Äußere Psychophysik.
 
 

Die psychophysische Maßlehre.

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V. Maß der körperlichen Tätigkeit. Lebendige Kraft.

    Kein Reiz wirkt als ein träger; vielmehr sind manche Reize, wie Licht und Schall, unmittelbar als Bewegungen faßbar; und wenn von anderen, wie Gewichten, Geruchs- und Geschmacksreizen dies nicht gilt, so dürfen wir doch voraussetzen, daß sie nur durch Hervorrufung oder Abänderung irgendwelcher Tätigkeiten in unserem Körper Empfindung erzeugen oder solche abändern, und also ihrer Größe nach Repräsentanten der Größe körperlicher, mit Empfindung in Beziehung stehender, Tätigkeiten sind, welche in irgend einem Verhältnisse der Abhängigkeit dazu stehen.

    Ohne uns nun hier mit dem Spezialmaße der verschiedenen Reize und dadurch anregbaren körperlichen Tätigkeiten zu beschäftigen, vielmehr, soweit ein solches vorliegt, solches aus Physik und Chemie als bekannt voraussetzend, wollen wir aber über das allgemeine Maß körperlicher Tätigkeit in einige, für das Folgende belangreiche, Erörterungen eingehen.

    Schon im gewöhnlichen Leben legt man einen gewissen Maßstab an die Größe oder Stärke einer körperlichen Tätigkeit, und sucht diesen teils in der Schnelligkeit der vollzogenen Bewegungen, teils der Größe der fortbewegten Masse, ohne jedoch bestimmtere Vorstellungen darüber zu haben. Zunächst nun scheint es am natürlichsten, als Maß der Größe einer Tätigkeit das Produkt aus der Größe der fortbewegten Masse in die Geschwindigkeit, mit der sie bewegt wird. d. h. die Quantität der Bewegung, anzunehmen. In der Tat ist beim Stoße und überhaupt bei der Mitteilung der Bewegung die Geschwindigkeit, welche der angestoßene Körper annimmt, oder die Größe der Masse, welcher eine gegebene Geschwindigkeit mitgeteilt werden kann, der Quantität der Bewegung des anstoßenden Körpers proportional, und wollte man also diese Wirkung als maßgebend für die Größe der Tätigkeit ansehen, so würde man allerdings in der Quantität der Bewegung ein Maß derselben finden können. Unstreitig kommt das auf die Definition der körperlichen Tätigkeit an. Inzwischen, wenn man solche in dem Sinne fassen will, wie sie in der exakten Physik, Mechanik, Physiologie und selbst im gewöhnlichen Leben gefaßt wird, kann nicht die Quantität der Bewegung, sondern nur die lebendige Kraft als Maß der körperlichen Tätigkeit dienen.

    Die lebendige Kraft, von der hier die Rede ist, ist in keiner Weise mit der Lebenskraft der Philosophen zu verwechseln, sondern ein scharfer Maßbegriff von folgender Bedeutung.

    Die lebendige Kraft eines materiellen Teilchens, gleichviel ob atomistisch oder nicht atomistisch gefaßt, wird erhalten, indem man seine Masse m mit dem Quadrate seiner Geschwindigkeit v multipliziert, so daß der Ausdruck der lebendigen Kraft für das betreffende Teilchen mv² ist 1). Die lebendige Kraft eines ganzen Systems ist dann die Summe der lebendigen Kräfte seiner Teilchen, also bei einem Systeme aus drei oder mehr Teilchen mit den Massen m, m', m" .... und Geschwindigkeiten v, v', v" ....

= mv ² + m' v' ² + m" v" ².... , was man kurz für eine beliebige Anzahl Teilchen durch åmv² auszudrücken pflegt; wobei nur Acht zu haben ist, daß das Summenzeichen å nicht eine Summierung mehrerer gleicher Produkte mv² bedeutet, sondern so vieler verschiedenartiger Produkte als es Teilchen mit verschiedener Masse und Geschwindigkeit gibt.
  1) Streng genommen wird in der Mechanik nur die Hälfte des Produktes mv2 unter lebendiger Kraft des Teilchens verstanden; doch wenden Manche auch den Namen auf das ganze Produkt an, was ich hier der Bequemlichkeit halber ebenfalls tue, indem dieser verschiedene Gebrauch begreiflich keinen Einfluß auf die Verhältnisse hat, die von der lebendigen Kraft abhängen, sondern bloß die Einheit derselben ändert.
 
 
    Ohne hier auf die tieferliegenden Gründe für die Einführung dieses Maßbegriffes eingehen zu wollen, können einige näherliegende dafür angeführt werden.

    Nach dem ganzen Geiste der mathematischen Bewegungslehre muß man entgegengesetzt gerichtete Geschwindigkeiten mit entgegengesetzten Vorzeichen bezeichnen; und es leuchtet hiernach ein, daß, wenn man sich fragte, welche Summe Tätigkeit binnen einer gegebenen Zeit in einem Systeme entwickelt worden sei, dessen Teilchen in lebhaften Schwingungen begriffen sind, diese Summe von Tätigkeit sich merklich null finden würde, wenn man die Quantität der Bewegung zum Maßstabe der Tätigkeit machen wollte, da die Geschwindigkeiten der hin- und hergehenden Bewegungen durch ihr entgegengesetztes Vorzeichen mit der stets positiven Masse Produkte geben, die sich bei der Summierung kompensieren; was doch keinesfalls angemessen wäre, sofern zu den hingehenden Bewegungen so viel Kraft gebraucht wird, als zu den hergehenden; dagegen bei Anwendung der lebendigen Kraft als Maßstab sowohl die hin- als hergehenden Bewegungen zur Vermehrung der Tätigkeitssumme beitragen, da das Quadrat einer negativen Größe eben sowohl positiv ist, als das einer positiven Größe.

    Zweitens tut man, indem man die körperliche Tätigkeit durch die lebendige Kraft mißt, nichts anderes, als sie durch die körperliche Leistung oder Arbeit, die dadurch vollziehbar ist, messen, wodurch man mit den Begriffen des täglichen Lebens und der praktischen Mechanik in Zusammenhang und Beziehung tritt. Ein Mensch, eine Maschine hat nach den geläufigen Begriffen von Arbeit doppelt oder dreimal so viel gearbeitet, wenn er ein gegebenes Gewicht auf die doppelte oder dreifache Höhe gehoben hat; und leistet er eine andere Art Arbeit, als Heben von Gewichten, so kann man sie doch stets auf diese Art Arbeit reduzieren, um ein vergleichbares Maß dafür zu haben.

    Nun wächst nach bekannten Gesetzen die Höhe, welche ein vertikal aufwärts geworfener Stein, abgesehen vom Luftwiderstande, erreicht, nicht im Verhältnisse der einfachen Geschwindigkeit, die man ihm im Momente des Wurfes erteilt, sondern des Quadrates dieser Geschwindigkeit, mithin im Verhältnisse der lebendigen Kraft, die ihm im Momente des Wurfes erteilt wird. Dieselbe Geschwindigkeit aber, die ihm beim Werfen auf einmal (oder vielmehr in sehr raschen Zuwüchsen) erteilt wird, wird ihm beim langsamen Heben in allmäligen Zuwüchsen erteilt, und also hängt die Hubhöhe ebenso wie die Wurfhöhe von der Größe der lebendigen Kraft ab, welche dem Steine, allgemeiner einer Last, einem Gewichte, in der Richtung gegen die Schwere eingepflanzt wird, oder von selbst inwohnt.

    Ein Mensch muß, um auf einen Berg zu steigen, abgesehen von Nebenumständen, so viel lebendige Kraft in aufwärts gehender Bewegung selbst erzeugen, als nötig wäre, sein Gewicht auf diese Höhe zu werfen.

