Das Behalten und Vergessen als Funktion der Zeit.
§ 26. Erklärungen des Behaltens und Vergessens.
Alle Arten von Vorstellungen, die sich selbst überlassen
bleiben, werden allmählich vergessen. Der Tatbestand, den dieser Satz
bezeichnet, ist allgemein bekannt. Gruppen oder Reihen von Vorstellungen,
die wir zuerst leicht und lückenlos ins Bewußtsein zurückzurufen
vermochten, oder die von selbst häufig und in lebhaften Farben wiederkehrten,
stellen sich allmählich seltener und in abgeblaßterer Färbung
ein, können durch willkürliche Anstrengung nur mühsam und
bruchstückweise reproduziert werden. Nach längeren Zeiten pflegt
beides ganz aufzuhören, freilich nicht ohne seltsame Ausnahmen. Namen,
Gesichter, Kenntnisse und Erlebnisse, die seit Jahren vollständig
verloren schienen, stehen plötzlich, namentlich in Träumen, wieder
vor der Seele, mit allen Details und in großer Lebhaftigkeit, ohne
dass man auch nur vermutet, woher sie kommen, und wie sie es anfingen,
sich in der Zwischenzeit so gut verborgen zu halten.
Die Psychologen pflegen diese Tatsachen – je nach
dem Ganzen ihrer Ansichten – unter verschiedenen Gesichtspunkten aufzufassen,
die sich nicht vollkommen ausschließen, aber auch nicht vollkommen
mit einander harmonieren.
Die einen halten sich, wie es scheint, vorwiegend
an die auffallende Wiederkehr lebhafter Erinnerungsbilder selbst nach größeren
Zeiträumen. Sie nehmen an, dass von den Empfindungen, die durch Eindrücke
der Außenwelt erregt werden, abgeblaßte Bilder, "Spuren", zurückbleiben,
die zwar in jeder Beziehung schwächer, luftiger seien als ihre Empfindungsvorbilder,
aber in der Intensität, die sie nun einmal haben, ziemlich unverändert
und dauernd fortbestehen. Gegen die viel intensiveren und derberen Empfindungskomplexe
des wachen Lebens haben jene Phantasiebilder einen schweren Stand; aber
wo die ersteren ganz oder größtenteils fehlen, z. B. im Schlaf,
da herrschen sie um so unumschränkter. Dabei werden die früher
erworbenen Bilder mehr und mehr überlagert sozusagen und überschüttet
durch die späteren. Die Möglichkeit des Wiederhervortretens bietet
sich für jene also seltener und schwieriger. Wenn aber durch eine
zufällige und günstige Fügung der Umstände die angesammelten
Schichten einmal bei Seite geschoben werden, dann muß natürlich
noch nach beliebig langer Zeit das darunter Verborgene auch in seiner ursprünglichen,
ihm immer noch beiwohnenden Frische wieder erscheinen1).
2) Herbart und seine Anhänger. Siehe z. B. Waitz, Lehrbuch der Psychologie § 16.
Nach einer dritten Ansicht endlich ist es statt einer gradweisen Verdunkelung vielmehr ein Zerbröckeln in Teile und der Verlust einzelner Teile, in denen wenigstens bei zusammengesetzten Vorstellungen das Vergessen besteht. Die vorhin aushilfsweise herangezogene Vorstellung der Auflösung bestreitet hier alleine die Erklärung. "Das Bild eines zusammengesetzten Gegenstandes ist in unserer Erinnerung nicht darum dunkel, weil es mit der geordneten Gesamtheit aller seiner Teile vorhanden und nur im ganzen von einem schwächeren Lichte des Bewußtseins bestrahlt wäre; sondern es ist lückenhaft geworden; einzelne Teile fehlen ihm ganz; vor allem aber pflegt die genaue Verbindungsweise der noch vorhandenen zu mangeln und wird nur durch den Gedanken ersetzt, dass irgend eine Art der Verknüpfung zwischen ihnen stattgefunden habe; die Weite des Spielraums, innerhalb dessen wir, ohne uns entscheiden zu können, diese oder jene Verknüpfung gleich wahrscheinlich finden, bestimmt den Grad der Dunkelheit, den wir dieser Vorstellung zuschreiben3)."
