und natürlichen Systeme für dieselbe Zahl sehr verschieden sind,
bleibt doch das Verhältnis derselben immer dasselbe, für welche
Zahl man es auch in Betracht ziehen möge. Dieses konstante Verhältnis
zwischen dem gemeinen und natürlichen Logarithmus stimmt
mit dem gemeinen Logarithmus der Grundzahl des natürlichen Logarithmus
e überein; es wird der Modulus des gemeinen logarithmischen
Systems genannt und soll künftig immer mit M bezeichnet werden.
Sein Wert ist 0,434294481 .... Man hat also
log comm. =
0,3622156.
Aus der allgemeinen Definition des Logarithmus folgt, daß man, um aus dem Logarithmus einer Zahl die Zahl zu finden, die Grundzahl zu der Potenz zu erheben hat, welche durch den Logarithmus der Zahl bezeichnet ist. Sei allgemein b die Zahl, g ihr Logarithmus, mithin
In jedem logarithmischen Systeme ist der Logarithmus von 1 gleich Null, der Logarithmus der Grundzahl gleich 1, und hat der Logarithmus von 0 einen negativ unendlichen, der Logarithmus von + ¥ einen positiv unendlichen Wert.
In jedem logarithmischen Systeme haben die Logarithmen von Zahlen, die l übersteigen, positive Werte, die Logarithmen von Brüchen, welche kleiner als 1 sind; negative Werte.
Der Logarithmus einer Zahl und der
Logarithmus des reziproken Wertes der Zahl, also z. B. log 4 und log ¼,
log 3 und log 1/3, allgemeiner
log b und log
sind dem absoluten Werte nach überall gleich groß und nur von
entgegengesetztem Vorzeichen. Daher kann man auch statt log
setzen - log b und statt log b
setzen - log
.
Eben so sind der Logarithmus eines
Bruches
und der Logarithmus des reziproken Wertes dieses Bruches
,
welches auch die Zahlen b , b sein mögen,
einander im absoluten Werte gleich und nur von entgegengesetztem
Vorzeichen, so daß man auch statt log
setzen kann - log
und statt log
setzen kann - log
.
Bekanntlich ferner kann man statt der
Summe der Logarithmen zweier Zahlen den Logarithmus ihres Produktes setzen
und umgekehrt; statt der Differenz der Logarithmen zweier Zahlen den Logarithmus
ihres Quotienten und umgekehrt; statt des n fachen Logarithmus einer
Zahl den Logarithmus der nten Potenz der Zahl und umgekehrt; statt
des Logarithmus der nten Wurzel einer Zahl den nten Teil
des Logarithmus der Zahl
log b und umgekehrt.
Transformationen dieser Art werden im Folgenden unaufhörlich wiederkehren, und es ist daher nötig, sich dieselben geläufig zu machen. Hier folgt die Zusammenstellung der Formeln, welche den Ausdruck derselben enthalten:
(1)
(2)
(3)
log b + log b = log bb (4)
log b - log b = log
(5)
(6)
(7)
Dabei ist wichtig, einen Ausdruck, wie
nicht mit dem Ausdrucke
zu verwechseln. Ersterer kann nach vorigen Sätzen in log b – log b transformiert werden, letzterer läßt keine solche Transformation zu. Eben so ist log bb ' nicht mit log b log b ' zu verwechseln. Ersterer Ausdruck kann in log b + log b ' transformiert werden, letzterer nicht.
Wenn eine Zahl sich nur wenig von 1 unterscheidet, und a die kleine positive oder negative Differenz derselben von l ist, so kann man, insofern sich die höheren Potenzen von a gegen die erste vernachlässigen lassen, im Falle gewöhnlicher Logarithmen setzen
log(1 + a ) = Ma ,
wo M der Modulus ist, oder im Falle natürlicher Logarithmen einfach
Die hieraus fließende Substitution von Ma oder a für log (1 + a ) ist oft von nützlicher Anwendung. Allgemein hat man, auch bei nicht sehr kleinen Werten von a, im Falle gewöhnlicher Logarithmen
welche Formel durch Vernachlässigung der höheren
Potenzen von a in die obige übergeht, und
durch Substitution von 1 für M auch für natürliche
Logarithmen anwendbar wird.