    Und so repräsentiert ganz allgemein die lebendige Kraft, die ein Körper von gegebener Masse in einem gegebenen Momente besitzt, wie übrigens auch seine Geschwindigkeit gerichtet sei, eine gewisse Höhe, die diese oder eine gleiche Masse vermöge derselben Geschwindigkeit über einem gegebenen Punkte erlangen wird, wenn man derselben diese Geschwindigkeit an diesem Punkte gegen die Richtung der Schwere eingepflanzt dächte. Und zwar, was wohl zu beachten, unter der Voraussetzung, daß die bisherige Krafteinwirkung, welche der Masse die Geschwindigkeit einpflanzte, aufhörte, und außer der direkt entgegenwirkenden konstanten Schwere keine neue Krafteinwirkung zuträte. An jedem Punkte der Steighöhe des Körpers kann man für die an diesem Punkte stattfindende lebendige Kraft die demgemäße Repräsentation durch eine über diesem Punkte erreichbare Höhe vornehmen, ohne dadurch in Widerspruch mit der ersten Bestimmung zu geraten, indem mit der sich immer mehr vermindernden lebendigen Kraft auch die über dem betreffenden Punkte noch erreichbare Höhe sich immer mehr vermindert.

    Beim aufwärts gehenden Wurfe oder der Hebung einer Last im leeren Raume ist es bloß die Gegenwirkung der Schwere, welche dem Körper von der einmal erzeugten Geschwindigkeit fortgehends etwas entzieht, bis endlich bei Erreichung einer gewissen Höhe alle Geschwindigkeit entzogen ist, über welchen Punkt hinaus demgemäß die Leistung nicht gehen kann. Anstatt oder in Verbindung mit der Gegenwirkung der Schwere kann aber auch der Widerstand der Elastizität, der Reibung, der sogenannte Widerstand der Mittel, oder irgend ein anderer Widerstand — und bei jeder Leistung gilt es, einen Widerstand zu überwinden — denselben Erfolg äußern, als die Gegenwirkung der Schwere; eben dadurch aber jede Überwindung eines gegebenen Widerstandes und mithin jede Leistung der Hubhöhe oder Wurfhöhe einer gegebenen Last mittelst einer gegebenen lebendigen Kraft im leeren Raume vergleichbar werden. Jede Leistung heißt gleich groß, zu deren Bewirkung eine gleich große lebendige Kraft gebraucht und verbraucht wird.

    Dachten wir uns einen Körper im leeren Raume ohne Widerstand eines Mittels und Gegenwirkung einer Kraft sich bewegend, so würde er vermöge der einmal erlangten Geschwindigkeit und mithin lebendigen Kraft ins Unendliche fort ohne Minderung der Geschwindigkeit fliegen, und gar keine lebendige Kraft dabei verbraucht werden. Dies nennt man zwar eine Bewegung, aber keine Leistung, welche stets die Überwindung einer Gegenwirkung und einen demgemäßen Verbrauch lebendiger Kraft voraussetzt. Es bleibt aber doch die lebendige Kraft dieses Körpers das Maß der Leistung, welche er hervorzubringen vermögend sein würde, sowie eine solche Gegenwirkung Platz griffe. Bei vielen Leistungen, z. B. dem gleichförmigen Zuge eines Wagens durch das Pferd, besteht dieselbe Größe der lebendigen Kraft fort; aber nur deshalb, weil immer durch die Widerstände eben so viel verbraucht wird, als durch die Anstrengung des Pferdes dem Wagen zuwächst, wodurch die lebendige Kraft des Wagens kontinuierlich wachsen würde, wenn nicht eben die Widerstände den Zuwachs kontinuierlich verzehrten.

    Lebendige Kraft kann sich in einem Systeme durch die Wechselwirkung seiner Teile entwickeln, so im Planetensysteme, in jedem Organismus; — durch Mitteilung und Fortpflanzung der Bewegung übertragen und fortgepflanzt werden; so beim Wurfe eines Steines; bei der Fortpflanzung der Bewegung durch feste und flüssige Mittel; — endlich die innerlich erzeugte durch äußere Einwirkungen abgeändert werden; so die lebendige Kraft, die das System je zweier Weltkörper durch ihre Wechselwirkung erzeugt, durch die Einwirkung eines dritten; so die innere lebendige Kraft eines lebendigen Organs durch jeden äußeren Reiz.

    Schließlich aber hat, so weit wir es zu verfolgen vermögen, nicht nur alle Entstehung, sondern auch Übertragung, Fortpflanzung, Abänderung der lebendigen Kraft ihren Grund in Wechselwirkung der Teile. Wirft eine Hand den Stein, so entsteht die lebendige Kraft, die ihm eingepflanzt wird, durch organische Wechselwirkungen, und pflanzt sich über auf den Stein durch eine Wechselwirkung zwischen seinen Teilen und denen der Hand; und jede Fortpflanzung der Bewegung beruht nicht minder auf Wechselwirkung der Teile.

    Die ganze Natur ist ein einziges, in sich zusammenhängendes System von wechselwirkenden Teilen, in dem aber verschiedene Partialsysteme die lebendige Kraft unter verschiedenen Formen erzeugen, verwenden, auf einander übertragen, unter Wahrung allgemeiner Gesetze, wodurch der Zusammenhang beherrscht und erhalten bleibt. Insofern in der exakten Naturlehre alle physischen Vorgänge, Tätigkeiten, Prozesse, welchen Namen sie auch führen mögen, die chemischen, die imponderabeln, die organischen nicht ausgeschlossen, auf Bewegungsvorgänge, sei es größerer Massen oder kleinster Teilchen, reduziert werden, können auch alle einen Maßstab ihrer Lebendigkeit oder Stärke in der lebendigen Kraft finden, welche, wenn nicht überall direkt, aber nach davon abhängigen Wirkungen, jedenfalls überall prinzipiell, meßbar ist.

    Die Unbestimmtheit, in der wir uns von vorn herein über die Natur der körperlichen Vorgänge befinden, an deren Zustandekommen unsere Empfindung hängt, und die mit unseren Gedanken mitgehen, kurz der psychophysischen Tätigkeiten, führt also jedenfalls keine Unbestimmtheit über das Maß mit sich, was wir daran anzulegen haben. Falls sie überhaupt noch unter den physischen Platz finden, findet auch das Maß durch die lebendige Kraft dabei Platz; falls sie nicht darunter Platz finden, gehen sie uns hier nicht an.

    Dies ist aus doppeltem Gesichtspunkte wichtig, einmal, sofern es uns eine Grundlage der Klarheit, zweitens, sofern es uns eine Grundlage der Gesetzlichkeit bietet, auf der wir bauen können.

    Ohne die besondere Natur der psychophysischen Tätigkeiten zu kennen, wissen wir doch, was wir unter Größe derselben zu verstehen haben, um die Psychophysik mit der Physik, der Physiologie, der Mechanik, dem gewöhnlichen Leben, in klarer Beziehung zu erhalten, und können auf die allgemeingültigen Verhältnisse und Gesetze der lebendigen Kraft allgemeingültige Folgerungen begründen. Insofern aber ein Zweifel entstehen kann, ob nicht doch die psychophysischen Tätigkeiten sich dieser Allgemeingültigkeit entziehen, hat die Untersuchung selbst sich mit hierauf zu richten.

    Ziehen wir demnach einige der wichtigsten allgemeinen Verhältnisse und Gesetze der lebendigen Kraft hier in Betracht, welche einen Anhalt zu dieser Untersuchung bieten, oder sonst naheliegende Anwendungen auf unser Gebiet zulassen.

    Ein System kann scheinbar ruhig sein, und doch eine sehr große lebendige Kraft in unmerklich kleinen Bewegungen entwickeln, die vermöge der Übertragbarkeit und Umsetzbarkeit der lebendigen Kraft in verschiedene Formen oft nur der Umsatz großer mächtiger Bewegungen sind.

    Wenn eine schwere Glocke angeschlagen wird, so sieht man ihre kleinen Erzitterungen nicht. Und doch repräsentiert die lebendige Kraft dieser Erzitterungen (einschließlich der mit erzeugten Wärmeschwingungen) die ganze lebendige Kraft des Schlages, der auf sie fiel; und wollte man die hin- und hergehenden Bewegungen derselben nach Einer Richtung summieren, so würde sie dadurch ein gutes Stück fortgeschleudert werden.