3) Lotze, Metaphysik (1879) S. 521; auch Mikrokosmus31 S. 231 ff.
Jede dieser Auffassungen empfängt eine gewisse,
aber keine eine ausschließliche Unterstützung durch die tatsächlichen,
oder doch für tatsächlich gehaltenen, inneren Erfahrungen, die
sich uns gelegentlich darbieten. Und woran liegt das? Daran, dass diese
gelegentlich und direkt gewonnenen inneren Erfahrungen viel zu vage, oberflächlich
und vieldeutig sind, um in ihrer Gesamtheit nur eine einzige Interpretation
zu gestatten oder auch nur als überwiegend wahrscheinlich erscheinen
zu lassen. Wer vermöchte denn das vorausgesetzte allmähliche
Überschüttetwerden oder Sinken oder Zerbröckeln der Vorstellungen
in dem tatsächlichen Verlaufe dieser Allmählichkeit
auch nur einigermaßen exakt zu beschreiben? Wer weiß etwas
Befriedigendes zu sagen über die von Vorstellungsmassen verschiedenen
Umfangs ausgehenden Hemmungen, oder über die Auflockerungen, die ein
irgendwie festgefugter Komplex erleidet durch Verwendung seiner Bestandteile
in neuen Kombinationen? Mit einer "Erklärung" dieser Vorgänge
ist jeder für sich längst im reinen, aber das tatsächliche
Verhalten der Dinge, welches doch schließlich erklärt werden
sollte, ist uns allen in gleicher Weise unbekannt.
Und bei der Beschränkung auf die direkte Beobachtung
und die ihr gelegentlich sich bietenden brauchbaren Erfahrungen scheint
kaum eine Aussicht vorhanden, dass es hiermit besser werden könnte.
Wie will man etwa den zu einer bestimmten Zeit erreichten Grad der Verdunkelung
oder die noch übrige Zahl von Fragmenten bestimmen? Oder wie den vermutlichen
Fortgang der inneren Prozesse verfolgen, wenn die fast ganz vergessenen
Vorstellungen gar nicht mehr zum Bewußtsein zurückkehren?
§ 27. Untersuchung des tatsächlichen Verhaltens.
Mit Hilfe unserer Methode ist eine Möglichkeit
geboten, der Beantwortung der eben aufgeworfenen Fragen auf einem bestimmt
umgrenzten kleinen Gebiet indirekt näher zu treten und unter vorläufiger
Fernhaltung jeder Theorie eine solche vielleicht anzubahnen.
Die von der Einprägung einer Silbenreihe nach
bestimmter Zeit etwa noch vorhandenen verborgenen Dispositionen kann man
unterstützen durch abermaliges Auswendiglernen der Reihe, die übrig
gebliebenen Fragmente eben dadurch aufs neue zu einem Ganzen verbinden.
Die hierzu erforderliche Arbeit, verglichen mit derjenigen, die bei Abwesenheit
von Dispositionen und Fragmenten nötig war, gibt ein Maß für
das Verlorengegangene und das noch Vorhandene. Die von verschiedenartigen
und verschieden umfangreichen Vorstellungsmassen auf andere ausgeübten
Hemmungen müssen sich verraten, nach der Einschiebung verschiedener
wohldefinierter Vorstellungskomplexe zwischen Lernen und Wiederlernen,
dadurch, dass die Arbeit des Wiederlernens eine mehr oder minder erschwerte
wird. Die Auflockerung eines Verbandes durch anderweitige Verwendung seiner
Bestandteile läßt sich in ähnlicher Weise untersuchen,
indem man nach Einprägung gewisser Reihen neue Kombinationen derselben
Silben einprägt und immer zusieht, welche Änderungen dadurch
die Arbeit des Wiederlernens der ursprünglichen Kombination erleidet.
