III. Vorläufige Übersicht des Untersuchungsmateriales und allgemeinere
Bemerkungen dazu.

    § 12. Eine wichtige Schwierigkeit für eine Untersuchung wie die vorliegende liegt in der Beschaffung des dazu nötigen Materials. Ein solches kann nämlich nur in einer Mehrzahl von K.-G. aus verschiedenen Gebieten gesucht werden, deren jeder in einer so großen Zahl von Exemplaren vorliegt, daß Zufälligkeiten der Verteilung nach Maß und Zahl nahehin – denn absolut ist es nicht möglich – nach dem Gesetze großer Zahlen als ausgeglichen gelten können, und bei deren jedem die im folgenden Kapitel geltend zu machenden, anderweiten Requisiten nicht minder als nahehin erfüllt angesehen werden können. Endlich müssen die Angaben darüber alle zur Bearbeitung nötigen Data enthalten.

    Aber über manche Arten von K.-G., die nicht übergangen werden durften, um der Untersuchung die erforderliche Allgemeinheit zu geben, lag überhaupt bisher nichts vor, und wenn es für andere nicht an Angaben mangelt, ja für manche, wie die Rekrutenmaße, ein embarras de richesse vorliegt, ist doch mit denselben in ihrer bisherigen Fassung nicht allen für die Zwecke der Untersuchung an sie zu stellenden Forderungen genügt. Zu eigenen Messungen aber stehen nur wenige Gegenstände zu Gebote, und da es bei jedem sehr viele Exemplare zu messen und in Verteilungstafeln zu bringen gilt, finden Zeit und Geduld bei diesem, gleich langmühigen und langwierigen, Geschäfte leicht ihre Grenze.

    Indes ist es mir doch gelungen, auf zum Teil mühsamem und umständlichem Wege das folgends verzeichnete Material für unsere Untersuchung zusammen zu bringen, wovon freilich manches den geltend zu machenden Requisiten nur unvollständig entspricht, damit aber auch Gelegenheit gibt, den Erfolg davon erkennen zu lassen.

I. Anthropologisches.

    A. Rekrutenmaße schlechthin, d. s. Längenmaße gleichalteriger Rekruten von bestimmter Herkunft, hauptsächlich sächsischer, von denen ich mir Abschriften der Urlisten zu verschaffen wußte, um Verteilungstafeln in einer zur Untersuchung geeigneten Form daraus zu gewinnen. Am wichtigsten für unsere allgemeine Untersuchung im ersten Teile sind 20 Jahrgänge Leipziger Studentenrekrutenmaße mit einem Gesamt-m = 2047; demnächst 17 Jahrgänge sog. Leipziger Stadtmaße, d. i. bezüglich Rekruten der übrigen Leipziger Bevölkerung, mit einem Gesamt-m = 8402; außerdem Rekrutenmaße von 3 Jahrgängen, resp. der Borna’schen und Annaberger Amtshauptmannschaft mit m = 2642 und 3067. Dazu werden im zweiten Teile Rekrutenmaßtafeln bez. anderer Länder, sofern solche vorlagen und schon früher von QUETELET behandelt sind, als namentlich belgische, französische, italienische und amerikanische, eine teils kritische Besprechung, teils von der QUETELET’schen abweichende Behandlung erfahren; und Maße von Körpergewicht und Brustumfang der Rekruten mit berücksichtigt werden.

    B. Schädelmaße, die mir von Prof. WELKER in Halle zur Disposition gestellt sind, a) des Vertikalumfanges, b) des Horizontalumfanges von je 450 europäischen Männerschädeln.

    C. Gewicht der inneren Organe des menschlichen Körpers, nach BODY’s Angaben1).
 
 

    1 ) [Dr. Boyd's Tables of the weights of the human body and internal organs. Philosophical Transactions of the Royal Society of London; 1861.]
 
 


II. Botanisches.

    Von mir selbst gemessene Roggenähren (Secale cereale) von demselben Standorte und Jahrgange, 217 sechsgliedrige (abgesehen von der Fruchtähre) und 138 fünfgliedrige; jedes der Glieder besonders gemessen und teils als besonderer K.-G. behandelt, teils nach seiner Beziehung zu den übrigen Gliedern in Betracht genommen.
 