    Scheinbar eine ganz unbedeutende oder gar keine, in Wirklichkeit aber unstreitig eine sehr große, lebendige Kraft wird im Akte chemischer Verbindungen entwickelt. Wir bemerken dabei keine auffallenden Bewegungen; aber die Licht- und Wärmephänomene, die dabei stattfinden, beruhend auf Schwingungen des Äthers, lassen uns voraussetzen, daß auch die wägbaren Teilchen im Akte dieser Verbindung in lebhafte Schwingungen geraten, welche sich dem Äther mitteilen oder von ihm mitgeteilt werden. Wie nun die lebendige Kraft des Schlages in den unsichtbaren Erzitterungen der Glocke scheinbar verschwinden kann, so kann umgekehrt die lebendige Kraft unmerklich kleiner Erzitterungen durch angemessene Vermittelungen in mächtige sichtbare Bewegungen ausschlagen.

    So ist die ganze lebendige Kraft des dahinrollenden Dampfwagens nur ein Formumsatz der lebendigen Kraft der unmerklich kleinen Erzitterungen, welche durch den Verbrennungsprozess im Heizmaterial (einschließlich des Äthers, welcher dasselbe durchdringt) hervorgerufen, von da auf die Teile der Maschine, und von da auf den Wagen übertragen worden sind. Und was hier von lebendiger Kraft in sichtbaren Bewegungen zu Tage tritt, verschwindet im Reiche der unsichtbaren Bewegungen des Heizmaterials, womit die fortgehende Unterhaltung und Schürung des Heizungsprozesses durch neues Material und steten Zug nötig wird, soll er selbst in Gang bleiben. Auch ohne Hinzufügung der Maschine und des Wagens würde sie dazu nötig werden, indem die Schwingungen sich durch Mitteilung an die Umgebung, Ausstrahlung in den umgebenden Raum, von selbst schwächen; die Anbringung der Maschine und des Wagens macht aber die lebendige Kraft, die sonst nutzlos verloren gehen würde, bestimmten Zwecken in bestimmter Richtung dienstbar.

    So ist auch die lebendige Kraft der sichtbaren Bewegungen, welche der Mensch äußerlich mit Armen und Beinen vollführt, nichts Anderes als ein Umsatz oder eine Resultante der lebendigen Kraft der kleinen inneren Bewegungen, die durch den Chemismus des Ernährungsprozesses hervorgerufen werden. Zu jeder äußeren Leistung verbraucht der Mensch etwas von dieser innerlich entwickelten lebendigen Kraft; denn die lebendige Kraft, welche die in Bewegung gesetzten Körper annehmen, entgeht ihm, und selbst ohne sichtbare Bewegung verliert er davon kontinuierlich durch Mitteilung an die Außenwelt, Exkretionen, Ausstrahlung, was Alles einen kontinuierlichen Wiederersatz durch den Ernährungsprozeß nötig macht, soll die organische Maschine in Gang bleiben.

    Sowie die lebendige Kraft der unmerklich kleinen Erzitterungen nicht gegen die unsichtbaren Bewegungen vernachlässigt werden darf, vielmehr einen Hauptteil der lebendigen Kraft der Welt bildet, darf die lebendige Kraft der Bewegungen im Gebiete des Unwägbaren nicht gegen die im Gebiete des Wägbaren vernachlässigt werden, sondern bildet ihrerseits einen Hauptteil der lebendigen Kraft der Welt, und hat selbst einen Hauptanteil an den Vorgängen und Leistungen, die wir im Gebiete des Wägbaren wahrnehmen, vermöge der Umsetzbarkeit und Übertragbarkeit der lebendigen Kraft aus einem Gebiete in das andere.

    Denn, obschon wir die Masse der Ätherteilchen als fast verschwindend klein anzunehmen haben, ist sie doch nicht nichts, und wird durch eine unsäglich große Geschwindigkeit, die wir ihr von anderer Seite bei ihren Schwingungen beizulegen haben, in soweit kompensiert, daß doch eine große lebendige Kraft in diesen Schwingungen entwickelt und in der Übertragung auf das Wägbare eine erhebliche Leistung dadurch erzielt werden kann.

    Die lebendige Kraft erfährt im Akte der Übertragung von einem Körper auf den anderen, von einem Teile eines Systems auf den anderen, gleichviel ob wägbar oder nicht, durch Stoß, durch Reibung, Widerstand der Mittel, wie sehr auch die Form, in der sie auftritt, dadurch geändert werde, weder Vermehrung, noch Verminderung.

    Scheinbar zwar verschwindet bei jedem Stoße, jeder Reibung, durch jeden Widerstand lebendige Kraft: die lebendige Kraft aller Steine, die zur Erde fallen, scheint verschwunden; die lebendige Kraft einer schwingenden Saite vermindert sich fortgehends durch den Widerstand der Luft; ein in Gang befindlicher Wagen vermöchte unter dem Einflusse der Reibung am Boden seine lebendige Kraft nicht unvermindert zu erhalten, wenn nicht das Zugtier immer neue Zuwüchse zufügte, die ihm selbst durch den Fortgang des Ernährungsprozesses zuwachsen müssen.

    Aber alle lebendige Kraft, die hierbei für die sichtbare Bewegung verloren geht, findet sich in unsichtbaren Erzitterungen wägbarer und unwägbarer Teile wieder. Letzterem entspricht eine gewisse Wärmeerzeugung, so daß der ganze Verlust, der im Akte des Stoßes, der Reibung u. s. w. an lebendiger Kraft Seitens der wägbaren Teile erlitten wird, durch ein gewisses genau bestimmbares und bestimmtes Äquivalent Wärme gedeckt wird, durch dessen angemessene Verwendung dann eben jenes Quantum lebendiger Kraft im Gebiete des Wägbaren, durch dessen Verschwinden die Wärme entstand, auch wieder erzeugt zu werden vermag. Ja es ist dies einer der bindendsten Gründe, die Wärmeerscheinungen von Schwingungen eines Substrates abzuleiten, was mit wägbaren Substraten nicht unvergleichbar ist, daß ein gegebenes Äquivalent Wärme für jedes verschwundene Quantum lebendiger Kraft wägbarer Substanzen im Akte der Mitteilung der Bewegung wie umgekehrt eintritt.

    Eine, unstreitig Manchem willkommene, populäre Darstellung der Prinzipien der wichtigen Lehre von dem mechanischen Äquivalente der Wärme enthält folgende Abhandlung von Baumgartner: "Das mechanische Äquivalent der Wärme und seine Bedeutung in den Naturwissenschaften. Ein Vortrag gehalten bei der feierlichen Sitzung der kaiserl. Akad. d. Wiss. am 30. Mai 1856" in Grunert’s Arch. f. Math. 1858 p. 261; woraus ich hier einige Stellen entlehne. Dabei ist als Arbeitseinheit 1 Fußpfund vorausgesetzt, d. i. die Arbeitsleistung, durch welche 1 Pfund 1 Fuß gehoben wird, und als Wärmeeinheit das Wärmequantum, welches 1 Pf. Wasser zu 0° auf 1° C. zu bringen vermag.

    "Durch Verbrauch eines bestimmten Wärmequantums wird auch eine bestimmte Arbeitsgröße erzeugt und umgekehrt, und es entsprechen nach den Ergebnissen zahlreicher, mit allen Vorsichten angestellter Versuche, bei denen teils Arbeit in Wärme, teils Wärme in Arbeit umgesetzt wurde und wo man es mit Wärme von dem mannigfaltigsten Ursprunge zu tun hatte, dem Verbrauche einer Wärmeeinheit 1367 Arbeitseinheiten und umgekehrt. Hierbei sind österreichische Maße und Gewichte zu Grunde gelegt."

    "In die Sprache des gemeinen Lebens übersetzt, heißt dieses: Die Wanne, welche 1 Pf. Wasser von 0° um 1° erwärmt, übt dieselbe mechanische Kraft aus, wie ein Gewicht von 1367 Pfund, das 1 Fuß hoch herabfällt."