Ich habe von diesen Beziehungen zunächst die
an erster Stelle erwähnte einer Untersuchung unterworfen und die Frage
gestellt: wenn Silbenreihen einer bestimmten Art auswendig gelernt und
dann sich selbst überlassen werden, in welcher Weise werden sie, lediglich
unter dem Einfluß der Zeit, respektive des diese erfüllenden
alltäglichen Lebens, allmählich vergessen? Die Konstatierung
der erlittenen Verluste geschah in der eben angedeuteten Weise, dadurch
nämlich, dass die auswendig gelernten Reihen nach bestimmten zeitlichen
Intervallen abermals auswendig gelernt und die in beiden Fällen erforderlichen
Zeiten mit einander verglichen wurden.
Die bezüglichen Untersuchungen fallen in die
Jahre 1879/80 und umfassen 163 Doppelversuche. Jeder Doppelversuch besteht
in dem Lernen und dem nach einer bestimmten Zeit erfolgten Wiederlernen
von acht 13silbigen Reihen; mit Ausnahme von 38 Doppelversuchen aus der
Zeit von 11–12 U. Vorm., die nur je sechs Reihen umfassen. Das Lernen wurde
fortgesetzt, bis ein zweimaliges fehlerfreies Hersagen der betreffenden
Reihe möglich war. Das Wiederlernen geschah eben solange; es wurde
vorgenommen zu einer der folgenden 7 Zeiten, nämlich nach ca. 1/3
Stunde, ca. l Stunde, ca. 9 Stunden, l Tag, 2 Tagen, 6 Tagen oder 31 Tagen.
Die Zeiten wurden gemessen von Beendigung der ersten
Reihe des erstmaligen Lernens ab, wobei für die größeren
Intervalle natürlich keine ängstliche Genauigkeit nötig
war. Der Einfluß der letzten vier Zeiten wurde zu drei verschiedenen
(nämlich zu den § 16 erwähnten) drei Tageszeiten untersucht.
Der Mitteilung der gefundenen Resultate müssen
noch einige Bemerkungen vorangehen.
Für die nach ganzen Vielfachen von Tagen wiederholten
Reihen kann man im allgemeinen das Bestehen gleicher Versuchsumstände
voraussetzen. Jedenfalls hat man kein Mittel, den tatsächlichen Schwankungen
derselben, auch nach Herstellung möglichster äußerer Gleichheit,
anders zu begegnen als durch Vervielfältigung der Versuche. Wo daher
die innere Ungleichheit mutmaßlich am größten ist, für
den Zeitraum eines vollen Monats, habe ich die Zahl der Versuche etwa verdoppelt.
Bei einem Intervall von 9 Stunden dagegen und auch
noch von einer Stunde zwischen Lernen und Wiederlernen besteht für
beide eine merkliche konstante Differenz in den Versuchsumständen.
Mit den vorrückenden Tagesstunden nimmt die geistige Frische und Empfänglichkeit
mehr und mehr ab. Die am Vormittag gelernten und zu einer späteren
Stunde wiedergelernten Reihen erfordern also, abgesehen von allem anderen,
für dieses Wiederlernen mehr Arbeit, d. h. mehr Zeit, als wenn es
in einem Zeitpunkt ebensolcher Frische geschehen wäre wie das erste
Lernen. Die für das Wiederlernen gefundenen Zahlen müssen daher,
um vergleichbar zu werden, einen Abzug erleiden, der, wenigstens bei 8
Stunden, so bedeutend ist, dass man ihn nicht mehr vernachlässigen
kann. Man muß ermitteln, um wieviel länger es dauert, Reihen,
die zur Zeit A in a Sekunden gelernt wurden, zur Zeit B
zu lernen. Die genaue Bestimmung dieser Größe aber setzt
mehr Versuche voraus, als ich bisher besitze. Durch die Anbringung einer
notwendigen aber ungenauen Korrektion werden daher die für l und 8
Stunden gefundenen Zahlen noch etwas unsicherer als sie an sich schon sind.
