Das Behalten als Funktion wiederholten Erlernens.
§ 31. Fragestellung und Untersuchung.
Auswendig gelernte, dann sich selbst überlassene
und später aufs neue gelernte Silbenreihen befinden sich, wie man
annehmen muß, in den Momenten, in denen sie gerade hergesagt werden
können, in gleichen inneren Zuständen. Die Energie der auf sie
gerichteten und sie abbildenden Vorstellungstätigkeit ist in beiden
Fällen gerade so weit gesteigert, dass bestimmte gleiche Bewegungskombinationen
sich an sie anschließen. Für die Zeiten nach dem Hersagen hört
jene innere Gleichheit bald auf. Die Reihen werden allmählich vergessen,
aber – wie man im allgemeinen genügend sicher weiß – die zweimal
gelernten erheblich langsamer als die einmal gelernten. Geschieht das Wiederlernen
nach einiger Zeit zum zweiten, dann zum dritten Male u. s. f., so graben
sich die Reihen immer fester ein, sie weichen immer schwerer und könnten
schließlich, wie man voraussieht, ganz ebenso zu einem stets bereiten
Besitz der Seele gemacht werden wie andere, sinnvolle und nützliche,
Vorstellungsreihen.
Für dieses Abhängigkeitsverhältnis
zwischen der zunehmenden Festigkeit der Reihen und der Anzahl von Malen,
die sie durch erneutes Lernen wieder zur erstmöglichen Reproduktion
gebracht worden sind, habe ich ebenfalls versucht, einige numerische Daten
zu gewinnen. Die Beziehung ist eine ganz ähnliche wie die im VIten
Abschnitt besprochene zwischen der zunehmenden Festigkeit und der Anzahl
von Wiederholungen der Reihen. Aber in dem gegenwärtigen Falle geschehen
die Wiederholungen nicht auf einmal, sondern zu verschiedenen Zeiten und
in immer abnehmender Häufigkeit. Bei unserer beschränkten Einsicht
in den inneren Zusammenhang dieser Vorgänge würde man gewiß
nicht wagen, aus der Kenntnis des einen Verhältnisses etwas über
das andere vorauszusagen.
Für die zeitlichen Intervalle zwischen den
einzelnen Malen, zu denen das Wiederlernen stattfand, habe ich nur eine
einzige Größe gewählt, nämlich 24 Stunden. Dafür
habe ich diesmal Reihen von verschiedener Länge in Untersuchung gezogen
und zwar solche von 12, 24 und 36 Silben. Von den ersten waren jedesmal
9, von den zweiten 3 und von den dritten 2 zu einem Versuch vereinigt.
Außerdem habe ich mehrere Versuche mit je sechs Stanzen des Byronschen
Don Juan angestellt.
Die Versuche bestanden also darin, dass die betreffende
Anzahl von Reihen erst gelernt und dann an mehreren aufeinanderfolgenden
Tagen immer zur selben Stunde wiedergelernt wurde, jedesmal bis zur erstmöglichen
Reproduktion. Bei den Silbenreihen betrug die Zahl dieser Tage sechs, bei
den Byronschen Stanzen nur vier. Am 5ten Tage nämlich konnten
die Stanzen im allgemeinen ohne erneute Wiederholung noch fehlerfrei hergesagt
werden, sodaß die aufgeworfene Frage von hier ab ihren Sinn verlor.
Für jede Art von Reihen habe ich 7 Versuche angestellt. Die Gesamtzahl
der Einzelversuche beträgt demnach 154, von denen einige allerdings
nur wenige Minuten in Anspruch nahmen.
Die Zahlen der folgenden Tabellen bedeuten die Wiederholungen,
welche nötig waren, um die betreffenden Reihen gerade bis zur erstmöglichen
Reproduktion (diese incl.) zu lernen; die römischen Ziffern bezeichnen
die aufeinanderfolgenden Tage.
l. Neun Reihen zu zwölf Silben.
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2. Drei Reihen zu 24 Silben.
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3. Zwei Reihen zu 36 Silben.
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4. Sechs Stanzen aus Byrons Don Juan (Canto X).