    "Die Umsetzung der Wärme in Arbeit und umgekehrt erfolgt nicht nach Laune und Zufall, sondern nach bestimmten Regeln, welche die Bedingungen ausdrücken, unter welchen der Wechsel statt hat. Es kann nämlich Wärme nur in sofern in Arbeit verwandelt werden, als sie einem Körper zugeführt wird. Dieses geschieht aber bei geleiteter Wärme nur in der Richtung vom wärmeren Körper zum kälteren und nur insofern als Temperaturdifferenzen bestehen. Die zugeführte Wärme zerfällt aber hierbei in zwei Teile. Einer davon dient zur Erhöhung der Temperatur bei konstantem Volumen, der andere aber verrichtet Arbeit, indem er z. B. eine Last vor sieh hinschiebt. Wo es eine solche nicht gibt, da findet auch kein Kräftewechsel statt. Hieraus erklärt es sich, warum eine Luftmasse erkaltet, wenn sie sich ausdehnt und dabei einen Druck überwindet, während ihre Temperatur unverändert bleibt, wenn die Ausdehnung ohne Überwindung eines Widerstandes erfolgt, wie dieses der Fall ist, wenn sie in einen leeren Raum überströmt."

    "Jeder Gran Kohle, der unter dem Kessel der Dampfmaschine oder Luftmaschine vollkommen verbrennt, liefert in Folge des chemischen Prozesses der Verbrennung 0,908 Wärmeeinheiten oder 1241 Fußpfund Arbeit, wenn alle Wärme zur Erzeugung von Dampf oder zur Erhöhung der Spannkraft der Luft verwendet und vollständig in Arbeit umgesetzt wird."

    Inzwischen würde es untriftig sein, zu sagen, daß die lebendige Kraft in der Welt überhaupt eine konstante Größe sei. Nur durch den Akt, im Momente der Mitteilung und Fortpflanzung der Bewegung ändert sich dieselbe nicht, falls wir auf das Äquivalent erzeugter Wärme mit Rücksicht nehmen; aber durch die kontinuierliche und im Laufe der Bewegung sich kontinuierlich ändernde Wirkung der Kräfte. Wenn ein Körper in seinem Laufe auf den anderen stößt; so wird, unter Rücksichtnahme auf die Erschütterung der wägbaren Teilchen und Zurechnung des beim Stoße erzeugten Äquivalentes Wärme, die Summe lebendiger Kraft in beiden nach dem Stoße noch so groß sein als vorher; dagegen sehen wir die lebendige Kraft jedes Planeten nach Maßgabe wachsen, als er sich der Sonne nähert, abnehmen nach Maßgabe, als er sich davon entfernt, und die eines schwingenden Pendels im Absteigen zunehmen, im Aufsteigen abnehmen. Wenn aber die lebendige Kraft in diesen Fällen nicht dieselbe bleibt, stellt sie sich doch immer in derselben Größe wieder her, so wie die Körper des Systems, das erstenfalls von Sonne und Planet, zweitenfalls von Sonne und Erde gebildet wird, unter dem Einflusse der inneren Kräfte des Systems wieder dieselbe Lage zu einander annehmen. Nun findet überhaupt auch in vielen anderen Systemen unter dem Einflusse der ihnen selbst inwohnenden Kräfte eine kreisende oder oszillierende Bewegung der Art statt, daß die Teile nach einer Zwischenzeit immer wieder zu einer gegebenen Lage zurückkehren, und für diesen Fall gilt auch allgemein das unter dem Namen des Gesetzes der Erhaltung der lebendigen Kraft bekannte Gesetz, wonach die lebendige Kraft in einem, nach irgend welchen vorgängigen Anstößen seinen inneren Kräften überlassenen Systeme sich immer wieder in der ursprünglichen Größe herstellt, wenn die Teile des Systems in ihre ursprüngliche Lage zurückkehren, durch welche innere Vermittelungen und auf welchen Wegen auch der Rückgang erfolgt sein mag, was in komplizierten Systemen in der Tat nicht immer auf so einfache Weise stattfinden kann, als in obigen einfachsten Systemen.

    Wenn wir auf ein Stück Stahl schlagen, so wird die den Stahlteilchen eingepflanzte lebendige Kraft im Akte des Stoßes zusammen mit der erzeugten Wärme die lebendige Kraft, die dem schlagenden Körper verloren ging, vollkommen repräsentieren, und ist der Körper vollkommen elastisch, so werden die Teilchen, vom Momente des Stoßes an unter dem Einflusse ihrer eigenen Kräfte hin- und herschwingend, beim Durchgange durch ihre ursprüngliche Gleichgewichtslage auch immer wieder dieselbe lebendige Kraft erlangen, aber nicht während der Dauer der Schwingung behalten, indem sie die ursprüngliche Lage verlassen; und haben wir statt Stahls ein Stück wenig elastisches Blei, so wird es dauernd zusammengedrückt bleiben, und die im Akte des Stoßes erzeugte lebendige Kraft, mit der die Teilchen sich aus der Gleichgewichtslage entfernten, sich nicht wieder herstellen können. Vielmehr verschwindet unter diesen Umständen wirklich lebendige Kraft, welche, wie man sich ausdrückt, dazu verwandt wird, eine dauernde Lagenveränderung der Teilchen hervorzubringen.

    Das Gesetz der Erhaltung der lebendigen Kraft hindert also weder, daß die lebendige Kraft eines Systems oder Teiles des unendlichen Weltsystems sich zeitweise ändere, vermehre, vermindere, noch daß sie sich dauernd ändere; es stellt bloß fest, daß sie sich wiederherstellt, wenn die Teile des Systems nach beliebigen vorgängigen Anstößen unter dem Einflusse der inneren Kräfte zur ursprünglichen Lage zurückkehren; aber es kann diese Rückkehr selbst nicht allgemein verbürgen, und sie findet in vielen Fällen nicht statt. Sie findet nicht einmal in dem einfachen Systeme dreier sich nach dem Gravitationsgesetze anziehender Körper statt, außer unter Spezialbedingungen. Und bekanntlich nehmen die Planeten unseres Sonnensystems wegen der Inkommensurabilität ihrer Umlaufszeiten nie genau, sondern nur annäherungsweise in größeren Perioden, wieder dieselbe Lage zu einander und zur Sonne ein, womit sich dann auch dieselbe lebendige Kraft unseres Planetensystems zwar annähernd, aber nicht genau wiederherstellt.

    Unstreitig nun wird in der Unendlichkeit der Welt die Abnahme der lebendigen Kraft, die ein Teil dieses unendlichen Systems solchergestalt zeitweise oder dauernd erfährt; sich mit der Zunahme, die ein anderer Teil zugleich erfährt, mehr oder weniger kompensieren können; aber es liegt kein Prinzip vor, welches die Abnahme bei den einen und die Zunahme bei den anderen Teilen in solche Beziehung setzte, daß auf eine genaue und bleibende Kompensation zu rechnen wäre, und es ist um so weniger Grund, eine solche vorauszusetzen, als ein anderes Prinzip vorliegt, welches ein anderes konstantes Verhältnis für die lebendige Kraft feststellt, aber nicht dieses des Beharrens auf demselben Stande.

    Nicht die Größe der eben vorhandenen lebendigen Kraft, aber die Größe der vorhandenen lebendigen Kraft zusammen mit der Größe der lebendigen Kraft, die vermöge der vorhandenen Bewegungsursachen noch zu erzeugen möglich ist, was wir kurz potenzielle Kraft (der üblichere Ausdruck ist Spannkraft) nennen wollen, ist für jedes, fremden Einwirkungen entzogenes, System, hiermit auch unstreitig für die Welt, eine konstante Größe.