 

III. Meteorologisches.

    a) Thermische und barometrische Tages- und Monatswerte oder Abweichungen in dem unter § 19 und 20 näher zu besprechenden Sinne. Darunter gehören die von QUETELET in seinen Lettres sur la prob. verzeichneten, folgends unter § 21 zu besprechenden, 10 jährigen sog. "variations diurnes" mit einem m von 282 bis 310; hierzu eigene Zusammenstellungen thermischer und barometrischer Tageswerte nach Beobachtungen auf dem Peissenberge durch eine längere Reihe von Jahren, und von thermischen Monatsabweichungen nach DOVE'schen Abhandlungen.

    b) Tägliche Höhen gefallenen Wassers für Genf durch viele Jahre, ans der Bibliothèque universelle de Genève (Archives des sciences physiques et naturelles) von mir zusammengestellt.
 
 

IV. Artistisches.

    a) Visitenkarten und Adresskarten von Kaufleuten und Fabrikanten, von mir selbst nach Länge und Breite besonders gemessen.

    b) Dimensionen, Höhe h und Breite b, von Galleriegemälden (im Lichten des Rahmens) ans den Katalogen der Sammlungen unter Reduktion auf dieselbe Maßeinheit für Genrebilder, Landschaften, Stillleben von mir besonders bestimmt; dabei der Fall unterschieden, wo b > h und wo h > b.

    Dies nur zur vorläufigen Übersicht; spezieller wird auf vorstehendes Material unter besonderen Kapiteln des zweiten Teiles einzugehen, wo die hier noch zu vermissenden näheren Angaben darüber zu finden, sowie darauf zu verweisen sein, wenn schon im vorliegenden ersten Teile auf dies Material Bezug zu nehmen ist.

    Man kann bemerken, daß unter vorigen Gegenständen solche vorkommen, mit denen sich zu beschäftigen kein oder nur ein geringes sachliches Interesse vorhanden ist. Aber der Gesichtspunkt eines sachlichen Interesses daran ist überhaupt hier nicht maßgebend für ihre Wahl und Behandlung gewesen; sondern eben nur ihre Benutzbarkeit als Unterlage für unsere Untersuchung, in welcher Hinsicht manche unbedeutend scheinende Gegenstände, als wie die Dimensionen der Galleriegemälde und die täglichen Regenhöhen wichtig geworden sind.

    Insoweit aber ein sachliches Interesse an den Gegenständen vorlag, darf man aus demselben Grunde nicht erwarten, die Behandlung derselben in diesem Interesse hier erschöpft zu finden, wenn schon so manche Resultate, die in dasselbe hineintreten, von selbst als Nebenprodukte der Behandlung abfallen werden. Jeder der genannten Gegenstände könnte zu einer monographischen Behandlung Anlaß geben; aber ein wie großes Werk würden nur die Rekrutenmaße erfordern, sollte eine vergleichende Darstellung und Diskussion derselben für die verschiedenen Länder und in denselben Ländern für die verschiedenen Jahrgänge oder eine solche für die Schädeldimensionen der verschiedenen Rassen oder für die Gliederungsverhältnisse der verschiedenen Gramineen durchgeführt werden! An Durchführungen dieser Art ist hier nicht zu denken. Dagegen macht das, was hier an Beispielen aus verschiedenen Gebieten erläutert und bewiesen wird, allerdings Anspruch, bei jeder ausgedehnteren Behandlung derselben Gebiete Anwendung und Berücksichtigung zu finden.2 )

    2 ) [Anmerkung: Den Angaben dieses Kapitels ist hinzuzufügen, daß eine teilweise Neubeschaffung des Untersuchungsmaterials nötig war, da außer Bruchteilen der Rekrutenmaße und der Maße der Roggenhalme von keinem der bezeichneten K.-G. Urlisten oder primäre Verteilungstafeln sich vorfanden. Zwar wurde, soweit es tunlich war, das Untersuchungsmaterial aus den angegebenen Quellen ergänzt; insbesondere wurden Maße für Galleriegemälde den Katalogen der alten Pinakothek zu München und der Gemäldegallerie zu Darmstadt; für die täglichen Regenhöhen von Genf den Archives des sciences physiques et naturelles der Bibliothèque universelle entnommen (s. Kap. XXI, sowie XXVI und XXVII). Aber an Stelle der Beobachtungen thermischer und barometrischer Tageswerte auf dem Peissenberge dienten entsprechende Werte, die für Utrecht im Niederländischen Jahrbuche für Meteorologie publiziert sind (s. Kap. XXIII und XXVII). Den Ersatz für die Schädelmaße schließlich (s. Kap. VII und XXII) verdanke ich Herrn Prof. WELCKER, der die Güte hatte, mir die Maße von rund 500 europäischen Männerschädeln zu übermitteln.]