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Um die verschiedenen Beziehungen zwischen den resultierenden
Mittelwerten anschaulicher hervortreten zu lassen, ist es nötig, sämtliche
Zahlen auf dieselbe Einheit zu reduzieren, d. h. sie durch die jedesmalige
Anzahl der zu einem Versuch zusammengefaßten Reihen zu dividieren.
Geschieht dies (s. § 19, Tab. 1) und wird gleichzeitig die für
das Hersagen erforderliche Wiederholung in Abzug gebracht, so ergibt sich
folgende Tabelle (die Zahlen sind auf halbe, resp. viertel Einheiten abgerundet):
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Diese Zahlen geben unter mehreren Gesichtspunkten Anlaß zu näherer Besprechung.
§ 32. Einfluß der Länge der Reihen.
Wenn wir zunächst bloß die Resultate für
den ersten und zweiten Tag des Lernens berücksichtigen, so erhalten
wir eine zwar vorauszusehende aber immerhin willkommene Ergänzung
der im Vten Abschnitt mitgeteilten Abhängigkeitsbeziehung.
Dort zeigte sich, dass bei wachsender Länge der Reihen in sehr schneller
Zunahme wachsende Anzahlen von Wiederholungen nötig waren, um sie
gerade zu lernen. Hier ergibt sich, dass der Effekt dieses Mehrbedarfs
an Wiederholungen in den untersuchten Fällen nicht bloß darin
bestand, die Reihen eben reproduzierbar zu machen, sondern dass durch die
zahlreicheren Wiederholungen die längeren Reihen auch fester eingeprägt
wurden. Nach 24 Stunden konnten sie mit einer absolut und relativ größeren
Ersparnis an Wiederholungen bis zur abermaligen erstmöglichen Reproduktion
wieder gelernt werden.
Die nachfolgende Tabelle läßt dieses
Verhältnis deutlich erkennen.
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Ersparnis an Wiederho-lungen bei dem Wieder-lernen nach 24 Stunden |
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Bei den kürzesten der untersuchten Reihen betrug
die Ersparnis bei dem zweiten Lernen 1/3 des ersten
Aufwandes, bei den längsten etwa 6/10. Man könnte
also sagen, die Reihen von 36 Silben seien durch das Lernen bis zur erstmöglichen
Reproduktion verhältnismäßig beinahe doppelt so fest eingeprägt
worden als die von 12 Silben.
Hierin liegt nun nicht gerade etwas besonders Neues.
Auf Grund der bekannten Erfahrung, dass das mit größeren Schwierigkeiten
Gelernte dafür desto fester zu haften pflegt, hätte man sich
wohl getraut, einen solchen Effekt der größeren Anzahl von Wiederholungen
vorher zu sagen.
Was man vielleicht nicht vorausgesagt hätte
und was doch auch Beachtung verdient, ist die nähere Bestimmung dieses
allgemeinen Verhältnisses. Soweit die Zahlen nämlich gehen, scheinen
sie darzutun, dass zwischen der Zunahme der für das erste Lernen nötigen
Wiederholungen und der Zunahme der durch sie jedesmal bewirkten inneren
Festigkeit der Reihen nicht etwa Proportionalität besteht. Weder die
absoluten noch die relativen Arbeitsersparnisse schreiten in derselben
Weise fort wie die Anzahlen der Wiederholungen; jene vielmehr merklich
schneller, diese merklich langsamer. Man darf also nicht im genauen Sinn
der Worte sagen: je häufiger eine Reihe heute wiederholt werden mußte,
um auswendig hergesagt werden zu können, desto mehr Wiederholungen
werden bei ihrer Repetition nach 24 Stunden gespart. Die obwaltende Gesetzmäßigkeit
scheint vielmehr verwickelterer Art zu sein, und ihre genauere Feststellung
bedürfte umfassenderer Untersuchungen.
Das Verhältnis der Wiederholungen für
das Lernen und das Repetieren der englischen Stanzen bedarf keiner Erläuterung.
Dieselben wurden am ersten Tage auswendig gelernt mit weniger als der Hälfte
der Wiederholungen, die für die kürzesten der untersuchten Silbenreihen
nötig waren. Sie erlangten aber dadurch eine so große Festigkeit,
dass für ihre Repetition am nächsten Tage verhältnismäßig
nicht mehr Arbeit erfordert wurde als für Silbenreihen von 24 Silben,
nämlich etwa die Hälfte des ersten Aufwandes.