    Denken wir uns zur Erläuterung eine Saite im leeren Raume ohne Widerstand schwingend und nichts von Bewegung an die Unterlagen, über die sie gespannt ist, abgebend, wie es der Fall wäre, wenn sie zwischen zwei einfachen festen Punkten gespannt wäre, um damit ein, fremden Einwirkungen entzogenes, System materieller Teilchen zu repräsentieren. Die lebendige Kraft dieser Saite ist variabel. Sie ist null an den Grenzen der Exkursion; aber die potenzielle Kraft zugleich hier am größten. Denn in jedem Punkte, den die Saite von da bis zur Gleichgewichtslage durchläuft, erzeugt sie eine neue Quantität lebendiger Kraft, die sich zur früheren fügt, bis sie beim Durchgange durch die Lage des Gleichgewichts das Maximum lebendiger Kraft erlangt hat. Als sie nun an der Grenze der Exkursion war, war diese, jetzt wirkliche, lebendige Kraft ihre potenzielle Kraft, d. h. die lebendige Kraft, die noch nicht erzeugt war, aber vermöge der vorhandenen Bewegungsursachen noch erzeugt werden konnte. In der Bewegung von der Grenze der Exkursion bis zur Mittellage hat sich diese ganze potenzielle Kraft in lebendige Kraft umgesetzt; aber so viel an lebendiger Kraft entstand, ging an potenzieller Kraft verloren; denn, was schon von lebendiger Kraft erzeugt war, konnte nicht mehr erzeugt werden, bis beim Anlangen in der Mittellage die ganze potenzielle Kraft erschöpft war und hiermit kein weiterer Zuwachs von lebendiger Kraft auf ihre Kosten möglich. Von da an aber wächst umgekehrt nach einem entsprechenden Gange die potenzielle Kraft auf Kosten der lebendigen Kraft u. s. f. im Wechsel bis ins Unbestimmte, so daß die Summe der lebendigen und potenziellen Kraft der Saite stets gleich groß bleibt, nur daß bald die eine, bald die andere sich auf Kosten der anderen mehrt.

    Was hier von der Saite gilt, gilt von der Welt. Die lebendige Kraft kann nur auf Kosten der potenziellen und umgekehrt wachsen. Nur daß nicht alle Teile der Welt in parallelem Gange ihren Wechsel zwischen steigender und fallender, lebendiger und potenzieller Kraft vollziehen, wie die Teile der Saite; vielmehr können sich die verschiedensten Teile der Welt in dieser Hinsicht in ganz verschiedenen Verhältnissen finden; auch tragen sie nur solidarisch zur Erfüllung des Gesetzes bei, so daß das, was ein Körper durch Mitteilung an den anderen an lebendiger Kraft verliert, ihm selbst nicht an potenzieller Kraft zuwächst, und umgekehrt, was er durch Mitteilung empfängt; nicht auf Kosten seiner potenziellen Kraft von ihm gewonnen wird; nur für das ganze System gilt die konstante Summe beider Kräfte. Eine Saite kann ja durch Mitteilung ihrer Bewegung an die Luft alle lebendige Kraft zugleich mit aller potenziellen Kraft einbüßen, indem sie in der Gleichgewichtslage zur Ruhe kommt; faßt man sie aber im Zusammenhange mit der Luft auf, so ist die Summe lebendiger und potenzieller Kraft für das System aus Saite und Luft sich gleich geblieben.

    Dies ist das große Prinzip der sog. Erhaltung der Kraft, zusammenhängend mit dem obigen der Erhaltung der lebendigen Kraft, doch von noch allgemeinerer Bedeutung als dieses, ein Prinzip, was zwar in längst bekannten allgemeinen Prinzipien der Mechanik begründet, doch zuerst von Helmholtz mit Klarheit entwickelt, in seiner vollen Bedeutung hervorgehoben und in seinen wichtigsten Anwendungen erläutert worden ist. Seitdem hat es die ausgedehnteste Berücksichtigung und Anwendung im Gebiete der unorganischen wie organischen Physik gefunden. Es gilt allgemein nur für Zentralkräfte, die keine Funktion der Zeit oder Geschwindigkeit sind; bis jetzt aber hat man keinen Grund gefunden, an seiner Allgemeingültigkeit im Gebiete des Organischen und Unorganischen zu zweifeln.

    Dies kann zunächst auffällig erscheinen. Im Gebiete der Elektrizität und des Magnetismus, insofern derselbe auf Elektrizität zurückführbar ist, gibt es Kräfte, die nach W. Weber’s Untersuchungen von der Geschwindigkeit und Beschleunigung abhängen. Aber es hat allen Anschein, daß sich diese elementaren Kräfte so kombinieren, daß das Gesetz in allen Naturwirkungen seine Gültigkeit behält. Für die magnetischen und dafür substituierbaren elektrischen Strömungswirkungen leuchtet dies von selbst ein, insofern sie sich als Wirkungen von Zentralkräften, die unabhängig von Geschwindigkeit und Beschleunigung sind, wirklich repräsentieren lassen. Außerdem hat mir Prof. W. Weber auf mein Befragen mündlich mitgeteilt, daß er überhaupt in allen Fällen, auf die seine Untersuchung geführt, auch über die Grenzen jener Wirkungen hinaus, das Gesetz in Kraft gefunden, wenn schon seine volle Allgemeingültigkeit für das Bereich dieser Kräfte noch des strengen Beweises bedürfe.

    Nach diesem Gesetze kann in einem seinen inneren Wirkungen überlassenen Systeme die durch vorgängige äußere Anstöße oder die bisherige innere Kraftwirkung erzeugte lebendige Kraft nur auf Kosten seiner potenziellen Kraft ferner wachsen, und das Vermögen dieses Wachstum erschöpft sich demnach nach Maßgabe, als sich die potenzielle Kraft durch das fortgehende Wachstum der lebendigen Kraft erschöpft, und steigt umgekehrt mit der Verminderung der lebendigen Kraft, so daß zwar ein Wechsel der lebendigen Kraft zwischen Zunahme und Abnahme und eine Übertragung von einem Teile des Systems auf den anderen, aber weder ein kontinuierliches Wachstum bis zu unbeschränkter Höhe, noch eine Abnahme bis zum dauernden Erlöschen in einem seinen inneren Wirkungen überlassenen Systeme, und hiermit unstreitig im Weltsysteme, stattfinden kann, wodurch die Erhaltung der Tätigkeit der Welt innerhalb bestimmter Oszillationsgrenzen aus allgemeinstem Gesichtspunkte gesichert ist.

    Hingegen kann die lebendige Kraft in einem Teile eines Systems ohne Abnahme der potenziellen Kraft wachsen und ohne Zunahme derselben abnehmen, insofern sie zugleich in einem anderen Teile des Systems respektiv abnimmt oder zunimmt, vermöge der Übertragung der lebendigen Kraft von einem Teile auf den anderen. Insofern nun jeder endliche Körper Teil des allgemeinen Weltsystems ist, ist auch auf jeden das Gesetz nur unter dieser Rücksicht anwendbar, d. h. es gilt die konstante Abwägung zwischen potenzieller und lebendiger Kraft für ihn insbesondere nur in Betreff seiner inneren Wirkungen, in Betreff der äußeren aber nur im Zusammenhange mit dem größeren Systeme, dem er angehört, in letzter Instanz der ganzen Welt.

    Man merke wohl, das Prinzip oder Gesetz der Erhaltung der Kraft sagt uns nichts über den Gang, die Weise des wechselseitigen Umsatzes zwischen lebendiger und potenzieller Kraft, nichts darüber, in welchem Zustande sich ein System in dieser Hinsicht zu irgend einer Zeit befinden müsse; das hängt vielmehr mit den besonderen Bedingungen und Verhältnissen eines jeden Systems, die durch kein allgemeines Prinzip bestimmbar, sondern nur aus der Erfahrung entnehmbar sind, zusammen; das Prinzip der Erhaltung der Kraft sagt uns bloß, daß; wie auch der Umsatz zwischen lebendiger und potenzieller Kraft in einem seinen inneren Wirkungen überlassenen Systeme erfolge, er doch nur so erfolgen könne, daß die konstante Summe derselben im Ganzen gewahrt bleibt, womit aber noch die Freiheit besteht, daß er auf unendlich verschiedene Weisen erfolge. Es bindet also nur aus einem gewissen sehr allgemeinen Gesichtspunkte; die vollständige Bestimmung des Ganges der Erscheinungen ist nicht in ihm zu suchen.

    So frei der Mensch sein mag, es gibt für seinen Willen und Geist überhaupt nicht bloß in der Bewältigung der äußeren, sondern auch der inneren Naturmächte faktische Schranken, welche durch die allgemeinen Naturgesetze gezogen sind.