Bei dem kleinsten Intervall von 1/3
Stunde kehrt derselbe Übelstand in abgeschwächter Form wieder,
wird aber vermutlich ausgeglichen durch einen anderen Umstand. Bei der
Kürze des ganzen Intervalls schloß sich hier das Wiederlernen
der ersten Reihe eines Versuchs ziemlich unmittelbar, nach Einschiebung
einer Pause von l–2 Minuten, an das Lernen der letzten Reihe desselben
Versuchs. Das Ganze bildet dadurch gewissermaßen einen zusammenhängenden
Versuch, bei dem also das Wiederlernen der Reihen unter allmählich
ungünstigere Bedingungen der geistigen Frische fiel. Andrerseits aber
geschah das Wiederlernen nach so kurzer Zeit noch ziemlich schnell; es
beanspruchte kaum die halbe Zeit des Lernens. Dadurch wurde das Intervall
zwischen dem Lernen und Wiederlernen bestimmter Reihen allmählich
etwas kleiner; die späteren Reihen traten also unter immer günstigere
Bedingungen des zeitlichen Intervalls. Bei der Schwierigkeit genauerer
Bestimmungen habe ich angenommen, dass sich diese beiden zu vermutenden
aber sich entgegenwirkenden Einflüsse annähend kompensieren.
§ 28. Resultate.
In den folgenden Tabellen bezeichnet
L die Zeit für das erstmalige Lernen der Reihen
in Sekunden, so wie sie gefunden wurde, also einschließlich der Zeit
für zweimaliges Hersagen.
WL die Zeit für das Wiederlernen der Reihen, ebenfalls
einschließlich derjenigen für das Hersagen.
WLk die erforderlichen Falls durch eine Korrektion reduzierte
Zeit für das Wiederlernen.
Ddie Differenz
L–WL, resp. L–WLk, also die bei dem Wiederlernen
gefundene Arbeitsersparnis.
Q das Verhältnis dieser Arbeitsersparnis
zu der für das erstmalige Lernen nötigen Zeit in Prozenten. Bei
Berechnung dieses Quotienten wurde nur die für das bloße Lernen
gebrauchte Zeit berücksichtigt, also die Zeit für das Hersagen
in Abzug gebracht4). Dieselbe wurde für
zweimaliges Hersagen von 8 dreizehnsilbigen Reihen mit 85 Sekunden berechnet,
was für jede Silbe einer Dauer von 0,41 Sek. entspricht. Es ist also .
Endlich bedeuten A, B, C die
mehrerwähnten Stunden: 10–11 V., 11–12 V., 6–8 N.
L | WL | D | Q |
1156 | 467 | 689 | 64,3 |
1089 | 528 | 561 | 55,9 |
1022 | 492 | 530 | 56,6 |
1146 | 483 | 663 | 62,5 |
1115 | 490 | 625 | 60,7 |
1066 | 447 | 619 | 63,1 |
985 | 453 | 532 | 59,1 |
1066 | 517 | 549 | 56,0 |
1364 | 540 | 824 | 64,4 |
975 | 577 | 398 | 44,7 |
1039 | 528 | 511 | 53,6 |
952 | 452 | 500 | 57,7 |
m 1081 | 498 | 583 | 58,2 |
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II. 63 Minuten. 16 Versuche. Das Lernen zur Zeit A, das Wiederlernen zur Zeit B. Zur Ermittelung des Einflusses dieser Verschiedenheit der Tageszeiten habe ich folgende Daten. Sechs 13silbige Reihen wurden zur Zeit B gelernt (also ohne Berücksichtigung der Zeit des Hersagens), im Mittel aus 39 Versuchen, in 807 Sekunden wm = 10). Ebenso viele Reihen derselben Art zur Zeit A, im Mittel aus 92 Versuchen, in 763 Sekunden (wm = 7). Die später gewonnenen Zahlen sind also um ca. 5% ihres eigenen Betrages zu groß gegen die früher gewonnenen. Man wird demnach die zur Zeit B durch Wiederlernen gefundenen Zahlen ebenfalls um 5% ihres Wertes verkleinern müssen, um sie den für das Lernen gefundenen vergleichbar zu machen.