§ 33. Einfluß des wiederholten Erlernens.
Wir fassen jetzt die Resultate für die sämtlichen
aufeinanderfolgenden Tage ins Auge. An jedem folgenden Tage ist die durchschnittliche
Anzahl von Wiederholungen für das Auswendiglernen einer bestimmten
Reihe geringer als an dem vorangegangenen. Diese Abnahme der für die
Herbeiführung der erstmöglichen Reproduktion jedesmal erforderlichen
Arbeitsleistungen ist bei den längeren Reihen, bei denen der erste
Aufwand groß ist, eine verhältnismäßig schnellere,
bei den kürzeren, bei denen der erste Aufwand kleiner ist, eine verhältnismäßig
langsamere. Dadurch nähern sich die für die verschiedenen Reihen
erforderlichen Anzahlen von Wiederholungen mehr und mehr. Bei den Reihen
von 24 und 36 Silben springt das schon vom zweiten Tage ab in die Augen;
vom vierten Tage ab fallen die Zahlen für beide Reihenlängen
geradezu zusammen. Und am fünften Tage sind sie auch den nach minder
schneller Abnahme noch erforderlichen Anzahlen von Wiederholungen für
das Lernen 12silbiger Reihen sehr nahe gerückt.
Eine einfache Gesetzmäßigkeit läßt
sich in diesen sukzessiv abnehmenden Arbeitserfordernissen nicht erkennen.
Die Quotienten der an zwei aufeinanderfolgenden Tagen nötigen Wiederholungen
nähern sich allmählich der Einheit. Werden die Wiederholungen
für das Hersagen nicht, wie in der Schlußtabelle des §
31 geschehen ist, abgezogen, sondern hinzugerechnet, so geschieht diese
Annäherung noch etwas rascher. (Bei den englischen Stanzen findet
sie überhaupt nur in diesem Falle statt.) Indes der Gang der Zahlen
läßt sich nicht durch eine einfache Formel beschreiben.
Eher ist dies der Fall, wenn man nicht die allmählich
abnehmenden Arbeitserfordenisse, sondern die ebenfalls allmählich
abnehmenden Arbeitsersparnisse in Betracht zieht.
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Von diesen Zahlenfolgen bilden zwei, nämlich
die zweite und vierte Reihe, mit großer Annäherung abnehmende
geometrische Progressionen mit dem Exponenten 0,5. Sehr geringe Änderungen
der Zahlen würden genügen, um die Übereinstimmung vollständig
herzustellen. Auch die Reihe No. l würde noch durch mäßige
Änderungen in eine geometrische Progression mit dem Exponenten 0,6
verwandelt werden können. Dagegen würde man, um aus No. 3 ebenfalls
eine geometrische Progression zu gewinnen (deren Exponent dann etwa ein
Drittel sein würde), schon einen groben Fehler in den Untersuchungsresultaten
annehmen müssen.
Wenn nicht für alle, so kann man also doch
für die Mehrzahl der gefundenen Resultate den Zusammenhang, in dem
sie stehen, so formulieren: wurden sinnlose Silbenreihen oder Strophen
eines Gedichtes an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen jedesmal bis zur
erstmöglichen Reproduktion auswendig gelernt, so bildeten annähernd
die sukzessiven Differenzen der dazu erforderlichen Wiederholungen abnehmende
geometrische Progressionen. Bei Silbenreihen verschiedener Länge waren
die Exponenten dieser Progressionen kleiner für die längeren,
größer für die kürzeren Reihen.
Da gerade die hier besprochenen Versuche, wenn sie
auch im einzelnen nicht zeitraubender sind als die anderen, doch verhältnismäßig
sehr viele Versuchstage beanspruchen, so sind die einzelnen Zahlen Mittelwerte
aus je einer ziemlich geringen Anzahl von Beobachtungen. Ob also die in
den bisherigen Resultaten annähernd verwirklichte einfache Gesetzmäßigkeit
bei einer Wiederholung oder weiteren Ausdehnung der Versuche Stich halten
würde, kann ich hier noch weniger sicher sagen, als anderswo. Ich
begnüge mich, auf sie aufmerksam zu machen, ohne sie irgendwie besonders
akzentuieren zu wollen.