    Der Mensch kann auf der Erde gehen, wohin er will, seinen Schwerpunkt nach jeder ihm beliebigen Richtung verrücken, kein bekanntes Naturgesetz bindet und hindert ihn hierin. Aber er kann es doch nur soweit, daß das Gesetz der Erhaltung des Schwerpunktes gewahrt bleibt, welches selbst eine Folge des Prinzips der Gleichheit der Aktion und Reaktion ist. Von einer Höhe herabfallend oder springend ist er mit aller Freiheit des Willens nicht im Stande, seinen Schwerpunkt um ein Haar breit aus der Fallinie der Schwere zu verrücken, außer sofern etwa der Luftwiderstand eine schwache Möglichkeit begründet. Denn nach jenem allgemeinen Prinzipe kann kein körperliches System durch reine eigene innere Tätigkeit seinen Schwerpunkt verrücken. Es gehört dazu eine äußere Hilfe oder ein äußerer Widerstand. Der freie Wille vermag also die Freiheit des Ganges nicht wider, sondern nur auf Grund jenes Gesetzes zu äußern.

    Nicht anders wird es mit der lebendigen Kraft sein. Der Wille, der Gedanke, der ganze Geist sei so frei er will; aber er wird seine Freiheit nicht wieder, sondern nur auf Grund der allgemeinen Gesetze der lebendigen Kraft äußern können. Sofern sein Gang an den Gang der psychophysischen Tätigkeit gebunden und dieser an das Gesetz der Erhaltung der Kraft gebunden ist, wird er selbst dadurch gebunden sein.

    Das ist kein Unglück; denn das Gesetz der Erhaltung der Kraft ist ein Gesetz der Erhaltung der Welt; und es ist kein Unglück, daß der Geist gebunden ist, im Sinne dieser Erhaltung zu fühlen, zu denken, zu wollen.

    Ein allgemeiner und scharfer Beweis für die Erstreckung der Gültigkeit des Gesetzes auf die psychophysische Tätigkeit ist zwar noch nicht geführt; wohl aber läßt sich behaupten, daß alle Erfahrungen, soweit wir solche machen können, in diesem Sinne sind, und ohne Zwang nur mittelst des Gesetzes zu deuten sind; wir werden uns daher daran zu halten haben, so lange kein Gegenbeweis geführt ist.

    Ziehen wir einige Hauptverhältnisse in dieser Hinsicht in Betracht, unsere Aufmerksamkeit vornehmlich auf das richtend, was man am leichtesten geneigt sein möchte, der Gültigkeit des Gesetzes zu entziehen, d. i. das Gebiet der höheren freieren geistigen Tätigkeiten.

    Von vorn herein könnte man gemeint sein, daß, wenn nicht die geistigen Tätigkeiten überhaupt, aber doch jedenfalls die höheren von Statten gehen könnten, ohne an lebendige Kraft, deren Gesetze, Ab- und Zunahme überhaupt gebunden zu sein. Alles spricht gegen diese Voraussetzung. Stellen wir auch für jetzt dahin, ob eine derartige Spezialabhängigkeit zwischen körperlichen und höheren geistigen Tätigkeiten stattfinde, daß eine bestimmte geistige Bewegung nur auf Grund einer ebenso bestimmten körperlichen entstehen und bestehen könne; so hat doch zugegeben werden müssen, und wird stets zuzugeben sein, daß die höheren geistigen Tätigkeiten hienieden der körperlichen Tätigkeit so gut im Allgemeinen als Unterlage bedürfen, als die niederen; dann bedürfen sie aber auch der lebendigen Kraft dieser Tätigkeit, um von Statten zu gehen, und die Erfahrung lehrt; daß sie einer hinreichenden Stärke derselben bedürfen; um selbst kraftvoll von Statten zu gehen.

    Aber man kann weiter meinen, daß der Geist aus eigenem Quelle der körperlichen Tätigkeit die für seinen Gang oder doch die kraftvolle Erhaltung seines Ganges erforderliche lebendige Kraft zuwachsen lassen, d. h. die lebendige Kraft in der Welt absolut vermehren könne, ohne daß die lebendige Kraft anderwärts oder die potenzielle Kraft des Körpers selbst sich deshalb zu vermindern brauche, also wider das Gesetz der Erhaltung der Kraft, welches eine allgemeine Abwägung aller vorhandenen lebendigen und potenziellen Kraft in dieser Hinsicht fordert. kurz, daß er ein Erzeuger ganz neuer lebendiger Kraft im Körper sei.

    Ziehen wir einige Tatsachen in Betracht, die mit der Erläuterung zugleich einen Anhalt zur Entscheidung dieser Frage geben.

    Spiel und Verbrauch der lebendigen Kraft im Gehirne zu psychophysischen und in anderen Teilen zu nicht psychophysischen Tätigkeiten bestehen im gewöhnlichen Gange des Lebens tatsächlich zugleich und mit einander. Wir können denken und dabei noch Anderes mit unseren körperlichen Organen treiben, und tun es in der Regel. Jetzt aber soll die Kraft des Denkens gesteigert werden. Sofort sehen wir, wie es, statt lebendige Kraft aus eigenem Quelle zur Verstärkung der psychophysischen Tätigkeit, die es zu seiner eigenen Verstärkung braucht, schaffen zu können, solche anderen körperlichen Tätigkeiten raubt, und ohnedem sich nicht verstärken kann. Noch eben war Jemand in einer starken körperlichen Arbeit begriffen, da kommt ihm ein Gedanke, der ihn mehr als gewöhnlich beschäftigt, sofort sinken die Arme und bleiben hängen, so lange der Gedanke und mithin die psychophysische Tätigkeit desselben innerlich stark arbeitet, um ihre äußere Arbeit von Neuem zu beginnen, wenn diese innere nachläßt. Wo war die lebendige Kraft der Armbewegungen auf einmal hin? Sie diente, die Bewegungen im Kopfe anzufachen.

    So wie ein intensiver Gedanke notwendig jede äußere Körperleistung unterbricht, unterbricht umgekehrt ein Sprung jeden Gedankengang. Die lebendige Kraft, welche der Sprung der Beine braucht, entgeht dem Gange der psychophysischen Bewegungen, die das Denken braucht; und der Geist hat weder die Macht, trotz des Verlustes den Gang wie früher fortzusetzen, noch den Verlust aus eigener Machtvollkommenheit zu ersetzen.

    Wir können die lebendige Kraft; die für die Willkür disponibel ist, zwar teilen, aber sie hat zu jeder Zeit ihr Maximum, und das kann für eine Art der Beschäftigung nur stattfinden nach Maßgabe, als die anderen ruhen. Ganz eben so, wie wir, um möglichste Kraft in einem Arme zu verwenden, den anderen ruhen lassen müssen, müssen wir alle Teile des Körpers ruhen lassen, um möglichste Kraft im Kopfe zu verwenden, und umgekehrt die Tätigkeit im Kopfe möglichst ruhen lassen, um möglichst kraftvolle Bewegungen mit den Gliedmaßen auszuführen. Und so sehen wir den tief Nachdenkenden so still wie möglich sitzen, und Jemand, der läuft, Lasten hebt, nie zugleich in tiefen Gedanken. Es widerspricht sich, geht nicht.

    Selbst unwillkürliche Funktionen, wie die Verdauung, stehen bis zu gewissen Grenzen in einem Verhältnisse der Abwägung und des Austausches der lebendigen Kraft mit derjenigen, die das Denken braucht. Obwohl nach einer heilsamen Einrichtung, deren Tatsache wir hier nur anzuerkennen, nicht zu erklären haben, der Mensch weder im Stande ist, den unwillkürlichen Funktionen durch das Denken so viel lebendige Kraft zu rauben, daß der regelrechte Gang der organischen Maschine dadurch ins Stocken gerät, noch umgekehrt durch anderweite Funktionen dem Denken so viel Kraft zu rauben, um dasselbe ganz in Stillstand zu versetzen.