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m 1106 |
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wm = l |
III. 525 Minuten. 12 Versuche. Das Lernen zur Zeit A, das Wiederlernen zur Zeit C. Der verschiedene Einfluß der beiden Tageszeiten berechnet sich so: acht 13silbige Reihen erforderten bei 38 Versuchen zur Zeit C 1173 Sek. (wm = 10); gleichartige Reihen bei 92 Versuchen zur Zeit A 1027 Sek. (wm = 8). Die erste Zahl ist um 12% ihres Wertes größer als die zweite; soviel habe ich daher auch von den zur Zeit C für das Wiederlernen gefundenen Zahlen in Abzug gebracht.
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m 1132 |
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wm = l |
IV. Ein Tag. 26 Versuche, davon 10 zur Zeit A, 8 zur Zeit B (hier wie überall mit nur je 6 Reihen), 8 zur Zeit C.
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Die zu den verschiedenen Tageszeiten gefundenen mittleren
Differenzen zwischen den Zeiten für das Lernen und denen für
das Wiederlernen sind den absoluten Werten nach ziemlich verschieden (natürlich
muß man bei B die Zahl 254 erst mit 4/3
multiplizieren, weil sie sich nur auf 6 Reihen bezieht). Die Verhältnisse
aber dieser Differenzen zu den Zeiten für das erste Lernen (die Q)
stimmen mit befriedigender Annäherung überein. Vereinigt man
daher sämtliche Q zu einem Gesamtmittel, so ergibt sich
Q = 33,7 (wm = 1,2).
V. Zwei Tage. 26 Versuche, und zwar 11 zur
Zeit A, 7 zur Zeit B, 8 zur Zeit C.
A
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Zusammenziehung der drei wiederum sehr nahe aneinander
fallenden prozentischen Mittelwerte ergibt für sämtliche 26 Versuche
Q = 27,8 (wm = 1,4).
VI. Sechs Tage. 26 Versuche, und zwar in
der Verteilung 10, 8, 8 auf die drei mehrgenannten Zeiten.
A
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Der Durchschnitt der sämtlichen 26 prozentischen
Arbeitsersparnisse beträgt 25,4 (wm = 1,3).
VII. 31 Tage. 45 Versuche, in der Verteilung
20, 15, 10 auf die Zeiten A, B, C.
A
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Durchschnitt der sämtlichen 45 prozentischen
Arbeitsersparnisse = 21,1 (wm = 0,8).
Wie ein flüchtiger Blick über die vorstehenden
Zahlen lehrt, haben für jedes Zeitintervall die bei dem Wiederlernen
der Reihen hervortretenden Arbeitsersparnisse (die also je ein Maß
sein sollen für das nach Ablauf der betreffenden Zeit noch Behaltene)
sehr schwankende Werte. Dies gilt namentlich von ihren absoluten Beträgen
(D ), aber auch von den Verhältniszahlen
(Q) Die Ergebnisse stammen eben aus der früheren Periode
der Untersuchungen und leiden unter allerlei störenden Einflüssen,
auf die ich erst durch die Versuche selbst aufmerksam wurde.
Trotz aller Unregelmäßigkeiten im einzelnen
aber gruppieren sie sich im ganzen mit befriedigender Sicherheit zu einem
in sich wohl zusammenstimmenden Bilde. Um dasselbe zu erkennen, sind die
absoluten Größen der ersparten Arbeiten weniger brauchbar.
Dieselben hängen offenbar von den Tageszeiten ab, d. h. von den durch
diese bewirkten Veränderungen in der Zeit für das erste Lernen.