§ 34. Einfluß der einzelnen Wiederholungen.
Die Fragestellung des gegenwärtigen Abschnitts
ist, wie schon gesagt wurde, nahe verwandt derjenigen des VIten
Abschnitts. In beiden Fällen wird der Einfluß zunehmender Anzahlen
von Wiederholungen auf die dadurch erzielte immer festere Einprägung
von Silbenreihen untersucht. Nur wurden dort die sämtlichen Wiederholungen
unmittelbar hinter einander vorgenommen, ohne Rücksicht darauf, ob
und wie das spontane Hersagen der Reihen durch sie erreicht wurde; hier
waren sie über mehrere aufeinanderfolgende Tage verteilt, und für
ihre Zumessung an die einzelnen Tage war die jedesmalige Erreichung der
erstmöglichen Reproduktion maßgebend. Haben nun die in beiden
Fällen gefundenen Resultate, wenigstens für meine eigene Individualität,
eine allgemeinere Gültigkeit, so wird man erwarten, dass sie, soweit
eine Vergleichung möglich ist, auch mit einander harmonieren. D. h.
man wird erwarten, dass auch hier, so wie es oben gefunden wurde, die Wirkung
der späteren Wiederholungen (also derjenigen des IIten,
IIIten u. s. w. Tages) zuerst ungefähr eben so groß
ist wie diejenige der früheren, um weiterhin mehr und mehr abzunehmen.
Eine genauere Vergleichung ist nun allerdings
nicht möglich. Zunächst haben die Reihen des VIten
Abschnitts und die jetzt besprochenen verschiedene Länge. Dann aber
wäre das, worauf es ankommt, die abgesonderte Ermittelung des reinen
Einflusses der an den einzelnen Tagen stattfindenden Wiederholungen, nur
durch Annahmen möglich, die an sich plausibel sein möchten auf
Grund der vorliegenden Daten, aber wegen der Unsicherheit dieser Daten
allzu anfechtbar bleiben würden.
Wir fanden z. B., dass neun 12silbige Reihen an
sechs aufeinanderfolgenden Tagen gelernt wurden mit 158, 109, 75, 56, 37,
31 Wiederholungen. Der Effekt der ersten 158 Wiederholungen ist hier unmittelbar
gegeben in den 109 Wiederholungen des zweiten Tages, resp. in der Differenz
158–109. Aber wenn wir nun weiter den reinen Effekt dieser hinzugetretenen
109 Wiederholungen wissen wollen, die durch sie allein bewirkte Ersparnis
am dritten Tage, so dürfen wir diese nicht einfach in der Differenz
109–75 erblicken. Wir müßten vielmehr wissen, mit wieviel Wiederholungen
(x) die Reihen am dritten Tage gelernt worden wären,
wenn am zweiten Tage gar keine Wiederholungen stattgefunden hätten,
und hätten dann in der Differenz x–75 die abgesonderte
Wirkung der tatsächlich vorgenommenen 109 Wiederholungen. Da das Vergessen
vom zweiten zum dritten Tage etwas fortschreitet, so würde x
etwas größer sein als 109. Ebenso müßten wir zur
Ermittelung des weiteren Einflusses der 75 Wiederholungen des dritten Tages
irgendwoher erfahren können, mit wieviel Wiederholungen (y)
Reihen, die am ersten Tage 158 mal, dann am zweiten Tage 109 mal wiederholt
wurden, am vierten Tage auswendig gelernt worden wären. Die Differenz
y–56
ergäbe dann das Maß jenes Einflusses u. s. f. Für die Ermittelung
von x würden die Untersuchungen des VIIten
Abschnitts einen gewissen Anhalt liefern. Dort ergab sich, dass bei 13silbigen
Reihen das nach 24 Stunden Vergessene zu dem nach 2 ´
24 Stunden Vergessenen sich etwa verhält wie 66 : 72. Aber
die Benutzung dieses – noch dazu unsicheren – Verhältnisses würde
nur für die 12silbigen Reihen angehen und für die Berechnung
von y u. s. f. wäre damit auch nicht geholfen. Man könnte
höchstens annehmen, dass die dafür in Betracht kommenden Quotienten
der Einheit noch näher kämen.