    Das Denken ist ein Beispiel; was aber in dieser Beziehung von dem Denken gilt, gilt von jeder geistigen Tätigkeit. Intensive Gefühle, Leidenschaften, sinnliche Anschauungen verhalten sich in angegebener Hinsicht ganz eben so wie das intensive Denken; nur daß die psychophysische Tätigkeit mancher dieser geistigen Vorgänge durch die organische Einrichtung mit gewissen äußeren Tätigkeiten in natürlichem Nexus steht, die dann mit jener gemeinsam zu steigen und zu fallen pflegen, indes sie zugleich in Antagonismus zu den übrigen treten. Von diesem Assoziationsprinzipe körperlicher Tätigkeiten wird unten weiter die Rede sein.

    Dasselbe Verhältnis als zwischen den psychophysischen und nicht psychophysischen Tätigkeiten findet auch zwischen den einzelnen Gebieten der psychophysischen Tätigkeiten statt. In eine äußere Anschauung ganz versunken sein und zugleich tief nachdenken, geht nicht. Zugleich aufmerksam sehen und hören, geht nicht. Um schärfer auf etwas zu reflektieren, müssen wir von Anderem mehr abstrahieren; und wie sich die Aufmerksamkeit teilt, schwächt sie sich für das Einzelne. Hier könnte man allerdings ein Spiel rein psychologischer Gesetze sehen, wenn diese Tatsachen allein ständen. Aber sie hängen zu sehr mit den vorigen zusammen, um nicht darin zugleich eine Ausdehnung des Gesetzes der Erhaltung der Kraft auf das rein psychophysische Spiel zu sehen. Das Denken braucht zu seiner Verstärkung nicht den nicht psychophysischen Tätigkeiten lebendige Kraft zu entziehen, wenn es anderen im Gange befindlichen psychophysischen Tätigkeiten solche entziehen kann. Damit wird das Bestehen der psychologischen Gesetze nicht geleugnet oder solche auf physische reduziert; es wird nur behauptet, daß die Gesetze des Ganges der geistigen und körperlichen Tätigkeiten nicht minder eng zusammenhängen, als beide selbst zusammenhängen; und dies hat nichts Befremdendes, sondern das Gegenteil würde befremdend sein.

    Je nach dem Nexus, in dem die Teile stehen, können manche nur in einem gewissen Zusammenhange oder einer gewissen Folge überhaupt, und manche leichter in diesem als in jenem in Tätigkeit treten, und manche Tätigkeiten überhaupt nur, oder leichter, durch einen gegebenen Zusammenhang von Teilen, als durch einzelne vollzogen werden, ein Prinzip, was mit dem vorigen insofern in Konflikt kommt, als die Verteilung der lebendigen Kraft zwischen den zur Tätigkeit zusammenwirkenden Teilen dann von einer Seite die Leistung der einzelnen schwächt, welche der Zusammenhang von anderer Seite erst möglich macht oder fördert. Durch die Rücksicht auf dieses Prinzip erklären sich eine Menge scheinbarer Widersprüche mit dem vorigen Prinzipe, wo man Tätigkeiten, anstatt sich durch ihre respektive Steigerung wechselseitig beschränken, vielmehr mit einander steigen und sinken, und sich gemeinsam in der Höhe halten, einander mitziehen und nachziehen sieht. Im Spiele der Maschinen finden wir das ganz Entsprechende wieder; und es ist also hier nichts den Gesetzen der Erhaltung der Kraft Zuwiderlaufendes zu sehen.

    In unserem Organismus können solche Verbindungen durch Gewöhnung, Übung teils befestigt, teils neu gebildet oder gelöst werden, und mit der wachsenden Übung, Teile isoliert in Tätigkeit zu setzen, wächst die Möglichkeit, sie in kraftvollere Tätigkeit zu setzen. Auch dies Prinzip greift, wie leicht weiter auszuführen, im Zusammenhange durch das Gebiet der psychophysischen und nicht psychophysischen Tätigkeiten durch.

    Und so steht die Erzeugung wie Verwendung der lebendigen Kraft der psychophysischen Tätigkeit in uns, soweit wir es irgends beobachten und einen Schluß auf Beobachtung gründen können, überall unter einem gemeinsamen Gesetze mit der lebendigen Kraft der nicht psychophysischen Tätigkeiten in uns und außer uns, und so frei der Geist sein mag, er kann nichts wider dies Gesetz, sondern Alles nur auf Grund dieses Gesetzes.

    Doch wie sind Tatsachen folgender Art zu deuten?

    Plötzlich sehen wir jetzt einen Menschen in Folge rein geistiger Aufregung eine gewaltige körperliche oder geistige Leistung vollziehen, nachdem er nur eben gleichgültig und ruhig dasaß, also weder in psychophysischen noch nicht psychophysischen Tätigkeiten sich ein Vorrat großer lebendiger Kraft vorhanden zeigte. Wo kommt die lebendige Kraft dazu auf einmal her? Und diese starke Tätigkeit kann unter dem Einflusse eines starken Willens auch wohl länger fortgesetzt werden. Wo ist der nachhaltige Quell dieser Kraft zu suchen, wenn es nicht der Wille selber ist?

    Aber was das Erste anlangt, so können wir eine plötzliche Kraftanstrengung in gewisser Richtung nur vollziehen, indem wir die vorher zerstreute und eben darum nirgends stark wirkende Kraft in einer Richtung plötzlich konzentrieren und selbst die der unwillkürlichen Funktionen dazu mit in Anspruch nehmen. Und wenn wir unter dem Einflusse eines starken Willens selbst anhaltende ungewöhnliche Leistungen zu vollziehen vermögen, die wir ohne diesen Willen nicht zu vollziehen vermöchten, so erfolgt doch die Erzeugung und der Verbrauch der dazu erforderlichen lebendigen Kraft weder wider das Gesetz der Erhaltung der Kraft; noch durch die rein geistige Macht des Willens.

    In der Tat finden wir, daß jede willkürliche Kraftanstrengung uns um so mehr auch körperlich erschöpft, d. h. das Vermögen der ferneren Kraftäußerung um so mehr abnimmt, je stärker und länger sie fortgesetzt wird, was beweist, daß die willkürliche Entwickelung lebendiger Kraft in unserem Körper so gut nur auf Kosten potenzieller Kraft, das ist der Kraft, die es noch zu erzeugen möglich ist, also nach dem Gesetze der Erhaltung der Kraft, geschehen kann, als die Entwickelung lebendiger Kraft in Gebieten, wo kein Wille Platz greift. Es wird also nicht bestritten, daß unter dem Einflusse des freien Willens wirklich lebendige Kraft entstehen kann, die ohnedem nicht entstanden wäre, aber eben nur auf Kosten potenzieller Kraft, d. i. aus dem Quelle, aus dem sie sonst entsteht, wenn kein Wille mitwirkt. Unstreitig lag im Willen, oder psychophysisch ausgedrückt, den Tätigkeiten, die selbst dem Willen unterliegen, ein Anlaß, daß der Umsatz der potenziellen Kraft in lebendige erfolgte und Dauer gewann; nur der Wille aus sich selbst kann die lebendige Kraft nicht ohne die sonst allgemein gültigen Bedingungen dazu schaffen.

    Die lebendige Kraft unseres Organismus ist überhaupt je nach dem veränderlichen Zustande der Ernährung, der Gesundheit, Wachen und Schlaf, in einem Auf- und Abschwanken begriffen, wodurch sie im Ganzen hoch steigen und tief sinken kann; scheint aber unter normalen Verhältnissen keiner plötzlichen starken Abänderungen im Ganzen, sondern nur plötzlicher anderer Verteilung fähig, welche teils durch Reize, teils durch willkürliche Richtung der Aufmerksamkeit oder Verlegung der Tätigkeitssphäre bewirkt wird. Der Idealist kann auch die Wirkung der Reize auf einen geistigen Grund, der Materialist die der Willkür und Aufmerksamkeit auf einen materiellen zurückführen; wir nehmen aber hier die Tatsachen, wie sie sich der Beobachtung unmittelbar darstellen, welcher bald die materielle, bald die geistige Seite oder Erscheinungsweise des Grundes der abgeänderten Verteilungsweise entgegentritt.