Wo letztere am größten ist (Zeit C), sind
auch die D am größten, für die
Zeit B sind sie (nach Multiplikation mit 4/3)
dreimal unter vier Fällen größer als für die Zeit
A. Dagegen sind die für das Verhältnis der
jedesmaligen Arbeitsersparnis zu der ursprünglich aufgewandten Zeit
gefundenen Zahlen (Q) wie es scheint, annähernd
unabhängig von diesem Einfluß. Ihre Mittelwerte liegen für
alle drei Tageszeiten stets dicht beisammen und lassen keinen bestimmten
Charakter der Zu- oder Abnahme mit den späteren Stunden erkennen.
Ich stelle daher letztere zusammen:
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Nach Ablauf von x Standen |
war von den gelernten Reihen noch soviel behalten, dass bei ihrem Wiederlernen eine Ersparnis von Q Prozent der ursprünglichen Lernzeit erzielt wurde. |
wm |
Das bereits Vergessene war also äquivalent einer Arbeitsleistung von v Prozent der ursprünglich nötig gewesenen. |
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§ 29. Diskussion der Resultate.
l. Dass das Vergessen anfänglich sehr schnell
und weiterhin langsamer geschehe, wird man vermutlich behaupten, im allgemeinen
vorausgesehen zu haben. Indes dürfte sowohl die anfängliche Schnelligkeit
als die spätere Langsamkeit, so wie sich diese hier unter den bestimmten
Bedingungen unserer Experimente für eine bestimmte Individualität
und bei 13silbigen Reihen herausstellten, überraschen. Eine Stunde
nach Aufhören des Lernens war das Vergessen bereits soweit vorgeschritten,
dass über die Hälfte der ursprünglich aufgewandten Arbeit
erneuert werden mußte, ehe die Reihen wieder reproduziert werden
konnten; nach 8 Stunden betrug das zu Ersetzende fast 2/3
des ersten Aufwandes. Allmählich aber verlangsamte sich der Prozeß,
so dass selbst für größere Zeiträume die Verluste
nur eben noch sicher konstatierbar waren. Nach 24 Stunden haftete immer
noch etwa ein Drittel, nach 6 Tagen ein Viertel und nach Ablauf eines vollen
Monats noch ein reichliches Fünftel der erstverwandten Arbeit in seinen
Nachwirkungen. Die Abnahme dieser Nachwirkung während der letzten
Zeitintervalle ist augenscheinlich eine so langsame, dass sich unschwer
voraussagen läßt, eine völlige Verflüchtigung der
Effekte des ersten Auswendiglernens würde bei diesen Reihen, falls
sie sich selbst überlassen geblieben wären, erst nach sozusagen
unendlich langer Zeit zu konstatieren gewesen sein.
2. Am mindesten befriedigend an den gefundenen Resultaten
ist die geringe Differenz zwischen der 3ten und 4ten Zahl,
im Verhältnis namentlich zu der größeren zwischen der 4ten
und 5 ten . In dem Zeitraum von 9–24 Stunden müßte
darnach die Abnahme der Nachwirkung 2,1% betragen haben, in der Zeit von
24 bis zu 48 Stunden 6,1%; in späteren 24 Stunden daher etwa 3 mal
so viel als in früheren 15. Da nach allen übrigen Zahlen die
Abnahme der Nachwirkung mit zunehmender Zeit eine erhebliche Verzögerung
erleidet, ist ein solches Verhältnis nicht glaublich. Selbst nicht
unter Zuziehung der – übrigens plausibeln – Annahme, dass Nacht und
Schlaf, die den größeren Teil jener 15, aber den kleineren der
24 Stunden ausmachen, die Abnahme der Nachwirkung ganz besonders verlangsamen.
Man wird daher annehmen müssen, dass durch zufällige Störungen
einer dieser drei Werte besonders stark beeinflußt ist. Mit Rücksicht
auf andere Beobachtungen würde es gut passen, die Zahl 33,7% für
das Wiederlernen nach 24 Stunden als etwas zu groß anzusehen und
zu vermuten, dass sie bei genauerer Wiederholung der Versuche um l–2 Einheiten
kleiner ausfallen würde. Indes wird sie durch gleich mitzuteilende
Beobachtungen doch auch wieder gestützt, so dass ich eine Entscheidung
nicht geben kann.