Ich verzichte daher auf diese unsicheren Annahmen
ganz und teile einfach die Verhältnisse der sukzessive vorgenommenen
Wiederholungen zu den sukzessive hervortretenden Arbeitsersparnissen mit,
indem ich darauf aufmerksam mache, dass die vorauszusetzende reine
Wirkung der einzelnen Wiederholungen durch etwas größere und
vermutlich weniger divergierende Zahlen repräsentiert werden würde.
Zahl der
Silben
je Reihe |
Durch jedeWiederholung an den einzelnen Tagen wurden (in Bruchteilen ihres eigenen Wertes) 24 Stunden später folgende Ersparnisse erzielt | ||||
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Obwohl der Gang dieser (in ihren absohlten Werten,
wie gesagt, ungenauen) Zahlen nur bei den 24silbigen Reihen ein leidlich
regelmäßiger ist, paßt sein allgemeiner Charakter doch
überall ganz wohl zu dem, was man nach den Ergebnissen des vierten
Abschnittes erwarten sollte. Der Effekt der Wiederholungen ist zuerst (für
Tag I u. II) annähernd konstant, die durch sie erzielten Arbeitsersparnisse
wachsen also ziemlich lange proportional ihrer Anzahl; allmählich
wird die Wirkung eine geringere; und endlich, wenn die Reihen so fest sitzen,
dass sie nach 24 Stunden noch beinahe spontan hergesagt werden können,
zeigt sie sich sehr abgeschwächt. Die Resultate des vierten und die
des gegenwärtigen Abschnittes stützen sich also, soviel man erkennen
kann, gegenseitig.
Indes mache ich noch auf einen bemerkenswerten Unterschied
aufmerksam. Wir fanden oben (§ 25 Tab.), dass sechs 12silbige Reihen,
die zu einer bestimmten Zeit durchschnittlich 410 mal wiederholt worden
waren, 24 Stunden später nach durchschnittlich 41maliger Wiederholung
wieder auswendig hergesagt werden konnten. Für eine einzelne 12silbige
Reihe hatten demnach 68 unmittelbar aufeinanderfolgende Wiederholungen
den Effekt, dass am nächsten Tage das erste fehlerfreie Hersagen nach
7 Wiederholungen möglich wurde. Bei den gegenwärtigen Versuchen
mit Verteilung der Wiederholungen auf mehrere Tage trat derselbe Effekt
etwa am vierten Tage ein: neun 12silbige Reihen wurden mit 56 Wiederholungen
auswendig gelernt, jede Reihe also mit etwa 6 Wiederholungen. Aber die
zur Erzielung dieser Wirkung vorher nötig gewesene Anzahl von Wiederholungen
betrug für neun Reihen nur 158 + 109 + 75 = 342, für eine einzelne
Reihe also 38. Auf das Wiederlernen einer 12silbigen Reihe zu einer bestimmten
Zeit hatten demnach 38 Wiederholungen, in gewisser Weise auf die drei vorangegangenen
Tage verteilt, einen ebenso günstigen Einfluß wie 68 Wiederholungen,
die unmittelbar nacheinander am Tage vorher vorgenommen wurden. Macht man
hier der Unsicherheit der nur auf wenige Versuche basierten Zahlen selbst
die größten Konzessionen, so bleibt ihre Differenz immer noch
erheblich genug. Sie macht die Annahme wahrscheinlich, dass bei einer größeren
Anzahl von Wiederholungen eine angemessene Verteilung derselben über
einen gewissen Zeitraum bedeutend vorteilhafter ist als ihre Kummulierung
auf eine bestimmte Zeit. Das instinktive Verfahren der Praxis stimmt mit
diesem, hier nur für sehr beschränkte Bedingungen gewonnenen
Resultat überein: ein Schulknabe pflegt das Auswendiglernen seiner
Vokabeln und Regeln nicht auf einmal am Abend erzwingen zu wollen, er weiß,
dass er sie am nächsten Morgen nochmal einprägen muß; ein
Lehrer verteilt das Klassenpensum nicht gleichmäßig über
die ganze dafür zur Verfügung stehende Zeit, sondern reserviert
von vornherein einen Teil derselben für ein- oder mehrmalige Repetition.