    Es ist in gewissem Sinne wie bei einer Dampfmaschine, von der ein zusammengesetztes Triebwerk abhängt. Je nach dem Zustande der Heizung kann ihre lebendige Kraft hoch steigen oder tief sinken; aber im normalen Gange kann weder das Eine noch das Andere plötzlich eintreten; wohl aber kann dadurch, daß man hier ein Ventil willkürlich auf- oder zumacht, bald dieser, bald jener Teil der Maschine neu in Gang kommen und dafür ein anderer in Ruhe übergehen. Es ist nur der Unterschied, daß bei unserer organischen Maschine der Maschinist nicht außer-, sondern innerhalb derselben sitzt. Nun kann unstreitig in starken körperlichen Anstrengungen wirklich in gleicher Zeit mehr lebendige Kraft auf Kosten potenzieller Kraft entwickelt werden, als beim Ruhezustande des Körpers; denn woher sonst die schnellere Erschöpfung und das Bedürfnis größeren Ersatzes; aber es ist dann nicht sowohl der Wille, welcher diese Kraft in einem beliebigen Momente aus geistigem Grunde entwickelt, als die dadurch eingeleitete Steigerung des chemischen Ernährungsprozesses. Bei raschem Laufen atmen wir auch rascher, läuft das Blut rascher, und das hat denselben Erfolg, als wenn wir den Zug in dem Heizapparate einer Dampfmaschine steigern, und dadurch rascher ein gegebenes Quantum wirksamer lebendiger Kraft auf Kosten der potenziellen Kraft des Heizmaterials entwickeln. Ist die organische Maschine nicht recht im Stande oder schlecht versorgt, so daß jene chemischen Prozesse nicht wirksam von Statten gehen, so vermag der kräftigste Wille Nichts.

    Ich sage mit Vorigem nicht, daß die lebendige Kraft im Körper sich wirklich wie der Dampf in einer Dampfmaschine verteilt; sondern nur, daß das Gesetz der Erhaltung der Kraft zu entsprechenden Erfolgen führt.

    Der letzte Quell der lebendigen Kraftentwickelung in unserem Körper liegt nach Allem, was wir vermuten dürfen, im Ernährungsprozesse, und indem jeder Teil seinen Ernährungsprozeß in sich hat, hat er auch einen Quell lebendiger Kraft in sich. Aber die Erfahrung beweist von anderer Seite durch Tatsachen der Art, wie wir sie hier geltend gemacht, daß dieser Prozeß im ganzen Organismus in solidarischem Zusammenhange erfolgt, so daß nicht nur kein Teil sich für sich zu ernähren vermöchte, sondern auch quantitative Verhältnisse der Abwägung zwischen den Ernährungsprozessen der verschiedenen Teile eintreten, welche im Sinne des Gesetzes der Erhaltung der Kraft sind. Auch erklärt der Umstand, daß der Ernährungsprozeß aller Teile unter dem Einflusse des Blutlaufes und der Nerventätigkeit steht, welche einen Zusammenhang durch den Organismus begründen, leicht diesen allgemeinen Nexus des Ernährungsprozesses aller Teile. Ungeachtet daher weder die lebendige Kraft, noch ein besonderer Träger derselben, wie der Dampf in der Dampfmaschine, wirklich unmittelbar zwischen den verschiedenen Teilen überfließt, sich verteilt, durch Reize, Aufmerksamkeit, Willen da- und dorthin gelockt wird, werden wir doch immer der Kürze halber uns des Ausdruckes Verteilung der lebendigen Kraft und entsprechender bildlicher Ausdrücke bedienen dürfen, nachdem wir die triftige Vorstellung unterzulegen wissen.

    Das Spezielle aller dieser Verhältnisse ist noch wenig aufgeklärt; das Allgemeine aber liegt ziemlich klar und offen in dem hier ausgesprochenen Sinne vor; und die gegebenen allgemeinen Andeutungen können für jetzt genügen; eine weitere Ausführung derselben aber würde teils ins Unsichere führen, teils hier am Eingange nicht am Orte sein.

    Die lebendige Kraft, die zum Holzhacken verwandt wird, und die lebendige Kraft, die zum Denken, das ist zu den unterliegenden psychophysischen Prozessen verwandt wird, sind nach Vorigem quantitativ nicht nur vergleichbar, sondern selbst in einander umsetzbar, und hiermit beide Leistungen selbst nach körperlicher Seite durch einen gemeinsamen Maßstab meßbar. So gut ein gewisses Quantum lebendiger Kraft dazu gehört, ein Scheit Holz zu spalten, eine gegebene Last bis zu gegebener Höhe zu heben, so gut ein gewisses Quantum, einen Gedanken mit gegebener Intensität zu denken; und jene Kraft kann sich in diese wandeln. Dies ist keine Verunehrung des Denkens; seine Würde hängt an der Weise, der Richtung, den Zielen seines Ganges, nicht an dem Maße oder der Unmeßbarkeit der körperlichen Bewegung, die es zu seinem Gange braucht; wie die Entdeckungsreise des Kolumbus dadurch nicht an Wert und Bedeutung verliert, daß die lebendige Kraft des Schiffes, das ihn trug, so gut meßbar war, als die eines zufällig geworfenen Steines oder des Windes, und selbst die eine in die andere umsetzbar. Das Körperliche empfängt überhaupt Wert oder Unwert von dem Geistigen, was damit in Beziehung steht, und kann eben deshalb solchen dem Geistigen weder geben noch nehmen. Gewiß ist, daß ein stiller Gefühls- und Gedankengang großen Wert haben, und sich doch an so schwache Bewegungen knüpfen kann, daß eine ganz wertlose oder gar keine erhebliche äußere körperliche Leistung damit zu vollziehen wäre, wenn sie in solche umgesetzt werden sollte; aber eben so gewiß bleibt, daß, wenn das Gefühls- und Gedankenleben zu größerer Intensität gedeihen soll, die unterliegenden körperlichen Bewegungen lebendiger von Statten gehen müssen.

    Dabei ist der Abhängigkeitsbezug, in welchem die Intensität der geistigen Tätigkeit von der Größe der ihr unterliegenden körperlichen steht, nicht minder in umgekehrter Richtung geltend zu machen. So wenig ein Gedanke mit einer gegebenen Intensität gedacht werden kann, ohne daß eine gegebene lebendige Kraft der unterliegenden Bewegung entwickelt wird, so wenig kann sich solche entwickeln, ohne daß der Gedanke mit dieser Intensität gedacht wird. Nicht, daß zu jeder lebendigen Kraft gegebener Größe auch ein Gedanke von gegebener Intensität gehörte, wohl aber zur lebendigen Kraft eines derartigen körperlichen Ganges, der einen Gedankengang zu tragen vermag. Nun steht es jedem frei, mit uns den Grund jeder einzelnen gedankenvollen Bewegung in der Welt in einer rückliegenden oder allgemeineren und schließlich den Grund aller Bewegungen der Welt in einem Systeme von Bewegungen zu suchen, was eine höchste und letzte Gedankeneinheit und einen höchsten und letzten Willen trägt, und nur mit solchen bestehen kann; nur daß wir uns hier eben so wenig auf Glaubenssachen als ein Wertmaß einzulassen haben.

    Auch ist mit Fleiß hier jedes Eingehen auf einen Streit über Willensfreiheit vermieden, und eben so ungehörig würde man ihn hierher ziehen, als hier vermissen. Vielmehr ist durch den ausdrücklichen Hinweis, daß die allgemeinen Gesetze der lebendigen Kraft die freie Verfügung über dieselbe eben auch nur aus sehr allgemeinem Gesichtspunkte beschränken, der Freiheit jedes Recht zugestanden, was ihr die Wirklichkeit zugesteht. Weder kann das Gesetz vorschreiben, ob und wie wir potenzielle Kraft in lebendige umsetzen, noch ob und in welcher Richtung solche übertragen werden soll. In dieser Hinsicht bleibt der Wille völlig frei, soweit es sich um die Schranken, die dies Gesetz zieht, handelt. Inwiefern es aber noch andere Schranken gibt, ist wieder unsere Aufgabe hier nicht, zu untersuchen, und eine Antwort auf die letzte Frage in dieser Hinsicht überschreitet die Grenzen unserer Untersuchung überhaupt.