3. Bei dem speziellen, individuellen und noch dazu
unsicheren Charakter unserer Zahlen wird man nicht gleich das "Gesetz"
zu wissen verlangen, welches in ihnen zur Erscheinung kommt. Immerhin ist
es merkwürdig, dass sich alle 7 Werte, welche eine Zeit von 1/3
Stunde bis zu 31 Tagen (also vom einfachen bis zum 2000fachen) umfassen,
mit leidlicher Annäherung einer ziemlich einfachen mathematischen
Formel einfügen lassen. Ich nenne
t die Zeit in Minuten, gerechnet von l Minute vor
Beendigung des Lernens,
b die bei dem Wiederlernen hervortretende Arbeitsersparnis,
das Äquivalent des von dem ersten Lernen her Behaltenen, ausgedrückt
in Prozenten der für dieses erste Lernen nötig gewesenen Zeit,
c und k zwei gleich zu bestimmende Konstanten.
Dann kann man schreiben
k = 1,84
c = 1,25
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beobachtet |
berechnet |
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Die Abweichungen der berechneten von den beobachteten
Zahlen gehen nur bei dem 2ten und 4ten Wert nennenswert
über die wahrscheinlichen Fehlergrenzen hinaus. Für den vierten
Wert sprach ich schon vorhin die Vermutung aus, dass die Versuche ihn vielleicht
etwas zu groß ergeben haben könnten; der zweite leidet durch
die Unsicherheit der angebrachten Korrektion. Durch die für t
getroffene Bestimmung hat die Formel den Vorteil, dass sie auch für
den Moment gilt, in dem das Lernen gerade aufhört (t =
l) und hier richtig b = 100 gibt. In dem Moment, in dem die
Reihen gerade hergesagt werden können, bedarf es natürlich für
das Wiederlernen gar keiner Zeit mehr, die Ersparnis ist also eben so groß
wie die aufgewandte Arbeit.
Löst man die Formel nach k auf,
so hat man
§ 30. Kontrollversuche.
Immerhin kann ich, allerdings immer nur für
meine eigene Individualität, zwei der mitgeteilten Werte einigermaßen
stützen durch Versuche, die zu anderen Zeitperioden angestellt waren.
Aus einer noch älteren Periode als der der
bisher mitgeteilten Untersuchungen besitze ich einige Versuche mit zehnsilbigen
Reihen, deren je 15 zu einem Versuch zusammengefaßt waren. Die Reihen
wurden erst gelernt und dann, jede Reihe durchschnittlich 18 Minuten nach
der Beendigung des Lernens, wieder gelernt. Sechs Versuche ergaben dabei
folgende Resultate:
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Bei dem Wiederlernen zehnsilbiger Reihen 18 Minuten
nach dem vorangegangenen ersten Auswendiglernen derselben wurden also 56%
der zuerst erforderlichen Arbeit gespart. Diese Zahl stimmt befriedigend
genug mit derjenigen, die sich oben (Tab.I) für das Wiederlernen
dreizehnsilbiger Reihen nach 19 Minuten herausgestellt hatte, nämlich
58%. Auch dass letztere, trotz der etwas längeren Zwischenzeit, doch
noch etwas größer ist, harmoniert, wie wir sehen werden, vollkommen
mit den Ergebnissen des nächsten Abschnitts, nach denen auswendig
gelernte kürzere Reihen etwas schneller vergessen werden als längere.
Aus der Versuchsperiode 1883/84 besitze ich 7 Versuche
mit je neun 12silbigen Reihen, die 24 Stunden nach dem ersten Auswendiglernen
wiedergelernt wurden. Dieselben ergaben folgende Zahlen:
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